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Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #616
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    Leviathan

    Die ersten bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Chevaliers und Roundheads (so der Begriff für die Truppen des Parlaments) gingen mehrheitlich zugunsten der Königstreuen aus. Man darf sich aber keine Vorstellung von so großen Schlachten wie denen des Dreißigjährigen Krieges machen. Obwohl Großbritannien durchaus mit fähigen Söldnertruppen in Deutschland vertreten war, gab es auf der Insel nur wenige Waffen bzw. ausgebildete Soldaten. Deshalb spielten die Rückkehrer, die Veteranen aus dem Dreißigjährigen Krieg, eine besondere Rolle in den englischen Heeren. Unter den Kommandeuren der Chevaliers greife ich da als prominentesten Vertreter den Prinzen Rupert (Ruprecht) heraus, einen Neffen des englischen Königs. Er war ein Sohn des Pfalzer Kurfürsten Friedrich, des Winterkönigs von Böhmen aus dem Kapitel zum Dreißigjährigen Krieg.

    Die anfänglichen Erfolge der Königlichen beschränkten sich eher auf eher kleine Gefechte. Erst am 23. Oktober 1642 ereignete sich mit der Feldschlacht am Edgehill das erste größere Aufeinandertreffen der Heere, bei der auch Charles I. persönlich zugegen war. Der Tag ging unentschieden aus, beide Seiten hatten etwa 1.500 Mann Verluste. Die bedeutende Konsequenz daran war, dass der König durch das Ergebnis dieser Schlacht die Möglichkeit einbüßte, auf London marschieren zu können, und ein schnelles Ende des Bürgerkriegs nicht mehr möglich war. England befand sich, das war nunmehr offensichtlich, in einem Bürgerkrieg. Die beiden Parteien steckten ihre Einflusszonen ab und belagerten die gegnerischen Festungen, die sich noch vereinzelt in ihren Gebieten befanden.



    Im Südwesten Englands, in Wales und Cornwall, behielten die Chevaliers die Oberhand. Im Nordosten, also die Gegend um York bis zur schottischen Grenze, waren die Parlamentarier stärker. Prinz Rupert zeichnete sich als der wohl fähigste Kommandant der Königlichen aus, er wurde am Hof von Charles I. in Oxford wegen seiner herablassenden Art und aus Neid jedoch nicht sonderlich geschätzt. Auf der Seite der Parlamentarier war zunächst ein gewisser Hampden das militärische Ass, nach seinem Tod machte sich allmählich dessen Cousin Oliver Cromwell einen Namen. Über diesen stand aber noch der Kommandeur Thomas Fairfax.



    Erst als der Norden um York für den König quasi verloren war, besann sich Charles I. auf die militärischen Qualitäten seines Neffen Rupert von der Pfalz. Rupert belagerte gerade Newcastle und war auf einem guten Weg, die Stadt einzunehmen, als von Norden die Schotten die Grenze überschritten und in den Bürgerkrieg eingriffen. Das englische Parlament hatte nämlich am 25. September 1643 ein Bündnis mit ihnen abgeschlossen. Charles I. hatte die Schotten nicht besiegen können und sich anschließend mit dem englischen Parlament angelegt, nun hatte er beide gleichzeitig als Gegner am Hals.

    Am 2. Juli 1644 stellte sich Rupert der Schlacht gegen diese Koalition, denn es ging darum, dass York nicht an die Parlamentarier verlorengeht. Dort am Marston Moor erlitten die Königlichen eine empfindliche Niederlage. Das war wohl weniger die Schuld von Rupert, den Ausschlag gab wohl eher der eher unfähige Kommandeur Goring auf seiner Seite, während die Parlamentarier mit den sogenannten Ironsides von Cromwell über eine schlagkräftige Kavallerie verfügten. Im Norden Englands war Charles I. geschlagen, besiegt war aber nicht. Der Earl of Essex unternahmen nun einen tiefen Vorstoß in das royalistische Gebiet im Südwesten Englands, bis er am 1. September 1644 in Cornwall in einen Hinterhalt gelockt und besiegt wurde. Das war ein großartiger Erfolg für den König, doch er nutzte die Gelegenheit nicht, sondern verharrte weiter in Oxford.

    Auf der Seite der Parlamentarier kam man zu dem Schluss, dass ihre Armee einer Reform bedurfte, wenn man den Bürgerkrieg gewinnen wollte. Oliver Cromwell brachte die Notwendigkeit auf den Punkt: „Wir können den König hundertmal besiegen und er bleibt immer noch König, er besiegt uns ein einziges Mal und wir hängen.“



    Die New Model Army wurde aus der Taufe gehoben. Sie bestand aus puritanischen Fanatikern und wurde Fairfax und, unter diesem, Cromwell unterstellt. Cromwell führte die dabei Kavallerie, er hatte sich mit seinen Ironsides ja bereits die Sporen verdient, könnte man im wahrsten Sinne des Wortes sagen. Parlamentarischen Abgeordneten dagegen wurde die gleichzeitige Ausübung eines militärischen Kommandos untersagt, jeder musste sich entscheiden, welchen Posten er ausüben wolle. Da die adeligen Parlamentarier sich daraufhin allesamt gegen ein Militärkommando entschieden, war in der Armee der Weg frei für die Profis, was die Schlagkraft der New Model Army stärkte.

    Die für damalige Verhältnisse modern ausgerüstete und kämpfende Armee stellte die Armee des Königs und zwang Charles I. die Schlacht von Naseby auf, für die dieser schlecht vorbereitet war. Beide Heere standen sich in ähnlicher Aufstellung gegenüber, mit der Kavallerie auf ihrer jeweils linken Seite. Doch während der Angriff von Rupert steckenblieb, siegte Cromwell auf seiner Seite des Flügels und rollte das königliche Heer auf. Der König wollte persönlich mit seiner eisernen Reserve einschreiten, doch der Earl of Carnwath hielt beschwörend die Zügel seines Pferdes fest: „Will you go upon your death?“ Charles I. verließ notgedrungen mit seiner Entourage das Feld und begab sich zurück nach Oxford. Rupert fiel beim König zeitweise in Ungnade, lediglich der Feldzug des königlichen Kommandeurs Montrose, der in Schottland operierte, machte vorläufig noch Hoffnung. Aber auch der stand letztlich auf verlorenen Posten, denn die Königlichen verloren stetig an Gelände.

    Bis zum Herbst 1645 eroberten die Roundheads wichtige Stützpunkte wie etwa Bristol zurück. Die Puritanier wüteten teilweise übel unter den besiegten Katholiken. Zu Beginn des Jahres 1646 befanden sich die Royalisten eindeutig in der Defensive. Parlamentarische und schottische Truppen begannen mit der Belagerung von Newark-on-Trent, der letzten von Royalisten gehaltenen Stadt in Nordengland. Die Garnison musste sich am 8. Mai 1645 ergeben.



    Im selben Monat begann die Belagerung Oxfords durch die Roundheads, die zentrale Bastion, in der sich der König befand. Bevor sich der Belagerungsring um Oxford geschlossen hatte, gelang Charles I. verkleidet die Flucht aus der Stadt. Mit nur zwei Begleitern schlug er sich nach Newark durch – um sich dort den Schotten zu ergeben, die die Stadt gerade belagerten. Der König wurde nach Newcastle gebracht. Er selbst sah sich als Gast der schottischen Convenanter, war aber nichts anders als ihr Gefangener. Monatelang blieb er in ihrem Gewahrsam, war aber zu intransigent oder zu dämlich, mit den Schotten zu einer tragfähigen Einigung zu kommen. Das englische Parlament kaufte den Schotten schließlich die Person des Königs regelrecht ab. Den Royalisten blieb weitgehend keine andere Wahl, als die Waffen niederzulegen.

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  2. #617
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    Leviathan

    Charles, ganz Monarch, empfing Deputationen des Oberhauses und gab seinem Wunsch Ausdruck, nach Westminster zu kommen. Diplomatische Unterstützung erhielt er von den Franzosen, die zwischen dem König und dem Parlament vermitteln sollten. Der Stuart sah nämlich durchaus eine Chance für sich, denn das englische Parlament war sich nicht einig, wie es mit ihm umgehen sollte. Es gab die Radikalen (vor allem in der Armee), die die Monarchie und das Oberhaus abschaffen und die Religionsfreiheit einführen wollten. Das ging vielen anderen (den Parlamentariern) zu weit, ihnen war ein gezügelter König bzw. ein klar puritanisches England lieber. Ein simpler Fähnrich namens Joyce erschien in dieser schwebenden Situation mit Reitern beim König und sagte diesem, er solle ihn zur Armee begleiten. Als der König Joyce fragte, wer ihn autorisiert habe, zog Joyce eine Pistole und antwortete trocken, darin bestehe seine Autorisierung.

    Die New Model Army und das Parlament mussten eine Weile ihre Meinungsverschiedenheiten ausschießen. Auch die Schotten waren sauer, da man sie an den Verhandlungen mit dem König nicht beteiligt hatte. Für den intriganten Charles I. war der Zwist unter den Siegern eine Chance. Die Convenanter waren natürlich immer noch darauf aus, den Presbyterianismus als Staatsreligion auf der ganzen Insel zu etablieren. Man glaubte durchaus daran, dass ausgerechnet der König dabei hilfreich sein könne. Die Folge war, dass auch die Convenanter zerfielen: in eine kompromisslose radikale, und eine liberale verhandlungsbereite Fraktion. Die liberale Fraktion bot dem König im Dezember 1647 an, dass er mit Hilfe einer schottischen Armee befreit werden könne, wenn er dafür für die Dauer von drei Jahren den Presbyterianismus in England einführt.



    Das klingt allesamt komisch, doch viele Leute hatten die Schnauze voll von den strammen Puritaniern, die Ende 1647 sogar in Canterbury einen Adventsmarkt gewaltsam räumen ließen, weil die Leute gegen das Verbot ihrer Weihnachtsbräuche protestierten. In London rotteten sich Lehrlinge zusammen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren. Damals wie heute war so etwas schon mal mit Plünderungen verbunden. Es war Druck auf dem Kessel, eine unruhige Zeit des Umsturzes von Traditionen. In einigen Städten trieben ausstehende Soldzahlungen die Truppen in den Protest, manche Truppenführer ergriffen gar offene Partei für den König. Es kam zu regelrechten Gefechten und sogar Feldschlachten zwischen den Fraktionen – diese Phase wird als der Zweite Englische Bürgerkrieg bezeichnet. Cromwell besiegte die Schotten und brachte royalistische Ortschaften wieder unter Kontrolle. Lediglich in Irland leistete man weiter erfolgreich Widerstand gegen die Roundheads.



    Durch seine militärischen Erfolge und Unterstützung durch das finanziell gut ausgestattete Bürgertum war Cromwells Einfluss inzwischen stark gewachsen. Und er wollte die radikale Lösung. Cromwell tauschte die Parlamentswache durch radikale Armeesoldaten aus und ließ diverse presbyterianische und königstreue Abgeordnete am Eingang des Parlaments vom Zutritt ausschließen oder gar festnehmen – egal, welche Verdienste sie im Bürgerkrieg erworben hatten. Übrig blieb lediglich ein Rumpfparlament, das im Sinne Cromwells abstimmte. Den König ließ Cromwell nach Windsor schaffen, um einen Sondergerichtshof gegen ihn ins Leben zu rufen. Das Unterhaus stimmte dem wie erwartet zu, das Oberhaus widersetzte sich. Daraufhin beschloss das Unterhaus am 4. Januar 1649, das Oberhaus abzuschaffen. Das war ein glatter Coup, der viele abstieß, so dass Cromwell schon Schwierigkeiten bekam, die 135 Sitze des Sondergerichtshofs überhaupt besetzt zu bekommen und Richter dafür zu finden.



    Charles I. zeigte während des Prozesses den 70 Richtern eine stolze und herablassende Haltung, er lehnte die Zuständigkeit des Gerichtes schlicht ab: „A king cannot be tried by a superior jurisdiction on earth.“ Ganz ungeschickt verteidigte er sich nicht, er hatte sogar eine Rede vorbereitet – die ihm verboten wurde vorzutragen. Am 27. Januar 1649 wurde Charles I. als Tyrann und Verräter zum Tode verurteilt. Im Gerichtssaal brach Unruhe aus, als das Urteil als „im Namen des Volkes“ verkündet wurde. Ein großer Teil des Volkes wollte den Kopf des Königs sicherlich nicht rollen sehen. 59 Unterschriften der Richter standen letztlich unter Todesurteil, Cromwell hatte teilweise zu massiven Drohungen gegriffen, um die Unterschriften zusammen zu bekommen. Charles I. nahm das Urteil genauso gelassen wie den Prozess, den er fast gelangweilt verfolgt hatte.

    Am frühen Morgen des 30. Januar 1649 wurde Charles I., König von England und Schottland, auch König von Irland, nach eigenem Anspruch König von Frankreich, Oberhaupt der anglikanischen Kirche und Verteidiger des Glaubens, enthauptet. Könige waren bisher auf dem Schlachtfeld gestorben, einige waren nach ihrer Entmachtung heimlich beseitigt worden. Aber ein Parlament, das mit Gewalt die Monarchie stürzt und einem König den Prozess macht und ihn dann öffentlich hinrichten lässt, das hatte es noch nicht gegeben. Dass diese Entwicklung in England möglich geworden war, halte ich auch durch den besonderen Umstand begründet, dass die anderen Monarchien Europas durch den Dreißigjährigen Krieg gebunden waren. Ansonsten hätten ausländische Kräfte wohl auch in den englischen Bürgerkrieg eingegriffen.



    Der König war tot, doch dieses mal hieß es nicht: Lang lebe der König! Natürlich, es gab einen Thronerben, der Anspruch auf die Krone erheben konnte, nämlich Charles gleichnamigen Sohn. Doch der saß im Exil und konnte im kriegsmüden Europa vorerst nicht auf Hilfe bei einer militärischen Invasion seines Königreiches hoffen. Die royalistischen Kräfte in Großbritannien waren zwar nicht vollends verschwunden – in Irland und Schottland musste Cromwell ihre Aufstände weiterhin niederhalten – aber gefährlich werden konnten sie dem englischen Parlament nicht mehr.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  3. #618
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    Was gedachten Cromwell und seine Anhänger mit der Macht, die sie in England errungen hatten, anzufangen? Im Mai 1650 wurde in Großbritannien das Commonwealth eingeführt. Das Commonwealth hatte weder König noch Oberhaus, das Unterhaus wurde alleiniges Parlament von England. Die drei höchsten Würdenträger waren der Parlamentssprecher, der Präsident der Armee und Präsident des Staatsrats. Dieser Rat hatte die Regierung inne.



    Nachdem die Royalisten auch in Irland und Schottland militärisch unter die Knute gezwungen waren, ließ sich Cromwell im April 1653 kraft einer neuen Verfassung an die Spitze des Staatsrats setzen. Offenbar behagte das so manchem Abgeordneten des Unterhauses nicht, sie widersetzten sich der Zusammenarbeit mit dem so mächtig gewordenen Cromwell. Obwohl das Rumpfparlament fast nur noch aus Anhängern Cromwells bestand, lehnte es in der Folge seine Pläne zur Neuordnung des Staates ab. Insbesondere versäumte es die Ausarbeitung einer Verfassung, die der neuen republikanischen Ordnung eine rechtliche Grundlage verleihen sollte.



    Cromwell forderte es nach langem Zögern schließlich auf, sich aufzulösen und den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Die Auflösung des Parlaments war bis dahin ein Recht des Königs gewesen. Nach seiner Hinrichtung blieb allein die Selbstauflösung als rechtlich halbwegs gangbarer Weg. Nach dem Scheitern und der Auflösung des Rumpfparlaments durch Cromwell war die Republik ohne legislatives Organ. Eine freie Neuwahl lehnten Cromwell und die Militärs ab, weil dadurch wieder königstreue oder königsfreundliche Kräfte in die Versammlung gekommen wären. Weil sich die Abgeordneten Cromwells Forderungen weigerten, erschien Cromwell am 20. April 1653 mit 30 Bewaffneten im mittlerweile auf 100 Mitglieder geschrumpften Rumpfparlament und befahl den Abgeordneten auseinanderzugehen: „Für das Wenige, das ihr an Gutem geleistet, habt ihr hier lange genug gesessen. Im Namen Gottes, hebt euch hinweg!“

    Nach der Auflösung des Rumpfparlaments versuchte Cromwell mit Hilfe des so genannten Parlaments der Heiligen, dessen Mitglieder von ihm und dem Rat der Armee ausgewählt worden waren, eine tragfähige Verfassung zu entwickeln. Doch die Abgeordneten dieses Parlamentes waren teilweise religiöse Hardliner, die sich schon bald mit den gemäßigten Abgeordneten in Streitigkeiten über den Kirchenzehnten und des adeligen Kirchenpatronats überwarfen. Die Gemäßigten traten an Cromwell heran, erklärten ihren Rücktritt, und übertrugen Cromwell ihre Vollmachten zurück. Mit den übrigen Radikalen allein mochte Cromwell natürlich nicht weitermachen. Er ließ das übrig gebliebene Parlament durch einige Soldaten auseinandertreiben und zog nun die komplette Legislative an seine Person.



    Oliver Cromwell legte sich dazu den traditionellen Titel des Lordprotektors zu. Das war in der Vergangenheit die Bezeichnung für den Regenten des königlichen Thronerben gewesen. Das war natürlich in keiner Weise die Rolle, die Cromwell fortan einnahm: Er errichtete vielmehr eine Militärdiktatur über England, mit sich an der Spitze.



    Das nun eingesetzte Unterhaus bildete nur noch ein machtloses Feigenblatt, mit dem Cromwell seine fünf Jahre als Lordprotektor (1653-1658) bekleidete. Natürlich gab es trotzdem politische Bewegungen in England, vor allem die kleinbürgerlichen Levellers, die Gleichmacher, erhofften sich von ihm umwälzende politische Reformen – denen er aber eine Absage erteilte. Die radikal Gesinnten unter den Levellers bekämpfte der Lordprotektor sogar mit Hilfe der Armee. Auch Irland und Schottland sahen sich bald durch englische Truppen besetzt und blutig niedergehalten.

    Wer nach dem Ende der englischen Monarchie gehofft hatte, dass nun die große Freiheit kommen würde, wurde bitter enttäuscht. Cromwells Augenmerk galt mehr der Wiederherstellung von Englands wirtschaftlicher und außenpolitischer Macht. Als ausländischen Konkurrenten machte Cromwell dabei niemand anderen als die Vereinigten Provinzen aus, also die Niederlande. Dabei ging Cromwell auch dem Krieg nicht aus dem Weg. Die Ursachen des ersten Englisch-Niederländischen Kriegs lagen in Streitigkeiten über den Handel, und der Krieg begann mit Angriffen auf die Handelsschifffahrt. Schnell kam es jedoch auch zu größeren Zusammenstößen der Kriegsflotten von England und den Niederlanden. Die englische Marine konnte die Kontrolle über die Seegebiete um England gewinnen, und die Niederländer wurden gezwungen, das englische Monopol über den Handel mit den englischen Kolonien anzuerkennen.

    Und was tat der royalistische Prinz Rupert zu dieser Zeit? Er mutierte vom Reiterführer zum Freibeuter. Zwischendurch war es ruhig um ihn geworden, aber ab Januar 1649 war er mit einem Paukenschlag wieder in Erscheinung getreten. Seine Chance waren die Differenzen, die zwischen der parlamentarischen Armee und der Flotte zutage traten. Es gab Meutereien und Dersertionen, schließlich liefen ganze Kriegsschiffe zum Prinzen über. Diese kleine Flotte operierte hauptsächlich von den Niederlanden aus, jedoch ohne viel Glück, denn die republikanische Flotte blockierte sie dort. In einer Irrfahrt über Irland suchte Rupert sein Heil beim portugiesischen König Joao IV. Auf Ärger mit England wollten es die portugiesischen Kaufleute nicht ankommen lassen, deshalb wurde Ruperts Flotte schließlich gezwungen, die Häfen, in denen sie Asyl gefunden hatten, wieder zu verlassen. Er fuhr ins Mittelmeer und fand Beistand bei den Spaniern. Seine Seegefechte mit den Engländern verliefen ergebnislos, doch Rupert konnte immerhin einige Handelsschiffe in Malaga und Umgebung aufbringen. Für einen Sieg gegen England blieben seine Mittel aber weiter zu gering. Rupert schlüpfte in der Folge an den französischen Mittelmeerhäfen unter, bevor er 1651 sogar in die Karibik aufbrach. Im Laufe von zwei Jahren büßte Rupert bei Kaperfahrten und durch Unfälle weitere seiner Kriegsschiffe (und Seeleute) ein, bis er schlicht an Bedeutung verloren hatte.

    Ab 1657 ging es Cromwell gesundheitlich schlechter. Die Malaria, die er sich in Irland gefangen hatte, schwächte ihn, außerdem litt er unter sogenannten Stein-Beschwerden, also Nieren- und Blasensteinen. Er musste sich Gedanken darüber machen, wie es nach ihm weitergehen sollte. Das willfährige englische Parlament bot Cromwell die englische Krone an, aber das lehnte er ab. Stattdessen setzte Cromwell durch, dass das Amt des Lordprotektors erblich sein solle, und damit setzte er seinen Sohn Richard als diktatorischen Nachfolger fest. So kam es dann: Oliver Cromwell starb 1658 und Sohn Richard folgte ihm als Lordprotektor.

    … und was geschah danach?

    Richard hatte nicht das Format seines Vaters. Er konnte sich weder politisch durchsetzen noch war er ein fähiger Armeeführer. Nicht nur die führenden Politiker, sogar die Militärs sahen England am Rande eines erneuten Bürgerkriegs stehen. Sie sahen schließlich nur in der Wiederherstellung der Monarchie einen Ausweg aus dieser Krise.



    Bereits im Mai 1659 wurde Richard Cromwell zur Abdankung und ins Exil nach Paris getrieben. Von nun an regierte wieder das Parlament. Die Militärdiktator blieb damit eine Episode in der englischen Geschichte. Einige Monate lang dauerte das politische Ringen, bis 1660 ein königstreu besetztes Parlament sich durchsetzte. Wer war nun aber ein legitimer Kandidat für die englische Krone? Damit kam der Sohn des 1649 hingerichteten Königs wieder ins Spiel: Charles II. Er hatte in der Zwischenzeit bereits den Thron in Schottland besetzen können und stellte die einzige Person dar, über die man glaubhaft an die bisherige Dynastie anknüpfen konnte. Der Stuart konnte im Mai 1660 nach London zurückkehren und wurde vom Parlament ein Jahr später (ich vermute, dass in dieser Zeit ausführlich über die künftige Machtabgrenzung zwischen Krone und Parlament verhandelt wurde) schließlich im April 1661 zum König von England gekrönt.

    Post mortem erging es dem einst so mächtigen Herrscher Oliver Cromwell dagegen schlechter. Seine Leiche wurde exhumiert und einer symbolischen Hinrichtung als Königsmörder zugeführt. Sein Kopf wurde zur öffentlichen Abschreckung auf einer Stange gegenüber von Westminster Hall ausgestellt. Die Restauration hatte offenbar schließlich gesiegt, England war ab 1661 wieder eine Monarchie, die englische Republik war eine nur rund zwölfjährige Episode geblieben. Oder doch nicht?
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  4. #619
    Registrierter Benutzer Avatar von Herbert Steiner
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    Zitat Zitat von Mark Beitrag anzeigen
    Regierungsform: Polen-Litauen wunderbarstes Paradutch


    Und davon abgesehen war das Kapitel wie gewoht großartig!

  5. #620
    Hamburg! Avatar von [DM]
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    Und wieder ist ein Kapitel beendet worden.
    Zitat Zitat von Bassewitz Beitrag anzeigen
    Make Byzantium even greater!
    Zitat Zitat von Bassewitz Beitrag anzeigen
    Imperium first, Bedenken second!

  6. #621
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
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    Ich habe inzwischen häufig die Quellenangaben vergessen. Kommt ja bei den besten* Kanzlerkandidaten vor, also was solls...
    Zum englischen Bürgerkrieg habe ich übrigens sage und schreibe ein einziges Buch gefunden, das ich dann bestellte:
    Oprotkowitz und Seehase "Ironsides,die Geschichte des englischen Bürgerkriegs", hat rund 170 Seiten.

    *P.S. dieses Wort streiche ich mal.
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  7. #622
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    Das Gleichgewicht der Mächte - Louis XIV.

    Jetzt folgt der zweite Abschnitt des "Leviathan" oder "The balance of power". Beim englischen Bürgerkrieg ging es um die innenpolitische Verteilung der Macht zwischen Monarch und Parlament. Jetzt geht es um die außenpolitische Machtstruktur zwischen den europäischen Staaten. Ein diplomatisches Konzept der Neuzeit, das nach dem 30jährigen Krieg Einzug hielt, nämlich eine Politik der Machtbalance zu betreiben. Dieses Gleichgewicht sollte schon bald gestört werden, und zwar durch Frankreich, das sich zur vorherrschenden Macht aufschwingen wollte.




    II. Frankreich: Das Gleichgewicht der Mächte

    Wie kein Zweiter steht der französische König Louis XIV. für das Bild des absoluten Monarchen, dem die berühmte Aussage „Der Staat bin ich“ zugeschrieben wird. Natürlich regierte er nicht in einsamer Weisheit, doch der Apparat war auf ihn zugeschnitten. Wie es sich für einen Machtmenschen seiner Kategorie gehört, war Louis XIV. kein Kind der Liebe, sondern eines der berechneten Vernunft. Nicht nur sein Geburtstag am 5. September 1638 ist definiert, sogar der genaue Abend seiner Zeugung ist gesichert. Das war am 5. Dezember 1637, als Frankreichs damaliger König Louis XIII. für eine Nacht das Bett mit seiner verhassten Frau Anna von Österreich teilte.

    Die beiden kannten sich seit frühen Jahren. Louis war der älteste Sohn des Königs Henri IV. (aus dem vorigen Kapitel) und deshalb der französische Thronfolger, Anna stammte aus dem spanischen Zweig des Hauses Habsburg. Ganze 23 Jahre lang war ihre arrangierte Ehe ohne einen Erben geblieben, mehrere Fehlgeburten hatten das Paar voneinander entfremdet. Als Habsburgerin und Spanierin war Anna ganz eindeutig dafür, dass Frankreich als katholische Macht sich mit Wien und Madrid gegen die Protestanten verbünden müsse. Die Politik Richelieus, und damit König Louis XIII., war das glatte Gegenteil von Annas Vorstellungen über Frankreichs Kurs. Für den Kardinal empfand sie einen tödlichen Hass, ihre Person war in manche Verschwörung gegen ihn und ihren Mann verstrickt. Kein Wunder, dass Louis XIII. ihr tief misstraute. Aber es half ja nichts. Wenn der König verhindern wollte, dass sein ungeliebter Bruder Gaston die Krone erbt, musste Louis XIII. mit Anna einen Sohn zeugen. Und genau dazu überwand er sich an jenem Abend im Dezember 1637.

    Als der kleine Dauphin Louis fünf Jahre alt war, wagte eine Verschwörung um Gaston (und mit dem Wissen von Anna) den entscheidenden landesverräterischen Schritt und schloss 1642 einen Geheimvertrag mit Spanien, um militärisch den Kardinal zu stürzen. Das war zu einer Zeit, in der Frankreich mit Wien und Madrid im Krieg lag. Richelieu hatte einen ausgezeichneten Geheimdienst mit einem ausgedehnten Spitzelsystem aufgebaut, und so lag ihm bald eine Abschrift dieses delikaten Vertrags vor. Das kostete so manchem Verschwörer den Kopf, nur das Blut seines eigenen Bruders zu vergießen, das scheute Louis XIII. sich. Es war der letzte große Triumph Richelieus über seine Feinde, denn am 4. Dezember 1642 starb der allmächtige Minister.

    Danach blieb Louis XIII., obgleich erst 42 Jahre alt, nur noch die Zeit, seine Nachfolge zu regeln, denn er litt seit langem an Tuberkulose. Der König hielt Gaston und Anna für ungeeignet, die Regentschaft für den Dauphin zu übernehmen, und entsprechend las sich sein Testament. Doch kaum war Louis XIII. gestorben, da brachte Anna das französische Parlament dazu, das Testament zu annullieren und sie als Regentin für den kleinen Louis XIV. einzusetzen. In Paris schien die Zeit gekommen für all jene, die es mit Wien und Madrid halten wollten. Doch sie wurden ziemlich enttäuscht, denn kaum im Amt, vollzog die gebürtige Habsburgerin Anna eine radikale Wende: Sie war fortan ausschließlich Französin und berief überraschend Kardinal Mazarin, den politischen Ziehsohn ihres verstorbenen Todfeinds Richelieu, zum Premierminister.

    In den Jahren danach fanden in Münster-Osnabrück die Friedensverhandlungen zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges statt, bei denen Frankreich ja als der große Gewinner hervorging. Frankreich war fortan die Großmacht in Europa, während der Kaiser sowie Spanien (das bis 1659 mit Frankreich aber weiter im Kriegszustand blieb) ihre Ziele verfehlt hatten. Man könnte meinen, dass nun ein Goldenes Zeitalter für Frankreich anbrach, doch im eigenen Land war die Stimmung eine andere. Richelieu und nach ihm Mazarin hatten Frankreich mit hohen Steuern belastet, um das eigene Militär sowie das der protestantischen Verbündeten zu finanzieren. Zudem war im Jahre 1649 der englische König Charles I. vom Parlament gestürzt und hingerichtet worden. In der Bevölkerung Frankreichs gab es deshalb eine weitverbreitete Stimmung gegen die königliche Macht, die im Aufruhr der sogenannten Fronde gipfelte.



    Das Parlament in Paris verweigerte es, neue Steuergesetze zu akzeptieren. Mazarin, der mehr Geld für den Krieg gegen Spanien brauchte, wollte nämlich auf die Vererbung von Staatsämtern eine Steuer erheben. Eine Steuer auf die Vererbung der Ämter war bereits bekannt, neu war aber, dass sie alljährlich neu zu entrichten war, wenn der Anspruch nicht erlöschen sollte. Das Parlament und die Gerichte schlossen sich gegen dieses Vorhaben zusammen und hatten dabei die Bürger auf ihrer Seite. Für den jungen König Louis XIV. war die Fronde ein einschneidendes Erlebnis, denn das Volk setzte ihn quasi in seinem Palast innerhalb von Paris fest. Mehr noch, die Bürger erzwangen den Zutritt zum königlichen Schlafgemach, um sich davon zu überzeugen, dass Louis XIV. sich tatsächlich noch in dem militärisch nicht zu verteidigenden Palast befindet. Für Louis XIV. war das eine Demütigung seiner königlichen Autorität, die er niemals vergessen würde.

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  8. #623
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    Das Gleichgewicht der Mächte - Louis XIV.

    Die Steuer, die die Fronde ausgelöst hatte, musste zurückgenommen werden. Mazarin musste aufpassen, dass die Rechte des Königs nicht vom Parlament ausgebootet werden, denn ohne dessen Schutz wäre sein Kopf sicherlich fällig gewesen. Das hielt Mazarin nicht davon ab, in einer Phase des Jahres 1654, als der junge Louis XIV. sterbenskrank da lag, Koalitionsverhandlungen mit dem englischen Lordprotektor Oliver Cromwell zu beginnen, obgleich dieser in Frankreich verhasst war. Immerhin war Louis' Tante Henriette-Marie mit dem hingerichteten Charles I. verheiratet gewesen, die Familie des Stuart hatte sich nach Frankreich ins Asyl geflüchtet. Ausgerechnet mit diesem Königsmörder schloss Mazarin 1657 einen Vertrag – die eherne Logik des Kampfes gegen Spanien verlangte es so.

    Der Krieg gegen Spanien verzögerte die Vermählung Louis XIV. erheblich, denn nach den dynastischen Gebräuchen der Epoche hatte ein König mit zwanzig Jahren längst verheiratet zu sein. Bei dieser Verzögerung aber war der Leitgedanke Annas von Österreich, die den Krieg gegen ihr Heimatland stets beklagte, wirksam, ihr Sohn möge die Tochter ihres Bruders Felipe IV. heiraten, die Infantin Maria Teresa. Spanien musste bis 1659 bis in dessen Ruin bekriegt werden, bis es der Ehe der beiden zustimmte. Zu lange hatte Madrid von den Gold- und Silberflotten aus Amerika gelebt (wenn sie denn eintrafen und nicht von seinen Feinden aufgebracht wurden), seine eigentliche Wirtschaft vernachlässigt und sein überseeisches Imperium überdehnt.



    Für Spanien war der entscheidende Punkt in dem Heiratsvertrag der beiden Länder, dass Maria Teresa vollständig auf ihre Erbansprüche verzichten muss. Kein Handbreit spanischen oder holländischen Bodens sollte über diese Ehe unter die Kontrolle Frankreichs fallen können. Mazarin, der auf französischer Seite die Verhandlungen führte, ging darauf ein – unter der Bedingung, dass Maria Teresa statt Land dann eben eine Mitgift in Form von sagenhaften 500.000 Ecus mitbringen müsse. Und zwar nicht in spanischer Münze, die sich in galoppierender Inflation befand, sondern in französischer. Die fein formulierte Passage lautete: „Dass mittels der effektiven Bezahlung, geleistet seiner Sehr Christlichen Majestät (…) die hochedle Infantin durch diese Mitgift sich für zufriedengestellt betrachtet würde, ohne dass sie später irgendein anderes Recht geltend machen könne.“ Eine solche strategische Ehe ist in EU4 möglich, in CK2 sogar ein Kernelement. Als Bedingung eines Friedensvertrags ist sie in beiden Spielen jedoch nicht möglich, Mazarin hatte da mehr Möglichkeiten der Gestaltung.



    Mit der Vermählung (1660) war der Hinterhalt geschaffen, zumal auch die vier Raten und die Daten ihrer Zahlung genau festgelegt waren: Die erste Tranche war am Tag des „Vollzugs“ der Ehe fällig. Kein einziger Ecu der vereinbarten Mitgift traf zu diesem Datum oder auch später jemals in Frankreich ein, und Mazarin glaubte fest, dass diese diplomatische Falle bald zuschnappen würde, denn der spanische Thronerbe Felipe-Prosper erwies sich von äußerst schwacher Gesundheit. Nach der spanischen Erbfolge war – da hier das agnatisch-kognatische Erbrecht galt – Maria Teresa die nächste in der Thronfolge. Mazarin hatte jedoch nicht mehr die Genugtuung, den Tod des Infanten im November 1661 zu erleben, da er selbst acht Monate vorher verschied, aber ihm blieb auch die Nachricht erspart, dass ein weiterer Infant eine Woche später geboren wurde, der unter dem Namen Carlos II. den von den Franzosen ersehnten Vertragsfall vereitelte. Diese politische Option ließ Louis XIV. während seiner gesamten Regierungszeit nicht aus den Augen, sie bestimmte wesentlich seine Politik, denn sie bot die einmalige Chance, ohne Krieg und nur durch einen legitimen Vertragsanspruch Frankreich und Spanien zur politischen Einheit zu bringen und damit die Monarchie beider Länder zu einer ganz Europa erdrückenden Macht zu erheben.

    Die bedrohte Nachfolge in Spanien war nicht zuletzt eine Folge der ständigen Inzucht der Habsburger, so dass Felipe IV. bereits ein extrem schwacher Herrscher war. Er psychisch fragile Mann schwankte zwischen entfesselter Sexualität und mystischer Sühnebereitschaft, so dass dem nächtlichen Treiben mit Prostituierten meist am Morgen der Kniefall vor dem Kruzifix folgte. Außerdem zeigte er sich bei den außerehelichen Aktivitäten viel fruchtbarer als bei seinen dynastischen Pflichten. Der Inzest machte sich auch bei dem neuen spanischen Thronfolger Carlos II. bemerkbar. Während normalerweise ein Mensch in der fünften Generation über 32 verschiedene Vorfahren verfügt, waren es bei ihm aufgrund der innerfamiliären Heiraten lediglich zehn, und sieben seiner acht Urgroßeltern stammten direkt von Johanna der Wahnsinnigen ab. Ein Prachtexemplar war Carlos II. wahrlich nicht.

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    Das Gleichgewicht der Mächte - Louis XIV.

    Mit 23 Jahren übernahm Louis XIV. im Jahre 1661 persönlich die Regierung über Frankreich. Das berühmte Zitat „Der Staat bin ich“ soll übrigens aus der Anfangszeit von Louis' Regierung stammen. Eigentlich soll er vor den Mitgliedern der Ratsversammlung gesagt haben: „Jedermann weiß, wie viele Unruhen in meinem Staat von Ihren Versammlungen angestachelt wurden. Ich habe erfahren, dass Sie beabsichtigen, in derselben Weise fortzufahren. Ich bin jedoch ausdrücklich deshalb hierher gekommen, um es zu verbieten.“ Die Legende hat diese Szene vielfältig angereichert. Voltaire gab dem König eine Reitpeitsche in die Hand, gleichsam als wollte er die Parlamentsräte wie Hunde traktieren. Andere haben Louis XIV. in diesem Augenblicj das Wort „L-Etat, c'est moi“ in den Mund gelegt. Es ist ein Wort wie das seines Großvaters Henri IV. „Paris ist eine Messe wert!“ - beide wurden nie gesprochen. Ihre wörtlich historische Unrichtigkeit steht ebenso außer Zweifel wie ihre sinngemäße historische Wahrheit.



    Louis XIV. gestaltete sein Kabinett neu. Ich muss zugeben, dass mir die Anzahl von drei Ministern, die in EU4 maximal berufen werden können, immer ziemlich gering erschien. Das zehnköpfige Kabinett wie in HOI2 erschien mir realistischer – bis ich gelesen hatte, dass Louis XIV. tatsächlich genau drei Minister berief.

    Es gab den Kanzler, den Finanzminister und vier Staatssekretäre. Der Kanzler als Siegelbewahrer war zugleich der erste Amtsträger des Staates, erster Staatsanwalt und höchster Ratgeber des Königs. Aber Louis XIV. wollte seine Machtfülle eingegrenzt sehen, weshalb er ihn von seinem Hohen Rat fernhielt. Neben der Position des Finanzministers war das Amt des ersten Staatssekretärs von weitreichender Bedeutung. Amtsinhaber war seit 1643 Michel Le Tellier, zuständig für Krieg, Artillerie und die Marine des Mittelmeeres sowie für acht Provinzen – seine Kompetenz und korrekte Arbeitsweise hatte er während der Fronde und des Krieges mit Spanien unter Beweis gestellt. Ebenfalls seit 1643 im Amt war der Staatssekretär Henri de Guenegaud, der in seinem Arbeitsstil Le Tellier ähnelte – seine Zuständigkeit betraf den königlichen Hof, die Kirche und fünf Provinzen. Noch länger im Amt war Henri-Auguste de Lomenie, Graf von Brienne, dem bereits sein Sohn bei der Ausübung der Geschäfte zur Seite stand, und sein Aufgabengebiet betraf die Staatspensionen, die Marine des Atlantik und vier Provinzen – mit beiden war Louis XIV. so unzufrieden, dass sie 1663 ihren Abschied einreichten. Eigentlich gehörte auch das Sekretariat für die äußeren Angelegenheiten in ihre Zuständigkeit, aber der König und in seinem Auftrag Hugues de Lionne hatten dieses sensible Ressort bereits an sich gezogen – Lionne hatte sein großes Talent bereits im Umgang mit Spanien unter Beweis gestellt. Schließlich gab es das Staatssekretariat für „die angeblich reformierte Religion“, das den schwierigen Umgang mit den Hugenotten betraf, und dafür verantwortlich war Louis Phelypeaux de La Vrilliere, bereits seit 1621 im Amt und außerdem zuständig für dreizehn Provinzen, deren Umfang nicht weniger als 57 Prozent von ganz Frankreich ausmachte.



    Doch unabhängig von dieser horizontalen Aufteilung in Sachgebiete wies die Regierung seit langem eine vertikale Struktur auf, ansteigend in der zunehmenden Macht bis zur Spitze des Königs. Basis war der Rat, in dem die Staatssekretäre und hohen Amtsinhaber die Routine der Administration erledigten. An diesen Sitzungen nahm der König fast nie teil. Darüber existierte seit der Fronde der Depeschenrat, den Louis XIV. auch 1661 bestehen ließ. In ihm liefen die innenpolitischen Fäden zusammen, da dort die Nachrichten der Intendanten und Gouverneure aus den Provinzen eintrafen. Anwesend waren in dessen regelmäßigen Sitzungen die Staatssekretäre und deren Sekretäre. Hier führte der König oft den Vorsitz, auch um in letzter Instanz sofort eine Entscheidung zu treffen.

    Die höchste Instanz war jedoch der Hohe Rat, dessen Name sich von der simplen Tatsache herleitete, dass er in der ersten Etage der jeweiligen Residenzen des Königs tagte. Nur seine Mitglieder hatten das Recht auf den Titel Minister, und Louis XIV. begrenzte ihre Zahl auf drei, weshalb der Rat auch die Triade genannt wurde. Zu diesem hohen Rang stiegen nur der Staatssekretär des Krieges, Le Tellier, der Finanzminister Fouquet und der Staatssekretär für ausländische Beziehungen, Lionne, empor.



    Damit vollzog Louis XIV. einen tiefen Einschnitt in die politischen Verantwortungshierarchie seines Staates, denn zahlreiche seiner Vorgänger und auch sein Vater hatten in das höchste Entscheidungsgremium, den Staatsrat, vor allem Mitglieder der königlichen Familie und des Hochadels berufen. Doch jetzt waren im Staatsrat weder hochrangige Prinzen, nicht einmal Anna von Österreich aufgenommen worden. Für den König waren selbst Angehörige des mittleren Adels verdächtig, das war seine Rache für die Beteiligung des „Schwertadels“ an der Fronde. Louis XIV. setzte stattdessen auf die Mitarbeit des Amtsadels, dessen in der Regel bürgerliche Mitglieder ihm in seinem absoluten Machtanspruch nicht gefährlich werden konnten. Ein ähnliches Vorgehen hatten wir bereits in den Kapiteln zu Louis XI. und Ivan IV. gesehen.



    Der König teilte die Kompetenzen zudem auf drei Minister auf – Le Tellier, Fouquet, Lionne – und wandte sich von dem bisherigen Prinzip des einen einzelnen Ministers – Richelieu, nach ihm Mazarin – ab. Louis XIV. war sich sicher, dass er der Rolle des ersten Ministers selber gewachsen sein würde. Sein sich derart als Selbstherrschaft proklamierendes Machtbewusstsein erfuhr jedoch bald nach dem Tode des Kardinals Mazarin eine Herausforderung, ja sogar eine Demütigung, die ihn früh zum Missbrauch seiner Macht führte. Diese Demütigung hat ein präzises Datum, den 17. August 1661.

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    Das Gleichgewicht der Mächte - Louis XIV.

    Der Finanzminister Fouquet gab in seinem neu hergerichteten Schloss ein Fest zu Ehren des Königs. Der Prunk der Anlage und des Festprogramms waren so gewaltig, dass selbst Louis XIV. der Mund offenstand. Fouquet ging so weit, dem König sein Schloss als Geschenk anzubieten (das anzunehmen sich einem König aber eh nicht geziemte) und das Erstaunen des Königs auch noch offen anzusprechen. Das war für das Machtverständnis und die Eitelkeit Louis XIV. eindeutig zu viel. Fouquet mochte sich als Finanzminister unanständig bereichert haben im Stile eines Mafiosi. Geschenkt, in dieser Hinsicht waren Richelieu und Mazarin nicht anders gewesen. Dass er sein Schloss und sein Fest einem König gleich ausrichtete, war dagegen inakzeptabel.

    Wie immer ließ sich Louis XIV. äußerlich nichts von seinen Gefühlen anmerken, doch innerlich bebte er vor Zorn. Einem Bericht nach soll er seiner Mutter zugeflüstert haben: „Ach, Madame, sollten wir nicht all diesen Leuten den Hals umdrehen?“ Die Mutter habe zur Vorsicht geraten, denn Fouquet war nicht naiv. Er hatte vorgesorgt für eine Zeit, da er am Hof in Ungnade fallen könnte. Fouquet besaß ein Netz an Festungen, in das er sich im Notfall zurückziehen konnte. Ihn auszuschalten sollte einen militärisch sehr hohen Preis kosten, egal für wen. Louis XIV. packte ihn einige Zeit später trotzdem ganz simpel: Nach einer Sitzung des Hohen Rates, an der Fouqurt selbstverständlich teilnahm, und die Louis höflich wie immer leitete, ließ er den Finanzminister vor dem Sitzungssaal verhaften.

    Nach dem Sturz von Fouquet war der Weg für Jean-Baptiste Colbert frei, dessen Posten als Finanzminister zu übernehmen. Er hatte nicht nur einen wesentlichen Anteil daran gehabt, den König gegen Fouquet aufzubringen, jetzt setzte Colbert seine Energie daran, den beneideten Gegner an den Galgen zu bringen. Der Prozess lief jedoch so schlecht für den Ankläger, dass er zur Farce zu werden drohte. Fouquet verteidigte sich nämlich hervorragend gegen den Vorwurf des Staatsverbrechens, auch weil Colbert bei den untersuchten Delikten im Finanzministerium selber nicht schuldlos war. Da ein Todesurteil unwahrscheinlich wurde, verschwand Fouquet stattdessen hinter den Mauern wechselnder Gefängnisse.



    Das Jahrzehnt der 1660er verbrachte Louis XIV. nach dieser „Kabinettsumbildung“ vornehmlich damit, die Köpfe seiner Untertanen für sich zu gewinnen. Er erkannte nämlich, dass die Reputation allein oft mehr vermochte als die mächtigsten Armeen: „Alle Eroberer sind höher gestiegen durch ihren Ruf als durch ihren Degen.“ Kurz: Der König setzte seine Spielweise konsequent auf die Erhöhung seines Prestige-Werts. Das bekannteste und bedeutendste Projekt, das er startete, war ohne Zweifel der Bau des Schlosses Versailles außerhalb von Paris. Der Standort war aus mancher Sicht nicht ideal, so fehlte es in Versailles oft an der Zufuhr von Wasser, da half auch der Bau eines Kanals nicht wirklich. Louis war der Standort rund 30 Kilometer entfernt von Paris aber wichtig, weil er sich in dem bisherigen Palast innerhalb der Stadtmauern wie ein potentieller Gefangener seines eigenen Volkes fühlte – seine Jugenderfahrungen mit den Tumulten der Fronde hatten da ihre Spuren hinterlassen. Der Palast innerhalb von Paris war militärisch nämlich nicht zu verteidigen. Das war das Schloss von Versailles zwar ebenfalls nicht, doch dessen räumliche Distanz zu Paris sollte den Pöbel von allzu spontanen Fußmärschen des Protestes zum König abhalten.



    Der Bau von Versailles und anderer Gebäude sollte also bedeutendes Prestige ansammeln. Das waren jedoch langfristige Projekte, die nun mal ihre Zeit benötigten, bevor sie Wirkung entfalten konnten. Versailles wird später also immer wieder eine Rolle spielen. Um sich auch kurzfristig im öffentlichen Bewusstsein einzuprägen, veröffentlichte Louis XIV. gerne Medaillen mit seinem Portrait, er gründete staatliche Akademien, und er hielt regelmäßig aufsehenerregende Feste. Alles stets mit dem Ziel, Prestige und Legitimität auf 100 zu bringen. Obwohl Louis XIV. keine imposante Körpergröße besaß (etwa 1,65 Meter) und hohe Hacken trug, war er doch ein gutaussehender, sportlicher Typ. Wenn man von seinen fauligen Zähnen absieht. Markant war jedoch sein völliges Aufgehen in der Rolle des Königs als öffentliche Person. Er übte nicht nur das Amt eines Königs aus oder tat womöglich nur so, als herrsche er – nein, Louis XIV. verkörperte die Krone ganz und gar, er war auf überzeugende Weise die Personifikation Frankreichs. Den Privatmann Louis gab es so gut wie gar nicht. Sein kompletter Tag war in höfische und öffentliche Termine durchgetaktet: vom Aufstehen, der Teilnahme an der Messe, dem Speisen, dem Leiten von Sitzungen, der gemeinsamen Jagd, von Spaziergängen und des gemeinsamen Tanzes und der Musik. Auch das Privateste wurde einem Regelwerk unterworfen, selbst der Stuhlgang des Königs erfolgte im vollen Augenschein der Höflinge. Dabei füllte Louis XIV. seine Rolle so energisch wie würdevoll aus, dass der Umgebung auch lächerliche Dienste als Ehre galten. So war es bei den Adeligen sehr begehrt, dem König beim Essen zusehen zu dürfen. Und wenn man dann dem König die Serviette reichen durfte, oder er einem gar erlaubte, an seiner Tafel Platz zu nehmen, dann war das eine besondere öffentliche Gunst des Königs. Klingt bescheuert, wenn ich überlege, wie hart frühere französische Könige mit ihren Adeligen zu kämpfen hatten. Jetzt waren sie bei Louis XIV. handzahm. Er muss da wirklich ein gutes Händchen gehabt haben, und das, obwohl Louis kein intellektuelles Genie war. Er benötigte seine Zeit, um Sachen zu durchdenken. Wenn er die aber zur Verfügung hatte, kam er zu den richtigen Schlüssen, die er dann auch umzusetzen wusste.



    Derweil nahm sich der neue Finanzminister Colbert den Haushalt Frankreichs vor. Er sah sich der Ausgangslage gegenüber, dass mindestens 30 Prozent der Bevölkerung – Adel und Klerus – keinen Anteil an der Produktion des Staates hatten. Deshalb zwang er die Kirche Frankreichs, essentielle Beiträge an die Staatskasse abzuführen, ohne jedoch den geringsten Zweifel an seiner Grundhaltung eines guten Katholiken aufkommen zu lassen. Auf dieser Basis gelang es, die Einkünfte des Staates zu steigern und eine solide Systematik der Staatsausgaben zu organisieren. Die größte Verlustquelle waren die Steuerpächter. Das waren Leute, die eine sofortige Pauschalsumme vorstreckten, über die der Staat sofort verfügen konnte. Im Gegenzug erwarben die Steuerpächter das Recht, eine Steuer direkt einzutreiben, mit oft horrenden Gewinnspannen durch den massiven Einsatz illegaler Gewalt gegenüber den Steuerpflichtigen, überwiegend den Bauern. Wie groß die Margen und auch die Korruption in der Steuerverwaltung waren, wurde sofort sichtbar, denn im Jahre 1661 erreichten von den 85 Millionen Livres gezahlter Steuern nur 32 Millionen die Staatskasse. 53 Millionen verschwanden unterwegs, was zur Folge hatte, dass der Staat mit seinen relativ fixen Kosten bereits die Steuereinnahmen der beiden folgenden Jahre im Voraus an die Steuerpächter verkauft hatte. Er lebte damit ausschließlich von deren Kredit. Colbert beseitigte nicht das System der Steuerpächter – dazu hätte es einer Steuereinzugsbürokratie bedurft, die noch nicht existierte – aber er griff in ihre Gewinne ein, bis deren Marge von 25 auf vier Prozent gesunken war.

    Um die Staatseinnahmen zu erhöhen, hätte sich eine Steuererhöhung empfohlen,. doch Colbert hatte erkannt, dass die Höhe der Steuerlast bereits einen gefährlichen Grenzwert erreicht hatte, den zu überschreiten in das Chaos der Konfiszierung führen konnte. So begann er konsequent mit der Reduzierung der Staatsausgaben, indem er die zahlreichen Staatsschuldscheine, die den Inhabern hohe Renten garantierten, zurückkaufte. Auch der Verkauf von Ämtern, den Fouquet als Geldquelle übermäßig genutzt hatte, wurde eingestellt. Auf diese Weise drückte Colbert die fixen Staatsausgaben innerhalb von zehn Jahren von 53 Millionen auf 24 Millionen Livres. Das erlaubte es Colbert, statt die Steuern zu erhöhen, statt dessen die beim kleinen Mann unpopuläre Kopfsteuer sogar zu senken.



    Parallel zur Systematisierung und Effizienzsteigerung des Steuersystems wollte Colbert die Steuerkraft des Landes langfristig auch generell erhöhen. Theoretischer Ausgangspunkt war die Lehre des Merkantilismus: Sie ging von einer nahezu stabilen Geldmenge aus (gemünzt in Gold, Silber und Kupfer), die in Europa für einen reibungslosen Handelsfluss sorgte. Nur Spanien vergrößerte durch die Silberimporte aus Südamerika in begrenzten Umfang die Menge. Es galt nun, einen möglichst großen Anteil an diesen international umlaufenden Barvermögen möglichst viel innerhalb der eigenen nationalen Grenzen zu halten bzw. ins eigene Land zu locken. Geld, das nur der Handel beschaffen konnte, war im System Colbert gleichzusetzen mit Macht. Die Staatsmacht entsprach also ihrem Geldbesitz, und nur dieser garantierte auch die an Söldnerheere gebundene militärische Macht. Wesentliche Instrumente des Handels wiederum waren die Schiffe, von denen Frankreich anfangs nur 600 besaßen. Über den Handel urteile Colbert ebenso wie über das Geld: Sein Volumen war begrenzt und stabil, ein nationaler Zugewinn musste auf anderer Seite also einen Verlierer haben. Es liegt auf der Hand, dass in dieser Logik ein größeres Stück vom Kuchen nur mit militärischer Gewalt zu haben war. Colbert machte als bedeutenden Feind bei diesem Handelskuchen die benachbarte Handels- und Seemacht Holland aus, gegen die er mit rigiden Einfuhrzöllen auf deren Produkte zu Werke ging. Natürlich beantwortete Holland das seinerseits mit Zöllen gegen Frankreich. Aber das wäre ein Thema für eine Partie Victoria 2.
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    Die nationale Steuerkraft im Inneren zu stärken verlangte, keine Rohstoffe zu exportieren, sondern sie selbst industriell zu veredeln und erst nach diversen Stufen der Wertsteigerung zu exportieren. Der hohe Qualitätsgrad sollte die Konkurrenz jenseits der Grenzen ausschalten. Also förderte Colbert den Bau von Manufakturen in Frankreich. Sauteure Gebäude in EU4, gezielt gebaut aber ein gutes Instrument.



    Zahlreiche Spezialisten für diese Manufakturen wurden im Ausland angeworben: Hutmacher, Kupfergießer, Glasbläser, Teerbrenner, Schmelzer, Goldschmiede, Spitzenmacher, und was weiß ich noch. Auf breiter Front trieb Colbert diese Industrialisierung voran und pumpte Kredite und Subventionen hinein. Zur Sicherheit wurden besonders wichtige Industrien unter königliches Monopol gestellt, etwa die Produktion von Pulver und Salpeter, die Post, der öffentliche Transport, Gießereien, Werften und Docks. Von der Landwirtschaft war Colbert dagegen kein Freund. Weil noch keine künstlichen Düngemittel existierten, ließ sich ihr Ertrag eh nicht gezielt fördern, sondern war vom Wetter abhängig. Der Merkantilismus Colberts war ein Staatsdirigismus in extremen Ausmaß, der die gesamte Wirtschaft Frankreichs exakten Produktionsplänen unterwerfen wollte. Das drohte jedoch zu Lasten persönlicher Initiative und unternehmerischen Risikos zu gehen. Dem persönlichen Naturell des Königs kam das entgegen, auch er wollte Konflikte durch frühzeitige Kontrolle begegnen. Diese Tendenz zu staatlicher Dominanz und Regulierung bestimmt die gesellschaftlichen Strukturen Frankreichs bis heute.



    Das außenpolitische Prestige-Projekt Colberts waren die Handelskompanien, bei denen er den Holländern mit ihrer „Vereinigten Ostindischen Compagnie“ (VOC) nacheiferte. Ich mache es hier kurz: Frankreich kam mit seiner Handelskompanie zu spät, um Holland oder England das Wasser reichen zu können. Entsprechend gering fiel das von privater Hand eingebrachte Kapital aus, in die Gewinnzone kam die Kompanie nie, der Staat musste die Handelskompanie ständig subventionieren und schließlich fallenlassen. Das Kapital der Leute war damit futsch.

    Aber noch einmal zur Marine: In Colberts Merkantilismus war Seemacht gleich Handelsmacht gleich Militärmacht. Der Engpass war die Besatzung der Galeeren, denn diese Strapazen hielt kaum einer lange aus. Weder eine maritime Dienstpflicht noch gekaufte Sklaven aus der Levante füllten die Reihen aus, deshalb ermunterte Colbert alle französischen Gerichte, möglichst häufig zur Galeere zu verurteilen, und besonders gern verurteilte man die Hugenotten zu dieser Strafe. Dazu genügte es bereits, wenn man eine katholische Prozession nicht gegrüßt hatte.



    Die Verurteilten waren regelmäßig gezwungen, quer durch Frankreich in Ketten und zu Fuß nach Toulon zu marschieren, denn dort befanden sich die 40 französischen Galeeren, die innerhalb des Mittelmeers operierten. Ihr wisst schon, Kampfbonus in Binnengewässern und so. Den König interessierte die Marine dagegen nicht sonderlich. Ihm war dabei nur wichtig, dass seine königliche Galeere prachtvoller war als die jeweils größte Galeere der Spanier, Malteser, des Papstes oder der Türken.

    Die Maßnahmen Colberts lesen sich alle ziemlich erfolgreich, doch trotz seiner immensen Anstrengungen blieb seine ökonomische Bilanz zweifelhaft. Zwar gelang es ihm, den französischen Staatshaushalt zumindest zeitweise in einen ausgeglichenen Zustand zu bringen, aber das galt nur solange, wie die Friedenszeit Frankreichs anhielt. Immerhin, mit dem seinerzeit innovativsten Buchungssystem, das die Steuereinnahmen den Staatsausgaben exakt gegenüberstellte und damit eine präzise Kontrolle möglich machte, waren den Täuschungsmanövern der Finanzministerialen und den Selbsttäuschungen des Monarchen Grenzen gesetzt. Aber Louis XIV. war bei aller Sparsamkeit, die man bei Hofe sogar als knauserig empfand, Rücksicht auf den Staatshaushalt zu nehmen, wenn es die Ziele seiner Politik – der Krieg – verlangten und seinem Prestige diente.

    Die 1660er waren für Frankreich also eine Phase, die man in einer EU4-Partie mit einer solchen vergleichen kann, in der man zwischen zwei Kriegen den Pool an manpower auffüllt, Kredite abbezahlt, Korruption und Überdehnung eliminiert, und gegnerische Koalitionen sich beruhigen lässt. Louis XIV. leitete fleißig die Kabinettssitzungen, schenkte Bittstellern sein Gehör, verlieh dem einen seine Gunst und entzog sie dem anderen, beobachtete die Fortschritte beim Bau von Versailles. Das neue Schloss stellte auch ein Liebesnest für ihn und seine Geliebten dar.

    Dieses angenehme Leben mit wechselnden Favoritinnen unter den Mätressen fand für den König im Jahre 1675 sein Ende, als eine Giftaffäre sich bis in die höchsten Kreise bei Hofe zog. Paris war zu dieser Zeit eine bis zur Unkontrollierbarkeit verkommene Metropole geworden, verschmutzt und besiedelt von kriminellen Elementen. Groß in Mode waren Gifte, die auf Basis von Opium, Schierling, Arsen und selbst destillierten Kröten hergestellt wurden – Rezepte, die angeblich auf die alchemistischen Künste der Borgia zurückgingen (siehe Kapitel „Der unheimliche Papst“). Das daraus produzierte „Witwenpulver“ war bei unglücklich verheirateten Frauen sehr begehrt, während das „Liebespulver“ von dezent vernachlässigten Frauen verlangt wurde. Die „Engelmacher“ waren zahlreich, und die Embryonen wurden in den hauseigenen Gärten verscharrt, wenn sie keine weitere Verwendung bei schwarzen Messen fanden. Abtrünnige Priester zelebrierten solche, sogar mit entwendeten Hostien, denn wenn Gott schon nicht geholfen hatte, sollte es wenigstens der Teufel tun. Solche obskuren Messen hielten diese Priester unter Verwendung kabbalistischer Formeln auf dem Körper einer mehr oder weniger bekleideten Frau, der als Altar diente, ab.

    Im Zentrum der polizeilichen Ermittlungen stand zunächst die Marquise de Brinvilliers, die gemeinsam mit einem ihrer Geliebten ihren Vater und ihre Brüder vergiftet hatte (und es bei ihrem Mann, ihrer Schwester und ihrer Tochter ebenso versucht hatte). Die zartgliedrige Dame aus bester Gesellschaft hatte ihre Tötungsleidenschaft so weit getrieben, dass sie mit ihrer vergifteten Taubenpastete die Patienten eines Pariser Krankenhauses verköstigte – unter dem Deckmantel der christlichen Mildtätigkeit. Sie wurde entlarvt, auf der Flucht gefasst, und unter der Folter verhört.



    Zahlreiche Personen, so zeigte sich dabei, waren in dem verderblichen Gifthandel verstrickt, und es waren durchaus Personen von Stand. Das Thema zog derart Kreise, dass Louis XIV. einen Untersuchungsausschuss einsetzte, die „chambre ardent“: ardent (brennend) bezog sich auf die Fackeln, die den Verhandlungssaal erhellten. Der König zeigte sich entschlossen, die Strafverfolgung ohne Ansehen von Person und Stand voranzutreiben. Bald kamen weitere Namen, Verschwörungen und Verbrechen ans Licht. Besonders die Erkenntnis, dass eine kleine Gruppe ein Giftattentat auf den König geplant hatte, sorgte für Aufsehen. Dabei stellte sich natürlich die Frage, wer den Auftrag zu diesem Verbrechen gegeben hatte, und die Hinweise wiesen auf Madame de Montespan – der Geliebten des Königs.

    Unter jenen der beschuldigten Adeligen, die vom König vor die Wahl gestellt wurden, das Exil oder die Gefangenschaft in der Bastille zu wählen, befand sich auch die intrigante Olympe de Soissons. Wegen des Vorwurfs, ihren Ehemann vergiftet zu haben, wählte sie das Exil in den Spanischen Niederlanden. Damit verließ auch ihr Sohn (der damalige Abbé von Savoyen) Frankreich, das er später erneut betreten sollte – als österreichischer Feldherr Prinz Eugen von Savoyen.

    Die offizielle Arbeit des Untersuchungsausschusses wurde 1680 eingestellt, was ein Präfekt mit den Worten kommentierte: „Das Ausmaß ihrer Verbrechen erweist ihnen Schutz.“ Die Nachforschungen gegen Madame de Montespan jedoch wurden im Geheimen fortgesetzt. Erst jetzt wurde Louis XIV. klar, warum er nach jedem Abend mit seiner Geliebten am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen erwachte. Über die Jahre hinweg musste er Unmengen von Gift zu sich genommen haben. Man behauptete auch, dass die Montespan an verschiedenen Zeremonien teilgenommen habe, um ihren besonderen Status als Favoritin des Königs zu erhalten. Angeblich wurde bei diesen Zeremonien Madame de Montespan nackt auf einen Altar gelegt, während man ihre Bitten um die Gunst des Königs an den christlichen Gott und die Götter der Unterwelt weitergab. Die Marquise de Montespan geriet sogar in den Verdacht, am plötzlichen Tod der nachfolgenden Mätresse des Königs schuldig zu sein. Zwei Jahre verbrachten die Ermittler damit, Beweismaterial gegen Madame de Montespan zusammenzustellen. Aber u.a. Minister Colbert half, die Affäre zu vertuschen, da die Montespan die Mutter der legitimierten Kinder des Königs war und es für Louis XIV. eine Blamage bedeutet hätte, wenn herausgekommen wäre, dass er durch Liebestränke verführt worden war. Die letzten Zeugen, denen weitere „Dummheiten“ über die königliche Geliebte hätten entschlüpfen können, wurden in eine Festung entfernt, wo ihre Wächter auf deren Schweigen zu achten hatten. Weitere Untersuchungen wurden nun endgültig eingestellt, da befürchtet wurde, dass noch mehr Mitglieder des Hochadels aus direkter Nähe des Königs in einen Skandal verwickelt werden könnten.

    Die Gunst des Königs hatte Madame de Montespan jedoch unwiederbringlich verloren. Mit dem Giftskandal war nicht nur seine Leidenschaft zu dieser Geliebten, sondern sein Leben mit immer neuen Mätressen an ihr Ende gelangt.



    Ihr merkt schon, das Thema schwenkt jetzt um zum Kriegsführen. Das war sowieso das Wesentliche, das Louis XIV. für sein Leben anstrebte. Nicht der Krieg an sich, sondern der Ruhm, den dieser versprach. Frauen, Liebschaften und Zerstreuung waren für ihn erlaubt, aber nur solange man als König nicht den Blick auf das Wesentliche verlor. Feste in Versailles dienten auch der Mehrung seines Ruhmes, aber nur der Krieg konnte ihm zu jener Aura altrömischer Tugenden wie Tapferkeit und Unbesiegbarkeit auf dem Schlachtfeld verhelfen, die er untrennbar mit seinem Ideal des Großen Königs verband. Schon früh, beim Protokollstreit mit Spanien von 1661, als sein Botschafter in London verprügelt wurde, bot sich die erste Gelegenheit zum kriegerischen Konflikt, und er hat bedauert, sie nicht genutzt zu haben. Seit Beginn seiner persönlichen Regierung war Louis XIV. auf der Suche nach Kriegsgründen, was zur Folge hatte, dass von den 54 Jahren seiner Herrschaft 33 Kriegsjahre waren.
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    Das Gleichgewicht der Mächte - Louis XIV.

    Drei Gründe verhinderten diesen frühzeitigen Eintritt in die kriegerische Phase seiner Herrschaft. Der spanische König Felipe IV., der gerade zwei Jahre zuvor Frieden mit Frankreich geschlossen hatte, wusste sein Land kriegsmüde, unfähig zum Sieg – und gab gegenüber Louis XIV. nach. Ein erneuter Krieg wäre das Ende der Aussöhnung mit Spanien gewesen, ganz abgesehen davon, dass Anna von Österreich sich als spanische Habsburgerin dagegen gestemmt hätte. Ausschlaggebend aber war, dass Louis XIV. die französische Armee in keinem guten Zustand, geschweige denn in voller Einsatzbereitschaft wusste. Als 1659 der Frieden mit Spanien zustande kam, waren in Frankreich 250.000 Mann unter Waffen. Aber der Kriegsminister Le Tellier hatte den Friedensschluss sogleich genutzt, um die Truppenstärke entscheidend zu reduzieren. Mit nur 55.000 Soldaten ließ sich nicht gut ein neuer Krieg gegen Spanien beginnen. Bei aller Ruhmsucht war Louis XIV. doch kein militärischer Draufgänger.

    So war der König früh bestrebt, seine Armee neu aufzubauen und neu zu strukturieren. Teilweise ließ sich abschaffen, dass man sich in sämtliche Chargen vom Offizier aufwärts einkaufen konnte. Ab 1664 galt dies für die Offiziere jener vier Kompanien Kavallerie, welche die Garde des Königs bildeten, jedenfalls nicht mehr.



    Das erhöhte ihre Loyalität und Kampfkraft enorm, andererseits entgingen dem König hohe Einnahmen aus dem Ämterverkauf. Mehr noch, die Gardisten bezogen einen ordentlichen Sold, und Louis XIV. achtete darauf, dass dieser ihnen pünktlich und korrekt ausgezahlt wurde. Eine seltene Verlässlichkeit in jener Epoche, was eine erhöhte Motivation der Soldaten zur Folge hatte.

    Die Militärmaschine wurde jetzt angeworfen und wuchs schnell an. 1667 betrug die Mannstärke 72.000 Soldaten, sie wurde bis 1700 auf die Zahl von 380.000 Mann gepumpt. Kein Zweifel, Louis XIV. hatte unter den verfügbaren Militär-Ideen die der Quantität ausgewählt.



    Zu den Kosten für dieses auswachsende Landheer waren die Aufwendungen für die Marine zu rechnen. Unter Colbert wurde die Flotte ständig vergrößert, um auch hier jedem möglichen Gegner alleine in Zahlen bereits überlegen zu sein. Die Folgen dieser Strategie waren im Staatshaushalt ablesbar und führten zu desaströsen Verhältnissen. Hatte es Colbert anfangs noch verstanden, das Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben wenigstens für einige Jahre zu sichern, so stiegen die Defizite nun rasch an. Im Jahre 1683, als Frieden herrschte, belastete das Militär mit 65 Millionen Livres den Staatshaushalt von 115 Millionen Livres, also 56 Prozent. 45 Millionen gingen an das Heer, 11 Millionen waren für die Marine, 9 Millionen für die Festungen. Dazurechnen musste man noch die Schuldendienste für die kriegsbedingt notwendigen Kredite, das waren noch einmal 10 Millionen Livres. Wenn man dann noch den Bau und Unterhalt von Versailles, ebenfalls 10 Milionen Livres, hinzurechnet, weiß man, dass Soziales kein großer Posten im Staatshaushalt ausmachen konnte. Die Schulden Frankreichs stiegen zu Lebzeiten Louis XIV. auf bis zu 3 Milliarden Livres an, da blieb am Ende nur noch, den Button Staatsbankrott zu drücken.



    Die ständig vergrößerten Rüstungsanstrengungen führten dazu, dass Louis XIV. dringend einen Anlass für den Einsatz des Militärs suchte. In diesem Zuge installierte er den „We have casus belli“ Mod, um ja keinen Kriegsgrund zu verpassen. Alsbald zeichnete sich eine dynastische Konstellation ab, die seine politischen Entscheidungen bis zum Lebensende bestimmte. Ausgangspunkt war seine Vermählung mit Marie-Therese im Jahre 1659, auch wenn die Infantin im Heiratsvertrag auf jeden Erbanspruch verzichtet hatte. Dieser Verzicht war jedoch an die Zahlung einer Mitgift gekoppelt worden – Geld, das Spanien nie an Frankreich gezahlt hatte. Louis XIV. lauerte seitdem darauf, allein durch den Ehevertrag die spanische Krone abzugreifen. Dafür war ihm der Einsatz aller Mittel gerechtfertigt.

    Marie-Therese war das einzige Kind aus der ersten Ehe des spanischen Königs Felipe IV. In zweiter Ehe hatte er Maria-Anna von Österreich geheiratet, mit der er zwei Kinder hatte: Margareta Teresia, die zukünftige Gemahlin von Kaiser Leopold I., und der 1661 geborene Sohn Don Carlos, der von äußerst schwacher Gesundheit war und mit dessen baldigem Ableben ganz Europa rechnete. Für diesen Fall, so verfügte Felipe IV. testamentarisch, sollte seine Tochter Margareta Teresia die Alleinerbin Spaniens sein. Das erneuerte bei Louis XIV. den alten Alptraum Richelieus, dass Frankreich durch die Habsburger an allen Fronten – von den Spanischen Niederlanden über Deutschland bis Spanien – bedroht sein würde.



    Als Felipe IV. 1665 starb, war damit für den französischen König die Situation entstanden, dass er zugleich dieser Gefährdung begegnen musste und seine angewachsene Militärmacht erproben konnte. Aber rechtlich war Louis XIV. gebunden, denn Don Carlos, ein vierjähriges Kind, für das seine Mutter die Regentschaft ausübte, war ebenso zweifelsfrei König wie es der vierjährige Louis XIV. beim Tod seines Vaters 1642 gewesen war. Es musste also ein anderer Rechtsanspruch bemüht werden, wofür die königlichen Diplomaten tief in den Archiven Brabants stöberten. Dort existierte das Recht der „Devolution“, der Übertragung, das in Brabant und einigen Kantonen des Hainaut und Flanderns galt. Es sah vor, dass Töchter aus erster Ehe im Erbfall Vorrang auch vor den männlichen Erben der zweiten Verbindung besäßen. Louis XIV. ließ sich auch nicht von der juristisch eindeutigen Begrenzung aufhalten, dass dieses Recht nur im Zivilbereich Gültigkeit besaß.

    Frankreich verlangte die Abtretung von vierzehn Provinzen in den Spanischen Niederlanden, darunter Brabant, Luxemburg und Franche-Comté. Die Erweiterung Frankreichs in diese Richtung entsprach der bereits von Richelieu und Mazarin betriebenen Politik, die als gefährliche Einfallstore nach Frankreich geltenden Grenzen weiter von Paris weg nach Norden und Osten hinauszuschieben. Außerdem war die politische Konstellation günstig, denn in den Niederlanden besaß Frankreich einen Bündnispartner, dank des frankophilen Ratspensionärs Johan de Witt.

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  13. #628
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    Das Gleichgewicht der Mächte - Louis XIV.

    Zugleich waren England und die Niederlande in einem Krieg gefesselt. Schließlich schloss Frankreich im März 1667 einen Vertrag mit Portugal, so dass Spanien sich auch in seinem Rücken bedroht fühlen musste. Der Devolutionskrieg gegen Spanien wurde für Frankreich ein militärischer Spaziergang, Louis konnte 50 zu 20 Tausend Soldaten aufbieten. Die Spanier mussten sich in ihre befestigten Städte zurückziehen, die sogleich belagert wurden. Das war die Zeit für Talente wie den Festungsbauer und Belagerungskünstler Sebastian de Vauban, der in den für Frankreich eroberten Gebieten die Grenzen mit Festungen sicherte.



    Die Leichtigkeit, mit der die französische Armee die Front in Flandern aufrollte, beeindruckte Europa. Engländer und Niederländer erkannten die Gefahr und schlossen nicht nur Frieden, sondern sogar ein Bündnis, dem auch noch die Schweden beitraten – lange ein Bündnispartner Frankreichs. Selbst Johann de Witt musste sich bereitfinden, seine politische Nähe zu Frankreich aufzugeben und sein Land im Januar 1668 in die Triple Allianz mit England und Spanien zu führen.



    Damit drohte Frankreich ein Krieg an allen Fronten, und Louis XIV. war klug genug nachzugeben, da sich das Risiko des Verlustes aller Eroberungen des Jahres 1667 abzeichnete. Er posierte daraufhin in der Rolle des generösen Friedensstifters, was die Leute ihm aber nicht abnahmen, denn unübersehbar war das Erreichte nur ein Kompromissfrieden. Im Friedensvertrag von Aachen musste Louis XIV. zugestehen, die Franche-Comté ohne Einschränkung zu räumen. Von Flandern vermochte er diverse Städte zu behaupten, die von Vauban umgehend zu einem „Eisengürtel“ aus Festungen ausgebaut wurden. Der peinliche Zufall wollte es, dass die nun an Frankreich gefallenen Gebiete ausgerechnet Teil des wallonischen Flandern waren, wo das Recht der Devolution gar nicht existierte.



    Den ihm abgerungenen Frieden von Aachen betrachtete Louis XIV. nur als Waffenstillstand, der neue Eisengürtel war die Warteposition, um sobald wie möglich die Eroberungen voranzutreiben. Nun sah er in den Niederlanden den Hauptgegner, der in der Triple Alliance den weiteren Vormarsch der französischen Truppen verhindert hatte. Hinzu kam seine tiefe Abneigung gegen dieses Land, das erst 1648 im Westfälischen Frieden als unabhängiger Staat entstanden war und zudem noch die geradezu revolutionäre Staatsform der Republik gewählt hatte. Und dann herrschte dort der Calvinismus als Staatsreligion, sowie eine fast unbegrenzte Meinungsfreiheit, die vor Ort insbesondere französische Freigeister nutzten, um die Mätressenwirtschaft Louis XIV. in satirischen Journalen zu verspotten. Die Niederlande waren auf dem Zenit ihrer Macht, die vor allem wirtschaftlicher Natur war. Das Land beherrschte Welthandel, Finanzmärkte und europäische Währungen. Bei aller Entschlossenheit zum Krieg musste Louis XIV. vorsichtig agieren, und setzte auf eine bessere außenpolitische Konstellation. Entsprechend nutzte er die vier Friedensjahre, die Triple Alliance aus England, Spanien und Holland zu sprengen.



    England war über seinen König Charles II. zu gewinnen. Louis schickte ihm dessen Schwester Henriette nach London, vordergründig ein Familienbesuch. In Wahrheit wurde ein Geheimvertrag verhandelt, der Charles II. eine jährliche Rente von satten drei Millionen Livres zusicherte – Geld, das er für seinen auch sexuell aufwendigen Lebensstil benötigte. Im Gegenzug erhielt Frankreich eine Militärallianz mit England. Eine besonders brisante Klausel in dem Geheimvertrag sah zudem vor, dass Charles II. zum Katholizismus konvertieren sollte. Und, wenn sich das Parlament wie einst unter Oliver Cromwell erheben würde, dass Frankreich ihm mit weiteren Geldern sowie Soldaten zu Hilfe kommen würde. Ein gefährliches Spiel mit dem Bürgerkrieg. Spanien war nach den demütigenden Verlusten für Frankreich nicht als Partner zu gewinnen, aber Louis wollte wenigstens den Kaiser zur Neutralität bewegen.

    Gegen Leopold I. setzte Louis XIV. den Hebel indirekt an. Polen ermunterte er, viertausend Soldaten zur Unterstützung eines Aufstands in Ungarn in Marsch zu setzen. Auch minderte Frankreich seinen Beitrag zum Kampf der katholischen Mächte gegen die Türken bis zur Bedeutungslosigkeit. Derart im Rücken gebunden, schloss der Kaiser 1671 ein Geheimabkommen mit Frankreich, das seine Neutralität vorsah, vorausgesetzt, dass der Krieg sich außerhalb der Länder des Reiches abspielen würde. Wie wenig stabil diese Klausel und wie entschlossen Louis XIV. war, sie nicht zu respektieren, ergab sich zwangsläufig aus weiteren Verträgen mit deutschen Fürsten. 1669 wurde eine zehnjährige Allianz mit Brandenburg geschlossen, ebenso mit dem Kurfürsten von Bayern. Die Bischöfe von Köln und Münster waren auch mit von der Partie. Und da die Schweden die versprochenen Gelder aus Holland vergeblich erwarteten, waren sie schnell bereit, zu ihrem alten Bündnispartner Frankreich zurückzukehren.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  14. #629
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    Das Gleichgewicht der Mächte - Louis XIV.

    Nach dieser fast völligen Isolierung der Niederlande und dem sorgfältigen Ausbau von Heer und Marine kam ab April 1672 der französische Sturm über die kleine, aber reiche Republik. Zur See konnten sich die Niederländer in einer Schlacht behaupten, aber auf dem Land bewegte der König selbst 150.000 Soldaten über die Grenze zum Rhein. Die Übermacht war so gewaltig, dass dieser Krieg sich für Frankreich zur militärischen Promenade zu entwickeln schien. Trotzdem, in Paris verkündete man gewaltige Schlachten und triumphale Siege, alles zur Ehre des Königs. Louis XIV. sorgte dafür, dass sein Ruhm auch ohne Ruhmestaten in einsame Höhen stieg. Die Städte gaben jetzt bereits auf, wenn die französischen Truppen nur nahten – mit Ausnahme von Amsterdam. Eigentlich wollte auch diese Stadt kapitulieren, aber als sich der französische Vormarsch hier verzögert hatte, schlossen die Stadtoberen die Tore wieder. Durch sein Zögern gelangte Louis XIV. nicht in den Besitz dieser Metropole, deren Eroberung den Krieg nicht nur sofort beendet, sondern auch das Ende der jungen Republik der Vereinigten Niederlande bedeutet hätte.



    Die Niederländer mussten dringend verhandeln und schickten Gesandte. Doch Louis' Friedensbedingungen waren politisch, wirtschaftlich wie auch religiös derart demütigend, dass sie Johan de Witt das Leben kosteten: Eine aufgebrachte Menschenmenge metzelte ihn und seinen Bruder auf der Straße bestialisch nieder. Der neue starke Mann in den Vereinigten Niederlanden sollte von nun an der Prinz von Oranien sein.

    Wilhelm von Oranien war nach Hoffnung seiner Landsleute nun der Samson, der die Philister besiegen würde, geschickt von der Prädestination, die ihnen der Calvinismus als ehernes Schicksal des göttlich gewollten Widerstands versprach. Dieser Mann, klein, kümmerlich von Gestalt, der nie weinte und nie lachte, ständig krank und von Hustenanfällen geplagt war, besaß einen schwachen Körper, aber einen stählernen Willen. Sein Hass auf Louis XIV. hatte früh begonnen, als Frankreich ihm sein Stammland nahm, die Stadt Orange. Seine einzige Leidenschaft war der Krieg. Wilhelm war kein glänzender Stratege, aber ein unbeugsamer Organisator. Jede Niederlage steigerte nur seine zähe Widerstandskraft. Er verachtete das pompöse Auftreten Louis XIV., denn er selbst kannte nur die Nüchternheit des asketischen Machtmenschen. Und dabei war er zu dieser Zeit gerade einmal 22 Jahre alt.



    Er zögerte nicht, den letzten Verbündeten der Niederländer zum Einsatz zu bringen - das Meer, das ihnen Reichtum gebracht hatte und nun die Rettung nicht versagte. Auf seinen Befehl hin durchstießen die Holländer am 20. Juni 1672 die Deiche, das Meer ergoss sich zu einem Schutzwall um Amsterdam, aber auch um andere Städte. Die holländische Flotte riegelte den Seeweg ab, so dass die französischen Schiffe dem Heer keinen Nachschub bringen konnten. Alles Vieh auf den weiden ertrank, luxuriöse Anwesen samt ihrer Kunstschätze versanken in den Fluten, und mit ihnen die französischen Soldaten. Eilig zog Louis XIV. sein Heer zurück und suchte sich trockenere Ziele zum Erobern aus. Wie gewohnt wurde ein Triumph nach dem anderen gemeldet. Währenddessen segelten die Schiffe der Holländer auf allen Meeren zu ihren merkantilen Zielen, so dass der französische Konsul in Persien, auf seine Mitteilung an den dortigen Herrscher, dass sein König nun fast ganz Holland erobert habe, die Antwort erhielt: „Wie kann das sein, dass ich täglich in meinem Hafen von Hormus zwanzig holländische Schiffe sehe und nur ein französisches?“



    Zunächst setzten die französischen Soldaten auf den kommenden Winterfrost, um die Holländer in die Knie zu zwingen. Als das Wasser, das Holland seit den Deichbrüchen bedeckte, erst einmal gefroren war, konnten die Franzosen wieder zum Angriff übergehen. Doch einsetzendes Tauwetter zwang sie zum Abbruch ihrer Operation, die Soldaten entkamen oft, wenn überhaupt, nur mit Mühe dem Ertrinken oder dem Verhungern. Voller zorniger Enttäuschung quälten sie die Landbevölkerung, der sie habhaft werden konnte, was dunkle Flecken auf dem bisherigen Kriegsruhm des französischen Königs hinterließ. Der Krieg der verbrannten Erde nahm seinen Anfang.



    Nachdem Maastricht gefallen war, fragte man sich in Europa, wie lange die Holländer noch durchhalten könnten. Der bilaterale Krieg wuchs zu einem internationalen Kriegstheater an. Die französischen Bündnispartner setzten sich ab, der Kaiser setzte Truppen in Bewegung, und Wilhelm von Oranien hielt sich tapfer. Es ergab sich erneut die für den Kriegsruhm des französischen Königs pikante Situation, dass das von seinen Eroberungen kündende Siegestor von Saint-Denis gerade eben fertiggestellt war, als die eroberten Gebiete bereits wieder verloren gingen. Ein Siegfrieden, wie ihn Louis XIV. angestrebt hatte, war nicht mehr zu erreichen. Im Inneren Frankreichs rumorte es, Aufstände und Verschwörungen nahmen zu, hervorgerufen durch die drückende Steuerlast infolge des Krieges. Ein Kompromissfrieden musste her.

    In dem Friedensvertrag von Nimwegen gab Louis XIV. Maastricht zurück, behielt aber ein gutes Dutzend Städte in den Spanischen Niederlanden, auch die Franche-Comté fiel endgültig an Frankreich. Er hatte seine Kriegsziele zwar nicht erreicht, damit aber wenigstens den Habsburger Klammergriff um Frankreich gesprengt. England konnte von den Kriegsplänen Wilhelms von Oranien entfernt werden, indem Frankreich die jährliche Rente an Charles II. für die Dauer von drei Jahren auf fünf Millionen aufrundete. Für Kaiser Leopold I. war der Friedensschluss eine bittere Pille, aber mit den Türken im Rücken blieb ihm keine andere Wahl.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  15. #630
    Ewig unbezähmbar! Avatar von LegatBashir
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    wieder wunderbar geschrieben. Ich bin in dieser Zeit auf deine Ausführungen zum "French and Indian War" gespannt. Fällt genau in diese Periode. Ist ein recht komplexes Thema, aber wer die Rosenkriege auseinander nehmen kann, der schafft auch dieses Monster.

    Edit meint, dass ich mich um schlappe 100 Jahre verhauen habe...
    Geändert von LegatBashir (08. November 2021 um 16:02 Uhr)
    ex flammis orior

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