Am Wendepunkt des Charaktersegens ist es an der Zeit für mich, noch einmal zurückzublicken und zu sehen, in welcher Folge man meine Fehlentscheidungen in der Geschichte fühlen kann. Am Anfang stand gleich der größte: Im Kern hätte die Handlung um die antiken Katzenmenschen von Nechoria kreisen müssen, doch ich überschätzte meine Möglichkeit, diesen eine interessante Identität im Stegreif aus dem Ärmel zu schütteln…
… oder nein, genauer gesagt: Ich scheiterte daran, deren Aufstieg und Fall vernünftig gegliedert zu erzählen.
Im Kern ist sie nämlich durchaus da: Die Katzenmenschen lebten einst als funktionierende offene (Stammes-)Gesellschaft aus kleinen Kindern. Dann kam eine mächtige Zauberin mit ihren eigenen Aufträgen und Ambitionen zu ihnen und brachte sie dazu, sich in Machtstrukturen zu organisieren, ein Reich zu bilden und eine rege Bautätigkeit zu beginnen. Sie verbringt lange Zeit im Zentrum und ist irgendwann hin und her gerissen von der Faszination zu einem Mädchen, das den oktroyierten Pfad zur Zivilisation nicht mitging, und dem Druck der anderen Zauberer, in ihren Schutzbefohlenen nichts anderes als Machtmittel zu sehen. Schließlich verlieren alle: Sie muss sich eingestehen, dass ihre Erziehung ihrem Volk die Seele raubte, ihre ihrer überdrüssig gewordenen Mitzauberer ermorden sie und der Großteil ihres Reiches versinkt in den Fluten. Nun existiert nur noch ein Splitter ihrer Seele gebunden an den Tempel und erwacht, als eine junge Stammes-Katzendame eine Gruppe Interessierter in die Ruinen ihres verschwundenen Reiches hineinführt.
…
… Darum soll es hier jedoch nicht gehen.
Als ich dann noch während des Schreibens merkte, dass mein Zentrum dem Druck nicht standhielt, wollte ich mit Diskussionen über die Heimatwelt der Charaktere Seiten füllen, was sich aber bei der Gruppenzusammenstellung als nur schwer möglich erwies (Wer kann schon gegenüber der feindlichen Haltung der Stadt den Katzenmenschen gegenüber den Advocatus Diaboli mimen, also jenseits von Samus’ „Das fällt schwer zu glauben“?). Nach einem kurzen Liebäugeln mit rot scheinendem Horror kam ich, das weiß ich noch, auf einen letzten Gedanken, den ich nicht mehr umsetzte: Ich spielte mit dem Gedanken, einen Schurken einzuführen, einen Offiziellen aus der Hauptstadt, der den Charakteren nachreist.
Das Problem daran lag schon damals auf der Hand: Bisher hatte ich vom Palast gerade einmal das Tor und die Eingangshalle eingeführt. Ein Katz-und-Maus-Spiel hätte mangels Platz und durch die Protagonisten-Ohnmacht ein schnelles Ende gefunden.
Nun ist diese Spielumsetzung eine ganz andere Geschichte und da es hier ja ohnehin um Erzählstrukturen geht, kann ich den Gedanken aufgreifen. Wenn es also im Kern um eine Gruppe Heranwachsender geht, die sich auf ein Abenteuer begibt und dabei ein anderes Gesellschaftsmodell als ihre Einheitskultur kennen lernt, welches Monster stellt sich ihnen in den Weg?
Es muss zuallererst ein Erwachsener sein. Anschließend wird er der Stadt entstammen und ein Profiteur des Systems sein, was ihm ermöglicht, Reden zu dessen Verteidigung zu schwingen. Mein erster Impuls wäre es, dabei auf Tarrins Vater zurückzugreifen, da er bereits zu diesem und zu Srrt’vai Verbindungen aufweist, doch würde mir dies unpassend erscheinen. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass er seine Kontakte zum Militär nutzt und die Reise in den Urlaub diesen überlässt (dadurch würde der Schurke dann gleich Heer, Wirtschaft und Korruption in sich vereinen *muhaha*)…
… und da kommt mir auch gleich ein Gedanke: Hatte Andi nicht eine Militärvergangenheit? Er könnte den Spezialisten kennen, diente vielleicht unter ihm oder ist gar mit ihm verwandt? Es sollte sich nicht direkt um seinen Vater handeln, da das ihm als Nebenfigur zuviel Gewicht verleihen (und ihn darüber hinaus zu weit entschuldigen, was ja nicht gewünscht ist, handelt es sich doch bei Andi um einen Rivalen), ein Schwager oder Cousin hingegen würde einen hübschen Mix aus Familientreue und Entscheidungsspielraum aufweisen.
So steht zumindest schon das Gerüst: Bei unserem Schurken handelt es sich um einen Berufssoldaten in den Dreißigern, der von einem geschmierten Offizier auf eine geheime Mission in den Urwald des militärische Sperrgebiets gesandt wurde, die niemals in den Berichten erscheinen wird. Er mag einige Zeit in einer der Spezialeinheiten verbracht haben, doch so langsam nähert er sich dem Ende seiner aktiven Dienstzeit und muss sehen, wo er bleibt – zumal er mit Andis Schwester verheiratet ist und bereits Vater wurde. Für ihn steht also viel auf dem Spiel und er wird zu Beginn auf sanften Druck setzen, um die Clique vom Mitkommen zu überzeugen, doch er wird letztlich nicht über dieses Ziel verhandeln.
Am Anfang erscheint dieser somit als ein handzahmer Wolf, doch das kann sich ändern, sollte die Lage eskalieren oder er weiter unter Druck geraten. Es könnte etwa geschehen, dass er Srrt’vai erschießt, denn… natürlich kann er das und sie erzählte selbst, wie wenig ihresgleichen in der Stadt gilt. Nach vergossenem Blut wäre die Dynamik gleich eine ganz andere. (Es könnte jedoch auch sein, dass seine Vorgesetzten Wind von dem Alleingang enthalten und eine Vertuschung befehlen oder dass er durch Feychoris’ Visionen in den Wahnsinn getrieben wird.)
Allerdings möchte ich nicht verschweigen, dass es sich bei dem korrupten Kommandosoldaten wieder um ein Klischee handelt und dass der Charakter zumindest scheinbar mehr Tiefe erhielte, wenn es sich dabei um eine Soldatin handeln würde. Leider besteht meine Charakterriege bereits überwiegend aus Frauen, sodass ich das Konzept für einen Mann absegne (mit dem Wissen, dass ihm das, obgleich in der wirklichen Welt verheiratet, ein Los für den Fleischmarkt beschert).
Ein Name bietet sich ebenfalls an, da mir bei der Kommentierung dieser Geschichte in der Ghalerie ein Fehler unterlief.
“Anthros, benannt nach dem Cithoren im Orkkrieg.“
Anthros/Andi verdankt seinem Namen dem Fluss Anthor, der durch die einstigen ostelfischen Provinzen fließt. Der Fürst der Elfenprovinz Cithor aus der Zeit der Orkkriege hieß Vithros… alias Vito? Klingt doch hübsch. (Ich werde ihm auch Andis Nachnamen verpassen und der Frage ausweichen, ob er diesen als Vetter immer schon führte oder als Schwager übernahm. Beide Möglichkeiten böten ihren Reiz.)
Dass er seine Familie liebt (also theoretisch daheim oder praktisch-neu im Wunderland), liegt auf der Hand, doch darüber hinaus ist er noch „böse“ (weil Schurke und so). So mag er sich mit der halben Gruppe arrangieren können, doch Tarrin und Srrt’vai werden stets seine Gegner sein.
Zuletzt fehlt noch ein Nachteil… und wie wäre es mit „schlaflos“ aufgrund des ganzen Drucks? Wenn er erst in der Eskalation sein Schurkentum verrät, dann muss man ihm doch dabei helfen, dort anzukommen.
Am Ende bieten sich für diesen Spion (denn klassentechnisch handelt es sich um einen) zwei Möglichkeiten an. Er kann eher in Richtung Autorität (leider ohne Macht über seine Schulterfarbe)...
... oder Mann der Tat tendieren.
Ich entscheide mich für Letzteres und wähle das Grün durchaus absichtlich als Kontrast zum Rot der Gruppe. Dann bezieht er sein Quartier noch hinter der Empfangshalle und am gegenüberliegenden Ende des Palastes von Andi.
Ich glaube, rollenspielerisch wird es sich um einen Gefangenentrakt handeln.