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Thema: [RL] Rinz noch kleineres Kino um die Ecke - LoungeVol. 3

  1. #106
    Earth First! Avatar von Rinz
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    Molly's Game (2017, USA, Regie: Aaron Sorkin)

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    Handlung:

    Molly Bloom (Jessica Chastain) ist hochbegabt. Ob in der Schule oder im Sport – wenn sie etwas erreichen will, dann schafft sie es auch. Eine hochgradige Skoliose droht ihre Karriere als Skiläuferin im Alter von 13 Jahren zunichte zu machen, doch Molly's Willenskraft ist enorm – trotz Metallgestänge im Rücken schafft sie es, zu den besten Freestyleathletinnen der Welt zu gehören. Nicht nur ihr eigener Ehrgeiz treibt sie an – ihr hartherziger und fordernder Vater, der Psychologe Larry Bloom (Kevin Costner) ist gleichzeitig ihr Trainer. Kurz vor den Olympischen Spielen endet Mollys Profilaufbahn jäh. Ein kleiner Zweig schlägt ihr die Bindung auf, direkt vor einem großen Sprung. Sie verliert einen Ski und die Balance, ein Horrorsturz, den sie nur mit viel Glück ohne Querschnittslähmung überlebt. Die Profikarriere und der Traum von Olympiagold ist jedoch vorbei.

    So muss sie andere Wege finden, um ihr geplantes Jurastudium zu finanzieren und nimmt in Los Angelos ein Jobangebot eines chronisch vor der Pleite stehenden Geschäftsmannes an. Teil des Jobs ist es, ihn bei der Veranstaltung von Pokerrunden zu unterstützen. Nicht irgendwelche Pokerrunden, sondern sehr prominent besetzte Runden. Hollywoodgrößen, Investmentbanker, Profisportler und stinkreiche Geschäftsleute spielen Texas Hold'em mit sehr hohen Einsätzen.
    Ihre Rolle sind zunächst nur organisatorischer Art – wie Buch zu führen über die „Re-Buy-Ins“. Das Trinkgeld das sie dafür bekommt kann sich sehen lassen. Sie versteht schnell worum es geht und führt ihre Rolle perfekt aus.
    Als ihr „Chef“ beginnt ihr zu mißtrauen und sie ausbooten will, dreht sie den Spieß um und macht sich selbst zum Gatekeeper. Nach dessen Retourkutsche zieht sie nach New York und setzt dort alles auf eine Karte: fast ihr gesamtes Erspartes geht in die Miete einer gehobenen Hotelsuite. Sie engagiert zielbewußt verführerisches weibliches Personal und lässt in der Szene das Gerücht einer High-Roller-Runde streuen – einer Runde mit einer sagenhaften Viertelmillionen Dollar-Buy-In. Der Plan geht auf, die High Society beißt an und in kürzester Zeit wird Molly Bloom zu einer Legende – sie wird zur „Poker-Prinzessin“, der Veranstalterin der exklusivsten Pokerrunde New Yorks, der USA, ja sogar weltweit.
    Doch bei allem Erfolg, trotz tadellosem Rufs bei den Spielern und jederzeit legaler Buchführung macht sie auch schwerwiegende Fehler – sie fängt an Drogen zu nehmen, sie lässt anschreiben und sie wird zu sorglos, was die Vertrauenswürdigkeit ihres Klientels angelangt...


    Bewertung:

    Die Story wird in einer Rahmenhandlung erzählt, zu Beginn des Films wird Molly von einem Großaufgebot des FBI verhaftet. Während sie sich einen Anwalt sucht und sich auf die Gerichtsverhandlung vorbereitet, erfährt der Zuschauer die Vorgeschichte.
    Molly Blooms Geschichte ist eine wahre Geschichte – sie selbst schrieb die dem Film zugrundeliegende Biographie. Es ist eine der Stories, die typisch erscheinen für das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ - eine Story die den klassischen amerikanischen Traum verkörpert.
    Und doch ist „Molly's Game“ auch mehr, es ist ein Sozialdrama, ein Pyschogramm einer jungen Frau, die als Tochter zu Höchstleistungen getrimmt wird statt einfach nur bedingungslos geliebt zu werden. Eine Frau, die schwere Rückschläge wegsteckt, ihr Schicksal in die eigene Hand nimmt und schließlich von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Eine grandiose Geschichte, in der man beiläufig Einblicke in eine Welt bekommt, von der wir ansonsten nur die Fassade sehen.

    Großartig auch Idris Elba in der Rolle des Rechtsanwalts, der Molly vor Gericht vertritt.
    Nach „The Social Network“ und „Steve Jobs“ ist „Molly Bloom“ Aaron Sorkins dritte Filmbiografie.
    Ich mag nicht den Begriff „Biopic“ verwenden, denn er ist bekackter, angliszistischer Abkürzungsmüll.

    Müll dagegen ist „Molly's Game“ nun wirklich nicht - alles in allem hat der Regisseur (u.a. auch „Eine Frage der Ehre“, „Der Krieg des Charlie Wilson“,„Moneyball“) hier einen weiteren, sehenswerten Film inszeniert, der nicht nur Pokerliebhaber begeistern dürfte.


    Abschließende Bewertung: 7,75
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    Ich denke, also bin ich hier falsch.

  2. #107
    The Greater Fool Avatar von Tronde
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    Schöne Bewertung, der Film steht bei mir ja auch auf der Liste. Alleine Sorkin hat hierfür ausgereicht.

    Wichtig ist allerdings, das kann man missverstehen wenn man deinen Beitrag liest, "Mollys Game" ist das Regiedebut von Sorkin. Bei den anderen, namenhaften, Filmen die du aufgezählt hast, war er für das Drehbuch verantwortlich.
    my love, I cannot tell you how thankful I am for our little infinity. I wouldn't trade it for the world. You gave me a forever within the numbered days, and I'm grateful.”

  3. #108
    Earth First! Avatar von Rinz
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    Thx Tronde.
    Mein Konzept war es für dieses Jahr, nur die wirklich überzeugenden Filme ausführlich zu bewerten und den weniger überzeugenden lediglich einen Kurzkommentar zu widmen. Nun ist es jedoch so, daß nahezu durch die Bank alle meine Kinobesuche sehr lohnenswert waren, was dazu führt, daß ein gehöriger Stau von nachzureichenden Kritiken entstanden ist. Da wären u.a. immer noch: Das Schweigende Klassenzimmer, Ein Mann seines Wortes, Wackersdorf, Ballon. Fällt euch etwas auf? Alles deutsche Filme, allesamt überzeugende Produktionen.
    Und da steht immer noch aus Goodby Christopher Robin - ein packendes englisches Antikriegsdrama, das fast ohne Kriegsszenen auskommt.
    Meine nächste Besprechung handelt ebenfalls von einem britischen Film, der deutsche Titel heißt: "Deine Juliet".
    Ich denke, also bin ich hier falsch.

  4. #109
    Earth First! Avatar von Rinz
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    Deine Juliet (The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society , UK 2018)


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    Handlung:
    Der Schatten des zweiten Weltkriegs hat sich kaum gelegt, doch die englische Schriftstellerin und Journalistin Juliet Ashton (Lily James) scheint auf der Sonnenseite des Lebens. Ihre Werke werden gut angenommen, ihr Verleger ist ihr Manager und Lebensberater in einem und hält ihr den Rücken frei. Als ihr wohlhabender und gutaussehender amerikanischer Verehrer ihr einen Heiratsantrag macht, scheint ihre Lebensplanung so gut wie abgeschlossen.
    Doch ganz so einfach macht es ihr das Schicksal nicht und ganz so kitschig wie es sich anhören mag verläuft auch die weitere Handlung nicht.

    Es ist das Jahr 1946, ein Briefwechsel mit einem Lesezirkel namens „Club der Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf" lässt ihrer neugierigen Natur keine Ruhe. Sie beschließt, diesem Buchklub einen Besuch abzustatten und fährt auf die kleine Insel Guernsey, die - mitten im Ärmelkanal gelegen - während des 2.Weltkriegs von den Deutschen besetzt wurde.
    Sehr bald wird ihr klar, daß ihr Instinkt sie tatsächlich zu einer guten Story geführt hat, mit einem vermeintlich harmlosen Wochenendbesuch ist es auf Guernsey jedenfalls nicht getan. Nicht alle sind über ihren Besuch erfreut, und nach und nach erfährt sie auch den Grund dafür.
    Ohne darüber nachzudenken wird sie unweigerlich hineingezogen in die Lebensgeschichten aller fünf Mitglieder jenes sonderbaren Lesezirkels. Es ist nicht zuletzt auch die gemeinsame Leidenschaft für Literatur, die es ihr nicht zulässt, wieder abzureisen, ohne dem traurigen Geheimnis auf die Spur gekommen zu sein. Der Schlüssel dazu liegt in der deutschen Besatzung – aber er ist anders geformt als man vermuten mag....


    Bewertung:
    Im Englischunterricht sollten wir „Sturmhöhe“ lesen („Wuthering Heights“, der einzige Roman von Emilie Brontë). Habe ich natürlich nicht gemacht, weil sicher uninteressanter Weiberkram, weil ganz bestimmt kitschig. Möglicherweise ist mir da ein Stück ganz und gar unkitschige Weltliteratur entgangen. „Sturmhöhe“ spielt auch in diesem Film eine Rolle, denn es wir mehr als einmal daraus vorgelesen oder zitiert.
    Und ich gebe offen zu, daß ich aus freien Stücken auch nicht in diesen Film gegangen wäre. Der Trailer hat mich so rein gar nicht angemacht, die Story riecht einfach nach Weiberkram, belanglose Gefühlsduselei halt.

    Aber manchmal wird man halt auch positiv überrascht. „Deine Juliet“ überzeugt von Beginn an mit einer pointiert und griffig erzählten Geschichte (Romanvorlage von Mary Ann Shaffer). Lily James (Baby Driver, Die dunkelste Stunde, Mamma Mia 2) verkörpert einen unwiderstehlichen Charme und macht in erster ersten großen Hauptrolle alles richtig und das Setting ist ohnehin überragend. Die schroffe und zugleich wunderschöne Landschaft der Kanalinseln (es wurde auf Guernsey gedreht) wird bestens eingefangen.
    Und was das eigentliche Pfund dieses filmischen Kleinods angeht: Noch nie hat es ein Regisseur/eine Inszenierung geschafft, mich derart behutsam und sanft in eine Geschichte mit großem Tiefgang hineinzuführen. Muss man bei anderen gelungenen (Liebes-)Dramen mit stossweise und unkontrolliertem Einsatz von Taschentüchern rechnen, kann man es hier ab 2/3 des Films einfach getrost laufen lassen. Es hört sich kitschig an und die enthaltende Liebesgeschichte bedient auch tatsächlich wie befürchtetet sämtliche kitschigen Klischees, aber „Deine Juliet“ ist dennoch ein wunderschöner und sehr gelunger Film.

    Abschließende Note: 8,0
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    Ich denke, also bin ich hier falsch.

  5. #110
    The Greater Fool Avatar von Tronde
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    Danke, klingt sehr interessant. Lily James mag ich ja sehr gerne, kenne sie aus der Serie "Downton Abbey" und aus den Filmen "Die dunkelste Stunde" (hier von mir bewertet) und "Baby Driver" (hier von mir bewertet).

    Wenn du bei den Filmen die du noch bewerten musst eine Reihenfolge möchtest , mich würde am meisten "Das schweigende Klassenzimmer" interessieren.

    Da fällt mir ein, ich hätte auch noch zwei Filme zu bewerten
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  6. #111
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    Wo bleibt das Review zu Meine Cousine Rachel?

  7. #112
    The Greater Fool Avatar von Tronde
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    Die Frage wurde bereits beantwortet.
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  8. #113
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    Aber nicht zufrieden stellend. Warum sollte Juliet mehr Wert sein wie Rachel?

  9. #114
    Earth First! Avatar von Rinz
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    Who the fuck is Rachel?
    Ich denke, also bin ich hier falsch.

  10. #115
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    Meine Cousine! Meine Cousine Rachel! Verflucht nochmal!

  11. #116
    Earth First! Avatar von Rinz
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    Ach so! Rachel!
    Wow, Okay, ich will sehen was ich da machen kann
    Ich denke, also bin ich hier falsch.

  12. #117
    Earth First! Avatar von Rinz
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    Ballon (Michael Bully Herbig, D, 2018)

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    Handlung:
    Sommer 1979. In der thüringischen Kleinstadt Pößneck haben zwei Familien einen geradezu furiosen Plan ausgeheckt: sie planen die Flucht aus der DDR mit einem selbstgebauten Heißluftballon. Der Ballon ist fertig, man hat es tatsächlich geschafft, die Planung und den Bau vor der allgegenwärtigen Stasi geheimzuhalten und alles was es noch braucht ist ein Wind aus Nordrichtung, so daß man es über die deutsch-deutsche Grenze ins Oberfränkische schafft. Doch als der Moment kommt bekommt Günter Wetzel plötzlich kalte Füsse. Er, der den Ballon eigenhändig genäht und gemeinsam mit seinem Freund Peter Strelzyk konstruiert hat, erkennt nach seinen letzten Berechnungen, daß der Ballon nicht groß genug ist, um sicher 8 Menschen tragen zu können.
    So beschließt die Familie Strelzyk, die Flucht alleine zu wagen. Fast unbemerkt fahren sie nachts zum ausgesuchten Startplatz, der Start gelingt und in der Kälte und Dunkelheit der Nacht beginnt das bange Warten - 40 Minuten, so hatte man ausgerechnet, muss das Gas reichen, dann sollte man auf „der sicheren Seite“ herunterkommen.
    Leider, weil der Ballonstoff unerwartet nicht wasserabweisend war, saugt sich das Fluchtgefährt in den Wolken mit Kondenswasser voll und stürzt mit den frierenden Strelzyks früher als erhofft herunter - nur wenige Hundert Meter vor dem Grenzstreifen...

    Doch Glück im Unglück – ihr Fluchtversuch bleibt fast unbemerkt, sie gelangen zu Fuß und mit der Bahn im Morgengrauen zurück zum Auto und damit nach Hause. Während in der Folge ein gutes Dutzend Stasimitarbeiter unter der Führung von Oberstleutnant Seidel (Thomas Kretschmann) die Ermittlungen aufnehmen, ist bei den Strelzyks Ernüchterung eingekehrt. Sie waren so dicht davor! Und nun? Gibt es einen anderen Weg raus aus der Enge des für sie erdückenden DDR-Systems? Eine Flucht über Ungarn?
    Es ist der Jüngste, der es schließlich ausspricht, das Unaussprechliche: „Wir könnten doch noch mal 'nen Ballon bauen?“

    Ein größerer Ballon heißt mehr Aufwand, mehr Arbeit, mehr Stoff und somit noch mehr Risiko aufzufliegen für die Strelzyks und die Wetzels, 4 Erwachsene und 4 Kinder. Ihr Vorteil: sie wissen nun wie es geht und sie wissen, daß sie sich aufeinander verlassen können. Ihr Nachteil: Die Staatsicherheit hat längst Lunte aufgenommen, ist ihnen auf der Spur. Besonders heikel die Beschaffung von Hunderten Meter wasserdichtem Stoff – jede kleinste Unachtsamkeit könnte fatal sein. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Und als wäre dieser Wettlauf nicht schon spannend genug, ist Strelzyk's Junior auch verliebt, Verständlich zwar, denn Klara ist ausnehmend attraktiv, aber muss es denn ausgerechnet die Tochter des Nachbarn von Gegenüber sein, die Tochter jenes quicklebendigen und umtriebigen Erik Baumann, der bekanntermaßen für die Stasi arbeitet?



    Bewertung: Daß Michael „Bully“ Herbig es drauf hat, das wissen wir alle. Aber kann er auch „Ernsthaft“?
    Yes he can! „Ballon“ punktet nicht nur durch dank der filmreifen „realen“ Vorlage, er ist tatsächlich auch ein solider, packender Kinofilm geworden.
    Dabei erfindet Herbig den Thriller nicht neu - im Gegenteil. Man bekomt das Gefühl, hier wollte jemand zeigen, daß er einem Genre gewachsen ist, bei dem es maßgeblich und vor allem auf schnörkellose, handwerklich saubere Arbeit ankommt. Unlogik oder flüchtige Fehler wird man bei „Ballon“ vergeblich suchen.
    Auch der Cast fällt nicht ab. Durch die Bank alle Schauspieler agieren hier auf sehr hohem Niveau, besonders hervorzuheben sind neben Friedrich Mücke alias Peter Strelzyk auch die beiden Kinder der Strelzyks,verkörpert von Thomas Holdenrieder (19) und Tilman Döbler (12) – von beiden wird denke ich noch viel zu hören sein.
    Tragend und perfekt besetzt und ist die Rolle des Gegenspielers, dem Stasi-Jäger Seidel - Hollywood-Nebenrollen-Routinier Thomas Kretschmann (u.a. Das Piano, Blade 2, Resident Evil, Avengers) – bemerkenswert, was dieser ehemalige Spitzensportler (Schwimmer im DDR-Olympiakader) in seiner „zweiten Karriere“ für eine Leinwandpräsenz hat.

    Die Filmmusik von Ralf Wengenmayr erinnert in ihrem düster-kraftvollem, akzentuiertem Sound an Hans Zimmer und bemüht sich erfolgreich darum, der nahezu durchgängigen Hochspannung noch den einen oder anderen Höhepunkt zu verschaffen.
    Sie schafft es dadurch obendrein, das aus meiner Sicht einzige Manko zu überspielen – es gibt so gut wie keine Atempause. Bully Herbig streut zwar (sparsam) den einen oder anderen Gag ein und lässt auch der Liebesgeschichte ihren Raum – aber mehr als nur kurze Verschnaufpausen gönnt er uns nicht. Zwar sitzt jede einzelne seiner zahlreichen Suspense-Nummern, doch treibt er es mit jener klassischen Alfred-Hitchcock-Masche nach meinem Geschmack eine Spur zu weit, weniger wäre hier mehr gewesen.

    Insgesamt jedoch ein rundes, absolut packendes Gesamtpaket – zudem mit dem Bonus von anschaulichem deutsch-deutschem Geschichtsunterricht, was will man mehr!


    Abschließende Bewertung: 8,5
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  13. #118
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    25 km/h (Regie Markus Goller, D 2018)

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    Handlung:
    Christian (Lars Eidinger) ist Geschäftsmann, ein umtriebiger Kosmopolit, einer der viel in der Welt unterwegs ist, viel Geld verdient und sich nie Zeit die nimmt, mal durchzuschnaufen – kurz, er ist ein Kind unserer Zeit. Die Kontakte zu seiner Familie hat er vor langer Zeit abgebrochen. Als sein Vater in seinem Heimatort im Schwarzwald beerdigt wird, kommt er (natürlich) nicht rechtzeitig, darüberhinaus hat er gleich am nächsten Tag schon wieder einen vollen Terminkalender.
    DasLeben seines Bruders Georg (Bjarne Mädel) ist dazu der komplette Gegenentwurf. Er ist Tischler geworden, hat sein Heimatdorf nie verlassen und den am Ende schwerkranken Vater bis zum Tod gepflegt. Als Christian mitten in die Begräbniszeremonie platzt und eine defekte Bahnschranke als Entschuldigung anführt, unterbricht Georg seine Grabrede und ringt seinen einst so geliebten Bruder zu Boden – vor den ungläubigen Gesichtern der Trauergemeinde...

    Später am Abend kommen sich die beiden Brüder allmählich näher – und greifen gemeinsame Leidenschaften aus Jugendzeiten wieder auf: Saufen und Tischtennisspielen. Vermeintlich nur aus einer Bierlaune heraus versucht Christian, Georg zu der augenblicklichen Umsetzung eines Jugendtraums zu überreden: Mit dem Mofa an die Ostsee. Doch Georg ist skeptisch. Zu tief sitzt die Enttäuschung, daß sich Christian nie mehr zuhause gemeldet hat. Zu sehr liebt er seinen Bruder, als nochmal das Risiko einzugehen, erneut enttäuscht und vom ihm verlassen zu werden. Doch in dem Moment, wo sie die Mofas tatsächlich zum Laufen bringen, die jahrzehntelang in der Scheune verstaubten, sind die Bedenken verflogen – zumindest vorerst. Mit einer offiziellen Durchschnittsgeschwindigkeit von 25km/h und dem Vorsatz, alle ihrer damals beschlossenen fünf goldenen Regeln umzusetzen, starten die beiden Brüder mit ihren Begräbnisklamotten zu einer abenteuerlichen Reise, noch in der Nacht.

    Bewertung: 25km/h ist mehr als nur ein Road-Movie und es ist auch mehr als „nur“ das erste kommeziell erfolgreiche deutsche Mofa-Road-Movie. Es macht aus einem äußerst reduziertem Plot das Maximum, es ist nicht nur ein höchst unterhaltsamer und amüsanter Film, sondern bewegendes, packendes Gefühlskino, ein Film der elementare Fragen des Lebens anpackt ohne überdreht zu wirken. Das alleine ist schon eine gute Leistung. Darüberhinaus sorgen ein überzeugendes Drehbuch, eine starke Bildführung, ein erste-Sahne-Soundtrack sowie mit Bjarne Mädel und Lars Eidinger absolut hochklassige Hauptdarsteller, daß dieser Film tatsächlich schon nahe an ein Meisterwerk herankommt. 25 km/h beschreibt einfach sensationell gut das Lebensgefühl meiner Generation und er ist auch einfach „ein geiler Film“, er spielt eine Liga über “Wir können auch anders“ und hat mindestens die Klasse und den Esprit wie „Im Juli“. Der Film hat – zumindest was meine Post-68er-Generation angeht - das Zeug zu einem zeitlosen Kultklassiker.

    Einziger Wehrmutstropfen ist zwar nur ein kleines Detail, verrät aber leider, daß bei den Dreharbeiten kein echter Badener dabeigewesen sein kann: Denn das unvergleichliche Kultbier des Schwarzwalds, das 0,33l-Tannenzäpfle von Rothaus, trinkt man zwar tatsächlich und korrekt umgesetzt aus der Flasche, aber nicht ohne zuvor die störende goldglänzende Alufolie entfernt zu haben. Das geschieht im Allgemeinen sofort beim Öffnungsvorgang, mit einer einzigen fließenden Handbewegung - jeder Badener Biertrinker bekommt diese Handbewegung im Traum hin. Wer diesen Grundsatz mißachtet, hat irgendwann im Verlaufe des Trinkvorgangs Folienreste im Mund – das muss ja nicht sein!
    Aber ansonsten: für mich der beste Film des Jahres bislang!

    Bewertung: 8,75
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  14. #119
    Earth First! Avatar von Rinz
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    Bohemian Rhapsody (UK/USA 2018, Regie Brian Singer)



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    Handlung:
    Im London der frühen 70er-Jahre kommen Roger Taylor, Brian May, John Deacon und Farokkh „Freddie“ Bulsara zusammen und gründen die Rockband „Queen“. Freddie – der sich fortan Mercury nennt – schafft es, die Band dank seines einmaligem Show-und Gesangstalents bekannt zu machen. Queen bekommen einen gutdotierten Plattenvertrag und 5 Jahre nach ihrer Gründung schreibt Mercury mit „Bohemian Rhapsody“ den Song, mit dem Queen zum ersten Mal an die Spitze der englischen Charts stürmen und 9 Wochen dort bleiben. Weitere 5 Jahre später sollte ihr 25-minütiger Auftritt der phantastische Höhepunkt des legendären Live Aids-Konzerts werden, des gigantischsten Benefizkonzerts aller Zeiten.
    Die dazwischenliegenden 10 Jahre Bandgeschichte spiegelt der Film wieder – vor allem aber zehn Jahre aus dem Leben eines der schillernstern Rockstars aller Zeiten – mit ihren Höhen und natürlich auch nicht ohne Tiefen.


    Bewertung:

    Als ich den Trailer sah, dämpften sich meine Erwartungen, denn Mercury-Darsteeller Rami Malek enstprach ganz und gar nicht meine Vorstellung der Ikone Freddie Mercury. Freddie Mercury war in meiner Erinnerung ein Athlet, ein Tier, ein Gewinner, er hatte eine Aura des Selbtbewußtseins und Stärke um sich – was will man denn mit diesem Hänfling, dachte ich – und vor allem, wie kann man dieser treuherzig verträumt aus der Wäsche schauenden halben Portion nur dieses völlig überzogene, hoffnungslos überproportierte Kunstgebiss verordnen, man gibt ihn doch nur unnötig der Lächerlichkeit preis?

    Doch das lässt sich sagen: Lächerlich hat sich Rami Malek in diesem Streifen nicht gemacht – im Gegenteil. Sein Pferdegebiss mag deplaziert wirken, seine physische Präsenz mag nicht ansatzweise an die des „echten Freddie Mercury“ heranreichen– doch dafür hat Malek andere Stärken, und diese fallen ins Gewicht. Malek kann darstellerisch überzeugen, insbesondere dann, wenn er seine Figur in die Schattenseiten des Ruhms und der großen Bühne führt, den sanften, suchenden, liebenden, verzweifelten und sehsuchtsvollen Rockstar. Und er lässt sich von seinen Schauspielerkollegen genau so tragen wie sich Freddie Mercury von seinen Bandkollegen tragen ließ. Und das ist das entscheidende Erfolgsrezept dieses Films und der Grund warum diesen Film vermutlich sehr viele Menschen mögen werden: die vier Darsteller der Bandmitglieder haben eine wunderbare Chemie - sie fangen auf magische Art und Weise den Charakter von Queen ein - stellvertretend für Millionen von Bands die nicht so begnadet waren/sind wie Queen, genauso hingebungsvoll, streitbar und ambitioniert: Hier werden weitaus mehr als nur vier zusammenarbeitende Musiker gezeigt, Queen sind – auch wenn sie das im Film mehrfach dementieren - eine Familie, und an diesem Geist der Familie lassen sie uns Kinozuschauer intensiv teilhaben. Ob es die Bandproben sind, die Verhandlungen mit ihrem Management, die Erlebnisse auf Tour – wir werden hier sehr intim und gleichzeitig humorvoll in das Innenleben einer großartigen Band geführt, untermalt von einer Reihe phantastischer Queen-Songs.
    Eine Offenbarung ist hier Gwilym Lee, der „mit Matte“ Brian May nicht nur verblüffend ähnlich aussieht sondern so authentisch wirkt – und das mit einer beiläufig selbsverständlicher Perfektion - daß es einem fast unheimlich ist. Mit ruhiger, unpratenziöser Art lässt er den großartigen Gitarristen Brian May als denjenigen erscheinen, der er wohl auch war: der „heimlichen“ Bandleader, der ausgleichende Charakter und in sich ruhende Gegenpol zur schillernden Figur des hochbegabten Freddie Mercury.

    Kein Nebenszenario sondern Kernthema des Films sind Mercurys Liebesbeziehungen zu seiner Gefährten Mary und seiner dornigen Entdeckungsreise zu seiner Homosexualität, aber dank der Vielfalt dieses Kinoerlebnisses, dank des insgesamt klugen Timings der Inszenierung und nicht zuletzt auch dank Maleks emotionalem Spiel gerät dieser Handlungsstrang ohne an Bedeutung zu verlieren bemerkenswert kurzweilig.

    Höhepunkt und Herzstück des Films ist die Entstehungsgeschichte und Aufnahme des opulenten und wohl größten Queen-Hits Bohemian Rhapsody – dem wohl ersten kommerziell erfolgreichen Rocksongs mit Opernelementen.

    Dramaturgisch wird der Zuschauer jedoch mit langer Hand auf einen anderen Höhepunkt geleitet. Entgegen der tatsächlichen Historie führten uns die Drehbuchautoren und Regisseur Brian Singer in ein Szenario, in dem Freddie Mercury nach einer Intrige seines persönlichen Managers mit seinem nahezu gesamten Umfeld gebrochen hatte und keinerlei Kontakt mehr zu seinen Weggefährten pflegte. Tatsächlich jedoch haben sich Queen nie getrennt, tatsächlich hatten alle Bandmitglieder (und nicht nur Freddie Mercury) zwischenzeitlich Soloprojekte und tatsächlich bedurfte es keinerlei dramatischen Wendungen und Überredungskünste, um Queen zu ihrem orgiastisch-pänomenalem Auftritt bei Live Aid zu veranlassen. Diesen Auftritt als „Playback-Show“ mit den Darstellern nachzustellen war ebenso ärgerlich wie unnötig, hier hätte man auf die brillianten Originalaufnahmen zurückgreifen können und müssen!
    Dies waren nicht die einzigen „dramaturgische Kunst- und Fehlgriffe“, das Drehbuch nahm es mit so einigen tatsächlichen Ereignissen und deren Chronologie nicht sehr genau. Brian Singer verließ die Dreharbeiten vorzeitig, warum ist nicht bekannt. Jedoch merkt man dies der insgesamt runden Inszenierung nicht an. Brian May war einer der Produzenten, er selbst hat der "Playback-Show" zugestimmt, insofern braucht man hier wohl nicht päpstlicher zu sein als der Papst – denn die Hauptsache ist gute Unterhaltung.

    Und gute Unterhaltung ist dieser Film allemal und er nimmt – was besonders zählt - ein sehr breites Publikum mit. Die chronologisch-historischen Ungenauigkeiten werden zwar nicht allen eingefleischten Queenfans gefallen und sicher auch viel Kritik bei den traditionell anspruchsvollen Musikjournalisten hervorrufen. Aber für das „einfache Kinopublikum“ (zu dem ich mich dazuzähle) ist dieser Film ein tolles, beseeltes und anrührendes Kinospektakel, bei dem (Musik-)Kritiker vermutlich die Nase rümpfen, aber ich persönlich nur sagen kann: beste Unterhaltung und muss man gesehen haben!

    Abschließende Bewertung: 8,5
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    Ich denke, also bin ich hier falsch.

  15. #120
    25 Jahre verheiratet Avatar von Papa Bear
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    Danke für diesen beiden letzten Reviews, Rinz!

    Wir waren vor Kurzem mit der Familie im Kino und haben uns dort dann aufgeteilt: die Mama mit der Tochter in Bohemian Rhapsody und der Papa mit dem Sohne in 25 KM/h (Queen war auch in der Jugend nie so "meins" ).

    Hast Du zufällig auch "Aufbruch zum Mond" schon gesehen bzw. planst sogar ggf. eine Rezension? Der steht am kommenden Wochenende bei uns auf dem "Familienkinoprogramm". Und diesmal gehen wir auch wieder alle in den gleichen Film
    Aktuelles RL-Projekt: PV-Anlage + E-Auto

    Heimkinobau-RL-Story

    Eine Runde Nostalgie...

    Wie kam der Papa zum FCB? Des Rätsels Lösung

    Star Wars Episode I-III doch irgendwie nachvollziehbar? Wie der Papa das sieht

    Zitat Zitat von Klipsch-RF7II
    "Streaming ist für die breite Masse und denen ist HDR piepschnutzegal. Wenn man denen HDR erklärt, verstehen sie eh' nur Bahnhof"

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