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Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #496
    Benutzter Registrierter Avatar von jeru
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    Ich bin jetzt wieder "aktuell" im Thread.
    Sehr schön und verständlich geschrieben! Man konnte trotz der vielen Namen sehr gut folgen!
    So hätte der Geschichtsunterricht damals mal sein sollen...

  2. #497
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
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    Der Konquistador

    Jedem Spanier in Diensten der Krone wurde hier ein Stück Land mit Arbeitskräften zugewiesen, und da halfen Cortez natürlich seine erlernten Kenntnisse in der Verwaltung. Sein Job war der des Großkomtur, auch eine Verwaltungsarbeit, nämlich in der Umsetzung der encomienda, des praktizierten Zwangsarbeitersystems: Nach der schwierigen Eroberung des östlichen Teils der Insel sollte hier die Gewinnung von Gold vorangetrieben werden. Gute Voraussetzungen für einen wie Cortez, sich auch selber die Taschen zu füllen. Cortez machte seine Arbeit gut, er fungierte bald auch als Notar auf der Insel. Solche Leute wurden gebraucht, denn die Spanier betrieben die Ausbeutung der Neuen Welt streng nach rechtlichen Vorgaben. So verbrachte Cortez seine ersten Jahre auf Hispaniola, bis er 1511 für seine erste Teilnahme an einer Expedition bereit war, nämlich die Eroberung von Kuba. Diese Expedition leitete Diego Colon, der älteste Sohn von Kolumbus, der dessen Rechte an der Neuen Welt geerbt hatte. Zumindest war er teilweise durch die Krone in diesen Rechten bestätigt worden. Die wichtige Einschränkung war nämlich, dass diese Rechte sich nur auf solche Ländereien beschränkten, die Kolumbus damals selber entdeckt hatte. Für ehrgeizige Leute wie Cortez war das eine wichtige Nachricht, die Hoffnung auf eigenen Reichtum weckte.

    Die Expedition nach Kuba war bereits 1511 eine Art Notwendigkeit, denn die Spanier hatten Hispaniola wirtschaftlich bereits völlig ausgepresst und entvölkert: Die einheimischen Indianer ertrugen die schwere Minenarbeit nicht und starben in Massen an den Entbehrungen und eingeschleppten Krankheiten wie den Pocken. Innerhalb von fünfzehn Jahren war die Bevölkerung der Insel von etwa 1,3 Millionen auf einige zehntausend geschrumpft!



    Der Anteil von Cortez an der Expedition nach Kuba war nicht militärischer Natur, dafür war Kuba zu gering bevölkert und zu leicht zu erobern. Die friedfertigen Indianer fürchteten sich vor den spanischen Feuerwaffen und den Pferden (beides war in Amerika unbekannt), leisteten kaum Widerstand und zogen die Flucht in die Berge vor. Für Cortez lohnte sich die Teilnahme trotzdem, er erhielt nämlich ein ordentliches Kontingent „frischer“ Indianer für private Zwecke zugewiesen, so wie andere spanische Siedler auch. Seine Zwangsarbeiter setzte Cortez für die Tierzucht und in Goldminen ein, und er häufte weiter persönliches Vermögen an.



    Bei wenigen Tausend spanischen Siedlern auf Hispaniola ist klar, dass man sich untereinander allseits kannte. Das war zugleich Chance wie auch Risiko, wenn man hier Karriere machen wollte. Denn einige Jahre nach der Expedition gab es unter den Spaniern Kritik an dem auf Kuba regierenden Gouverneur Velaquez, der die Insel nach eigenem Gutdünken verwaltete. Cortez sah seine Chance, unter den Unzufriedenen einen eigenen Klientelkreis aufzubauen und widmete sich diesen Klagen. Bald sollten Gerichtsbeamte der Krone in der Neuen Welt eintreffen, und Cortez sollte die Klagen dieser Klienten vor den Richtern vortragen. Er musste nun zeigen, dass er extreme Risiken einzugehen bereit war, immerhin legte er sich hier mit dem Gouverneur selbst an, dessen Rückhalt bei der Krone er nicht sicher einschätzen konnte. Cortez pokerte zu hoch: Zuvor hatte er Velaquez bereits verärgert, weil er dessen Tochter nicht hatte heiraten wollen. Nun hatte er auch noch kompromittierendes Material vor den Beamten der Krone offengelegt, und über dieses Vorhaben hatte der Gouverneur rechtzeitig Wind bekommen. Es ist unklar, ob Cortez der Galgen gedroht hatte oder ob er tatsächlich mit Peitschenhieben bestraft worden ist. Jedenfalls kam er wegen Ungehorsams einige Zeit in Haft.

    Es liest sich erstaunlich, dass sich Velaquez und Cortez im Jahre 1518 offenbar wieder versöhnt hatten. Cortez war in der Zwischenzeit lediglich einige Zeit von der Bildfläche verschwunden geblieben und deshalb bei zwei weiteren Expeditionen nicht mit von der Partie. Rückblickend betrachtet war das eine glückliche Fügung des Schicksals, denn beide Erkundungen Richtung Yucatan (das Gebiet der Maya) gingen gründlich in die Hose.



    Auf der Halbinsel Yucatan hatten die Spanier mit einem feindseligen Empfang erhalten: Hier war die Zivilisation – und die Gegenwehr - höher organisiert, die Maya lebten in Steinhäusern und verfügten über ein funktionierendes Militär. Die Hälfte der 110 Spanier kam bei der Expedition ums Leben, die Ausbeute an Gold war gering. Jedoch: Ein nach Hispaniola mitgebrachter Indianer namens Julianillo versicherte, es seien noch große Mengen Goldes im Lande verborgen.



    Velaquez ging bei dieser Nachricht direkt steil und schickte 1519 direkt eine dritte Expedition los. Dieses Mal vermieden die Konquistadoren das gefährliche Gebiet von Champoton, wo sie die schweren Verluste erlitten hatten und landeten in Tabasco. Hier hörten die Spanier erstmals vom aztekischen Reich Mexiko im Inneren des Landes, mit all seinem Gold und weiteren Reichtümern. Die Nachrichtenlage war dünn, keiner wusste bisher näheres über dieses Mexiko.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  3. #498
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    Der Konquistador

    Velaquez benötigte die Unterstützung weiterer Konquistadoren, um das Geld für eine Expedition zusammenzubringen, die weiter in das Landesinnere vorstoßen konnte. Kein Wunder, dass der Gouverneur sich nun wieder besser mit dem vermögenden Cortez verstand. Der Gag an der Sache war nämlich, dass die ganzen Expeditionen der Konquistadoren privat finanziert werden mussten, die spanische Krone bezahlte sie nicht. Das war also die Stunde des Cortez, er hatte lange auf seine Gelegenheit gewartet.

    Inzwischen war Cortez schon 33 Jahre alt, und bisher war er ein Niemand gewesen. Doch jetzt kratzte er all sein Vermögen – und wohl noch mehr als das – zusammen, um seine eigene Expedition auf die Beine zu stellen. Das Ergebnis waren drei Schiffe, 508 Infanteristen, einige hundert Seeleute und indianische Träger, dazu 16 Kavalleristen mit ihren Pferden, 13 Arkebusiere, eine Artillerieabteilung mit vier Falkonetten aus Eisen und zwölf kleinen Bronzekanonen. Und Cortez wurde zu ihren Kommandanten ernannt, weil er mehr Geld in dieses Unternehmen investierte als der Gouverneur selbst. Velaquez wurde bei dem Gedanken unbehaglich, dass Cortez die Sache auf eigene Rechnung zu Ende führen könnte, immerhin war Velaquez bei der Eroberung von Kuba selber so vorgegangen. Aber bevor er Cortez zurückpfeifen konnte, war dieser mit den drei Schiffen bereits in See gestochen – offenbar wusste Cortez, dass er sich jetzt besser vom Acker machen musste, wenn er die Kontrolle über die Expedition bei sich halten wollte. Damit überschritt er den Rubikon, jetzt gab es kein Zurück mehr. Ohne nähere Kenntnisse von dem neuen Kontinent und ohne militärische Erfahrungen machte sich der Konquistador auf den Weg zum mittelamerikanischen Festland.



    Andere in seiner Truppe hatten aus der vorangegangen Expedition schon mehr Informationen von den Gebiet von Tabasco, in dem sie nun landeten. Cortez machte das aber mit seinem persönlichen Charisma wett, er war ein geborener Anführer, der seine Leute zu guter Disziplin zusammen schmiedete. Nicht durch Repressalien oder Furcht, sondern durch eine Art militärischer Demokratie: Er redete mit seinen Soldaten und bezog sie ein. Das brachte ihn auch im Umgang mit den Indianern weiter, er konnte gut auf die zugehen. Instinktiv verstand Cortez, wie wichtig zwei Personen für ihn werden sollten, die ursprünglich gar nicht zur Mannschaft gehört hatten: Jeronimo, ein Spanier, der mehrere Jahre lang als Gefangener unter den Mayas gelebt hatte und deren Sprache verstand, und wichtiger noch die Malintzin, eine Indianerin, die Cortez vom Kaziken (Fürst) von Tabasco zum Geschenk erhielt; sie sprach die Mayasprache von Yucatan und zugleich das aztekische Nahuatl. Zwei Dolmetscher, die mehr wert sein sollten als ein Haufen blanker Waffen.

    Erst jetzt erfuhr Cortez mehr von dem großen Reich Mexiko der Azteken, nachdem seine Expedition sich Grunde zunächst von den früheren Erkundungsfahrten anderer Konquistadoren unterschieden hatte. Das wichtigste Pfund waren die Dolmetscher, mit deren Hilfe er von zwei Umständen Kenntnis erlangte: Zum einen gab es hier Völker, die von den Azteken unter dem Joch einer Vasallenschaft gehalten wurden und danach strebten, es abzuschütteln. Potentielle Bündnispartner der Spanier also! Zum zweiten existierte bei den Azteken eine Prophezeiung, nach der von Osten aus Götter bzw. Boten der Götter in Gestalt fremdartiger Menschen erscheinen würden. Diese Weissagung passte gut auf die Spanier, die mit ihrer hellen Hautfarbe, den Bärten, Rüstungen, Feuerwaffen und Pferden reichlich fremdartig daherkamen.

    Cortez hatte keine genauen Vorstellungen von dem Reich, das er erobern sollte. Er vermutete keineswegs die Existenz eines so bedeutenden und gut organisierten Staatswesens. Folglich hatte er kein präzises Projekt vor Augen. Nach und nach offenbarten seine Kontakte zu den örtlichen Kaziken und zu den Abgesandten Moctezumas, des Herrschers der Azteken, die Reichtümer und Wunder Mexikos.



    Cortez fasste den Entschluss, ins Landesinnere vorzustoßen, den Marsch auf die aztekische Hauptstadt zu unternehmen, die Tenestecan oder Tenustitan oder Remistitan hieß (jeder verstand den Namen auf seine Weise). Die prächtigen Geschenke der Azteken sowie die Bemühungen Moctezumas, den Konquistador von einem Besuch bei ihm abzuhalten, stachelte nur die Neugier der Spanier nur weiter an. Man hatte rasch kapiert, dass die Herrschaft Moctezumas brüchig, gefürchtet, sogar umstritten war – und das war eine fundamental wichtige Erkenntnis. Die Uneinigkeit der mexikanischen Völker war der Hebel, an dem Cortez ansetzen wollte.



    An der Küste von Tabasco gründete er die kleine Stadt Vera Cruz, ernannte Männer in verschiedene Ämter und pfiff auf die Aufforderungen des kubanischen Statthalters Velaquez, die Expedition abzubrechen und zurückzukehren. Das war der Bruch mit Velaquez, stattdessen schickte Cortez einen Vertrauten nach Spanien, um sich für seine geänderten Pläne die Gunst der Krone einzuholen. Die Wegstrecke im Landesinneren war Cortez nicht bekannt, er besaß keinerlei Karten von den Entfernungen, von all den Flüssen und Gebirgen, die auf dem Weg durch Mexiko lagen. Aber er hatte bald seine indianischen Verbündeten, die da abhelfen konnten. Nur mit einigen hundert spanischen Soldaten machte er sich an das Wagnis, eine ganze Zivilisation zu erobern, ein Reich mit zwanzig Millionen Einwohnern, einer hoch entwickelten politischen Organisation, einem effektiven Steuersystem und allgegenwärtigen Steuerbeamten, ein Reich, das fähig war, mehrere zehntausend Kämpfer aufzubieten.

    Der erste Schritt war die Etablierung eines Brückenkopfs an der Küste von Tabasco, die Gründung von Vera Cruz. Dies gelang Cortez nach einigen Kämpfen bei geringen eigenen Verlusten unter seinen Truppen.



    Die Spanier befreiten in dieser ersten Phase die Stämme der Totonaken, Bewohner der Golfregion, von der drückenden, aber noch nicht allzu lange andauernden Herrschaft der Mexika (Azteken). Vom totonakischen Kaziken („dem fetten“ Kaziken) erhielt Cortez 200 Träger und 50 indianische Krieger. Bevor Cortez sich auf den beschwerlichen Weg ins Landesinnere aufmachte, ließ er unter Zustimmung seiner Soldaten die Schiffe auf Grund setzen, damit jede Flucht von dem Unternehmen unmöglich würde. Vom 8. August 1519 an zog Cortez' Armee mit 400 Spaniern sechs Wochen lang Richtung Mexiko. Weitere 35 Spanier waren gefallen, verwundet oder erkrankt, 60 Mann blieben als Garnison in Vera Cruz zurück. Der Marsch war hart: Es mussten Berge überwunden werden, bevor man die kalten Regionen erreichte, die nichts mehr mit den milden Küstengebieten zu tun hatten.

    Cortez beschloss, den Weg über Tlaxcala zu nehmen, denn die Totonaken hatten ihm gesagt, die Tlaxcalteken seien die Todfeinde der Mexika.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  4. #499
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    Der Konquistador

    Dennoch wiesen die Tlaxcalteken hartnäckig Cortez' Friedensangebote zurück. Anfang September griffen sie mit tausenden Kriegern die Spanier immer wieder an, bei Tag und bei der Nacht. Bei einem Kräfteverhältnis von eins zu zwanzig oder dreißig glaubten sich die Spanier verloren, aber dank ihrer hervorragenden taktischen Aufstellung, dank ihrer Artillerie, die tiefe Breschen in die eng zusammengeschlossenen Reihen der Tlaxcalteken schlug, und schließlich dank ihrer Kavallerie. Die Spanier zählten viele Verwundete, aber nur wenige Tote. Seit der Landung hatten sie nun 55 Männer verloren. Zum Glück beschloss der Rat der vier tlaxcaltekischen Kaziken, Frieden zu schließen. Am 23. September 1519 zog Cortez mit seinen Soldaten in Tlaxcala ein, wo sie drei Wochen lang ihre Wunden versorgen konnten.



    Sie waren knapp ihrer totalen physischen Vernichtung entgangen, aber Cortez ergriff die sich bietenden Chancen und schloss ein Bündnis mit den Tlaxcalteken, das sich als entscheidend herausstellen sollte. Die Gesandten Moctezumas versuchten die Allianz zu verhindern, mit der Behauptung, es handele sich um eine Falle, und zugleich mit üppigen Geschenken an Cortez. Die Tlaxcalteken weigerten sich standhaft, ihre Götterbilder zu zerstören, obwohl Cortez darauf beharrte. Die Kaziken machten ein Gegenangebot: Sie gaben den Spaniern einige ihrer Töchter, auf dass die so gezeugten Kinder zu guten Kriegern des Stammes werden würden. Dass die Spanier kämpfen konnten, hatten man ja bereits gesehen. Dafür sollten die Spanier Tausende tlaxcaltekische Krieger für die Eroberung Mexikos zur Verfügung gestellt bekommen. Cortez übernahm fünf- bis sechstausend von ihnen.



    So wird die wundersame Eroberung einer ganzen Zivilisation durch einige hundert Konquistadoren verständlicher, wenn man bedenkt, dass zehntausende Indianer sich daran beteiligt haben. Cortez erkannte dank seiner Dolmetscher schnell, dass die indianischen Völker nicht einig waren, dass viele unter der Herrschaft der Azteken litten. Die unterdrückten Völker konnte Cortez auffordern, ihre Tributzahlungen an die Mexika einzustellen, seine spanischen Truppen würden sie vor der Rache der Azteken schützen. Bei den Tributen ging es übrigens nicht nur um Steuern oder Waren, die Vasallen mussten auch einige ihrer Söhne und Töchter abliefern, die von den Azteken dann den Göttern geopfert wurden – wobei die anderen Völker das nicht großartig anders gehandhabt haben, wenn sie die Gelegenheit dazu bekamen. Die tiefe Feindschaft zwischen den indianischen Völkern Mittelamerikas bot Cortez jedenfalls eine ungeheure Chance des „divide et impera“. Neben den Tlaxcalteken waren die Totonaken, die Chinanteken, die Huejotzingo, außerdem Chalco, Tamanalco und Xochimilco mit von der Partie, als es gegen Tenochtitlan ging. Und ihre Truppen waren nicht bloß Kanonenfutter, die indianischen Streitkräfte übernahmen die Pionierarbeiten, bauten Boote, versorgten die Verwundeten, kamen als Sappeure zum Einsatz.



    Mitte Oktober ging es mit gut kalkulierter Langsamkeit weiter nach Mexiko. Auf den Rat Moctezumas nahmen sie den Weg über Cholula, das nur zwölf Kilometer entfernt von Tlaxcala lag. Die Tlaxcalteken waren Feinde der Cholula, und sie warnten die Spanier, dass man den Weg blockiert habe und ihnen in Cholula feindlich gesonnen sei. Entsprechend umsichtig gingen die Spanier vor und vernichteten die Cholula, die ihnen auflauerten, Es hieß, Cortez' Männer hätten in den zwei Stunden der Kämpfe dreitausend Feinde massakriert. Die Invasoren hatten schlicht einen deutlich höheren Manöverwert, eine höhere Militärstufe und einen General mit guten Werten: Da war zum einen das taktische Vermögen von Cortez, der seine Truppen immer klug vorrücken ließ. Waffentechnisch waren die Eroberer sowieso überlegen ausgerüstet, sie richteten Artillerie, Kavallerie, Stahl- und Feuerwaffen gegen Gegner, die mit Holzschwertern mit Obsidianspitzen ausgerüstet waren. Ein wahres Blutbad, nach dem Moctezuma sich schließlich bereit erklärte, die Spanier in seiner Hauptstadt zu empfangen. Auch hier war es eine auffällig geringe Zahl an Todesopfern, die die Spanier in den Kämpfen mit den Azteken erlitten: Ohne Zweifel profitierte Cortez von den Kampfmethoden der Mexika, denn die wollten vor allem Gefangene machen, um sie ihren Göttern zu opfern. Sie versuchten daher eher, den Gegner zu verwunden, als ihn zu töten. So kam es, dass die Spanier in den Kämpfen zahlreiche Verwundete hatten, aber kaum einer sein Leben verloren hatte.



    Sie hielten dort Einzug am 8. November 1519. Das war jedoch keine Eroberung, es fanden keine Kämpfe statt, die Spanier wurden festlich empfangen und quartierten sich in Tenochtitlan ein. Sie blieben ein halbes Jahr. Am Vorabend der Ankunft hielt Moctezuma eine Begrüßungsrede, in der er – wenn sie authentisch ist – die Spanier offenbar für Götter hielt und in Cortez die Reinkarnation der mächtigen Gottheit Quetzalcoatl.



    Das wäre eine Erklärung für die Passivität des Herrschers und seine wiederholten Versuche, sich den Invasoren gewogen zu zeigen. Ein spanischer Bericht dieser Episode vermerkte: „Es scheint gewiss, dass wir jene sind, die ihre Vorfahren vor langer Zeit angekündigt haben, denn diese hatten gesagt, Männer würden kommen aus der Gegend des Sonnenaufgangs, um sich zu Herren dieses Landes zu machen, und wir müssten diese Männer sein, denn wir hätten so tapfer gekämpft.“ Eingehend besichtigen die Spanier die prächtige Hauptstadt der Mexika, seine Kanäle, die Märkte und die Plätze, und sie waren tief beeindruckt. Offenkundig besuchten sie auch die Tempel, gaben es nach ersten fruchtlosen Versuch aber auf, den Götterkult abzuschaffen und begnügten sich damit, auf ihre Kosten eine Kirche zu bauen. Im Palast entdeckten sie den Schatz des Aztekenherrschers, der sie in sprachloses Erstaunen setzte.

    Nach Cortez war es am sechsten Tag, als die Spanier beschlossen, Moctezuma in ihre Gewalt zu bringen. Die Geiselnahme sollte ihre Sicherheit gewährleisten angesichts der großen Anzahl Indianer in einer Stadt, die leicht zu einer Falle werden konnte. Konkreter Anlass war wohl auch ein Überfall eines aztekischen Aufgebots auf die spanische Garnison in Vera Cruz. Moctezuma bestritt, diesen Angriff veranlasst zu haben und ließ die Schuldigen verhaften und vor dem Palast verbrennen. Doch noch während die Hinrichtung im Gange war, legten die Spanier Moctezuma in Ketten. Die Situation in Tenochtitlan spitzte sich zu, trotz der gemeinsamen Spiel, sogar der (eher unwahrscheinlichen) Schachpartien. Von Moctezuma erhielt Cortez Informationen über die Lage der Goldminen, und es wurden Männer zu ihrer Erkundung ausgesandt. Aber Gerüchte besagten, Cacamatzin, der Herr von Texcoco und Neffe von Moctezuma, würde eine Revolte vorbereiten. Cortez merkte, dass Eile geboten war, den Goldschatz in Barren zu schmelzen, bevor die Situation weiter eskalieren würde.
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  5. #500
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    Der Konquistador

    In diese sowieso brenzlige Situation fiel die Nachricht von der Landung einer zweiten Expedition der Spanier aus Kuba, die in San Juan de Ulua gelandet war. Cortez erkannte sofort, dass diese Information auch schnell bei Moctezuma landen würde, denn die Azteken hatten natürlich überall Späher im Land. Die Spanier von Kuba, die von Velaquez geschickt worden waren, überzeugten bald den tlaxcaltekischen „fetten“ Kaziken, von Cortez abzufallen. Was würde wohl in Tenochtitlan geschehen, wenn die Azteken erfuhren, dass die vermeintlichen Götter selbst uneinig waren? Cortez entschied sich für eine riskante Aktion: Er ließ eine Garnison in Tenochtitlan zurück und marschierte schleunigst gegen die spanischen Landsleute in Vera Cruz, die dreimal mehr Männer hatten als er. Doch er schaffte es, ihre Anführer im Handstreich einzukassieren und mit den übrigen Soldaten zu reden. Dank seines Charismas überzeugte Cortez sie, ihm selbst zu folgen, bei ihm winkten den Eroberern Ruhm und vor allem Reichtum. Die Flotte der zweiten Expedition ließ Cortez nun auch zerstören, jetzt hatte er mehr Männer unter seinem Kommando als zuvor.

    Cortez musste anschließend rasch zurück nach Tenochtitlan, denn hier war ein Aufstand der Mexika gegen die spanische Garnison ausgebrochen: Die Spanier hatten hier im Tempel ein Massaker an den aztekischen Würdenträgern verübt, der den Volkszorn hatte hochkochen lassen. Mit seiner nunmehr stattlichen Streitmacht erschien Cortez am 24. Juni 1520 wieder in der Hauptstadt, und das ließ Moctezuma schwanken, er rief seine Untertanen zur Ruhe auf. Doch die Azteken wollten nun nicht mehr auf ihn hören, unter obskuren Umständen fand Moctezuma, ihr Herrscher, den Tod. Unter ihrem neuen Souverän Cuitlahuac waren die Azteken entschlossen zu siegen oder zu sterben. Die Lage für den in der Stadt belagerten Cortez und seine Männer wurde allmählich unhaltbar, und er fasste den Entschluss, dass sie sich heimlich zurückziehen müssten. Das war die berühmte Noche Triste des 30. Juni.



    Aber die Mexika waren gewarnt und griffen die Marschkolonne heftig an. Die Nachhut wurde vom Hauptteil des Heeres abgeschnitten und verlor einen Teil ihrer Mannschaft, mehrere hundert Spanier und wohl über tausend indianische Hilfstruppen. Offenbar erwischte es eben jene Spanier auf der nächtlichen Flucht über die Dämme der Stadt (Tenochtitlan war wie Venedig eine Inselstadt, aber in einem See gelegen, mit den künstlichen Dämmen als einigen Fluchtweg zum Festland), die sich zu sehr mit Gold beladen hatten. Die unglücklichen Gefangenen wurden von den Azteken ihren Göttern geopfert, das Beutegold versank auf Nimmerwiedersehen in dem See.

    Bei Otumba stellte Cortez seine Streitmacht auf, um die Azteken, die ihnen in großer Zahl nachsetzten, zur Schlacht zu erwarten. Dank ihrer taktischen Intelligenz fügten die Spanier den Azteken hier eine blutige Niederlage zu, die wohl größte Schlacht in der Geschichte der Konquistadoren. Erschöpft zogen die Spanier weiter bis zu den Tlaxcalteken, auf deren Gastfreundschaft sie zu ihrem Glück setzen konnten. Hier ruhten sich Cortez und seine Leute vom 1. Juli 1520 bis zum 28. April 1521 aus. Man fürchtete zwar auch hier einen Aufstand, aber die Tlaxcalteken lehnten eine Übereinkunft mit den Azteken ab und blieben dem Bündnis mit den Spaniern treu. Ein Glück für sie! Natürlich versuchten die Azteken, sich auf dem diplomatischen Weg mit ihren Vasallen gegen die Spanier zusammenzutun, aber die Feindschaft und das Misstrauen zwischen ihren Völkern waren zu tief. Dies rettete die Spanier. Wären die Tlaxcalteken auf dem Kriegspfad gewesen, hätte es das sichere Ende der angeschlagenen Konquistadoren bedeutet.

    In diesen neun Monaten bereitete Cortez in Ruhe und systematisch die Rückeroberung der aztekischen Hauptstadt vor: auf der diplomatischen Ebene durch Verhandlungen mit den anderen Völkern Zentralamerikas, um die Mexika zu isolieren, auf der militärischen Ebene durch eine bedeutende Verstärkung von den karibischen Inseln, die seine Mannschaftsstärke verdoppelte. Und er ließ Schaluppen bauen, die bei dem Einsatz gegen die Inselstadt zum Einsatz kommen sollten. Die indianischen Krieger der Tlaxcalteken wurden einem militärischen Training unterzogen, um sie mit den taktischen Grundlagen der Spanier auszustatten, die sie dann gegen die Azteken anwenden sollten. Es ist zudem möglich, dass Cortez mehrere Male versuchte, ein Treffen mit Cuauhtemoc, dem Nachfolger Cuitlahuacs, herbeizuführen, um ihn von der Notwendigkeit eines Friedens zu überzeugen. Zu Pfingsten des Jahres 1521, am Vorabend der Schlacht, ließ Cortez seine Truppen in Texcoco aufmarschieren: es waren 650 Fußsoldaten, 84 Kavalleristen, 194 Armbrustschützen und Arkebusiere sowie zwanzig Kanonen, drei große Eisenkanonen und etwa fünfzehn kleine Bronzekanonen, dazu kamen 25.000 indianische Krieger, davon mindestens 16.000 Tlaxcalteken. In Medieval 2 ist es mir mit einer deutlich größeren Streitmacht nicht unbedingt gelungen, die Azteken zu unterwerfen.



    Vom 30. Mai bis zum 13. August 1521 entbrannte die erbitterte Schlacht um Mexiko. Cortez führte eine amphibische Operation durch: ihr Ziel, die Verteidiger von Mexiko in ihrer Stadt hermetisch abzuriegeln. Er übernahm persönlich das Kommando über die Streitkräfte zu Wasser mit 300 Mann Fußvolk und den Artilleristen, denn die Kanonen waren auf die Brigantinen verteilt. Der große Teil des Heeres war auf drei gleichstarke Abteilungen verteilt, in denen sich alle Truppentypen mischten. Die Azteken verteidigten sich heldenhaft und forderten den Invasoren einen Kampf um jedes einzelne Haus ab, häufig Mann gegen Mann. Die Spanier verbrannten die eroberten Häuser, damit sie nicht in der Nacht wieder von den Azteken besetzt werden konnten. Beim ersten Angriff gegen den Marktplatz erlitten die Spanier eine schmähliche Niederlage und verloren an Terrain. Aber den Belagerten mangelte es an allem, vor allem an Trinkwasser, denn die Spanier hatten den Aquädukt unterbrochen. Außerdem grassierte unter den Azteken eine Pockenepidemie, die wahrscheinlich von den spanischen Soldaten oder ihren indianischen Trägern eingeschleppt worden war.

    War diese tödliche Krankheit, die unter den Azteken schlimme Verwüstungen anrichtete, womöglich ein Zeichen, dass sich ihre Götter von ihnen abgewandt hatten? Sie wussten nichts davon, dass die Pocken bereits auf Hispaniola und Kuba gewütet hatte, wussten auch nicht, wie man sie bekämpfen sollte. Wenn sie das Fieber ergriffen hatte, reagierten sie mit Untertauchen ins Wasser, eine falsche Behandlung mit tödlichen Folgen. Trotz allem lehnten sie lange ein Friedensangebot der Spanier ab, erst am 13. Augst musste sich Cuauhtemoc ergeben. Der Krieg war beendet. Cortez konnte jetzt mit Erfolg kleinere Armeeabteilungen in die benachbarten Regionen ausschicken, die den Azteken nicht untertan waren, zum Beispiel die Michoacan und die Huasteken, und ohne Mühen ihre Unterwerfung erreichen.



    Auf diese Weise verbreiten sich die Pocken, und auch die Grippe und die Masern, schlagartig über die gesamte Region und entvölkerten Mittelamerika regelrecht. Von den 25 Millionen Einwohnern des Jahres 1519 sollten bis 1532 noch 17 Millionen, und bis 1548 noch acht Millionen übrig bleiben! Auch dort, wo man niemals einen Spanier oder ein Pferd erblickt hatte, brachen die neuen Krankheiten aus.



    Die Macht der Azteken war gebrochen, die anderen Völker waren entweder als Bündnispartner gewonnen oder wurden ebenfalls schnell unterworfen. Cortez hatte es geschafft, die Spanier waren die Herren Mittelamerikas. Jetzt konnten die Eroberungen organisiert und ausgebeutet werden. Cortez wies gemäß der Encomiendas seinen Männern Land zu (natürlich strömten nun weitere Spanier direkt vom Mutterland nach Mittelamerika, jetzt, da es was zu verteilen gab), damit sie mit den indianischen Arbeitskräften Landwirtschaft (Getreide, Wein, Zuckerrohr), Viehzucht (Rinder und Schweine) und vor allem Bergbau (Gold! Silber!) betreiben konnten. Mangels eigener Frauen griff man gerne bei den Töchtern zu, die die indianischen Verbündeten den Spaniern anboten. So entstand eine neue gemischte Form des regionalen Adels. Die Zuteilung von Grundherrschaft indessen schuf Privilegierte und Enttäuschte, und letztere sollten die Reihen der Cortez-Gegner füllen. Solche Misshelligkeiten erlangten jedoch erst später Bedeutung. Die Periode zwischen 1522 und 1523 jedenfalls war die Stunde der Reorganisation des Landes, sogar von neuen Institutionen und obrigkeitlichen Verhältnissen, der Erforschung, des Wiederaufbaus der Wirtschaft, und es war die Stunde des Kampfes gegen die einheimischen Götter und der Bekehrung zum Christentum.

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    Der Konquistador

    Cortez selbst setzte sich nicht zur Ruhe. Er unternahm eine Expedition zu den Huasteken nach Osten, zwei weitere in den Süden, von denen er sich guten Gewinn versprach. Gewaltsam brachte man sich in Tututepec eine beachtliche Menge Gold an sich. Andere Streifzüge nach Gold führten in den Westen, hier wurde im Juli 1523 die Stadt Colima gegründet. Man befand sich hier im Machtbereich der Michoacan, mit denen man sich gut stellte, weil man in dieser Region die strategisch wichtige Meerenge zum Pazifik vermutete. Der Frieden hielt nicht lange, im Zweifel setzten die Konquistadoren ihre Ansprüche halt mit Gewalt durch. Manchmal revoltierten die Indianer gegen ihre Besatzer, meistens dann, wenn die Spanier sich untereinander uneins gezeigt hatten. Alles, was Cortez bei diesen Unternehmungen und der Plünderung Mexikos beiseite schaffen konnte, schickte er Kaiser Karl V. als bedeutende Kriegsbeute (wobei jedoch ein ordentlicher Teil französischen Korsaren in die Hände fiel).

    Politisch zeichneten sich die 1520er nämlich durch weitreichende Veränderungen aus. Dabei ging es nicht so sehr um die Wahl Karls V. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (1519), auch wenn die Thronbesteigung Suleimans des Prächtigen etwa zur gleichen Zeit (1520) die Konfrontation zwischen den beiden Großmächten der Zeit, dem Reich der Habsburger und dem Reich der Osmanen, beschleunigte. Viel wichtiger war das Auseinanderfallen der lateinischen Christenheit im Zuge der lutherischen Reformation und der Verurteilung Luthers auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1521. Die nicht zuletzt durch die Reformation Luthers ausgelösten sozialen Unruhen bewirkten ein Beben, bei dem der Deutsche Bauernkrieg von 1525 die tragischste Episode und der „Sacco die Roma“ durch kaiserliche Landsknechte (1527) das am wenigsten vorhersehbare Ereignis waren.



    In den 1520ern deutete sich auch eine wirtschaftliche Revolution an, durch den wachsenden Zustrom von Gold und später Silber aus Amerika, den Antillen und Mexiko, und – dank der Portugiesen und ihres direkten Zugangs zu den Molukken (1522) – durch die Ausweitung eines weltumspannenden Handels mit teuren Nahrungsmitteln und Gewürzen. Und schließlich: ein Großunternehmen, die 1519 von Magellan begonnene und von El Cano 1522 vollendete Weltumseglung (die nur etwa 40 von 500 Männern überlebten, mir gehen auch ständig trotz Flottenabkommen die Schiffe dabei unter). Damit wurde die geographische Revolution besiegelt, die an sich bekannte Kugelform der Erde war empirisch bewiesen und die Größe des Planeten nach oben korrigiert – sie war bei der Weltumseglung an der ungeheuren Weite des Pazifiks ersichtlich geworden.

    Ende 1523 war Mexiko soweit für die Spanier unter Kontrolle gebracht, dass Cortez über weitere Eroberungen nachdenken konnte. Die Stoßrichtung der nächsten Expedition zielte auf Honduras, auf dem Weg dorthin musste Guatemala eingenommen werden.



    Über diese Region hatte man gehört, sie sei reich an Minen und grausamen Kriegern. Cortez beauftragte Pedro de Alvarado mit der Expedition und gab ihm einige hundert Mann Truppen mit. Wie erwartet wurde Alvarado bei der Durchquerung des Dschungels von Guatemala in schwere Kämpfe verwickelt, bei denen die Spanier eine Anzahl an Männern und Pferden verloren. Doch Cortez sorgte bei den Expeditionen stets dafür, dass eine Anzahl an Arkebusen und Kanonen zur Verfügung stand. Denn immer wieder stieß man auf zahlenmäßig überlegene Indianerheere, die zuvor nie mit diesen Waffen zu tun gehabt hatten – es war also wichtig, immer wieder auf Neue den entscheidenden militärischen Vorteil aus der angstvollen Überraschung der Indianer zu ziehen. Alvarado hatte damit auch in Guatemala Erfolg und machte eine gewaltige Beute.

    Das Herrschaftsgebiet von Cortez, Neuspanien genannt, erstreckte sich nun bis zu den Randgebieten Mexikos: im Westen und Nordwesten Michoacan und Colima, im Nordosten Panuco, im Süden Oaxaca und Tehuantepec, im Südosten Coatzalcolcos, und im Süden nun bis nach Guatemala. Die Eroberungen an der Peripherie galten dem Schutz des neuspanischen Kernlandes, waren ihrerseits aber nicht unbedingt sicher. Die unterworfenen Zapoteken, Huasteken und Maya waren nicht so leicht zu beherrschen wie zum Beispiel die Michoacan.



    Cortez war sich dessen bewusst und versuchte, die Situation durch Gründung von Niederlassungen und Stützpunkten in den Griff zu bekommen. Diese besetzte er mit Spaniern und ihnen unterstellten Indianern. Bei Rebellionen oder ähnlichen Anlässen übertrug er die Herrschaft auf die Söhne der gestürzten vormaligen Herren.

    Von Guatemala aus konnte der weitere Vorstoß nach Honduras erfolgen, denn dort sollte die vermutete strategische Meerenge zwischen Atlantik und Pazifik gefunden werden (die Fahrt des Magellan hatte gezeigt, dass der Weg um Südamerika herum einen riesigen Umweg darstellte). Cortez entsandte zu diesem Zweck seinen langjährigen Vertrauten Cristobal de Olid. Dieser war ein Weggefährte der ersten Stunde und hatte Cortez nie Anlass zum Misstrauen gegeben. Doch er verbündete sich mit Cortez' Erzfeind Velaquez und wollte mit Hilfe des Statthalters von Kuba Honduras für sich selbst erobern und sich von Cortez unabhängig machen. Olid wollte mit Cortez nun also die gleiche Art betrügen, wie es Cortez zuvor mit Velaquez getan hatte. Als Cortez davon hörte, entsandte er Francisco de Las Casas mit zwei Schiffen nach Honduras um Olid gefangen zu nehmen. Doch weil Cortez auch lange Zeit nichts von Las Casas hörte, machte er sich selbst im Herbst 1524 mit einer Armee von mehreren hundert Spaniern und dreitausend indianischen Hilfstruppen auf den Weg nach Süden. Aus Furcht, dass der letzte König der Azteken, Cuauhtemoc, während seiner Abwesenheit einen Aufstand in der Hauptstadt anzetteln könnte, nahm Cortez ihn auf den Feldzug mit.

    Cortez machte den Fehler, Honduras auf dem Landweg erreichen zu wollen, und dann auch noch über die Westroute. Auf dieser Strecke begab sich Cortez in unbekanntes, unwirtliches Terrain mit Sümpfen, Alligatoren, Giftschlangen, undurchdringlichen Dschungelgebieten, wo man sich nur mit Hilfe der Säbel und Macheten einen Weg bahnen konnte, durch ein Land mit gefährlichen und verzweigten Flüssen, die man nur mit übermenschlichen Kraftanstrengungen, mit Hilfe von eigens gebauten Booten überwinden konnte, damit der Heerzug seinen Weg fortsetzen konnte.



    Beinahe wäre der Feldzug nach Honduras an den Strapazen des Weges, dem schlechten Wetter und dem Hunger gescheitert. In den Kämpfen mit den feindlichen Indianervölkern starben viele Teilnehmer der Expedition.

    Unter den erschöpften Soldaten machte sich Unzufriedenheit breit, man verstand den Sinn der ganzen Aktion nicht mehr. Alle waren unzufrieden, als zwei Kaziken von einem angeblich von Cuauhtemoc und anderen Kaziken angezettelten Komplott berichteten. Die Verschwörer hatten demnach vor, eine günstige Gelegenheit auszunutzen, etwa eine schwierige Flusspassage oder die Durchquerung eines Sumpfes, um bei einem Verhältnis von zehn zu eins die Spanier zu töten, nach Mexiko zurückzukehren, den Tod des Cortez zu verkünden und damit einen allgemeinen Aufstand ausbrechen zu lassen. Der Verschwörung überführt, soll – nach Cortez – Cuauhtemoc den Verrat gestanden haben: Im Februar 1525 wurde er unweit von Acalan schuldig gesprochen, verurteilt und durch den Strang hingerichtet. Das genügte - bei den übrigen indianischen Krieger im Heer musste Cortez trotz ihrer großen Anzahl nicht fürchten, mit der Hinrichtung eine Revolte zu provozieren. Sie waren allesamt so erschöpft, dass sie nur noch ans Überleben denken konnten.

    Kurz vor dem Ziel erfuhren Cortez und seine Männer von einigen Indianern, warum man so lange nichts von Las Casas gehört hatte: Der war nach seiner Landung in Honduras nämlich in die Gefangenschaft des abtrünnigen Olid geraten. Doch die Indianer wussten auch zu berichten, dass es Las Casas gelungen sei, Olid bei einem Essen mit einem Dolch zu verletzen und ihn danach auf dem Marktplatz des Städtchens hinrichten zu lassen. Gute Nachrichten für Cortez! Allerdings stellte Cortez bei seiner Ankunft in Honduras fest, dass Las Casas sich zwischenzeitlich auf den Weg zurück nach Mexiko eingeschifft hatte, die beiden hatten sich klassisch verpasst. Las Casas wurde in Mexiko übrigens von Cortez Gegnern wegen seines Mordes an Olid verhaftet und in Ketten nach Spanien gebracht, aber das konnte Cortez zu diesem Zeitpunkt nicht wissen.

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  8. #503
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    Habe mich extra angemeldet, um dir Mark, meinen Dankesbrief zu überbringen.
    Crusader Kings verschlingt einen mit Haut und Haaren, nebenbei durchforste ich Geschichtsbücher, die
    Hörbücher von Ulf Schiewe um die Kreuzfahrerfamilie Montalban werden eingelegt und Skulpturen sowie
    Gemälde aus der jeweiligen Epoche werden betrachtet. Historienbüchern fehlen gerne eine Komprimierung
    auf die wesentlichen Aspekte der persönlichen Interessen, die du wunderbar zusammenfasst und mit den
    Spielerlebnissen untrennbar verzahnst. Das wäre alles nicht viel wert, wenn es sich nicht so angenehm
    lesen ließe. Danke.

  9. #504
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    Das ist ja mal eine tolle Anerkennung, danke Dir. Mir geht es selbst beim Verfassen des Textes so - im Verbund mit den Bildern der beiden Spiele bleiben mir die Inhalte besser im Gedächtnis.
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  10. #505
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    Der Konquistador

    Weil man in Tenochtitlan lange Zeit keine Nachricht von Cortez hatte, kam das Gerücht auf, er sei nicht mehr am Leben. Cortez war in Honduras zwar tatsächlich schwer an einem Fieber erkrankt, aber das hatte nichts mit den Gerüchten zu tun, die man in Mexiko über seinen Tod streute. Hier ging es darum, den Besitz und die Titel des Konquistador unter sich aufzuteilen. Als Cortez in Honduras feststellte, dass Las Casas seine Aufgabe erfüllt hatte, fuhr er mit dem Schiff über Havanna nach Vera Cruz. In Neuspanien wurde er begeistert empfangen und vor allem in Tlaxcala stürmisch begrüßt. Die absolute Macht hatte er durch seine lange Abwesenheit jedoch verloren. Klar, Cortez forderte sein Eigentum und seine Stellung wieder zurück, doch inzwischen waren auch Beamte des Kaisers aus Spanien eingetroffen, um den Herrschaftsstil von Cortez unter die Lupe zu nehmen, und bei denen hatten sich Cortez' Gegner ausgiebig ausgelassen. Neuspanien wurde zur politischen Schlangengrube, Korruption, Verhaftungen, Folter und Hinrichtungen wurden zum Tagesgeschäft, um unliebsame Konkurrenten auszuschalten. Kein Wunder, dass es unter den ausgebeuteten Indianern brodelte, Revolte lag in der Luft.



    Cortez musste sich die Frage stellen, wie sie Machiavelli formuliert hatte: „Wie soll man eine neue Herrschaft errichten?“ Er verstand, dass seine persönliche Macht von seiner Fähigkeit abhing, als Vermittler zwischen einem starken und gut organisierten amerikanischen Reich und der spanischen Krone aufzutreten. Die Briefe, die Cortez bislang an Karl V. geschickt hatte, genügten offenbar nicht mehr. Cortez sah die Notwendigkeit, nach Spanien zurückzukehren und die Sache persönlich beim Kaiser vorzutragen. Es dauerte bis 1528, bis diese Reise tatsächlich zustande kam, Cortez fuhr mit einem Schnellsegler nach Europa und bewältigte die Reise von Veracruz nach Palos in nur 41 Tagen. Neuspanien war seit Oktober 1523 eine Provinz Spaniens. Als der Eroberer dieser größten und reichsten Provinz sah sich Cortez in einer Reihe mit den mächtigsten europäischen Fürsten seiner Zeit. Deshalb umgab er sich auf der Reise mit einem großen Gefolge. Es begleiteten ihn Kampfgefährten aus Neuspanien und adelige Indianer aus Tenochtitlan, Tlaxcala und Cempoala. An seiner Seite waren je ein Sohn Moctezumas und Maxixcatzins, einem der Fürsten aus Tlaxcala. Außerdem begleiteten ihn zwölf tlaxcaltekische Ballspieler sowie indianische Musiker, Sänger und Akrobaten. Er hatte Gold, Edelsteine, Kunstgegenstände und exotische Tiere im Gepäck. Als Karl V. von Cortez’ Ankunft erfuhr, ließ er ihm durch den lokalen Adel alle Ehren erweisen.



    Bei dem offiziellen Empfang des Konquistadors bei Hofe appellierte Cortez an die Gerechtigkeit seines Kaisers und berichtete ihm ausführlich von den Eroberungen und den Schlachten, die er in der neuen Welt geschlagen hatte. Er antwortete auf die Anklagen seiner Feinde und bestritt, dass er Gold der Krone zurückgehalten habe, er wies vielmehr nach, dass er mehr als das geforderte Fünftel nach Spanien geschickt hatte. Außerdem hatte er viel Geld aus eigener Tasche für den Wiederaufbau von Tenochtitlan beigesteuert. Karl V. hatte Cortez viel zu verdanken; ohne die reichen Gold- und Silberlieferungen aus Neuspanien wäre es ihm nicht möglich gewesen, in Europa Kriege zu führen. Cortés hatte sich ihm gegenüber immer loyal verhalten, von den indigenen Völkern in Neuspanien wurde er als absoluter Herrscher angesehen, auch wenn er sich selbst niemals so bezeichnete. Mit dem Bau eines Palastes auf den zerstörten Grundmauern des Palastes von Moctezuma hatte er aber seine Ansprüche zu erkennen gegeben.

    Karl V. zeigte sich gegenüber Cortez freundlich, er wies an, dass dem Konquistador seine Eigentümer zurückzugeben seien, erhob ihn zum Markgrafen und somit in den Hochadel, und bestätigte ihn in seinem Titel des Generalkapitäns von Neuspanien und der Südsee. Das jedoch war nur eine militärische Funktion, den eigentlichen Wunsch des Eroberers erfüllte der Kaiser nämlich nicht: Cortez erhielt nicht die Regierung über Neuspanien übertragen, hier sollte er die Macht mit einem von der Krone eingesetzten Vizekönig teilen. Für Cortez war das ein erheblicher Dämpfer, er war eine zu starke Persönlichkeit, um sich mit der Teilung der Autorität zu begnügen. Offenbar war Cortez dem Kaiser zu mächtig geworden, also setzte Karl V. ihm einige ausgesuchte Leute vor die Nase, die über weniger Hausmacht verfügten. Ein Beobachter der Audienz fasste es so zusammen: „Ehre und Entgegenkommen, aber nicht die Macht.“

    Nebenher heiratete Cortez in Spanien und erkrankte ein zweites Mal so schwer, dass man mit seinem Tod rechnete. Karl V. erwies dem Konquistador die Gunst, ihn an seinem Krankenlager zu besuchen, eine große Ehre. Aber kaum war Cortez 1530 wieder auf den Beinen, zog es ihn dringend nach Mexiko zurück. Dort war die Kacke am Dampfen. Neuspanien versank in Korruption und Niedertracht, unter den Spaniern jeder gegen jeden, und alle Spanier traten nach unten gegen die Indianer. Und trotz der Verfügungen des Kaisers war man munter dabei geblieben, sich den Besitz von Cortez unter den Nagel zu reißen. Obendrein weigerten sich die kaiserlichen Richter, die Rechte des Markgrafen Cortez anzuerkennen, und bedrohten die Indianer mit dem Tode, die Cortez und seinen Männern Abgaben leisteten. In komplizierten Aktionen, die ich hier nicht alle ausführen will, musste sich Cortez gegen diese Widerstände durchsetzen, er hatte alle Hände voll zu tun.

    Nachdem das halbwegs ausgestanden war, konzentrierte sich Cortez auf die Erforschung der Westküste Neuspaniens. Die Leitung der Zivilangelegenheiten war eh auf eine Behörde der Krone übertragen worden, aus Spanien traf 1535 der von Karl V. eingesetzte Vizekönig Mendoza ein. Wie zu erwarten verstanden sich Cortez und Mendoza nicht sonderlich gut.



    Im Jahre 1536 entdeckte die neue Expedition, von Cortez persönlich finanziert, die Ausläufer Kaliforniens, die man zunächst für eine Insel hielt. Das Ziel der Seefahrt, einen Durchgang vom Atlantik zum Pazifik zu finden, wurde nicht erreicht.



    Eine weitere Expedition, die jenseits des Pazifik die Molukken mit ihren reichen Gewürzvorkommen finden sollte, scheiterte. Vorerst kannte man weiterhin nur den Seeweg von Afrika aus, den die Portugiesen zu den Molukken erschlossen hatten. Cortez hatte mit seinen Unternehmungen kein großartiges Glück mehr, er konnte nicht mehr vor dem Kaiser glänzen. Das taten andere nun an seiner Stelle.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  11. #506
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    Der Konquistador

    m Jahre 1532 war nämlich ein Trupp Spanier im Norden von Peru an Land gegangen und hatte sich durch den Dschungel durchgeschlagen. Die Konquistadoren unter Francisco Pizarro waren auf der Suche nach El Dorado, dem sagenhaften Land des Goldes. Das gab es nur in den Mythen, doch was sie in den Anden fanden, war das Reich der Inka. Und hier konnte Pizarro auch märchenhafte Beute machen, viel mehr, als Cortez sie von Mexiko nach Spanien schicken konnte. In dem Maße, wie die geraubten Schätze der Inka für Begeisterung in Spanien sorgten, wurden die Taten von Cortez abgewertet. Bei seiner zweiten Rückkehr an den Hof des Kaisers sollte er das mit Bitterkeit bemerken.



    In Spanien fragte man sich, warum es nicht auch im Norden Neuspaniens vergleichbare Reiche wie das der Inka geben sollte. Aber Cortez berichtete von seinen Expeditionen in den Norden (Kalifornien, Florida und die Großen Ebenen Nordamerikas) lediglich von teils nomadischen Indianerstämmen, bei denen es nicht viel zu holen gab. Die Gerüchte von den „Sieben Städten von Cibola“, die man in Spanien für bare Münze hielt, konnte Cortez nicht bestätigen. Im Jahre 1540 war es wieder soweit, dass Cortez in Spanien antreten musste, um sich zu rechtfertigen.



    Dieses Mal konnte er jedoch nicht einmal vor dem Kaiser selbst vorsprechen. Karl V. hatte wichtigeres zu tun, er war getroffen von dem Tod seiner Frau Isabella (1539) und verärgert über die Revolte in seiner Geburtsstadt Gent, so dass Karl V. Spanien verließ, um der Bestrafung der Aufständischen durch seine persönliche Anwesenheit ein besonderes Gewicht zu verleihen. Eine anderes schwerwiegendes Problem war die Reformation in Deutschland, die den Kaiser zwang, von Gent aus zum Reichstag nach Regensburg zu reisen, wo ein Kompromiss zwischen Katholiken und Protestanten zu erreichen war. Und außerdem wollte Karl V. einen Feldzug gegen Algier vorbereiten, jenem Korsarennest, das aus dem Mittelmeer ein gefährliches Gewässer machte (wen nerven die ewigen Meldungen von den Küstenplünderungen nicht?) und das für die Türken einen bedeutenden logistischen Stützpunkt darstellte. Cortez sollte sich, wenn er schon in Spanien weilte, hier nützlich machen und sich dem Feldzug gegen Algier anschließen. Es wurde kein Glanzpunkt in seinem Leben. Die Invasion wurde wegen eines Unwetters ein Fiasko, bei dem Cortez beinahe ertrank, und in seiner Ehre fühlte er sich außerdem noch gekränkt, weil er trotz seiner militärischen Erfahrungen in Mexiko nicht in den Kriegsrat seiner Majestät berufen wurde.

    Irgendwann muss es Cortez gedämmert haben, dass Karl V. kein Mann war, der viel mit Loyalität und Dankbarkeit am Hut hatte. Der Konquistador hockte jahrelang in Spanien herum, ohne in seiner Sache voranzukommen. Langsam ging Cortez – angesichts seines aufwendigen Lebenswandels, zu dem er sich standesgemäß verpflichtet fühlte – das Geld aus, er hatte Schulden. Cortez hatte viel privates Geld eingesetzt, um seine Entdeckungsreisen zu finanzieren. Das wollte er jetzt erstattet haben, er erhob im Jahre 1544 entsprechende Ansprüche beim Finanzministerium der Krone. Es war schon damals so: Die Behörde vertröstete ihn ständig und verwies ihn ein ums andere Mal an ein anderes Gericht. Da dürfte es für Cortez nur ein schwacher Trost gewesen sein, dass auch sein Rivale, der Vizekönig Mendoza, pleite ging. Der hatte all sein Vermögen dafür eingesetzt, weiterhin die „Sieben Städte von Cibola“ zu finden. Mendozas Heer erreichte Cibola tatsächlich im Jahre 1540 und erlebte eine herbe Enttäuschung: Das legendäre Cibola war nur eine kleine Ansammlung aus Lehmhäusern!



    Verbittert schrieb der inzwischen 60 Jahre alte Cortez noch einmal einen Brief an den Kaiser, der voller Selbstmitleid war. Darin appellierte er erneut an Karl, er möge die Richter anweisen, ihn wieder in seine Rechte einzusetzen. Doch Cortez erhielt auf seine Schreiben nicht einmal mehr eine Antwort. Angewidert entschloss sich Cortez im Jahre 1547, trotzdem nach Neuspanien zurückzukehren. Doch noch in Sevilla wurde er krank und starb am 2. Dezember 1547 auf seinem Landgut im Alter von 62 Jahren.

    Später entdeckte man einen der Bittbriefe, den Cortez in seinen letzten Lebensjahren an Karl V. gerichtet hatte. Am Rand des Dokumentes hatte ein Sekretär die vernichtende Bemerkung notiert: „Muss nicht beantwortet werden.“
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  12. #507
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    Sehr schöner Abschluss. Hoch gestiegen und tief gefallen, kann man wohl sagen.

  13. #508
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    7. Kapitel: Das Zeitalter der Reformation

    1. Frühmittelalter (ab 769)
    Karl der Große
    Das byzantinische Kaiserreich

    2. Das Zeitalter der Wikinger (ab 867)
    Alfred der Große
    Die ersten deutschen Könige

    3. Das Hochmittelalter (ab 1066)
    Wilhelm der Eroberer
    Heinrich IV.
    Der Erste Kreuzzug
    Duell: Heinrich der Löwe und Barbarossa
    Duell: Saladin und Richard Löwenherz
    Zwischenkapitel: Die Wehen der neuen Epoche

    4. Mongolensturm (ab 1220)
    Friedrich II.
    Edward I.
    Drei Familien: Habsburg - Rudolf I.
    Drei Familien: Wittelsbach – Ludwig IV.

    5. Spätmittelalter (ab 1337)
    Drei Familien: Luxemburg – Karl IV.
    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1 – Edward III.
    Das Konzil – Sigismund
    Der Hundertjährige Krieg, Teil 2

    6. Das Zeitalter der Entdeckungen (ab 1444)
    Das Startdatum 11. November 1444
    Das Osmanische Reich – Stadt der weltlichen Begierde
    Portugal – Jenseits des Kap Bojador
    Walachei – Der kleine Drachen
    England – Die Rosenkriege
    Heiliges Römisches Reich – Die Reichserzschlafmütze
    Frankreich – Die universelle Spinne
    Kastilien – Die iberische Hochzeit
    Kirchenstaat – Der unheimliche Papst
    Der Konquistador - Hernan Cortez



    7. Das Zeitalter der Reformation (ab 1517)
    Plus ultra - Karl V.
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    Geändert von Mark (12. August 2019 um 22:53 Uhr)
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  14. #509
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    Karl V.
    Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, König von Spanien, lebte 1500-1558
    Startdatum: 28. Juni 1519


    Quod in celis sol, hoc in terra Caesar est
    : Was die Sonne am Himmel, ist der Kaiser auf Erden. Das konnte man auf einer Münze von 1548 lesen. Karl V. war gemeint, jener Kaiser, in dessen Reich die Sonne nie unterging. Ein halbes Jahrhundert zuvor hatte Christoph Kolumbus im Namen Kastiliens die Neue Welt entdeckt. Kolumbus wusste das bekanntlich nicht, er glaubte, in Westindien gelandet zu sein, auf der Rückseite der Alten Welt. Auf einem solchen verkleinerten Globus hätte die Sonne tatsächlich Tag und Nacht jeweils einen Teil von Karls Imperium beleuchtet. Deutschland, Spanien auf der einen, seine neue Herrschaft auf der anderen Seite der Weltkugel. Die Münze zeigte deshalb den kaiserlichen Doppeladler zwischen den beiden Säulen des Herkules, dem griechischen Symbol für die Grenzen der Welt. Damit war Karl in die Nachfolge dieses antiken Heros gerückt, er war der Held, der die ganze Welt bezwang. Sein Adler hielt die östliche und die westliche Welthälfte in seinen Fängen und breitete die Schwingen über den Atlantik.

    Jenseits von Gibraltar stellte der Atlantik für die Europäer einst die Grenze der Welt dar, von daher kam die Bezeichnung „non plus ultra“ - Nicht darüber hinaus. Jetzt aber hatte Spanien eben diese Grenze überwunden und den Weg in die Neue Welt erschlossen. Für Karl V. hieß das, es war die Zeit für eine neue Definition: Eine neue Spannweite des Doppeladlers, ein neues Bild der Erde, ein neuer Begriff vom Kaisertum: Plus ultra, über alles hinaus! So hieß denn auch der Wahlspruch Karls V., der auf der Rückseite der Gedenkmünze stand, und das klang weit anspruchsvoller als die Devise früherer römisch-deutscher Kaiser, die sich auf ihren Siegeln nach einer antiken Devise als „semper augustus“ bezeichnet hatten, „stets Mehrer des Reiches“.



    Nicht nur vermehrt, sondern ins Unerhörte gesteigert war das Kaisertum Karls V., er stellte sich mit dem Bild der Sonne über alle anderen. Jahrhundertelang hatten Papst und Kaiser darum gestritten, wer diesen Vergleich für sich beanspruchen durfte. Es ging darum, wer die Sonne sei, die das Licht ausstrahlt, und wer der Mond, der es nur weitergibt. In der Bibel steht von diesem Zwiespalt nichts, aber auf Karls Münze gab es keinen Zweifel: Der Kaiser war die Sonne.

    Die gesamte Familiengeschichte war wichtig für Karls Selbstbewusstsein und für sein Schicksal. Sein Großvater in männlicher Linie war Kaiser Maximilian, einem der populärsten Kaiser aus dem Hause Habsburg. Karl folgte ihm nicht durch Erbrecht, sondern durch die Wahl der Kurfürsten, deren Entscheidung er großzügig zu seinen Gunsten beeinflusste. Als Maximilian im Jahre 1519 starb, war der 19jährige Karl bereits seit drei Jahren König von Spanien: diese Krone hatte er ererbt.

    Das Heilige Römische Reich, auf dessen Thron er gewählt wurde, war damals schon mehr als 700 Jahre alt. Die beiden spanischen Königreiche, die er übernahm, waren erst seit einer Generation vereinigt. Karls Großvater mütterlichseits, Fernando von Aragon, hatte 1469 Isabel von Kastilien geheiratet. So kam das Küstenreich Aragon, das über die Balearen, Sardinien, Sizilien und Unteritalien, also über das gesamte westliche Mittelmeer, soweit es christlich war, sich verbreitet hatte, zu dem kargen, aber weiten Hochland von Kastilien und dem südlichen Granada. Die politische Ehe war schwierig, und dass der Erbprinz aus dieser Ehe, Karls Onkel, schon im Kindesalter starb, danach auch noch die ältere seiner Schwestern, so dass die Erbschaft auf Karls Mutter Juana übertragen werden musste, machte die Situation nicht leichter. Fernando von Aragon, Karls Großvater, führte die Regierung bis zu seinem Tod 1516. Karl hatte in Spanien das Recht auf seiner Seite, aber als Landfremder betrat er ein schwieriges Terrain.

    Denn eigentlich war er am 24. Februar 1500 zum Herrscher von Burgund geboren worden. Auch das war eine neue Herrschaftsbildung des Spätmittelalters, kaum vier-fünf Generationen alt, aber doch reich und wohlorganisiert, durch Karl an der Nordgrenze noch erweitert. 1363 war ein Prinz aus dem französischen Königshaus zum Herzog von Burgund geworden, Philipp der Kühne, und ihm folgten noch drei „ohne Furcht“ und „gut“, der letzte männliche war ein „kühner“ bis zum persönlichen Untergang. Diese vier hatten nacheinander fast die gesamte Region von der Saone bis zur Nordsee erobert, erheiratet, mit Druck und Lockungen erworben und mit bemerkenswerter Konsequenz in zeitgemäße Herrschaftsformen gefasst. Am Ende, 1477, blieb nur eine Tochter für das Erbe übrig, Karls Großmutter Maria. Schon vor dem Schlachtentod ihres Vaters, Karls des Kühnen, hatte man sie mit dem Erbprinzen der Habsburger und voraussichtlichen Kaiser verheiratet.



    Mit dieser Ehe hatten die Habsburger von Österreich über Tirol und ihren Stammsitz am Oberrhein eine Brücke vom östlichen ins westliche Mitteleuropa geschlagen. Das legte den Grund zu ihrer Vormacht in Mitteleuropa. Das Jahr 1477 mit der Ehe zu Burgund war dabei das entscheidende. Dass ihnen zwanzig Jahre später Spanien zufiel und wieder dreißig Jahre später auch die Königreiche Böhmen und Ungarn (soweit die Osmanen davon übrig gelassen hatten), das bestimmte sie in einer bis dahin nicht gesehenen Konzentration von Ländern, Reichtum und strategischen Positionen schon beinahe zur Hegemonie. Über zwei, drei tragische Todesfälle war diese ganze unbeschreibliche Macht schließlich auf Karl V. gefallen, auf seine Schultern, in seinen Schoß, so dass die Aufzählung seiner Würden und Herrschaftstitel, nichts ausgenommen, über siebzig Positionen umfasste.
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    Wie erwähnt wurde Karl V. in Burgund geboren und erzogen. Es war der Orden vom Goldenen Vlies, der seine ersten Schritte in die Politik lenkte. Karl war kaum vierzehn Jahre alt, als seine Tante Margarete (eine Tochter Maximilians I.), die Regentin der Niederlande, einen kastilischen Granden verhaften ließ. Der war ein Opponent der spanischen Politik des alten Königs Fernando und hatte deshalb in den Niederlanden Zuflucht gesucht. Margarete wollte Loyalität demonstrieren. Aber Don Juan Manuel war Ordensritter vom Goldenen Vlies. Als solcher konnte er von niemandem verhaftet werden, außer von seinem Ordenskapitel. Eilends traten die Ordensritter zusammen und bewogen ihren jungen Souverän, bei seiner Tante zu intervenieren. Zum ersten Mal – und das mit erstaunlicher Festigkeit – trat Karl im politischen Leben auf und stellte sich an die Spitze einer Adelsfronde. „Wenn sie ein Mann wäre“, ließ die Erzherzogin ausrichten, „anstatt ein Weib, so würde sie die Herren ihre Satzung singen lassen!“ Aber sie musste gehorchen, denn als Weib und Statthalterin war sie abhängig vom Machtwort Kaiser Maximilians. Und sie musste hinnehmen, das Maximilian mit dieser Aktion die Mündigkeit seines burgundischen Enkels anerkannte. Don Juan Manuel wurde später einer von Karls zuverlässigen Diplomaten. Für den Augenblick hatte Karl das Vertrauen des einheimischen Hofadels gewonnen, eine gute Regierungsbasis. Dem Eklat folgte die Mündigkeitserklärung und die Übernahme der Regierung binnen weniger Monate, am 5. Januar 1515. Mit Karls Regierungsantritt gewann auch ein Ritter des Goldenen Vlies namens Wilhelm de Croy an Macht, er wurde Karls oberster Hofkämmerer. Seine Tante, die Karl damit düpiert und in den Hintergrund drängte, sollte er sieben Jahre später erneut zur Regentin in diesem Land bestellen. Sie war und blieb eine ebenso kluge wie loyale Angehörige der Familie.

    Als ein Jahr später, am 23. Januar 1516, Karls spanischer Großvater Fernando starb, übernahm der Orden vom Goldenen Vlies die Totenfeier. Das hieß nicht viel anderes in den ungeschriebenen Gesetzen diplomatischer Beziehungen, als dass der Orden damit die Trauer Karls, des Nachfolgers, repräsentierte. Und als Karl nach ausgiebigen Verzögerungen schließlich auszog, um sein spanisches Erbe anzutreten, da sahen die Vliesritter in Spanien neuen Pfründen entgegen. Als Karl zwanzig Monate nach dem Tod Fernandos mit seiner Flotte an der Nordküste Spaniens landete, hätte er seine Herrschaft in dem fragilen Doppelkönigreich vielleicht schon verloren gehabt, wäre nicht der umsichtige Erzbischof von Toledo gewesen, der sie mit fester Hand und mit kirchlicher Autorität zu bewahren wusste. Kardinal Francesco Ximenez de Cisneros handelte nicht etwa aus Vasallentreue zu den Habsburgern, sondern weil er überzeugt war von der Notwendigkeit nationaler Einheit im neuen, durch die Heirat von Fernando und Isabel 35 Jahre zuvor zusammengeschlossenen Spanien. Der Greis starb auf dem Weg zu dem unbegreiflich langsam vorrückenden königlichen Gefolge. Dankbarkeit vom Hause Österreich? Die erhielt der Erzbischof nicht. Hier bereits zeigte sich Karl von jener eigenartigen Unverbindlichkeit, mit der er gelegentlich auch die persönliche Aufopferung seiner Untertanen ohne sichtbare Regung hinnahm.

    Übrig blieb eine diplomatische Aufgabe, die Karl offensichtlich mit der Kraft seiner Persönlichkeit löste: die Begegnung mit seinem um drei Jahre jüngeren Bruder Ferdinand. Der war von Kind an in Spanien am Hof seines Großvaters erzogen worden, als dessen Liebling und heimlich erklärter Nachfolger. Die Brüder sahen einander nach vielen Jahren zum ersten Mal. Den Winter verbrachten sie gemeinsam, dann brach Ferdinand gehorsam auf in die Niederlande, um Karl dort zu vertreten. Stellvertreter zu sein wurde fortan sein politisches Los. Immer wieder von seinem älteren Bruder auf diese Weise an der Herrschaft beteiligt, blieb er der zweite Mann: als Herzog von Österreich, als Präsident des Reichsregiments, schließlich als deutscher König unter dem Kaiser. Mitunter tat er das sehr unwillig, aber nach vielen guten Diensten in der deutschen Politik, wurde er Karls Nachfolger auf dem Kaiserthron.

    Die Anfänge in Spanien gestalteten sich schwierig, aber schließlich erfolgreich. Karl besuchte seine geisteskranke Mutter Juana in Tordesillas. Niemand durfte Zeuge sein, niemand weiß deshalb zu berichten, ob und wie die beiden miteinander sprachen. Juana „die Wahnsinnige“ war nach dem Gesetz eigentlich die Königin von Kastilien und blieb es auch bis zu ihrem Tod. Genaugenommen, und die Titulierung der Urkunden drückte das auch aus, war Karl nur in ihrem Auftrag Regent in diesem Landesteil. Aber das hatte kaum je politische Konsequenzen. Juana war, quasi seit ihrem Regierungsantritt, seit 1506 sicher eingesperrt worden, zunächst von ihrem Gemahl Philipp, anschließend von ihrem Vater Fernando. Nun war es ihr Sohn Karl, der sie in Tordesillas weiter schmachten ließ.

    Drei Jahre nach Karls spanischem Großvater Fernando starb 1519 auch der deutsche Großvater Maximilian. Unbestritten war Karl nun der Erbe der deutschen Habsburgerschaft, als Österreichs, Tirols, der sogenannten Vorlande um den Breisgau und der Besitzungen in der Nordschweiz. Die Nachfolge auf dem römisch-deutschen Kaiserthron dagegen war der Wahl der Kurfürsten anheimgestellt. Diese wurde durch mindestens 850.000 Gulden aus der Kasse der Fugger entschieden, den Kurfürsten in Einzelverträgen als Handsalbe zugeschrieben. Aus gleichem Anlass waren die französischen Goldsäcke den kurfürstlichen Diplomaten in die Hände gelegt – eine Fehlinvestition des französischen Königs François, der ebenfalls nach der Kaiserkrone gestrebt hatte. Der Wahlakt am 28. Juni 1519 verlief für Karl V. problemlos, sein Großkanzler Gattinara konnte ihm gratulieren: Karl sei jetzt der größte Kaiser, den es jemals gab, seit das Reich Karls des Großen, dessen Krone er trug, im Jahre 843 geteilt worden war. Mit Gottes Gnade sei Karl V. nun auf dem rechten Weg, die ganze Welt unter einem Hirten zusammenzuführen.



    Für Frankreich war es ein Graus zu sehen, wenn die Habsburger gleichzeitig mit der Reichskrone auch die Krone von Spanien trugen. Dazu gehörten ja auch die aragonesischen Besitzungen im westlichen Mittelmeer, mit den Balearen, Sardinien, Sizilien und Malta als besondere Edelsteine dieses Königreichs, hinzu kamen verschiedene Stützpunkte in Nordafrika. Schon die kastilischen Fürsten sahen die Macht ihres ausländischen Habsburger Königs mit Misstrauen. Um wie viel mehr die deutschen Fürsten! Und was sollte der Papst erst sagen? Das römische Reich erstreckte sich nun über die Alpen südwärts bis nach Bologna, nun kam auch noch Süditalien hinzu. Wenn die Habsburger nicht nur Mailand, sonder auch Neapel in ihren Händen hielten, konnten sie – wie einst die Staufer – den Kirchenstaat in die Zange nehmen.



    Karl V. war mit dem Tod Maximilians nicht nur die Krone des Reiches zugefallen, sondern auch der Herrschaftsraum der Habsburger, deren Oberhaupt er nun war. Hier ließ er seinen Bruder Ferdinand zum Zuge kommen: Kernstück war natürlich Österreich selbst, schick war aber auch der Besitz von Tirol mit seinen wichtigen Silberbergwerken und den Italienpässen. Ferdinand wurde auch die Herrschaft über Breisgau und Elsass übertragen. Kurz, Karl entledigte sich (mit Ausnahme Burgunds) aller seiner deutschen Ansprüche zugunsten seines Bruders. 1520 verzichtete Karl V. auf eine ungarische Prinzessin zugunsten Ferdinands, der sich mit ihr besser in Mitteleuropa etablieren sollte. Die 18jährige Anna, die der gleichaltrige Ferdinand zu Pfingsten 1521 in Linz vor den Traualtar führte, war eine Jagiellonenprinzessin, Kind aus jener östlichen Dynastie, die damals mit Polen, Litauen, Böhmen und dem bislang noch von den Türken verschonten Ungarn weit mehr als eine Million Quadratkilometer beherrschte. Eine ähnlich große Landmasse wie Spanien und das Heilige Römische Reich zusammengenommen.



    Die politische Bindung zwischen Habsburg und Jagiellonen wurde durch eine zweite Hochzeit abgesichert, so etwas gab es des öfteren: Karls jüngere Schwester Maria musste den jungen Jagiellonen Ludwig II. heiraten, der war König von Böhmen, Ungarn und Kroatien.

    Die Doppelhochzeit sollte einige Jahre später eine große Bedeutung erlangen. Der junge König Ludwig II. war ebenso lebenslustig wie ritterlich, so ganz ein Mann nach dem Schlage des alten Maximilian, der ihn ein paar Jahre zuvor deshalb nicht nur protegiert, sondern sogar adoptiert, zum Reichsvikar ernannt und ihm die Nachfolge auf dem Kaiserthron in Aussicht gestellt hatte. Dummerweise war Ludwig II. aber auch leichtsinnig. Nur fünf Jahre nach der Hochzeit mit der Habsburgerin Maria fand er 1526 im Alter von nur zwanzig Jahren bei einer Türkenschlacht den Tod im Sumpf. Hier war mehr verspielt als ein Ritterleben, Ludwig hinterließ eine junge Witwe. Eben diese Maria, die Schwester Karls und Ferdinands, wurde später als Statthalterin nach Burgund geschickt. Die beiden Königskronen von Böhmen und Ungarn aber fielen nach Verträgen wie nach Ständewahlen an Ferdinand. Aber das sind bereits Geschehnisse, die 1520 noch in der Zukunft lagen.

    Also wieder zurück zum deutschen Krönungsjahr 1520: Nebenher investierte Karl noch 220.000 Gulden, um Habsburg endlich die ersehnte Landbrücke von Österreich zum Oberrhein zu verschaffen: Das Herzogtum Württemberg wurde ihm direkt unterstellt. Möglich war das nicht alleine durch das Geld, sondern weil der württembergische Herzog Ulrich die Reichsstadt Reutlingen überfallen hatte und dafür mit der Reichsacht bestraft worden war. Mindestens ebenso schwer dürfte gewogen haben, dass Ulrich der protestantischen Lehre anhing, die sich neuerdings im Reich verbreitete. Die Truppen des Schwäbischen Bundes vertrieben Ulrich aus seinem Herzogtum, unterstellten es wie erwähnt Karl, der es wiederum seinem Bruder Ferdinand zur Verwaltung weitergab. Österreichische Amtleute verwalteten Württemberg in Übereinkunft mit den Ständen redlich, abgesehen davon, dass sie guten Glaubens die Protestanten verfolgten. Um es vorneweg zu nehmen: Die Verfolgung weckte die protestantische Solidarität. Frankreich leistete Beistand um den Preis der Grafschaft Mömpelgard und kam damit ein Stückchen nach Osten voran, zur Rheingrenze. Und schließlich holte Philipp von Hessen mit leichter Hand das Herzogtum 1534 für Ulrich zurück. Da war kein schwäbischer Bund mehr, den kaiserlichen Machtanspruch zu wahren. Noch ehe Karl V. mit den Protestanten kämpfte, war er auf die erste protestantische Fronde gestoßen und hatte verloren. Sein Geld kam zu spät. Der Machtverlust wirkte in Deutschland lange nach. Mit Württemberg hätten die Habsburger mit der Landbrücke von Ost nach West jedem die Alpenpässe verwehren können. Die deutsche Geschichte wäre mit einem habsburgischen Württemberg jedenfalls anders verlaufen.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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