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Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #646
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    Das Ende.
    Und natürlich
    Welches Kapitel wird folgen?
    Zitat Zitat von Bassewitz Beitrag anzeigen
    Make Byzantium even greater!
    Zitat Zitat von Bassewitz Beitrag anzeigen
    Imperium first, Bedenken second!

  2. #647
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    Großmacht Preußen

    Emoticon: preuss Die Entstehung einer Großmacht - Preußen



    Am Anfang war Brandenburg. Rings um Berlin erstreckte sich auf rund 40.000 Quadratkilometern das Kernland jenes Staates, der später unter dem Namen Preußen in die Geschichte eingehen sollte. Die Landschaft Brandenburgs war Teil der trostlosen Ebene, die sich in den Niederlanden bis zum Norden Polens erstreckte, eine Gegend ohne besonderen Kennzeichen, die kaum je Besucher anlockte. Ihren Flüssen, die sich träge dahinschlängelten, fehlte die Erhabenheit des Rheins oder der Donau, ein Großteil der Fläche war von eintönigen Wäldern bedeckt. Ein Schreiber berichtete 1598 von einem „ebenen, bewaldeten Land mit vielen Sümpfen“. Sand, Ebene, Sümpfe und unkultivierte Flächen sind immer wiederkehrende Begriffe in allen frühen Berichten, selbst in den wohlwollenden. Die Böden waren in weiten Teilen Brandenburgs von nur geringer Qualität. In einigen Gebieten so sandig und locker, dass nicht einmal Bäume wuchsen. Brandenburg hatte nicht einmal natürliche Grenzen, die man hätte verteidigen können. Dieses Binnenland ohne eine Küste war ein rein politisches Gebilde aus Landstrichen, die man im Mittelalter den heidnischen Slawen hatte abgetrotzt hatte und in denen Einwanderer aus zahlreichen deutschsprachigen Gebieten, sowie aus Frankreich, den Niederlanden, Norditalien und England siedelten. Brandenburg hatte keinen Zugang zum Meer und damit keinen Seehafen. Zwischen Elbe und Oder gab es keine Wasserstraße, die Berlin und Potsdam an die wichtigsten Transportwege angebunden hätten. Da in der Zeit der Transport zu Lande sehr viel teurer war, war das ein schwerwiegendes Defizit in der Infrastruktur. Hochwertige landwirtschaftliche Produkte (Wein, Flachs, Wolle, Seide), wie sie in anderen deutschen Gebieten hergestellt wurden, suchte man in Brandenburg vergebens, und die Vorkommen der damals wichtigsten Erze (Silber, Kupfer, Eisen, Zink, Zinn) waren gering. Das in Peitz produzierte Eisen wurde bei frostiger Kälte brüchig, war also von geringer Qualität.



    Wie kam es, dass dieses nicht gerade vielversprechende Territorium zum Kernland eines mächtigen europäischen Staats wurde? Vor dieser Frage steht wohl jeder, der in EU4 eine Partie mit Brandenburg 1444 startet, um geschmeidig zunächst Preußen zu gründen und anschließend das Deutsche Reich. Danach sieht es zu Beginn nämlich gar nicht aus, die Startposition ist einfach schlecht. Der Schlüssel liegt darin, es der umsichtigen und ehrgeizigen Dynastie der Hohenzollern nachzumachen.

    Im Jahre 1415 erhielt Brandenburg vom damaligen Landesherrn, Kaiser Sigismund, zum erblichen Besitz als Dank für seine Unterstützung bei der Bewerbung um die römische Kaiserkrone (siehe Kapitel „Das Konzil“). Dieses Geschäft brachte dem Hohenzollern Friedrich nicht nur Land ein, sondern auch einen Prestigegewinn, war Brandenburg doch eines von sieben Kurfürstentümern des Heiligen Römischen Reiches. In dieser wichtigen Funktion konnte sich Brandenburg bei jeder anschließend anstehenden Königs- und Kaiserwahl neue Gegenleistungen aushandeln. Auf Dauer ließ sich daraus etwas machen.



    Für einen Staat, der weder über natürliche Grenzen verfügte noch über die nötigen Ressourcen, um seine Ziele gewaltsam durchzusetzen, war Heiratspolitik das bevorzugte Instrument. Man heiratete sich Richtung Dänemark (mit der vergeblichen Hoffnung auf die möglichen Erbschaften Schleswig und Holstein), nach Pommern mit seiner Ostseeküste, und nach Polen: Dessen König war der Lehnsherr des Herzogtums Preußen, das vor der Säkularisation des Ordensstaates 1525 vom Deutschen Orden kontrolliert worden war und seitdem von Herzog Albrecht von Brandenburg-Ansbach regiert wurde, einem Hohenzollern und Cousin des Herzogs von Brandenburg. Die Familie der Hohenzollern behielt seine Besitzungen gut innerhalb der Familie konzentriert, schließlich konnte man Preußen quasi zum Familienbesitz zählen.

    Anfang des 17. Jahrhunderts gab es die Aussicht auf eine weitere lukrative Erbschaft im Westen, nämlich Jülich-Kleve. Der dortige Herzog war geisteskrank und kinderlos, verschiedene Prätendenten, darunter Brandenburg, warteten auf seinen Tod, um die Hand nach Jülich-Kleve samt seiner Grafschaften Mark (Dortmund) und Ravensberg (Bielefeld) auszustrecken. Normalerweise wäre ein solcher Erbfolgestreit ein Fall für den Kaiser, als Schiedsrichter, gewesen. Doch Brandenburg war nicht nur politisch loyal gegenüber dem Reich und seinen Institutionen, sondern konfessionell auch protestantisch, genauer gesagt calvinistisch, und somit konnte man in diesen Zeiten nicht auf die Neutralität des katholischen Kaisers hoffen. Brandenburg nahm die Durchsetzung seines Anspruchs selber in die Hand und engagierte sich militärisch in Jülich-Kleve. Zwar gab es keinen Sieg, aber einen Erfolg: Die verschiedenen militärischen Akteure einigten sich 1614 auf das „vorläufige“ Beibehalten des Status Quo, und das bedeutete, dass Brandenburg sich Kleve und die Mark einsacken konnte.



    Brandenburg hatte nun Preußen im Osten und Kleve/Mark im Westen hinzugewonnen. Dass ein Herrscher über mehrere, weit verstreute Gebiete gebot, war in der Frühen Neuzeit nicht ungewöhnlich. Für die Hohenzollern war es aber schwierig, denn die Gebiete lagen arg weit auseinander und grenzten an mächtige, unruhige Nachbarn. Noch während man in Berlin überlegte, wie man die neuen Erwerbungen auf Dauer gegen neidische Rivalen sichern könnte, brach 1618 in Deutschland der Dreißigjährige Krieg los. Wie erwähnt war Brandenburgs Haltung sowohl protestantisch als auch reichstreu. Kurfürst Johann Sigismund von Hohenzollern (reg. 1608-1619) neigte einerseits der protestantischen Union zu, hielt es zugleich aber mit dem stramm katholischen Kaiser. Kurfürst Johann Sigismund hätte Brandenburg gerne im Zustand einer „bewaffneten Neutralität“ aus dem verheerenden Krieg herausgehalten, aber das war eine Illusion. Erstens besaß Brandenburg gar nicht die Soldaten, um seine Grenzen vor fremden Truppen zu schließen. Zweitens war Johann Sigismund im Jahre 1613 zum Calvinismus konvertiert, und damit saß er konfessionell zwischen allen Stühlen. Sowohl der alte Augsburger Frieden, als auch spätere Waffenstillstände und Friedensverträge erstreckten sich nur auf das Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten, von Calvinisten war da nie die Rede. Die galten nämlich nur als protestantische Sekte. Und drittens war Johann Sigismund sowieso die meiste Zeit besoffen. Es hieß, dass er, wenn überhaupt, frühestens mittags zu Entscheidungen fähig war, sobald er einige Liter Bier intus hatte.

    Die Folgen musste Johann Sigismunds Sohn Georg Wilhelm (reg. 1619-1640) ausbaden. Es zeigte sich, dass weder die österreichischen Katholiken noch die protestantischen Schweden sich um Brandenburgs Neutralität scherten. Im Gegenteil, als Schwedens Truppen vor den Landesgrenzen Brandenburg aufmarschierten, da forderte Gustav II. Adolf den Kurfürsten auf, sich entweder zum Freund oder zum Feind zu erklären – in eindeutiger Weise und mit allen Konsequenzen. Brandenburg geriet zum politischen Spielball und militärischen Schlachtfeld der Kriegsparteien, das Land und seine Bevölkerung wurden völlig verwüstet. Für die einfachen Menschen hatte das alles rein gar nichts Positives, für den Kurfürsten ergab sich immerhin eine Gelegenheit: Als den großen Kriegsparteien allmählich die Luft ausging, da boten sowohl Schweden als auch Österreich dem Kurfürsten Teile von Pommern an, um Brandenburg für sich zu gewinnen. Diese Sache brachte Brandenburg im Westfälischen Frieden von 1648 tatsächlich ein Stück Pommern samt Zugang zur Ostsee ein, denn Brandenburg wurde in dieser Region jetzt als Pufferstaat benötigt.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  3. #648
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    Großmacht Preußen

    Noch vor dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs war der nächste Kurfürst der Hohenzollern im Amt nachgerückt. Nach dem Tod von Georg Wilhelm erbte sein Sohn Friedrich Wilhelm die Regierung (1640-1688). Wegen der erlittenen Kriegsgräuel dominierte in Brandenburg der Wunsch nach einem starken Staat, der seiner Bevölkerung wirksam Schutz bieten kann. Die bisher wenigen Tausend Soldaten mussten dazu deutlich aufgestockt werden, und das brauchte eine funktionierende Wirtschaft und Verwaltung. Aber noch immer war Brandenburg eine karge Landschaft ohne Ressourcen, zudem vom Krieg verwüstet. Friedrich Wilhelm schaute sich ganz genau das Modell der calvinistischen Niederlande an, wo er während der schwedischen bzw. kaiserlichen Besetzung Brandenburgs einige Jahre im Exil verbracht hatte. Handel, Industrie und Militär waren wichtig, schloss der Kurfürst aus dem Vorbild Niederlande.

    Voller Elan stürzte sich Friedrich Wilhelm in den Wiederaufbau seines Brandenburg. Seine Umgebung staunte, dass der Herrscher härter arbeitete als sein eigener Sekretär. Während sich Johann Sigismund und Georg Wilhelm nur sporadisch den Regierungsgeschäften gewidmet hatten, stand Friedrich Wilhelm auch ganztägige Arbeitssitzungen durch, bei denen er mit seinem Detailwissen und sein Urteilsvermögen beeindruckte. Wenn er nicht ein so fleißiger, zielstrebiger und kluger Staatsmann gewesen wäre, dann wäre Brandenburg – und damit Preußen - wohl eine Fußnote der Geschichte geblieben. Der Kurfürst schaffte es, das brandenburgische Heer von 8.000 Mann im Jahre 1646 auf bis zu 38.000 Soldaten in den 1670ern aufzupumpen. Das war seine Mission „Erreiche die zulässige militärische Kapazität“. Auch in Taktik und Ausbildung des Heeres orientierte sich der Kurfürst an den neuen Erkenntnissen des Dreißigjährigen Krieges. Die Piken wurden im brandenburgischen Heer ausgemustert, und die unhandlichen Luntenschlossgewehre der Infanterie wurden durch leichtere, schneller feuernde Steinschlossgewehre ersetzt. Bei der Artillerie wurde ein Standardkaliber eingeführt, damit Feldgeschütze flexibler und effizienter eingesetzt werden konnte, eine Methode, die als erste die Schweden angewandt hatten. Die Gründung einer Kadettenschule für Offiziersrekruten war ein wichtiger Schritt hin zu einer standardisierten Ausbildung der Offiziere. Bessere Bedingungen – einschließlich der Versorgung von Offizieren mit Kriegsverletzungen oder im Ruhestand – sorgten für eine stabilere Befehlsstruktur. Durch diese Neuerungen wurden zugleich der Zusammenhalt und die Moral der niederen Dienstgrade gestärkt, was sich in den 1680er Jahren an der hervorragenden Disziplin und der geringen Anzahl von Deserteuren ablesen ließ.



    Dem Aufbau eines stattlichen Militärs kam eine große Bedeutung zu, denn die Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Krieg waren im Norden Europas eine Phase heftiger Konflikte. Zwei ausländische Titanen überschatteten die brandenburgische Außenpolitik. Der erste war Karl X., der rastlose, machtbesessene König von Schweden, der fest entschlossen zu sein schien, mit seinen expansionistischen Träumen die Bilanz seines schillernden Vorgängers Gustav Adolf zu übertreffen. Nach dem Tod Karls X. 1660 und dem Niedergang Schwedens war Louis XIV. von Frankreich die dominierende Figur in Brandenburg. Mit bis zu 320.000 Soldaten startete er eine Reihe von Feldzügen, die ihm die Vorherrschaft in Westeuropa sichern sollten. In diesem gefahrvollen Umfeld erwies sich das wachsende Heer des Kurfürsten als unverzichtbar. Mal kämpfte Brandenburg mit Schweden gegen Polen, dann kämpfte es mit Polen und Österreich gegen Schweden. Das war dieses Mal kein Anzeichen dafür, dass Brandenburg ein Spielball der Mächte war, sondern eine bewusste Schaukelpolitik des Kurfürsten. Allianzen galten immer nur so lange, wie sie Brandenburg von Nutzen waren.



    Herausragend war der Sieg Brandenburgs gegen die Schweden von 1675, denn hier traten die Truppen des Kurfürsten alleine ohne ausländische Verbündeten gegen die schwedischen Invasoren an. Obwohl in deutlicher Unterzahl, schlugen die Brandenburger die Schweden, auch dank des taktischen Ausnutzens der sumpfigen Landschaft des Kurfürstentums. Die flüchtenden schwedischen Soldaten machten, dass sie schnell aus dem Land kamen, denn die einfache Bevölkerung Brandenburgs machte jeden schwedischen Soldaten nieder, den sie sich greifen konnte. Die leidvollen Erfahrungen aus dem Dreißigjährigen Krieg und der Wunsch nach Vergeltung waren noch präsent. Trotz dieses vernichtenden Sieges konnte Friedrich Wilhelm seine politischen Ziele dieses Feldzugs nicht durchsetzen, eigentlich wollte er das restliche Pommern für sich haben. Um im Konzert der Großmächte mitspielen zu können, war Brandenburg noch zu klein. Doch immerhin, Friedrich Wilhelm hatte durch den Sieg über Schweden von sich Reden gemacht. Als militärischer Bündnispartner war Brandenburg für die Großen jetzt begehrt, und auch Friedrich Wilhelm selbst wurde von seinen Zeitgenossen fortan der „Große Kurfürst“ genannt.



    Von den erfolgreichen Niederlanden schaute sich Friedrich Wilhelm die effiziente Finanzverwaltung ab, die er in Preußen kopieren wollte, um die Ausgaben für das vergrößerte Heer zu decken. Das passte den Ständen natürlich nicht, denn Steuern durften gemäß alter Privilegien nicht ohne ihre vorherige Zustimmung erhoben werden. Letztlich waren es Drohungen und militärische Gewalt seitens des Kurfürsten, die die Stände zum Einlenken zwangen. Mehr Nachsicht übte Friedrich Wilhelm mit den zehntausenden ausländischen Fremdgläubigen, denen er gestattete, sich in Brandenburg-Preußen niederzulassen. Es handelte sich um Juden aus Wien sowie Hugenotten aus Frankreich, die aus ihrer jeweiligen Heimat vertrieben worden waren. Unter ihnen gab es nämlich zahlreiche Fachkräfte, die für die preußische Wirtschaft sehr nützlich waren. Aber um dies mit einem Bild aus dem Spiel darzustellen, bedürfte es bereits Victoria III. mit seinen Pops.

    Im Jahre 1688 starb Friedrich Wilhelm und vererbte seine Kurwürde an seinen Sohn Friedrich, der die bisherige Innen- und Außenpolitik Preußens fortsetzte. Er unterstützte zwar die Landung des Oraniers Wilhelm III. in England (glorious revolution, siehe vorheriges Kapitel) und kämpfte im Pfälzischen Erbfolgekrieg gegen Frankreich, war aber trotzdem ein Bewunderer Louis XIV., von dem er sich Unterstützung bei der Realisierung seines Traums von einem eigenen, preußischen Königstitels erhoffte. Ein weiterer Krieg des vorigen Kapitels verhalf Friedrich zum Ziel, nämlich der Spanische Erbfolgekrieg, der im Jahre 1700 ausbrach. Der Habsburger Kaiser Leopold I. brauchte gegen Frankreich dringend die preußischen Truppen (es ging um ein Kontingent von 8.000 Mann), und so gab er die Zustimmung für die neue Krone.



    Darauf hatte Friedrich sehnlich gewartet, umgehend ließ er sich 1701 in Königsberg zum „König in Preußen“ krönen – der ungewöhnliche Titel war das Ergebnis kleinteiliger Verhandlungen. Es durfte sich nämlich einerseits nicht um einen Königstitel handeln, der ein Territorium des Heiligen Römischen Reiches zum Gegenstand hatte. Der Kaiser wollte selbst keinesfalls einen Königstitel kreieren, sondern lediglich einen solchen Titel anerkennen. Somit schied „König von Brandenburg“ als Bezeichnung aus, und Preußen bot sich als Alternative an. Bei Preußen handelte es sich aber um ehemals polnisches Gebiet, und um Polen nicht zu vergrätzen, griff man zu dem semantischen Kniff, nicht von dem „König von-“, sondern dem „König in Preußen“ zu sprechen. Bei den europäischen Fürsten sorgte die Bezeichnung für heiteres Lästern über Friedrich. Doch der Kaiser hatte sich im Vertrag mit Friedrich verpflichtet, sich bei den deutschen und europäischen Mächten dafür einzusetzen, dass der Königstitel allgemeine Anerkennung erfährt, und somit galt er was.

    Friedrich I. war ein weltmännischer, höflicher und offener Typ, der die Künste und Wissenschaften förderte. Vielleicht nicht sonderlich energisch und erfolgreich, er sonnte sich bevorzugt im Glanz seiner neu erworbenen Krone. Seine aufwendige Hofhaltung ließ die Korruption in Preußen gedeihen, nur durch das Ausleihen seiner Truppen an die Alliierten im Spanischen Erbfolgekrieg konnte er den Bankrott seines Königreiches vermeiden. Mit dem Tod Friedrichs I. im Jahre 1713 übernahm ein komplett gegensätzlicher Charakter das Ruder der Staatsführung: Sein Sohn Friedrich Wilhelm I. war extrem misstrauisch, schroff und tendierte zu Wutausbrüchen und Melancholie. Obwohl er über eine messerscharfe Intelligenz verfügte, fielen ihm das Lesen und Schreiben schwer. Jegliche Form von kultureller oder intellektueller Betätigung, die keinen unmittelbaren praktischen (und damit meinte er gewöhnlich: militärischen) Nutzen hatte, betrachtete er mit großer Skepsis. So etwas wie ein ADM 4 -DIP 0 -MIL 4-Charakter.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  4. #649
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    Großmacht Preußen

    Innerhalb weniger Tage nach seiner Thronbesteigung 1713 legte Friedrich Wilhelm I. beim Hofstaat, den sein Vater etabliert hatte, die Axt an. Auch an einer aufwendigen Krönungszeremonie hatte er keinen Bedarf. Stattdessen nahm er die finanziellen Verhältnisse des Hofstaats unter die Lupe, schmiss zwei Drittel der angestellten Dienerschaft kurzerhand raus, und kürzte den restlichen Angestellten bis zu 75% ihrer Bezüge. Der König verkaufte alles vermeintlich Überflüssige, darunter das sprichwörtliche Tafelsilber, um Geld für seine eigentliche Leidenschaft zu beschaffen, das Militär.

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    Friedrich Wilhelm I. schaffte es, 80 Prozent des Staatshaushaltes für die Armee auszugeben - und das in Friedenszeiten. Am liebsten waren ihm seine „Langen Kerls“ hoch gewachsene Soldaten, je größer, desto besser. Für Frauen dagegen hatte er gar nichts übrig, sie verschwanden weitgehend vom Hof des Königs. Friedrich Wilhelm I. war ein Spartaner, der sich peinlich sauber hielt und seine Umgebung mit Stockhieben traktierte.

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    Kein Wunder also, dass sich das preußische Heer unter seiner Führung so sehr vergrößert, wie es eben nur geht. Als Friedrich Wilhelm I. den Thron bestieg, verfügte Preußen über 40.000 Mann. Während seiner Regierungszeit machte er daraus 80.000 Mann, was übrigens nur mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht möglich war. Eine riskante Strategie, weil Preußen eigentlich über schlechte Startvoraussetzungen verfügt. Sein Territorium ist nicht einheitlich, sondern vom Rheinland über das Kernland Brandenburg bis hin zur Memel in Ostpreußen verstreut. Brandenburg hatte eine nur geringe Entwicklungsstufe, es bestand gefühlt nur aus sandigen Böden und Stechmücken. Preußen ist eine neugeborene Mittelmacht, eingeklemmt zwischen den Großmächten Österreich und Schweden. Worauf Friedrich Wilhelm I. eindeutig setzt, sind die hammerharten preußischen Traditionen, die EU4 spendiert, sobald man (gewöhnlich mit Brandenburg oder dem Deutschen Orden) Preußen gegründet hat.

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    Um den schlechten Ruf von Friedrich Wilhelm I etwas entgegen zu setzen, muss man erwähnen, dass seine Knauserigkeit in der Hofhaltung sich nicht beim Umgang mit der Verwaltung des Staates widerspiegelte. Hier nahm er sich das Modell von Frankreichs Minister Colbert zum Vorbild und schuf eine effiziente Staatsbürokratie. In dieser Hinsicht hatte ihn ganz besonders die Pestwelle geprägt, die 1709 über Preußen kam, also zu einer Zeit, als Friedrich Wilhelm I. noch Thronfolger gewesen war. Damals forderte die Pest in Ostpreußen 250.000 Tote, das war ungefähr ein Drittel der Bevölkerung, und schuld daran hatten nicht nur die durch die Region ziehenden Soldaten Sachsens, Schwedens und Russlands, sondern die unfähige und korrupte Verwaltung. Das Debakel löste bei Friedrich Wilhelm I. einen Feuereifer für institutionelle Reformen und einen tief sitzenden Hass auf Korruption, Verschwendung und Ineffizienz aus. Nach seiner Thronbesteigung machte er sich deshalb umgehend daran, den Staat auf Vordermann zu bringen, was ihm den Beinamen „Der große innere König“ einbrachte. Obwohl er Militarist war, war er kein Expansionist. Das große Heer war für Friedrich Wilhelm I. ein Selbstzweck.

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    In Preußen ließ er den Grund und Boden systematisch katalogisieren und – nachdem man im Kataster zahlreiche „blinde Flecken“ ermittelt hatte - rigoros besteuern. Der Adel war darüber nicht begeistert, aber beim Volk machte der König Punkte: Friedrich Wilhelm I. schuf ein staatliches System von Getreidespeichern, aus dem die Menschen in schlechten Erntejahren gespeist wurden, und ließ die sumpfigen Böden trockenlegen. Er investierte fleißig Admin- und Diplo-Punkte in den Ausbau der preußischen Provinzen. Natürlich waren seinen wirtschaftlichen Erfolgen gewisse Grenzen gesetzt, und manches lag außerhalb seines Horizonts. Er teilte die in seiner Zeit verbreitete merkantilistische Vorliebe für Vorschriften und Regelungen.

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  5. #650
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    Seine Politik unterschied sich deutlich von der Friedrichs I., der stärker am Handel interessiert war und die Kolonie Groß Friedrichsburg an der Westküste Afrikas erworben hatte (sie wurde 1721 an die Niederlande verkauft).

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    Statt das Glück in überseeischen Territorien zu suchen, holte er sich neue Bürger und Untertanen heim nach Preußen. Gemeint sind erneut die konfessionell verfolgten Menschen dieser Zeit, namentlich die Protestanten in katholisch dominierten Gebieten, denen sich Preußen als Zufluchtsort anbot.

    Besonders spektakulär war eine Intervention Friedrich Wilhelms I. im Jahre 1731, der das Schicksal der protestantischen Minderheit in Salzburg betraf. Seinerzeit „entdeckte“ man nämlich, dass in den Gebirgstälern von Pinzgau und Pongau 20.000 Protestanten lebten. Die Nachricht über diese Bewohner im alpinen Salzburger Hinterland verursachte unter den Katholiken Salzburgs einen Aufruhr. Nachdem auch Missionare die Bergbauern nicht dazu hatten bewegen können, von ihrer Häresie abzulassen, beschloss der Erzbischof ihre Ausweisung. Die Underdog-Geschichte vom wohlhabenden Erzbischof, der halbgebildete, aufrechte Protestanten bedrängt, beflügelte die protestantischen Stände im Reichstag zu phantasievollen Erzählungen. Die Katholiken hielten mit eigener Propaganda dagegen, und so wurde in Deutschland allerorten darüber geredet. Die Auswanderung der Salzburger Protestanten im Jahre 1732 wurde zu einem Spektakel, ihr Marsch führte Richtung Norden, durch Franken und Sachsen – nach Preußen, wo sie sich niederlassen durften. Die konfessionelle Propaganda machte daraus einen Zug des Volkes Israel aus Ägypten, und Preußen zum gelobten Land der Protestanten. Friedrich Wilhelm konnte dank dieses Events einen ordentlichen Prestige-Bonus verbuchen.

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    Nach dieser Beschreibung Friedrich Wilhelms I. überrascht es nicht, dass er auch seinen 1712 geborenen Sohn Friedrich II. mit harter Hand erziehen ließ. Den zarten Kleinen, der sich vor Geschützlärm fürchtete, setzte er zwei Offiziere als Erzieher vor und verordnete ihm einen durchgetakteten Tagesplan wie in einer Kaserne. Das Tragische war, dass der Junge gar nicht in dieses erzieherische Korsett passte, er begeisterte sich nämlich für die schönen Künste, wie Tanz, Musik und Gedichte. Benommen vor Schönheit, kehrt Friedrich II. von einem Ausflug zum Dresdner Hof des Kurfürsten August des Starken zurück, von den Baletten, den Festen, den Bühnenstücken. Der Vater beantwortete das Schwärmen des jungen Friedrichs damit, indem er dessen „eitlen“ Bücher, Flöten und Briefe in den Kamin warf und ihn einen feigen Schurken nannte. Friedrich II. dachte 1730 ernsthaft über eine Flucht ins Ausland nach, um seinem Vater zu entgehen. Aber dieser Plan blieb nicht lange geheim und war deshalb zum Scheitern verurteilt, und das dürfte Friedrich II. auch gewusst haben. Offenbar verlangte es ihm bereits in dieser Phase seines Lebens nach dem Drama, und er wagte im Sommer 1730 trotzdem den Versuch – der wie erwartet prompt schiefging.

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    Friedrich II. wurde von seinem Vater unter Arrest gestellt, seine Erziehung noch strenger gestaltet. Um den Eigenwillen des jungen Manns zu brechen, ließ der König dessen besten Freund - der in die Fluchtpläne eingeweiht gewesen war – als Hochverräter hinrichten, und zwar vor den Augen Friedrichs. Ab da unterwarf sich Friedrich II. zum Schein dem Regiment des Vaters und tat alles, wie von ihm verlangt wurde. Natürlich merkte der König die Heuchelei, es sei zwar weiterhin „nicht Gutes an ihm ist, aber seine Zunge ist gut, da fehlet nichts daran.“ Diese Eigenschaft legte Friedrich II. zeitlebens nicht mehr ab: Obwohl er überaus wortreich war, ließ er nur selten in sich hineinblicken, seine Persönlichkeit bleibt für uns nicht greifbar. Selbst in die 1733 arrangierte Heirat mit der Nichte des Habsburger Kaisers Karl VI. fügte sich Friedrich II. nun klaglos, obwohl er die Ehe mit einer englischen Braut bevorzugt hätte. Seine Frau Elisabeth Christine packte Friedrich II. später tatsächlich nicht einmal mit der Kneifzange an und legte konsequenterweise seinen Bruder als seinen Nachfolger auf dem Thron fest. Bis 1740 musste Friedrich II. noch warten, bis sein „schlimmster Feind“, wie er seinen Vater heimlich bezeichnete, im Alter von 51 Jahren starb.

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    Friedrich II. zu der Zeit seiner Thronbesteigung 1740

    Nun war er selbst endlich selber König und konnte seinen Intellekt ungehindert ausleben, rasch wuchs seine Bibliothek heran. Besonders Philosophie und politische Werke hatten sein Interesse. Wenig dagegen hielt er von deutscher Literatur, deren Sätze ihm zu eitel und verschwurbelt waren, Friedrich II. bevorzugte das französische. Er war darüber hinaus ein richtig guter Musiker, besonders die Querflöte war sein Ding. Der Bezug zwischen Friedrichs politischen Schriften und seinem Handeln als Herrscher war bemerkenswert direkt. Im Kern seines Denkens stand die Bewahrung und Ausweitung der Macht des Staates. In seinem „Antimachiavell“ umriss er seine Position hinsichtlich der Zulässigkeit des Präventivschlags und des Interessenkrieges so deutlich, dass die Schrift als Blaupause für seinen bald darauf folgenden Angriffskriege gelten darf.

    Die Abscheu, die Friedrich II. zuvor gegen Uniformen gezeigt hatte, hielt dementsprechend nicht lange vor. Es war, als hätte er seine Paraderolle gefunden, die des wagemutigen Streiters. Schon einige Jahre vor dem Tod des Vaters hatte Friedrich begonnen, sich für die Staatsgeschäfte zu interessieren und sich bald „kriegerische Taten“ gewünscht, die der alte Soldatenkönig tunlichst vermieden hatte. Für Friedrich Wilhelm I. war die Armee ein zu kostbares Instrument gewesen, als dass er es im Feld eingesetzt hätte. Für Friedrich II. hingegen war sie ein Requisit zu seinem Heldenspiel. Und wenn man schon an Eroberungen dachte, musste der Blick zwangsläufig auf Schlesien fallen, das wohlhabende Gebiet an der südöstlichen Grenze Preußens. Doch Schlesien war kein Popelstaat und gehörte auch nicht irgendwem, sondern war Teil des mächtigen Habsburger-Reichs. Österreich-Ungarn war eine andere Gewichtsklasse.

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    Es klingt deshalb schlicht waghalsig, wie schnell sich Friedrich II. zum Krieg gegen Österreich und dem Einmarsch in Schlesien entschloss. Warum ging er das gewaltige Risiko ein und warum ausgerechnet im Winter, im Dezember 1740? Eine banale Antwort könnte sein: Weil er es konnte. Die internationale politische Lage war höchst günstig. In Russland war die politische Exekutive nach dem Tod der Zarin Anna im Oktober 1740 durch einen Machtkampf um die Regentschaft des kleinen Iwan VI. gelähmt. Großbritannien war zwar mit Österreich verbündet, führte aber seit 1739 Krieg gegen Spanien und war dort gebunden. Zudem ging Friedrich II. (zu Recht) davon aus, dass Frankreich ihm prinzipiell gewogen sein würde. Über die erforderlichen Ressourcen, Schlesien zu erobern, verfügte er, sein Vater hatte ein gut ausgebildetes und gerüstetes Heer von 80.000 Soldaten hinterlassen. Im Berliner Königspalast hatte der alte Knauser zudem eine acht Millionen Goldtaler schwere Kriegskasse hinterlassen. Im Gegensatz dazu stand die Habsburger Monarchie nach einer Reihe schwerer Niederlagen im Polnischen Thronfolgekrieg und im Krieg gegen die Türken am Rande der Erschöpfung.

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    Die einmalige Gelegenheit für Friedrich II. ergab sich mit dem Tod von Kaiser Karl VI. im Oktober 1740. Denn damit endete die männliche Linie der Habsburger (Karl VI. hatte drei Töchter, aber keinen Sohn) und mit Maria Theresia rückte eine Frau an die Spitze des Hauses. Dies war problematisch, weil die Erbfolgeordnung der Habsburger eine weibliche Erbfolge nicht vorsah. Um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, hatte Karl VI. viel Mühe und Geld darin investiert, im eigenen Land und im Ausland die Zustimmung für die für die sogenannte „Pragmatische Sanktion“ zu sichern, ein Hausgesetz, das es der Dynastie erlauben würde, die Regeln zu beugen. Zum Zeitpunkt des Todes hatten die wichtigsten Staaten, einschließlich Preußen, zwar ihre Zustimmung signalisiert, aber wirklich verbindlich war das im Zweifel noch nicht. Besonders Sachsen und Bayern durften sich aufgrund ihrer Heiratsverflechtungen mit den Habsburgern berechtigte Hoffnungen auf einen Teil der Erblande des Verstorbenen machen.

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    Preußen gehörte zu den deutschen Staaten, die die Pragmatische Sanktion Anfang der 1730er ratifiziert hatten, seitdem hatten sich die Beziehungen zwischen Berlin und Wien aber stetig verschlechtert. Die Habsburger bereuten inzwischen, dass sie Preußen zur Königskrone verholfen hatten, denn sie empfanden die ehrgeizigen Hohenzollern zunehmend als Konkurrenten. Das ging schon los beim Umgang mit den Protestanten im Reich: Preußen sah sich als deren Fürsprecher, was der Kaiser genüsslich damit konterkarierte, indem er den Protestanten aus Preußen gestattete, ihre Klagen direkt bei ihm in Wien vorzutragen. Friedrich Wilhelm I. schnaubte, der Kaiser halte ihn wohl für einen x-beliebigen Potentaten des Reichs, für einen „Prinz von Zipfel-Zerbst“. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich 1738 die Weigerung des Kaisers, Brandenburgs Anwartschaft auf das niederrheinische Herzogtum Berg gegen andere Anwärter zu unterstützen, damals ein Kernelement der preußischen Außenpolitik. Der Deal zwischen Preußen und Österreich war nämlich gewesen, sich gegenseitig in den Fragen des Herzogtums Berg sowie der Pragmatischen Sanktion gegenseitig zu helfen. Der Groll auf Österreich vereinte Vater Friedrich Wilhelm I. und Sohn Friedrich II. und blieb fortan die Konstante der preußischen Politik: Niemals würde Österreich ein erstarkendes Preußen dulden, jedenfalls würde es nicht kampflos abgehen.

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    Schlesien bot sich für Friedrich II. aufgrund älterer Gebietsansprüche der Hohenzollern aus dem 17. Jahrhundert an. Wahrscheinlich hatte er einfach eine der preußischen Missionen erfüllt und so einen dauerhaften Anspruch auf Schlesien erhalten. Aber im Ernst: Schlesien war die einzige Region der Habsburger, die an Preußen angrenzte. Es war mit 8.000 Soldaten nur schwach verteidigt und besaß eine gut entwickelte Textilindustrie. Eine Provinz mit ordentlichem Entwicklungswert und Manufakturgebäude also. Mehr noch dürfte Friedrich II. die Angst vor einer politischen Umklammerung Preußens getrieben haben: Wie Großbritannien und Hannover bildeten Sachsen und Polen zu dieser Zeit eine Personalunion, da Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen zugleich König August III. Von Polen war. Somit grenzten die sächsischen Territorien auf beiden Seiten an Schlesien, und es erschien wahrscheinlich, dass die Sachsen versuchen würden, die Lücke zu schließen. Als Kaiser Karl VI. im Oktober 1740 starb, boten die Sachsen denn auch Maria Theresia ihre Unterstützung an, wenn sie im Gegenzug den Landkorridor durch Schlesien erhalten würden. Damit hätte Sachsen gegenüber Preußen wohl den entscheidenden Vorteil erlangt. Friedrich II. soll, so heißt es, nur wenige Tage überlegt haben, ob er gegen Habsburg losschlagen und in Schlesien einmarschieren solle. Er führte die Truppen persönlich ins Gefecht, auf der Suche nach Ruhm und ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben. Mehrfach entging der preußische König nur knapp der Gefangennahme oder dem Tod durch eine feindliche Kugel. Sein Wagemut wurde überraschend mit dem Sieg belohnt.

    Im Bündnis mit anderen beutegierigen Mächten, namentlich Frankreich, Bayern und Spanien, zwang er Österreich, ihm Schlesien zu überlassen. Im Juni 1742, nach einer siegreichen Schlacht, schloss er mit Maria Theresia den Frieden von Breslau. Der hielt nicht einmal die im Spiel vorgeschriebenen fünf Jahre – schon zwei Jahre später, als Österreich gerade im Elsass militärisch beschäftigt war, besetzte Friedrich II. im Handstreich das schutzlose Böhmen. Zunächst konnte Preußen seine Beute halten, trotz Nachschubproblemen und feindseligen Bauern, die ihr Getreide vergruben und mit ihrem Vieh in die Wälder flohen. Doch die österreichischen Truppen kehrten in Gewaltmärschen vom Rhein zurück, zermürbten die Aggressoren mit Ausweich- und Hinhaltestrategien, und zwangen sie zum Rückzug über regendurchweite Straßen. Rund 17.000 Soldaten desertierten oder liefen zum Feind über, ein Viertel der preußischen Armee. Kaum nahmen die anderen europäischen Mächte wahr, dass der preußische Stern im Sinken begriffen war, schlugen sich Großbritannien, Russland und Sachsen auf die Seite Habsburgs. Es wurde schwierig für Friedrich II, doch das Glück war auf seiner Seite: Im Jahre 1745 wurde der österreichische Feldmarschall nach Italien abberufen, und dessen Nachfolger konnte Friedrich II. in drei Schlachten bezwingen. Maria Theresia musste erneut Frieden schließen und in den Verhandlungen den Habsburger Anspruch auf Schlesien aufgeben. Im Gegenzug erkannte Preußen ihren Gatten Franz I. als rechtmäßigen deutschen Kaiser an. Friedrich II. hatte hoch gepokert und damit Erfolg gehabt.

    Nicht nur in Wien, aber gerade hier, war nun offensichtlich, dass Preußen eine ernstzunehmende europäische Macht geworden war. Friedrich II. hatte eine erhebliche Punktzahl AE angehäuft. Der Landkorridor, den Preußen gewonnen hatte, reichte schließlich bis an die Grenze der habsburgischen Erblande in Österreich heran, das war quasi ein Dolch an der Kehle der Habsburger Monarchie (wie sich später, 1866 in Königgrätz, bewahrheiten sollte). Erstmals in seiner Geschichte richtete sich die Reichspolitik an einer bipolaren Machtbalance aus, die Ära des österreichisch-preußischen Dualismus hatte begonnen. Das Leitmotiv der Habsburger Politik lautete nun, eine antipreußische Koalition zu schmieden, mächtig genug, Friedrich II. Schlesien wieder zu entreißen und Preußen wieder in die Riege der untergeordneten deutschen Territorialmächte zurückzustoßen. Auf Russland konnte Wien dabei bereits zählen, denn Zarin Elisabeth sah in Preußen ein Hindernis beim russischen Anspruch auf das Baltikum bzw. der russischen Expansion nach Westen. 1746 schlossen die Russen einen Bündnisvertrag mit Österreich, der in einer Geheimklausel die Teilung der Hohenzollernmonarchie vorsah. Die Fixierung der Habsburger auf Schlesien war so stark, dass sie zu einer grundlegenden Neuausrichtung der österreichischen Außenpolitik führte. Sie wechselten 1749 auf Betreiben des Ministers Graf Kaunitz vom traditionellen Verbündeten Großbritannien zum traditionellen Feind Frankreich über. Kaunitz hatte erkannt, dass Großbritanniens Interessen die einer Seemacht mit Überseegebieten war. Auf dem europäischen Kontinent zeigten die Briten dagegen weniger Engagement. Dieser Rivalen-Bündnis-Wechsel war ein deutliches Zeichen der Zeit, die nicht mehr in Begriffen von dynastischer Autorität und Tradition gefasst war, sondern von den „natürlichen Interessen“ eines Staates ausging. Und diese wurden bestimmt von Geopolitik und Sicherheitserfordernissen. Maria Theresia schickte Kaunitz als Gesandten nach Versailles, und es bedurfte einiger Jahre der Verbesserung der Beziehungen, bis Frankreich 1753 ebenfalls für das neue Bündnis gewonnen war.

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    Es dauerte nicht lange, bis Großbritannien seinerseits reagierte und sich politisch den Preußen annäherte. Hintergrund war, dass die Briten und Franzosen sich ab 1754 in den nordamerikanischen Kolonien, namentlich am Ohio River, Gefechte lieferten. Um Frankreich im offenen Kriegsfall davon abzuhalten, das mit Großbritannien verbundene Hannover (es war das Heimatland des britischen Königs George II.) zu besetzen, brauchten die Briten einen Verbündeten auf dem Kontinent. Und den Preußen traute man das in London inzwischen mehr zu als den Russen. Friedrich II. war es recht, wenn die Briten ihre Hilfslieferungen an Russland einstellten, denn er hatte vor den Russen ziemlichen Respekt und fürchtete ihretwegen um die preußische Ostgrenze. So kam es im Jahre 1756 zum Bund zwischen Großbritannien und Preußen, als Reaktion auf die Allianz zwischen Österreich und Frankreich. Trotzdem war klar, dass Frankreich auf das Bündnis der Preußen mit Frankreichs britischem Feind wütend reagieren musste. In der Folge schlossen Paris und Wien einen Beistandspakt, der gegen Preußen gerichtet war. Und der englische Widerruf der Subsidien erzürnte erwartungsgemäß die russische Zarin, die nun ein gesteigertes Interesse an einem Krieg hatte und sich der antipreußischen Koalition anschloss. Friedrich II. hatte sich politisch verzockt und sah sich von drei Großmächten eingeschnürt, deren Offensive er für 1757 erwartete.

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  8. #653
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    Großmacht Preußen

    Im Sommer 1756 glaubte er, dass allein das Schwert diesen gordischen Knoten durchschlagen könnte – trotz des numerischen Kräfteverhältnisses von 200- zu 400tausend Soldaten. Doch die Qualität der preußischen Armee war seine Trumpfkarte. Ihre Werte bei Disziplin, Moral, beim Drill und bei der Armeeprofessionalität suchten ihresgleichen.

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    Also beschloss Friedrich, nicht auf den Angriff der Feinde zu warten, sondern selbst den ersten Schlag zu führen. Am 29. August 1756 fielen preußische Truppen im Kurfürstentum Sachsen ein.

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    … in Sachsen? Richtig, das war ein völlig unerwarteter Streich, zu dem sich Friedrich II. alleine entschieden hatte. Er war nämlich überzeugt, Sachsen habe sich der gegen ihn gerichteten Koalition angeschlossen, und dass es nur eine Frage der Zeit wäre, dass das Kurfürstentum als Aufmarschgebiet der antipreußischen Kräfte herhalten würde. Für Friedrichs Geschmack lag Dresden zu nahe bei Berlin, um diesen strategischen Aspekt ignorieren zu können. Darüber hinaus war Sachsen von beträchtlichem ökonomischen Wert (die Provinz wurde während des Krieges gnadenlos ausgebeutet). Rein strategisch betrachtet ergab der preußische Überfall auf Sachsen vielleicht Sinn, die politischen Folgen gerieten jedoch zu einem kompletten Desaster.

    Für die Russen hatte das antipreußische Bündnis schon vorher einen offensiven Charakter gehabt, nicht aber für die Franzosen. Frankreich wäre womöglich neutral geblieben, wenn Friedrich II. einfach auf Zeit gespielt hätte. Nun aber war man allseits über den Überfall auf Sachsen empört und schloss einen zweiten Bündnisvertrag mit eindeutig offensivem Charakter. Dieser hatte nicht nur die Rückeroberung Schlesiens oder die Unterstützung Sachsens zum Inhalt, sondern die Aufteilung von Preußen. Frankreich, Österreich, Russland und selbst Schweden wollten sich einen Teil Preußens abgreifen (oder untereinander gegen andere Gebiete tauschen). Es ging für Friedrich II. plötzlich ums Ganze, dieser Krieg entschied über das Schicksal und die Existenz Preußens. Eben dies war ja das Ziel von Kaunitz` österreichischer Außenpolitik, nämlich Preußen wieder auf den Status eines Fürstentums, am besten ohne eigenen Zugang zum Meer, zu schrumpfen. Dass Friedrich II. sich gegen eine dermaßen überlegene Streitmacht behaupten konnte, erschien seinen Zeitgenossen wie ein Wunder und kommt uns auch heute noch bemerkenswert vor. Es gibt in EU4 sicherlich leichtere historische Spielstände, als mit Preußen im Jahre 1756 zu starten.



    Preußen nutzte alle geografischen Vorteile, die es zur Verfügung hatte. Dank der Besetzung Sachsens konnte Friedrich II. (abgesehen natürlich von Ostpreußen und den westfälischen Fürstentümern, die waren eh nicht zu halten) von einer zusammenhängenden Basis aus operieren. An der schlesischen Südgrenze schützte ihn der Gebirgszug der Sudeten, die westliche Flanke wurde von einer britischen Armee in Hannover vorläufig gegen die Franzosen gedeckt. Gefüttert von britischen Subsidien, konnte sich Preußen so gleichsam einigeln und zwang seine Gegner, weitab ihrer Heimat zu operieren und sich zu koordinieren. Bereits Ende 1757 war das französische Interesse an dem Krieg gegen Preußen nach einer ersten großen Niederlage erlahmt. In Paris teilte man den österreichischen Eifer, Preußen zu vernichten, nun einmal nicht. Auch Schweden verlor schnell das Interesse, als man in Stockholm gewahr wurde, dass man den Preußen nicht im Vorbeigang mal eben Pommern abnehmen können würde. Und bei den beiden Hauptakteuren des Versailler Bündnisses, also Österreich und Russland, achtete man eifersüchtig darauf, dass der jeweils andere keine überproportionalen Vorteile aus dem Konflikt zog.

    Dies bedeutete natürlich nicht, dass sich dieser Krieg quasi automatisch zu Preußens Gunsten entwickeln musste, im Gegenteil. Es gab auch keine Reihe preußischer Siege auf dem Schlachtfeld. Und solche meist knappen Siege bedeuteten für Preußen nur, dass man überlebt hatte, um weiterkämpfen zu können. Den Krieg dank dieser taktischen Siege grundlegend zu seinen Gunsten entscheiden konnte Friedrich II. gegen die Österreicher und Russen nie. Als Friedrich II. dann im August 1759 in einer Schlacht eine verheerende Niederlage erlitt, schien Preußen reif für die Zerschlagung. Lediglich der Umstand, dass die Streitkräfte Russlands und Österreichs sich nicht über den nächsten kriegsentscheidenden Schritt einigen konnten, verschaffte Preußen die dringend benötige Pause, um seine zerschlagenen Truppen neu zu sammeln und zur Verteidigung aufzustellen.

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    Fortan schleppte sich der Krieg in den Regionen Sachsen und Schlesien dahin. Ähnlich wie einst in der Spätphase des Dreißigjährigen Krieges wechselten Streifzüge, Überfälle, Winterquartiere und taktische Ausweichmanöver einander ab. Selbst dafür fehlte Preußen dann 1761 die weitere Kraft: Im Osten gelang es Russland, die Bastion Kolberg zu erobern, und im Westen stellten die mit Berlin verbündeten Briten ihre Hilfslieferungen ein. Preußen war restlos erschöpft, das Ende war wieder einmal nahe. Da starb am 5. Januar 1762 die Zarin Elisabeth. Ihr Neffe und Thronfolger Peter III. war ein glühender, wenn auch labiler Verehrer Friedrichs II., der sogleich Frieden mit Preußen schloss. Zwar bestieg bald darauf Peters Gattin Katharina II. den russischen Thron, nachdem sie ihn hatte ermorden lassen, doch der Friedensvertrag sollte weiter Bestand haben. Als im Jahr darauf auch Frankreich das Bündnis verließ, sah Maria Theresia von Österreich keine Hoffnung mehr auf Sieg, sie musste den Siebenjährigen Krieg am 15. Februar 1763 mit einem Friedensvertrag beenden. Dieser bestätigte den status quo ante bellum, im Gegenzug sagte Friedrich ihrem Sohn, dem künftigen Joseph II., die brandenburgische Kurstimme bei der nächsten Kaiserwahl zu.

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  9. #654
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    Großmacht Preußen

    Preußen war jetzt in den Kreis der Großmächte aufgestiegen. Doch der Krieg hatte mehrere Hunderttausend Menschen getötet und die Städte verwüstet. Auch der König war nicht mehr der, der er vorher war, bereits jetzt mit Anfang 50 Jahren entsprach er dem Bild des „alten Fritz“, wie wir ihn kennen: Misstrauisch und mürrisch, krank, nachlässig gekleidet in den prägnanten Kanonenstiefeln und dem dreieckigen Hut auf dem Kopf. Höfische Etikette und die Gesellschaft von Frauen waren ihm zuwider. Sein Image des aufgeklärten Despoten bedeutete nicht, dass er ein sonderlich gutes Bild vom Menschen gehabt hätte: Selbst unter seinen rund fünf Millionen Untertanen vermutete er allenfalls eintausend gebildete Personen, weshalb es verlorene Mühe sei, die Menschheit aufklären zu wollen. Aus diesem Grund sah er sich in der Pflicht, sich selbst um alles kümmern zu müssen. Nach den geführten Kriegen der vergangenen Jahre galt sein Augenmerk nun der Justiz, der Wirtschaft und der Industrie. Als Schlagworte nenne ich an dieser Stelle die Reform von Zivilprozessen, den Merkantilismus und die Manufakturen, namentlich Tuch- und Porzellanmanufakturen, oder die Einführung des Kartoffelanbaus. Für den Wiederaufbau Preußens führte Friedrich II. zudem das Anwerben von Hugenotten und Salzburger Protestanten fort, die als Kolonisten gebraucht wurden, sie machten zum Beispiel das Oderbruch urbar. Mit Schlesien hatte Preußen zugleich Katholiken als preußische Untertanen hinzugewonnen, weshalb Friedrich II. die nationale Idee des Humanismus auswählte. Sein berühmtes Motto des toleranten „Hier muss ein jeder nach seiner Fasson selig werden“ brachte Preußen +25% religiöse Einheit.

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    Außenpolitisch war Friedrich II. von den einstigen Verbündeten, den Briten, enttäuscht. Für Frankreich und dessen militärische Schlagkraft hatte er nur Verachtung übrig. Respekt hatte er dagegen vor Russland, mit dem er 1764 einen Beistandspakt schloss. Dieses Bündnis veränderte die Machtstrukturen in Osteuropa und zeigte, dass auch Russland, zu dieser Zeit geführt von der Zarin Katharina der Großen, inzwischen klar zum Kreis der Großmächte gezählt werden musste. Polen war quasi zu einem Protektorat Russlands geworden, was innerhalb Polens zu Kämpfen zwischen dem Kleinadel und dem von Russland abhängigen König Stanislaw II. August führte. Dass der polnische König auch russische Truppen in sein Land holte, um der Revolte Herr zu werden, rief das Osmanische Reich auf den Plan, dem der russische Einfluss in Polen gewaltig störte. Sultan Mustafa III. erklärte Russland 1768 den Krieg, um die polnischen Aufständischen zu unterstützen. Hierbei konnte der Sultan mit dem Wohlwollen der Mächte Österreich und Frankreich zählen, während Großbritannien und Preußen es mit Russland hielten. In den folgenden Jahren kassierten die Osmanen mehrere militärische Niederlagen, was dazu führte, dass man in Wien überlegte, selber aktiv in den Konflikt einzugreifen.

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    Für Friedrich II. war das eine gefährliche Entwicklung, denn wegen der verflochtenen Bündnispolitik hätte ein Kriegseintritt Österreichs einen internationalen Krieg unter Beteiligung aller fünf europäischen Großmächte heraufbeschworen, der nicht im Interesse Preußens gelegen hätte. Friedrich II. löste den drohenden Konflikt auf Kosten Polens, indem er die Kontrahenten Österreich und Russland 1772 dazu animierte, Polen teilweise unter sich aufzuteilen. Natürlich gönnte sich Preußen hierbei ebenfalls ein Stück. Soweit ich weiß, gibt es in EU4 kein Event, dass die polnische Teilung triggert, es scheint lediglich eine preußische Mission zur Eroberung einiger polnischer Provinzen zu geben. Russland annektierte aufgrund dieser Absprache Gebiete westlich von Smolensk (und gab seinen Anspruch auf die Provinzen Moldau und Walachei auf), Österreich erhielt Galizien, während Preußen den flächenmäßig zwar kleineren, strategisch jedoch bedeutenden Anteil Westpreußen einkassierte. Friedrich II. durfte sich fortan übrigens „König von Preußen“ statt „König in Preußen“ nennen, die diplomatische Spitze von 1701 war damit aus der Welt geschafft.

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  10. #655
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    Großmacht Preußen

    Der Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich ging übrigens noch weiter bis 1774, er endete mit dem Sieg Russlands. Hier war das Ergebnis, dass das Osmanische Reich das Krim-Khanat in die Unabhängigkeit entlassen musste, das anschließend 1783 durch Russland diplo-annektiert wurde. Zudem erhielt Russland von den Osmanen Gebiete im Nordkaukasus sowie der Südukraine, nebst einer Kriegsentschädigung von viereinhalb Millionen Rubel.

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    Obwohl Friedrich II. im Jahre 1778 schon ein vorzeitig gealterter Mann war, setzte er noch einmal seine Streitmacht in Gang. Der Anlass dafür war der Tod des bayrischen Kurfürsten Maximilian III. Joseph im Dezember 1777, denn er hinterließ keine direkten Nachkommen. Sein Nachfolger Karl Theodor aus der Linie Pfalz-Sulzbach, der schon die Herzogtümer Jülich und Berg besaß, vereinbarte mit Wien, sein bayrisches Erbe gegen die Österreichischen Niederlande (das heutige Belgien) einzutauschen, und im Januar 1778 rückte ein österreichisches Truppenkontingent in Bayern ein. Preußen reagierte auf den Griff der Österreicher nach Bayern mit der Forderung nach territorialer Kompensation – in Form von Erbansprüchen auf die fränkischen Fürstentümer Ansbach und Bayreuth – was man in Wien nicht beeindruckend fand. Im Sommer 1778 entschloss sich der 66jährige Friedrich II. zum Handeln und marschierte mit seinem Heer in Böhmen ein, vorgeblich zur Wahrung der Ansprüche des Herzogs Karl Augusts von Zweibrücken, der ebenfalls ein Kandidat auf das Erbe Bayerns war. Dieser „Kartoffelkrieg“, wie ihn die Zeitzeugen nannten, endete auf diplomatischem Wege, ohne dass eine große Schlacht geschlagen worden war: Schon Ende August 1778 fiel bereits Schnee, unter den Soldaten brach die Ruhr aus. Schwermütig tappte das preußische Heer durch nebelverhangene Tannenwälder, auf aufgeweichten Wegen vorbei an feindselig schweigenden Bauern, ohne auf das österreichische Heer zu treffen. Die hungrigen Soldaten lieferten sich lediglich Scharmützel um die Kontrolle über einige Kartoffeläcker, was dem Konflikt seinen Namen gab.

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    Es war Maria Theresia, die einsehen musste, dass Habsburg für seinen Griff nach Bayern kaum politische Unterstützung, vor allem innerhalb des Reiches, genoss. Die Idee vom Tausch Bayerns gegen Belgien musste fallengelassen werden, das erfuhr im Jahre 1785 auch Maria Theresias Sohn und Nachfolger, Kaiser Joseph II., als er einen zweiten Anlauf unternahm, die beiden Territorien zu tauschen.

    Der alte Fritz konnte das Misstrauen der Reichsfürsten gegenüber den kaiserlichen Gelüsten für die Gründung des Fürstenbundes nutzen, zu dem sich 1785 Preußen, Sachsen, Hannover und einige kleinerer Territorien zusammenschlossen. Kurze Zeit später traten weitere Reichsfürsten dem Bund bei, sogar der katholische Erzbischof von Mainz, Vizekanzler des Reiches und traditioneller Parteigänger Wiens, war mit dabei. Für Friedrich II. ein später kleiner Triumph im Herbst seines Lebens: der Wilderer hatte sich zum Wildhüter gewandelt, eine Rolle, die er mit großem Geschick zu spielen verstand.

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    Im August 1786 starb Friedrich II. der Große, körperlich hinfällig und krank. Für ihn mag es vielleicht eine Erlösung gewesen, für seine Umgebung war es das sicherlich, er war in den ganzen letzten Jahren ein ziemlich unausstehliches Ekel gewesen. Die Zukunft Preußens dagegen war ungewiss. Das staatliche System und die preußische Außenpolitik, die Friedrich II. geschaffen hatte, waren von seiner energischen und fähigen Persönlichkeit geprägt gewesen, aber würde dies auch unter seinem ungeliebten Neffen und Nachfolger auf dem Thron, Friedrich Wilhelm II. von Preußen, ebenso funktionieren?


    … und was geschah danach?

    Der neue preußische König Friedrich Wilhelm II. war realistisch genug zu erkennen, dass er das Land nicht wie sein Onkel in einsamer Herrschaft von seinem Schreibtisch aus führen konnte, er berief ein Kabinett aus Regierungsmitgliedern zusammen. Außenpolitisch dominierten zwei Entwicklungen seine Amtszeit zwischen 1786 und 1797: Im Osten die weiteren Aufteilungen Polens unter den Mächten Preußen, Russland und Österreich (wobei sich die beiden letzteren Mächte zugleich am Territorien des zunehmend schwachen Osmanischen Reiches bedienten), und im Westen die Herausforderung durch die Revolutionen, vornehmlich der in Frankreich. Friedrich Wilhelm II. begrüßte anfangs die Revolution, obwohl er ja selbst ein Vertreter des Ancien Régime war, weil sie sich gegen die Herrschaft der Habsburger in den Niederlanden, in Norditalien, Tirol, Galizien und Ungarn stellte.
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  11. #656
    Neigt zur Überreaktion Avatar von DerMonte
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    Also nach EU4 ist Schluss oder soll nach ein Abstecher ins Victoria Gefilde unternommen werden? Ist aber eine wirklich gute Story die die Mechaniken von den Paradox Spielen kreativ nutzt.

  12. #657
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    Hallo Monte, das wäre natürlich stringent. Aber ist für mich aber noch nicht entschieden: Denn wer weiß schon, wann es herauskommt, ob und nach wie vielen Patches es gut wird, und ob man mehr als ein Startdatum zur Verfügung haben wird.
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  13. #658
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  14. #659
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    Das Zeitalter der Revolution - Manifest destiny



    Von Washingtons Kindheit und Jugend ist recht wenig bekannt. Die spärlich dokumentierten frühen Jahre sind später von Legenden überlagert worden, die allesamt die seine Kindheit in Einklang bringen sollten mit den dramatischen Leistungen seiner späteren Laufbahn oder einfach mit dem Mythos des ersten Nationalhelden der Vereinigten Staaten. So ist die berühmte Erzählung von seinem Geständnis, einen Kirschbaum gefällt zu haben, frei erfunden, um Washingtons angeblich strikte Wahrheitsliebe bzw. seine Unfähigkeit zu Lügen zu belegen.



    Gesichert ist, dass George Washington am 22. Februar 1732 in Westmoreland County, Virginia, nahe den Ufern des Potomac geboren wurde. Er war in vierter Generation Virginier. Der Ahnherr der Familie, John Washington, war 1657 aus England herübergekommen und hatte die Familie begründet: achtbare, wenn auch nicht sonderlich prominente Mitglieder der virginischen Gesellschaft. Die Indianer hatten ihm den Namen „Eroberer von Städten“ gegeben, und zwar nicht seiner militärischen Tüchtigkeit wegen, sondern weil er ihnen mit juristischen Winkelzügen ihr Land abgeluchst hatte. Das virginische Land war eine nicht ungefährliche und unsichere Region, in der es vor allem auf Grundbesitz ankam. Diese harte Wirklichkeit trat im April 1743 vor Augen, als Augustine Washington, der Vater des damals neunjährigen George Washington, starb und seiner Witwe sowie den sieben Kindern (aus drei Ehen) ein Erbe hinterließ, zu dem 4.000 Hektar Land sowie 49 Sklaven gehörten.

    Washington verbrachte seine frühe Jugend mit seiner Mutter auf einer Farm nahe Fredericksburg. Seine Schulbildung war eher mager, vor allem gemessen an den Qualifikationen der anderen amerikanischen Staatsmänner, denen er später begegnen sollte. Einen wichtigen Einfluss auf George Washington übte sein um 14 Jahre älterer Halbbruder Lawrence aus, der mit einer jungen Frau der Familie Fairfax verheiratet war, einer in Virginia ansässigen englischen Adelsfamilie. Über Lawrence erhielt auch George Kontakte zu diesem Haus, was für sein Fortkommen förderlich war.



    Im Jahre 1748, George Washington war da gerade 16 Jahre alt, übertrug William Fairfax seine erste Aufgabe: Er sollte Williams Sohn auf einer Vermessungsexpedition durch die Fairfax-Besitzungen im Shenandoah-Tal begleiten, ein unentwickeltes Grenzland mit nur wenigen, meist deutschen Siedlern. Washington begegnete auch einer Gruppe von indianischen Kriegern, die mit einem Skalp von einem Scharmützel zurückkehrten und ihren Sieg um ein Lagerfeuer tanzend unter dem Dröhnen einer Kesselpauke feierten. Repräsentierte die Familie Fairfax den Inbegriff der englischen Zivilisation, so zeigte das Gebiet westlich der Blue Ridge das andere Ende des zivilisatorischen Fortschritts. Dahinter dehnte sich die Ohio-Region, in das die Investoren der virginischen Ohio Company im Namen der britischen Krone vorstoßen wollten. Drei Jahre lang blieb Washington in dieser Gegend, um das Land zu vermessen. Gewöhnlich musste er unter freiem Himmel kampieren, aber er konnte sein Einkommen zum Kauf eines ersten Grundstücks mit 585 Hektar am unteren Shenandoah nutzen.

    Im Juni 1752 lag Washingtons Halbbruder Lawrence mit einer Tuberkulose-Infektion im Sterben (er vererbte Washington weitere 1.000 Hektar Land). Zu dieser Zeit bewarb sich Washington bei Gouverneur Dirnwiddie um eine Stelle als Generaladjutant in der Miliz Virginias. Er besaß zwar eine eindrucksvolle körperliche Erscheinung, hatte aber keinerlei militärische Erfahrung und war für diesen Posten deshalb gar nicht qualifiziert. Hier half ihm der Einfluss der im wohlgesonnenen Familie Fairfax, und Washington bekam den Posten. Washington wurde im Rang eines Major von Dirnwiddie mit einem Auftrag in die Wildnis in den Westen geschickt. Er sollte dort einen Brief des Gouverneurs zustellen, der an den Kommandeur der französischen Truppen in der Ohio-Region gerichtet war. Man liest es bereits heraus: Die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich konkurrierten um diese Region. Washingtons Befehl war, eine kleine Abteilung über die Blue Ridge und dann über die Alleghenies zu führen, und sich dort mit dem irokesischen Seneca-Häuptling Tanacharison zu treffen. Tanacharison war ein sogenannter Sprecher innerhalb der Föderation der Irokesen, einem Bündnis aus sechs Stämmen. Die Irokesen registrierten seit einigen Jahren in der Ohio-Region sowohl den Siedlungsdruck der Briten, als auch die französische Präsenz, die mangels eigener Siedler, militärischer Natur war. Der Seneca Tanacharison stand, ebenso wie die Stämme der Delawaren, Shawnee, Huronen und Miami, den französischen Truppen skeptisch gegenüber, darum wollte er sich die nützliche britische Unterstützung sichern. Diese Stämme hatten zugleich das Bestreben, sich von der Vorherrschaft der Irokesen zu befreien. Gemeinsam mit Tanacharison sollte Washington zu dem französischen Vorposten Fort Presque Isle (Erie) reisen, um seine Botschaft im Namen seiner Britannischen Majestät abzuliefern, in der die Franzosen aufgefordert werden, keine Festungen und Siedlungen im Ohio-Gebiet zu errichten. Der französische Kommandant empfing Washington und Tanacharison sehr höflich, zeigte sich in der eigentlichen Angelegenheit aber unbeeindruckt und schickte Washington mit einem unverbindlichen Antwortschreiben an den britischen Gouverneur wieder zurück.



    Dinwiddie entschloss sich daraufhin zu einer militärischen Antwort und ordnete an, das Lagerhaus der Ohio Company an den Forks of the Ohio zu einem Fort der virginischen Miliz auszubauen. Da Dinwiddie selbst Anteile an der Ohio Company hielt, lag dieses Vorgehen auch in seinem persönlichen finanziellen Interesse. Zur ersten Konfrontation zwischen französischen und britischen Verbänden kam es im März 1754. Die virginischen Milizen hatten noch kaum begonnen, das Fort zu errichten, da mussten sie beim Anrücken einer französischen Übermacht schon kampflos kapitulieren und nach Virginia zurückkehren. Die Franzosen errichteten an dieser Stelle das Fort Duquesne, besetzten es mit 1.000 Mann und machten sich daran, ihren Einfluss auf die umliegenden Indianerstämme auszubauen. Für Tanacharison, der die Virginier beim Bau des Forts unterstützt hatte, bedeutete diese Machtdemonstration der Franzosen den endgültigen Verlust seiner Autorität. Er selbst musste sein Dorf mit einigen wenigen Getreuen verlassen und kampierte mit ihnen in den umliegenden Wäldern.



    Dinwiddie hatte unterdessen Washington zum Oberstleutnant befördert und die Aushebung eines Regiments befohlen, das den eintausend Franzosen von Fort Duquesne entgegentreten sollte. Tatsächlich gelang es jedoch nur, 160 Mann zu rekrutieren, die – wie Washington selbst – zudem kaum oder keine militärische Erfahrung hatten. Die angeforderte Verstärkung durch Milizen aus den anderen britischen Kolonien in Nordamerika blieb aus, ebenso die erhoffte Verstärkung durch verbündete Indianerstämme wie der Cherokee und der Catawba. Trotz dieser ungünstigen Bedingungen führte Washington im Mai 1754 sein schlecht ausgerüstetes Regiment westwärts ins Ohiotal, wo er auf einer Flusswiese namens Great Meadows ein Fort errichten ließ. In der Nähe campierte auch Tanacharison mit seinen Leuten. Washington erhoffte sich weitere Unterstützung seitens der Indianer, um vor Ort zumindest so lange gegen die französische Übermacht bestehen zu können, bis Verstärkung eintrifft.

    Am 27. Mai 1754 berichtete Tancharison an Washington, in der Nähe seien französische Truppen aufgetaucht, und er brachte eine Abordnung von Kriegern mit. Am nächsten Tag traf Washington, gemeinsam mit 40 seiner Männer, auf die französische Patrouille, deren 32 Soldaten gerade in einer bewaldeten Schlucht kampierten. In einem Gefecht wurden zehn Franzosen getötet, die restlichen gefangen genommen. Unklar und kontrovers blieb, unter welchen Umständen die zehn Soldaten, darunter ihr Kommandeur Jumonville, ums Leben gekommen waren. Denn Frankreich erhob später den Vorwurf, Jumonville sei als Emissär in einer diplomatischen Mission unterwegs gewesen, und habe sich auch als solcher zu erkennen gegeben. Trotzdem sei der verletzte Jumonville durch Tanacharison getötet und skalpiert worden, ohne dass Washington eingegriffen habe. Offenbar wollte Tamacharison mit seiner Handlung eine eventuelle Einigung zwischen Briten und Franzosen von vornherein vereiteln, um sich und den indianischen Stämmen einen politischen Spielraum zu erhalten. Washington verteidigte sich gegen den französischen Vorwurf des Mordes, indem er seine eigene Version des Gefechts in einem Bericht notierte, der sich deutlich ehrenvoller las. Das war es auch, was die britischen Oberen hören wollten, denn es galt, die eigenen Reihen gegenüber dem französischen Gegner zu schließen, was wiederum bedeutete, die schützende Hand über den unerfahrenen Kommandeur Washington zu halten. Und das machte Washington zu einem „kommenden Mann“, der selbstbewusst in einen Brief schrieb: „Ich hörte die Kugeln pfeifen, und glaube mir, dieser Ton hatte etwas Reizvolles.“ Dieses Stück Selbstdarstellung fand seinen Weg in die virginischen Zeitungen, die aus Washington einen Kriegshelden machten. Die draufgängerische Bemerkung machte sogar in London die Runde, wo angeblich kein Geringerer als König George II. sie als jugendliche Prahlerei abtat: „Er würde das nicht sagen, wenn er Gelegenheit gehabt hätte, viele zu hören.“

    Washington erkannte wohl selbst, dass er sein Fort nur dann würde halten können, wenn er die Indianer auf seine Seite ziehen könnte. In einer durch Tanacharison vermittelten Zusammenkunft mit den Häuptlingen der Ohio-Region behauptete Washington dreist, der einzige Zweck der englischen Militäraktion sei es, die Rechte der Indianer zu wahren, das ganze von den Franzosen entrissene Land für die Indianer zurückzugewinnen und für sie wieder sicher zu machen. Den Häuptlingen erschien das Argument offenbar nicht überzeugend, oder sie wussten wohl einfach, dass angesichts der Stärke der vorrückenden französischen Streitmacht jedes Bündnis mit Washingtons bedrängten Truppen zu gefährlich war. Auf jeden Fall führte Tanacharison alle Indianer in die Wälder und überließ das britische Fort seinem Schicksal. Am Morgen des 3. Juli 1754 traf das französisch-indianische Heer mit 1.100 Mann vor dem Fort auf und schoss es den Tag über so sehr zusammen, dass Washington kapitulieren musste. Am folgenden 4. Juli musste er das Fort übergeben, in der Kapitulationsurkunde die „Ermordung“ Jumonvilles schriftlich einräumen, und mit seinem geschlagenen Regiment abziehen.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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    Das Zeitalter der Revolution - Manifest destiny

    In London entschied man, dass nun größeres Besteck gegen die Franzosen in Fort Duquesne aufgefahren werden müsse. Anfang 1755 trafen zwei Regimenter britischer Berufssoldaten in Virginia ein, angeführt von General Braddock, einem Veteran mit 35 Dienstjahren in der Armee. Er hatte die Vollmacht, die oberste Befehlsgewalt über die britische Militärpolitik für ganz Nordamerika zu übernehmen, und im Speziellen die Einnahme von Fort Duquesne einzuleiten. Braddock wusste alles, was man über das Drillen von Garnisonssoldaten wissen musste, ein wenig über das Führen von Kriegen in Europa und nicht das Geringste über die Verhältnisse und Schlachtfelder von der Art, wie er sie im amerikanischen Landesinneren vorfinden würde. Braddocks Vorgesetzte, die sich in London über Landkarten beugten, hatten seinen Feldzug als triumphalen Marsch durch die Ohio-Region beschrieben, gefolgt von der Einnahme von Fort Duquesne und dem Aufrollen einer Kette weiterer französischer Forts entlang der Großen Seen, sowie schließlich der Eroberung von ganz Französisch-Kanada. Kein Mensch, der mit den Bergen, Flüssen und Indianerstämmen in diesem Gelände auch nur im Mindesten vertraut war, hätte derartige Befehle ausgearbeitet. Braddocks Mission war somit schlicht nicht zu bewältigen. Dazu kam noch sein herrischer Ton, mit dem er zusätzliche Mittel einforderte und sämtlichen Kolonialregierungen vor den Kopf stieß. Sein Schicksal besiegelte er vollends bei einer Begegnung mit einer Abordnung indianischer Häuptlinge, als er ihnen erklärte, ihre historischen Ansprüche auf Land im Ohio-Tal seien wertlos und britische Truppen hätten es nicht nötig, Hilfe von Wilden zu erbitten.



    Das hielt Washington nicht davon ab, General Braddock in einem reichlich gestelzten Brief seine Dienste anzubieten. Washington war nach seiner Niederlage gegen die Franzosen vom Oberst zum Hauptmann degradiert worden und saß planlos in seinem Gut Mount Vernon herum. Es dürfte ihn weniger die Aussicht auf Teilhabe an der Erfahrung des Generals gelockt haben, sondern die Protektion, die Braddocks Status mit sich bringen konnte. Tatsächlich konnte sich Washington im Mai 1755 der britischen Streitmacht anschließen, aber er wurde rasch ernüchtert von dem, was er sah. Braddock führte nicht nur ein Heer von 2.000 Mann, sondern auch Artillerie und einen ganzen Tross mit sich, der den schwerfälligen Zug auf zehn Kilometer Länge dehnte. Und dieser musste sich mehr als 160 Kilometer weit seinen eigenen Weg durch die Wildnis schlagen, durch ein Gebiet, von dem Washington wusste, dass es nahezu unpassierbar war.



    Wie zu erwarten blieb das Heer bald bei den Alleghenies stecken und Washington ahnte bereits, dass sich mit Einsetzen des Schneefalls eine Katastrophe in dem Gebirge anbahnte: „Sie machen Halt, um jeden einzelnen Maulwurfshügel einzuebnen und über jeden Bach eine Brücke zu schlagen.“ Nachzügler wurden von den indianischen Kriegern im Wald umgebracht und skalpiert, ein Zeichen dafür, dass die Späher wussten, wo sich die Truppe befand und welches Ziel sie hatte. Am 9. Juli 1755 kam es dann zum Aufeinandertreffen der Briten mit einer rund 1.000 Mann starken Vorausabteilung der Franzosen, die zu zwei Dritteln aus Indianern bestand. Die britischen Berufssoldaten bildeten, so wie es gelernt hatten, auf freiem Feld geschlossene Reihen, während der Feind sie aus den Wäldern drumherum unter Feuer nahm. Auf diese Weise wurden die Briten zusammengeschossen, auch Braddock wurde tödlich getroffen. So bezahlte er seinen strategischen Fehler mit dem Leben, die europäische Kriegsführung auf die nordamerikanische Wildnis übertragen zu wollen.



    Mit Braddock fielen seine ganzen Adjutanten, weshalb das Kommando dem jungen Washington zufiel. Die Schlacht war ein Debakel für die Briten, von 1.300 Mann waren 900 gefallen. Aber immerhin schaffte es Washington, die Überlebenden zurückzuziehen und geordnet in Sicherheit zu bringen, und diese Aktion machte ihn unvermittelt bekannt. Washington genoss in der britischen Öffentlichkeit den Ruf des aufstrebenden, talentierten Obersts, woraus er später noch Nutzen ziehen sollte.



    Im Anschluss organisierte Washington das erste reguläre Regiment Virginias, das zeitweise über 1.000 Mann zählen sollte und am Krieg teilnahm. Nach der Farbe der von Washington entworfenen Uniform wurde das virginische Regiment die Blauen genannt. Ferner bekam Washington offiziell den Oberbefehl über alle Truppen des Staates Virginia. Es gelang ihm, die Grenze Virginias gegen die französischen Truppen zu verteidigen, wobei sich der eigentliche Krieg in den nordwärtigen Nachbarkolonien, also in Kanada, an den Großen Seen und in Neuengland, abspielte. Als Problem stellte sich eher heraus, dass vor allem die Shawnee und Delaware die britische Niederlage am Monongahela ausgenutzt hatten, alle englischen Siedlungen westlich der Blue Ridge zu überfallen. Da er mit seinem Regiment gegen die Waldkämpfertaktik der Indianer keinen Vorteil in Form einer entscheidenden Schlacht erzwingen konnte, forderte Washington von Dinwiddie mehr indianische Verbündete, da es die einzigen seien, die es mit Indianern aufnehmen könnten. Besonders unterstützte er die Anwerbungsversuche der Catawba und Cherokee aus den beiden Carolinas. Die Indianer der Region blieben meist franzosenfreundlich gesinnt, so dass Washington in den nächsten Jahren vor allem in einer defensiven, durch Forts unterstützten Blockadehaltung an der Westseite der Blue Ridge verblieb. Für Washington ging es in der Frage der Indianer später vor allem um die vollständige Vernichtung ihrer Existenzgrundlagen: „Unmittelbare Ziele sind die völlige Zerstörung und Verwüstung ihrer Siedlungen. Besonders wichtig wird es sein, ihre Feldfrüchte in der Erde zu vernichten und die Felder unbestellbar zu machen.“ Diese Äußerung stand in großem Widerspruch zu jener idealisierenden Haltung, die dem Virginier nach seinem Tod als Inbegriff des „Großen Weißen Vaters“ von manchen indianischen Delegationen entgegengebracht wurde.

    Washington führte das Regiment, das zum großen Teil aus gerade eingewanderten Rekruten aus England, Irland und Schottland bestand, mit strenger Hand und exakt und detailliert formulierten Befehlen. Er legte großen Wert auf Präzision im Exerzieren und auf mobile Gefechtstaktiken im Waldkampf. Bald gelangte er zur Überzeugung, sein Regiment sei auch durch die regelmäßigen Erfahrungen im Grenzkampf allen anderen amerikanischen und britischen Truppen im Guerillakrieg überlegen. Es ärgerte ihn sehr, dass er und sein Regiment nicht nach den Tarifen britischer Berufssoldaten bezahlt wurden. Im Frühjahr 1756 reiste er nach Boston, um dort ohne Erfolg beim amtierenden Befehlshaber für Nordamerika, dem britischen Kolonialgouverneur William Shirley, entsprechende Würdigung für ihn und sein Regiment in Form gleicher Besoldung einzufordern. Auch dessen Nachfolger im selben Jahr, John Cambell, Lord Loudon, bat er in mehreren Briefen in angemessener Ehrerbietung um ein reguläres Offizierspatent. Wiederum fand er kein Gehör, im Gegenteil wurde sein Regiment kurzfristig von Lord Loudon aufgelöst, um kompanieweise den Kampf in Süd-Carolina zu verstärken.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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