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Thema: Fragen zur Geschichte

  1. #991
    Registrierter Benutzer Avatar von Talamar
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    Zitat Zitat von Xenoom Beitrag anzeigen
    Warum scheint er Sieg der Deutschen im Deutsch Französischen Krieg so leicht gewesen zu sein, im Vergleich zu anderen frühen modernen Kriegen (Sezessionskrieg, Krimkrieg, Russisch Osmanischer Krieg)?
    Zwar wurden die wichtigen Faktoren alle bereits genannt.
    Aber ich möchte noch einmal auf die Schlachten selbst eingehen.

    Bei zahlreichen Schlachten kann man folgendes Muster sehen:
    Franzosen eher defensiv vertrauen auf ihre besseren Gewehre und eher Traditioneller Art Schlachten zu schlagen. In der Anfangsphase rücken die Deutschen vor und nehmen einige tausend Mann Verluste in Kauf, häufig doppelt so viele wie die Franzosen. Dann haben sie aber Schlüsselstellungen eingenommen oder gar den Gegner umfasst.
    Nun können sie ihre Vorteile ausspielen, im Bereich der Artillerie sind sie deutllich überlegen. Die Franzosen haben die Wahl aufzugeben oder chancenlos zu sterben. Hunderttausende ergeben sich. Allein in Metz und Sedan gingen je über 100.000 Franzosen in Gefangenschaft.
    Es scheint so gesehen ein relativ "unblutiger" und "einfacher" Krieg zu sein, da es im Verhältnis zu den besiegten Soldaten sehr wenig Tote gibt ähnlich wie in den späteren "Blitzkriegen". Dadurch wirkt es sicher als einfach.
    Es war also vom taktischem Verlauf ein sehr moderner Krieg, die Verluste waren nicht größer als im Westfeldzug von 1940 der im Nachhinein auch auch "sehr einfach" wirkte.

  2. #992
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    Zitat Zitat von Xenoom Beitrag anzeigen
    Warum scheint er Sieg der Deutschen im Deutsch Französischen Krieg so leicht gewesen zu sein, im Vergleich zu anderen frühen modernen Kriegen (Sezessionskrieg, Krimkrieg, Russisch Osmanischer Krieg)?
    Ich denke es scheint nur so. Der Krieg war, besonders im Vergleich zum Sezessionskrieg, schnell entschieden und von daher wirkt der Sieg sicherlich leicht obwohl er es eigentlich nicht war. Jedenfalls nicht im Sinne von einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit für ein so schnelles Ende mit "relativ" wenigen eigenen Verlusten.

    Ich denke hier wurden die wichtigsten Erfolgsfaktoren angesprochen, dennoch habe ich das Gefühl, dass sich ein etwas falsches Bild von den damaligen Vorgängen bilden könnte.

    Aus meiner Sicht war der fehlende/ nicht umgesetzte „Plan B“, wie hier auch schon angesprochen (siehe Großadmiral Thrawn), der Schlüssel zur (schnellen) französischen Niederlage. Die französischen Armeen agierten nach dem raschen Scheiterns des „Plan A“ quasi auf sich gestellt und ohne zusammenhängende Führung. Somit gab es speziell am Anfang eine lokale Überzahl der „deutschen“ Truppen, die insbesondere zum raschen Ausschalten der franz. Rheinarmee führte. Diese kapitulierte übrigens erst rund 2 Monate nach der Schlacht von Sedan. Das koordinierte Vorgehen der deutschen Verbände war hier sicherlich der Schlüssel zum Erfolg. Es war nicht immer reibungslos, aber es hat eben ausgereicht hat um diesen Trumpf auszuspielen.

    Die Schlachten sind aus meiner Sicht ,obwohl erwartet und forciert, oft eher zufällig entstanden. Die deutsche Feindaufklärung in diesem Zusammenhang muss oft als mangelhaft bezeichnet werden. Man könnte viele Schlachten als „Zufallsgefechte“ bezeichnen. „Typisch“ ist daher ein oft ungestümes deutsches Vorgehen unter Verkennung der eigentlichen Lage und hohen Verlusten , welches die Französischen Truppen zwar lokal kurzfristig stoppen aber mangels taktischer (und strategischer) Reserven nicht kontern konnten.

    Die Schlacht bei Mars-la-Tour veranschaulicht dies sehr gut.
    Das deutsche III. Korps greift aus seiner Sicht die Nachhut einer französischen Armee (Rheinarmee) an, um dann festzustellen, dass es doch noch 3 bzw. 4 französische Korps sind und nicht die Nachhut.
    Den Franzosen gelingt es aber auch nicht, trotz der enormen Überlegenheit, die Situation zu nutzen. Nachrückende deutsche Truppen verwandeln die Schlacht in ein „Patt“ und damit in einen strategischen Sieg, da sich die Rheinarmee nun nicht mit den anderen französischen Armeen/Verbänden vereinigen kann.

    Es folgt Gravelotte wo die die Franzosen zwar ihre Trümpfe (u.a. Wahl des Geländes, Chassepotgewehr) ausspielen können und den deutschen Verbänden herbe Verluste zufügen, aber gegen die jetzt zahlenmäßige Überlegenheit der deutschen Verbände nichts ausrichten können. Die franz. Rheinarmee muss sich letztlich in Metz einschließen, belagern lassen und wegen Erschöpfung und Aussichtslosigkeit (Ende Oktober 1870) ergeben. Ca. 142.000 Französische Soldaten gehen in die Gefangenschaft.(Siehe Talamar). Durch die Belagerung beginnt zudem auch das strategische Kräfteverhältnis zu kippen, besonders als die eher widerwilligen "Entsatzkräfte" unter Mac-Mahon (und Napoleon III.) bei Sedan geschlagen werden.
    Die angespannte innenpolitische Lage tut dann sicherlich auch noch ihr übriges.

    Wie Talamar schon schrieb, wirkt es einfach auf uns. Dies war es aber sicherlich nicht, jedenfalls nicht ohne "den" schweren französischen Fehler.
    (Auch Mansteins Sichelschnitt wirkt leicht, war er aber auch nicht.)
    Ich würde daher den fehlenden/ nicht umgesetzten „Plan B“ des Französischen Kaiserreichs und das „Glück des Tüchtigen“ stärker in den Fokus rücken.
    Insgesamt war eben der „Deutsche Bund“ besser vorbereitet (siehe auch Des Pudels Kern und Jon Snow) und vor allem die Truppenführer "entschlossener".
    Man hat im eigentlichen Krieg letztlich die Fehler des französischen Kaiserreichs sehr schnell und hart ausgenutzt.

    Nur meine persönliche Wahrnehmung die keinerlei Anspruch auf Richtigkeit hat.

    PS:
    Die Mitrailleuse ist ein gutes Beispiel.
    Technisch sehr innovativ, jedoch abgesehen von Einzelfällen wie Gravelotte selten wirkungsvoll eingesetzt.
    Die Einsatzgrundsätze (als „Artilleriewaffe“) verhinderten einen wirkungsvollen Einsatz , da man die Waffe wohl zu weit hinter der Front positionierte und somit die Wirkung „im Ziel“ stark nachließ. Zu dem gab es einfach zu wenige, die Bedienungsmanschaften waren schlecht ausgebildet und durch die Geheimhaltung waren selbst die französischen Truppenführer wenig über die Waffe informiert. Das oftmals schnelle Ausschalten durch die deutsche Artillerie tat ihr übriges. Für diese Waffe kam der Krieg zu früh bzw. die Waffe zu spät für den Krieg, wie man es eben sehen möchte.

  3. #993
    Moltkefan Avatar von Menelor
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    Zitat Zitat von Xenoom Beitrag anzeigen
    Warum scheint er Sieg der Deutschen im Deutsch Französischen Krieg so leicht gewesen zu sein, im Vergleich zu anderen frühen modernen Kriegen (Sezessionskrieg, Krimkrieg, Russisch Osmanischer Krieg)?
    Aber der entscheidenste Grund war natürlich die Genialität des Chefs des deutschen Generalstabs


  4. #994
    Sozialschmarotzer Avatar von Rince Wind
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    Ich glaube goethe hatte damals besseres zu tun als Krieg zu spielen.

  5. #995
    Moltkefan Avatar von Menelor
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    Ich überfliege gerade ein deutsches Geschichtsbuch aus dem Jahre 1890. Es geht um die Zeit 1870. Der Autor stellt als großen Feind der deutschen Einheit neben den Franzosen auch den "jesuitlich dressierten Papalismus" dar. Als Begründung nennt er das vatikanische Konzil, welches irgendwie gegen die deutsche Einheit gerichtet gewesen sein soll Kann mir da jemand den Zusammenhang erklären?

  6. #996
    Unbekannter Nr 17984 Avatar von Walahan
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    Zitat Zitat von Junky Beitrag anzeigen
    Warum wird der US-Präsident nicht Suzerän von Valetta? Dann kann er sich seine Mauer mit Glauben kaufen!

  7. #997
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    Es ging um den angeblichen Kampf der Katholiken gegen die innere Einheit des Reiches. Bereits Bismarck war es ein Gräuel gewesen, dass jemand in religiöser Hinsicht einen Ausländer zum Oberhaupt und damit aus seiner Sicht eine geteilte - also unsichere - Loyalität hatte. Aus diesem Klima heraus begann er auch den bereits erwähnten Kulturkampf. In den Kreisen um Wilhelm II. waren diese Vorurteile noch viel verbreiteter. Das galt auch für die Historiker an den Universitäten, wo man für Lehrstühle normalerweise nur Protestanten in Betracht zog (da die Katholiken wegen ihrer Bindung an Rom angeblich nicht zu einer objektiven, nationalen Geschichtsschreibung imstande waren). Gerade um 1890 verstärkte sich bei der Hofelite zudem die Sorge, die katholischen Nuntien würden an den süddeutschen Höfen, insbesondere in Bayern, gegen das Reich intrigieren und ein Bündnis mit Österreich und Frankreich gegen Preußen vorbereiten.

    Einige Historiker (nicht nur, aber besonders auch im Gefolge des offiziellen Hofhistorikers Heinrich von Treitschke) betrachteten auch die Reichsgründung durch die Brille ihrer Vorurteile und behaupteten (echte Quellen dazu gab es natürlich nicht), dass die Jesuiten zwischen 1866 und 1870 versucht hätten, ein Bündnis aus Italien, Frankreich, Österreich und den süddeutschen Staaten zu bilden und so Preußens historische Mission zu untergraben. Möglicherweise bezieht sich das von dir gelesene Werk auf diese relativ verbreitete Theorie.

  8. #998
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    hm... wobei er ja meint wieso der Vatikan etwas dagegen hatte und nicht wieso die protestantischen Preußen etwas gegen Katholiken hatten.

    Ich glaube die Ursache lag im HRE. Damals forderten wiederholt deutsche Kaiser den Papst heraus. Bekanntestes Beispiel ist Barbarossa. Zudem bestand die Gefahr das damit die vorherrschende Macht in Europa eine protestantische Nation würde. Bisher war Frankreich und Spanien als katolische Bollwerke neben Österreich-Ungarn da. Doch mit dem Aufstieg Deutschlands wäre Deutschland unangefochtene Großmacht geworden.

    Deswegen drohte Frankreich um 1870 auch mit Krieg, wenn (wie von den Spaniern gewollt!) der deutsche Kaiser die Thronfolge des spanischen Throns angenommen hätte. Leopold von Hohenzollern sollte neuer Herrscher Spaniens werden.

    Und deswegen konnte Bismarck Frankreich auch in den Krieg von 1870/71 zwingen. Frankreich musste reagieren um seine Vormachtstellung unter Beweis zu stellen. Bismarck hingenen provozierte ihn, mit dem Ziel die deutschen Staaten zu einen, was ja auch passierte. Deswegen erklärte Frankreich auch den Krieg an den Norddeutschen Bund ehe es mobilisiert hatte. Und war dann angesichts der sehr schnellen Mobilisierung der deutschen Staaten überrascht und von der feuerkraft ihrer Artillerie. Die Folge kennen wir.

  9. #999
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    Ne eigene Frage:

    Wieso ist die Bevölkerung Frankreichs so niedrig?

    Deutschland hat eine doppelt so hohe Bevölkerungsdichte. War aber ursprünglich komplettes Waldland. Frankreich war fruchtbares Land.

    Spanien ist klar, wegen der Wasserknappheit und der Katastrophe des napoleonischen Krieges von der sie sich nie wirklich erholten. Frankreich müsste gemessen an der Bevölkerungsdichte Englands oder Deutschlands 150-200Mio. Einwohner haben. Tatsächlich haben sie jedoch lediglich 67Mio.

  10. #1000
    Altes Mann Avatar von goethe
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    weil die Franzosen klug sind, 7,5 Milliarden sind nun wirklich genug


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  11. #1001
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    Zitat Zitat von nordstern Beitrag anzeigen
    hm... wobei er ja meint wieso der Vatikan etwas dagegen hatte und nicht wieso die protestantischen Preußen etwas gegen Katholiken hatten.

    Ich glaube die Ursache lag im HRE. Damals forderten wiederholt deutsche Kaiser den Papst heraus. Bekanntestes Beispiel ist Barbarossa. Zudem bestand die Gefahr das damit die vorherrschende Macht in Europa eine protestantische Nation würde. Bisher war Frankreich und Spanien als katolische Bollwerke neben Österreich-Ungarn da. Doch mit dem Aufstieg Deutschlands wäre Deutschland unangefochtene Großmacht geworden.

    Deswegen drohte Frankreich um 1870 auch mit Krieg, wenn (wie von den Spaniern gewollt!) der deutsche Kaiser die Thronfolge des spanischen Throns angenommen hätte. Leopold von Hohenzollern sollte neuer Herrscher Spaniens werden.

    Und deswegen konnte Bismarck Frankreich auch in den Krieg von 1870/71 zwingen. Frankreich musste reagieren um seine Vormachtstellung unter Beweis zu stellen. Bismarck hingenen provozierte ihn, mit dem Ziel die deutschen Staaten zu einen, was ja auch passierte. Deswegen erklärte Frankreich auch den Krieg an den Norddeutschen Bund ehe es mobilisiert hatte. Und war dann angesichts der sehr schnellen Mobilisierung der deutschen Staaten überrascht und von der feuerkraft ihrer Artillerie. Die Folge kennen wir.
    In dem von Menelor gelesenen Werk wird behauptet, der "jesuitlich dressierte Papalismus" (das ist ein Kulturkampfbegriff und bezieht sich auf die angebliche notorische Verlogenheit der Jesuiten) habe sich im Ersten Vatikanischen Konzil gegen die deutsche Einheit gewandt. Solange für diese Umtriebe keinerlei Belege existieren, ist es eigentlich müßig, Theorien darüber aufzustellen, weshalb das geschehen sein könnte. Man baut sonst nämlich eine Vermutung auf eine unbewiesene Behauptung auf, was natürlich nicht zu einem echten Erkenntnisgewinn führt.

    Die päpstliche Diplomatie war aber definitiv komplexer und nahm nicht bloß die Konfession einer Dynastie wahr. Hintergrund dieser Verbindung von Reichsgründung und Konzil durch den Historiker könnte auch einfach die Tendenz bestimmter kaiserzeitlicher Historiker sein, (wie es Jacob Burckardt ausdrückte) "die ganze Weltgeschichte von Adam her siegesdeutsch anzustreichen und auf 1870/71 hinzuordnen."

  12. #1002
    Rebellenschreck Avatar von Großadmiral Thrawn
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    Zitat Zitat von nordstern Beitrag anzeigen
    Ne eigene Frage:

    Wieso ist die Bevölkerung Frankreichs so niedrig?

    Deutschland hat eine doppelt so hohe Bevölkerungsdichte. War aber ursprünglich komplettes Waldland. Frankreich war fruchtbares Land.

    Spanien ist klar, wegen der Wasserknappheit und der Katastrophe des napoleonischen Krieges von der sie sich nie wirklich erholten. Frankreich müsste gemessen an der Bevölkerungsdichte Englands oder Deutschlands 150-200Mio. Einwohner haben. Tatsächlich haben sie jedoch lediglich 67Mio.


    Ich denke, dass verschiedene Faktoren hier eine Rolle spielen, bin aber kein Experte:


    • Dezentralisierung bedingt durch die vielen kleinen Herrschaften und Staatsgebilde im HRE => wir haben relativ viele "mittelgroße" Städte, die für die entsprechenden Fürsten als Hauptstadt fungieren und dann sehr schnell während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wachsen
    • Bevölkerungsballung im Ruhrgebiet (sehr viele Großstädte dicht zusammen, insg. 10 Millionen Menschen leben im Rhein-Ruhr-Gebiet)
    • Generell hat Deutschland einfach sehr viele Städte und v.a. viele Großstädte (ca. 80 Städte mit 100.000+ Einwohnern),
    • Mit den Migrationsbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg sind viele Deutsche, die östlich der Oder und als Minoritäten in Süd - und Osteuropa gelebt haben, in die Grenzen des heutigen Deutschlands gezogen
    • Immigration in die BRD, z.B. durch Gastarbeiter


    Gerade der vorletzte Punkt ist quasi als eine Art "Verdichtung" von Deutschland zu sehen, während früher die deutsche Bevölkerung sich auf ein vergleichsweise großes Gebiet (Deutsches Reich: "vom Rhein bis an die Memel") gestreut hat, wurde dies nach 1945 umgekehrt durch eine Art Ballung in "Kerndeutschland", v.a. in sehr vielen Städten. Insbesondere die hohe Dichte deutscher Großstädte dürfte entscheidend sein.

    Frankreich ist ja sehr stark auf Paris ausgerichtet, bedingt durch die Zentralisierung des französischen Staates auf die Île-de-France (große Agglomeration in der Größenordnung Rhein-Ruhr), aber dann gibt es nur noch glaube ich 10 andere Agglomerationen mit mehreren 100.000 Einwohnern, außerdem hat Frankreich nur ca. 40 Großstädte (also 50% weniger als Deutschland). Frankreich ist zudem auch größer als Deutschland, die Bevölkerung kann sich also mehr streuen (z.B. auf dem Land oder in kleineren Städten).

    Wobei man bei Frankreich aber auch hinzufügen sollte, dass Frankreich Immigrationsbewegungen aus den ehemaligen Kolonien (v.a. Afrika) unterliegt.
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  13. #1003
    Zurück im Norden
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    Zitat Zitat von nordstern Beitrag anzeigen
    Ne eigene Frage:

    Wieso ist die Bevölkerung Frankreichs so niedrig?

    Deutschland hat eine doppelt so hohe Bevölkerungsdichte. War aber ursprünglich komplettes Waldland. Frankreich war fruchtbares Land.

    Spanien ist klar, wegen der Wasserknappheit und der Katastrophe des napoleonischen Krieges von der sie sich nie wirklich erholten. Frankreich müsste gemessen an der Bevölkerungsdichte Englands oder Deutschlands 150-200Mio. Einwohner haben. Tatsächlich haben sie jedoch lediglich 67Mio.
    Ein bedeutsamer Faktor war sicher das Bevölkerungswachstum im 19. Jh. Das fiel in Frankreich minimal aus. Wenn ich es richtig im Kopf habe, hatte Frankreich um 1850 etwa 37 Millionen Einwohner und Anfang 1940 (als man für den Krieg eine Volkszählung durchführte) 40 Millionen. In Deutschland wuchs die Bevölkerung allein zwischen 1871 und 1914 von 41 auf 66 Millionen. Dadurch ist die Basisbevölkerung für das relativ stabile, aber langsamere Wachstum im 20. Jh. natürlich deutlich größer gewesen.

    Woran das lag, ist schwer zu sagen. Waren die Frauen selbstbewusster? Hatten Rentiers (die es in Deutschland kaum gab) weniger Interesse an einer großen Kinderzahl als Handwerker und Bauern, weil für sie kein Bedarf an zusätzlicher Arbeitskraft bestand? War die Kopfsteuer (die allerdings 1848 endgültig abgeschafft wurde) für kinderreiche Familien ein besonders großes Problem? Es handelt sich ja um die Summe persönlicher Entscheidungen, damit tut sich die Geschichtswissenschaft oft schwer.

  14. #1004
    Moltkefan Avatar von Menelor
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    Zitat Zitat von Jon Snow Beitrag anzeigen
    Es ging um den angeblichen Kampf der Katholiken gegen die innere Einheit des Reiches. Bereits Bismarck war es ein Gräuel gewesen, dass jemand in religiöser Hinsicht einen Ausländer zum Oberhaupt und damit aus seiner Sicht eine geteilte - also unsichere - Loyalität hatte. Aus diesem Klima heraus begann er auch den bereits erwähnten Kulturkampf. In den Kreisen um Wilhelm II. waren diese Vorurteile noch viel verbreiteter. Das galt auch für die Historiker an den Universitäten, wo man für Lehrstühle normalerweise nur Protestanten in Betracht zog (da die Katholiken wegen ihrer Bindung an Rom angeblich nicht zu einer objektiven, nationalen Geschichtsschreibung imstande waren). Gerade um 1890 verstärkte sich bei der Hofelite zudem die Sorge, die katholischen Nuntien würden an den süddeutschen Höfen, insbesondere in Bayern, gegen das Reich intrigieren und ein Bündnis mit Österreich und Frankreich gegen Preußen vorbereiten.

    Einige Historiker (nicht nur, aber besonders auch im Gefolge des offiziellen Hofhistorikers Heinrich von Treitschke) betrachteten auch die Reichsgründung durch die Brille ihrer Vorurteile und behaupteten (echte Quellen dazu gab es natürlich nicht), dass die Jesuiten zwischen 1866 und 1870 versucht hätten, ein Bündnis aus Italien, Frankreich, Österreich und den süddeutschen Staaten zu bilden und so Preußens historische Mission zu untergraben. Möglicherweise bezieht sich das von dir gelesene Werk auf diese relativ verbreitete Theorie.
    Ah ja, vielen Dank Das Werk ist von Johannes Scherr, falls das die Antwort erleichtert

  15. #1005
    begossener Pudel Avatar von Des Pudels Kern
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    Zitat Zitat von Jon Snow Beitrag anzeigen
    Ein bedeutsamer Faktor war sicher das Bevölkerungswachstum im 19. Jh. Das fiel in Frankreich minimal aus. Wenn ich es richtig im Kopf habe, hatte Frankreich um 1850 etwa 37 Millionen Einwohner und Anfang 1940 (als man für den Krieg eine Volkszählung durchführte) 40 Millionen. In Deutschland wuchs die Bevölkerung allein zwischen 1871 und 1914 von 41 auf 66 Millionen. Dadurch ist die Basisbevölkerung für das relativ stabile, aber langsamere Wachstum im 20. Jh. natürlich deutlich größer gewesen.
    Paar Anmerkungen dazu: Die Fruchtbarkeit der dt. Frau nahm allerdings seit den 1870ern auch ab. Um 1900 hatte Frankreich bereits auf die "2 Kind-", Deutschland "3-Kind-" Familie gestellt.
    Nicht zu vergessen ist außerdem, dass Frankreich im 1. WK wesentlich höhere Verluste an Männern als Deutschland zu beklagen hatte - afaik kamen in Frankreich auf 1000 Personen weit über 200 Gefallene während es für Deutschland weit unter 200 waren. Das schlug dann natürlich 1940 durch, denn diese Männer hätten zu diesem Zeitpunkt Väter von wiederum erwachsenen Kindern sein können.

    Woran das lag, ist schwer zu sagen.
    Kinder sind zunächst die direkte Altervorsorge bzw Versorgung. Wäre interessant herauszufinden, ob es beispielsweise einen Zusammenhang zwischen entstehendem Sozialstaat, der nach und nach eine "indirekte" Altervorsorge installiert und zunehmendem Verzicht auf Kinder gibt. Weiß nicht, wie das in Frankreich war, aber für Deutschland könnte man eine Korrelation annehmen.
    Close your eyes ladies! I'm comin' in!

    "Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast ;)" (LazyJay)

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