Seite 32 von 45 ErsteErste ... 2228293031323334353642 ... LetzteLetzte
Ergebnis 466 bis 480 von 668

Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #466
    Ewig unbezähmbar! Avatar von LegatBashir
    Registriert seit
    01.11.05
    Ort
    verschneiter Süden
    Beiträge
    1.684
    ex flammis orior

  2. #467
    Registrierter Benutzer Avatar von Herbert Steiner
    Registriert seit
    23.03.12
    Beiträge
    3.711
    Ausgezeichnet, wie immer.

  3. #468
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    Die universelle Spinne

    Als der alte König René im Juli 1480 starb, fielen die Herzogtümer von Anjou und Bar durch entsprechende Vereinbarungen an den König, wohingegen René seine unabhängige Grafschaft Provence seinem Neffen, dem Grafen von Maine, vermachte. Aber der kinderlose Maine hatte seinen letzten Willen bereits zugunsten des Königs festgelegt. Bei seinem Tode im Jahr darauf fielen die Grafschaften Provence und Maine an die Krone, und Louis besaß jetzt den wundervollen Hafen von Marseille und das Loire-Tal bis hin zur bretonischen Grenze.



    Das Herzogtum Bretagne war nicht mehr in der Lage, seine Unabhängigkeit vor Frankreich zu behaupten. Nach Ablauf einer Dekade (im Jahre 1491) überantwortete sich die neue bretonische Herzogin Anna selbst nebst ihrer Provinz dem französischen König.

    Kein Wunder also, dass Louis der Ruf anhaftet, er sei ein intriganter Tyrann gewesen. Klerus und Adel, die zu einem guten Teil die Geschichte schrieben, hatten so manchen Grund, an diesem König kein gutes Haar zu lassen. Einem Fürsten spielte Louis XI. besonders übel mit, das war Herzog Louis von Orleans. Louis von Orleans gehörte zu einer Nebenlinie der Valois, die der König auslöschen wollte, um sich einer möglichen Konkurrenz um die Krone zu entledigen. Zu diesem Zweck zwang er Orleans schon früh in die Ehe mit seiner Tochter Jeanne. Ist doch toll, er heiratet eine Prinzessin, ein sozialer Aufstieg. Aber Louis XI. trieb mit beiden ein sehr böses Spiel: Es war allgemein bekannt, dass die hässliche und verkrüppelte Jeanne keine Kinder gebären konnte. Es gibt Andeutungen, sie sei zweigeschlechtlich gewesen. So oder so, mit Jeanne als Gemahlin würde die Linie der Orleans mit dem jungen Louis enden.

    Die Ironie der Geschichte ist, dass Louis von Orleans später doch triumphierte: Im Jahre 1483 sollte Jeannes Bruder Charles, also Louis' Schwager, nach dem Tod von Louis XI. den französischen Thron besteigen – und im Jahre 1498 kinderlos sterben. Damit war die Linie der Valois am Ende und der Orleans Louis erhielt die Krone. Seine Ehe mit der missgestalteten Jeanne konnte Louis XII. mit der erlangten Macht in einem demütigenden Prozess annullieren lassen. Aber das sind spätere Ereignisse.

    In der Story haben wir noch das Jahr 1481. Dem König Louis XI. ging es gesundheitlich nicht gut. Ende Februar erlitt er eine Art von Gehirnsturzblut, brach zusammen, und konnte trotz Bewusstsein tagelang nicht sprechen oder verstehen. Im September 1481 folgte ein zweiter Anfall. Zwei Stunden lang lag er da wie tot. Monatelang zog sich der König zurück, um sich zu erholen. Im Frühjahr 1482 rechnete der abgemagerte Louis XI. selber damit, dass er nicht mehr lange leben würde. Er schleppte sich von Woche zu Woche und betete inständig darum, Gott möge ihm noch etwas Lebenszeit gewähren. Wie ernst die Lage war, bewies der Umstand, dass der König seinen Sohn Charles zu sich rief und ihm Instruktionen für die Zukunft erteilte. So viel Aufmerksamkeit hatte Louis XI. dem Dauphin sonst nie geschenkt.

    Doch die Lebensgeister des Königs kehrten im April 1482 überraschend zurück – aufgrund einer zweifelhaften Freude: Er erhielt Nachricht vom tragischen Tod der jungen burgundischen Herzogin Maria. Sie war infolge der inneren Verletzungen, die sie sich beim Sturz vom Pferd zugezogen hatte, gestorben. Obwohl Louis XI. selbst im Schatten des Todes weilte, freute er sich ungemein über diese Nachricht. Schließlich und endlich würde ihm Burgund doch noch zufallen. Ohne die Ehe mit Maria war Maximilian in Burgund nicht mehr sicher, er war ja nur angeheirater Herzogingemahl. Okay, die beiden hatten 1478 den gemeinsamen Sohn Philipp (sowie die Tochter Margarethe) bekommen, aber das war nur ein kleines Kind, für das Maximilian die Regentschaft ausüben wollte.



    Der französische König konnte wieder seine Wühlarbeit in Flandern beginnen und erreichte, dass die Stände Maximilian wenig Beachtung schenkten. Die Stände gaben dem Habsburger zu verstehen, dass sie Frieden mit Frankreich wünschten, egal, was Maximilian davon hielt. Gegen seinen Willen stimmten die Stände der Verheiratung der kleinen Margarethe mit dem französischen Thronfolger zu. Sie wurde eingepackt und nach Paris gebracht. England konnte und wollte nicht eingreifen, Edward IV. war trotz der Renten, die er kassierte, klamm, war mit den Schotten beschäftigt, und hatte außerdem einen laufenden Friedensvertrag mit Frankreich. Der englische König war von Louis XI. kunstvoll ins Abseits gestellt worden. Niemals würde seine schöne Tochter den französischen Dauphin heiraten, niemals würde er die Hand auf die Niederlande legen können. Der Zug war abgefahren. Edward IV. litt so sehr unter dieser Schmach (und seiner jahrelangen Völlerei), dass er im April 1483 plötzlich starb. England rutschte in die finale Episode der Rosenkriege, Richard III. griff nach der Krone.

    Da konnte Maximilian keinen Widerstand mehr aufbieten: Burgund wurde offiziell aufgeteilt. Nur einen Teil des Erbes von Herzog Charles dem Kühnen konnte Maximilian für seinen Sohn Philipp bewahren, der übrige Teil fiel unmittelbar oder mittelbar an Frankreich. Dies ist das Ergebnis, dass in EU4 direkt mit dem Event zum Tod des burgundischen Herzogs zu sehen ist. In der Realität war es ein Prozess, der sich fünf Jahre lang hinzog.


    Links: Burgund vor der Teilung. Rechts: Die Aufteilung Burgunds zwischen Frankreich und Habsburg

    Das war der letzte Coup, den Louis XI. in seinem Leben landen konnte. Einige Monate später, im August 1483, erlitt er eine neue Gehirnblutung. Er kam zwar noch einmal zu sich, wusste aber um sein unausweichliches Ende. Er ermahnte seinen Sohn, sich von nun an „der König“ zu nennen und verabschiedete sich von seinem Stab. Am 30. August bat Louis XI. im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte um Erteilung der Sterbesakramente, betete, und verstarb am Abend jenes Tages.


    … und was geschah danach?

    Die Nachricht vom Tod Louis XI. versetzte Frankreich in einen Zustand bebender Erwartungen. Welche Gewinne und günstige Gelegenheiten verhieß nicht die Herrschaft eines Minderjährigen, des erst 13 Jahre alten Charles VIII.



    Der Dritte Stand träumte von Steuersenkungen, der Klerus hoffte, seine Angelegenheiten wie in den glorreichen Tagen in die eigenen Hände zu nehmen, der Adel – am glücklichsten von allen – sah die gute alte feudale Welt wieder heraufziehen. Die Emporkömmlinge unter den Ratgebern, mit denen sich der verstorbene König so viele Jahre umgeben hatte, wurden fertiggemacht, zum Tode verurteilt, aufgehängt, mit heißen Eisen durchlöchert, oder ausgepeitscht. Der alte König wurde als tyrannischer Despot gescholten, seine Beamten als Ausbeuter. Die Herren machten sich ein Vergnügen daraus, allenthalben Schauergeschichten zu verbreiten über den Herrscher, der sie in ihre Schranken verwiesen hatte. Jeder suchte seinen Teil der Beute. Natürlich sollte nach ihren Willen der junge Charles VIII. zum Spielball ihrer Interessen werden. Louis XI. hatte aber vorgesorgt und die Regentschaft über den Thronfolger seiner kompetenten Tochter Anne und ihrem Gemahl übergeben. Sie hielten die Regierung in dieser Zeit stramm aufrecht.

    Im Jahre 1485 versuchte Herzog Louis von Orleans (der mit der hässlichen Jeanne), eine neue Adelsrevolte des „Öffentlichen Wohls“ vom Zaun zu brechen. Der Konflikt ging als „Der verrückte Krieg“ in die Geschichte ein, weil beide Seiten, Adels- und Königspartei, sich als unfähig erwiesen, irgendeine Entscheidung herbeizuführen, die das Drama beendet hätte. Eigentlich ein Verdienst des toten Königs: Selbst die Regierung eines minderjährigen Königs konnte die von Louis XI. geschaffene nationale Monarchie nicht erschüttern.

    Die negativen Folgen kamen erst später, als Charles VIII. volljährig war. Er war nämlich ein harmloser, vergnügungssüchtiger Trottel, der sich schnell zu der Mission „Italienische Ambitionen“ überreden ließ: Die Eroberung Neapels für das französische Haus Anjou. Dabei stellte sich Charles VIII. bei weitem nicht so geschickt und weitsichtig an, wie es sein Vater vermocht hatte. Sein Agieren in dem Wespennest Italien ist Thema im noch folgenden Kapitel über den Borgia-Papst Alexander VI.


    Literatur:
    Paul Murray Kendall – Ludwig XI. (offenbar die einzige ausführliche Biographie, die überhaupt zu ihm verfasst wurde)
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 639.jpg (331,0 KB, 508x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 618.jpg (515,1 KB, 508x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 631.jpg (269,1 KB, 501x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 614.jpg (55,6 KB, 517x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  4. #469
    Sie/Er/Whatever Avatar von Fimi
    Registriert seit
    12.08.10
    Beiträge
    24.256
    "La majestueuse égalité des lois, qui interdit au riche comme au pauvre de coucher sous les ponts, de mendier dans les rues et de voler du pain." - Anatole France

    Zitat Zitat von Fonte Randa Beitrag anzeigen
    Manchmal kann ich Fimi verstehen...
    Zitat Zitat von Kaiserin Uschi Beitrag anzeigen
    Ja, aber das ist nur ein Grundgesetzbruch, aber kein Verfassungsbrauch. Bring das mal vors Bundesgrundgericht ;)

  5. #470
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    Die iberische Hochzeit



    Die iberische Hochzeit

    Isabel die Katholische
    Königin von Kastilien 1474 bis 1504, lebte 1451 bis 1504
    Startdatum: 11. November 1444


    Die „Iberische Hochzeit“ ist neben dem „Burgundischen Erbe“ das wohl bekannteste Event in EU4. Wenn die Herrscher von Kastilien und Aragon ein unterschiedliches Geschlecht haben, die beiden Länder nicht im Krieg liegen, sowie benachbarte Grenzen haben, besteht zwischen 1450 und 1530 die Chance, dass die Iberische Hochzeit triggert und eine Personalunion Kastiliens mit Aragon mündet in das Königreich Spanien. Das Event existiert nicht von ungefähr im Spiel, sein historisches Vorbild ist die Hochzeit von Isabel von Kastilien und Fernando von Aragon im Jahre 1469. Isabels Leben und Herrschaft sind das Thema dieses Kapitels.



    Sie kam am 22. April 1451 zur Welt und wuchs in der herben kastilischen Region Avila in der Provinz Leon auf. Die karge Landschaft hatte die Bevölkerung abgehärtet, entsprechend war die Erziehung des Mädchens. Der Palast ihrer Eltern, des Königs Juan II. und seiner zweiten Gemahlin Isabel von Portugal, glich eher einem ländlichem Adelssitz.



    Hier blieb sie nicht lange, bereits mit drei Jahren ging für sie nach dem Tod ihres königlichen Vaters die Reise weiter nach Arevalo, gemeinsam mit ihrem kleinen Bruder Alfonso. Auch dort fiel Isabel nicht die Rolle einer verwöhnten Prinzessin zu. In dieser Zeit wurde ihr Charakter geprägt: Nüchternheit, persönliche Bedürfnislosigkeit, die Begabung zum sparsamen Haushalten im kleinen wie im Staatsbereich, Tatkraft, Lebensklugheit gemischt mit intuitivem Entscheidungsvermögen. Als Königin war sie gar nicht vorgesehen.

    Die Zeiten waren hart für das Königshaus, die Krone machtlos. Nahezu jeder dem Hochadel angehörende Grande beschämte die Krone durch seinen hemmungslos erworbenen Reichtum. Wer eins oder gar mehrere von den wehrhaften Kastellen besaß, nutzte die militärische Stärke zu Erpressung und einem halblegalen Raubrittertum. Der jeweilige Hochmeister eines reichen geistlichen Ritterordens bemächtigte sich ungeniert der hohen Jahreseinkünfte des Ordens. Der berühmteste Ritterorden, der von Santiago, war begründet worden zum Schutz der Pilger auf dem langen Weg zum Grab des Apostels Jakobus im galicischen Compostela. Jährlich spülten 600.000 Dukaten in die Ordenskasse, während die Krone zur Zeit von Isabels Regierungsübernahme lediglich über 40.000 Dukaten im Jahr verfügte.



    Der armselige Zustand der Königsmacht und des Landes hing jedoch nicht nur mit der Macht der Cortes und der Habgier und Verderbtheit des Adels zusammen. Das Übel vergrößerte sich rasch durch den 1405 geborenen Juan II. aus dem Hause Trastamara, der mit 14 Jahren gekrönt wurde und bis über den Spielstart 1444 hinaus regierte. 1/1/2, ein grottiger Typ.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 600.jpg (88,4 KB, 481x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 601.jpg (701,6 KB, 477x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 615.jpg (697,0 KB, 475x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 602.jpg (204,6 KB, 496x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 604.jpg (226,1 KB, 493x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  6. #471
    Banned
    Registriert seit
    02.10.18
    Beiträge
    3.000
    Besser als der Tripel-0 Thronfolger

  7. #472
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    Die iberische Hochzeit

    Bei den Staatsgeschäften verließ sich der willensschwache Juan II. auf seinen Günstling Alvaro de Luna, auf jenen Mann, der für die Vergiftung von Maria von Aragon und deren Schwester verantwortlich gewesen sein soll. Der war ein Edelmann aus Aragon, dem Gerüchte die illegitime Geburt anhafteten. Sprich, es hieß, er sei ein untergeschobenes Kuckuckskind. Der kastilische Hochadel streute solche Sachen, denn man hasste ihn für sein erfolgreiches Streben, die Granden und den Klerus in die Schranken zu weisen. Alvaro de Luna war nicht nur eine stattliche Erscheinung, er verfügte über Intelligenz und war ungewöhnlich gebildet. Der König dankte ihm seine Dienste und beschenkte ihn üppig mit Ländereien und Titeln, machte ihn zum wohlhabendsten Mann Kastiliens, reicher als alle Adeligen zusammengenommen. Die Geschichte hätte sich für Kastilien vorteilhaft entwickeln können, sie hatte nur einen tödlichen Makel. Alvaro war ein Musterbeispiel dafür, wie Macht korrumpiert. In seinem grenzenlosen Ehrgeiz verlangte er immer mehr, griff zu unsauberen Mitteln.



    Dem Adel gelang es nicht, Alvaro zu stürzen, das besorgte ausgerechnet jene Frau, die Alvaro selbst dem König als Gemahlin zugeführt hatte. Zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Gemahlin Maria von Aragon feierte Juan II. die Hochzeit mit der 15jährigen Prinzessin Isabel von Portugal. Der König liebte sie innig, während ihr seine Abhängigkeit von Alvaro nicht verborgen blieb. Im Jahre 1453 erwirkte sie die Verurteilung und Hinrichtung von Alvaro. Nach dem Tod seines Freundes verlor Juan II. jeglichen Halt. Selbstvorwürfe peinigten ihn, und weder die kleine Isabel noch die Geburt seines Sohnes Alfonso konnten dem Lebensmut des Königs Auftrieb geben. Er starb im folgenden Jahr 1454, und soll zuletzt gesagt haben, lieber wäre er der Sohn eines Handwerkers als der eines Königs gewesen.

    Der Erbe der Krone war Juans Sohn aus erster Ehe mit Maria. Dem sterbenden König wäre ein anderer Thronfolger sicher lieber gewesen, doch Enrique IV. war nun einmal der legitime Erstgeborene.



    Er war es, der die Stiefmutter mit ihren beiden Kindern Isabel und Alfonso nach Arevalo verfrachten ließ, weit ab von seinem Hof in Madrid. Dort hielt Enrique seine Halbgeschwister finanziell an kurzer Leine. Erst im Jahre 1464, als Isabel elf Jahre alt war, wurde sie zurück nach Madrid geholt. Damit endete ihre Kindheit.

    König Enrique IV. erklärte, er wolle seinen Halbgeschwistern eine sittsame Erziehung zukommen lassen. Nachdem die Sitten am kastilischen Hof allzu bekannt waren, war diese Begründung ein unüberbietbarer Zynismus. Na gut, Enrique hatte auch seine sympathischen Seiten: Er hatte eine Vorliebe für Dichtung und arabische Musik, verabscheute Blutvergießen und Krieg, er war freigiebig und achtete niedrige Leute, die er zum Missfallen des Adels auch in Ämter berief. Weniger sympathisch war die Kehrseite seines Charakters. Seine Freigiebigkeit kam vor allem Günstlingen und Speichelleckern zugute, er leerte damit die Staatskassen und ließ gnadenlos die Steuern – unter Androhung der Todesstrafe – eintreiben. Die Ämtervergabe an Leute niederen Standes grenzte oft ans Obszöne, etwa wenn er bekannten Verbrechern das Recht der Steuereinnahme verlieh. Den Kreuzzug gegen das Emirat Granada führte Enrique IV. ziemlich lustlos, das zu diesem Zweck vom Volk erpresste Geld schenkte er lieber seinem Günstling Beltran de la Cueva.

    Es war also die sattsam bekannte Szenerie mit den emporgestiegenen Günstlingen gegen die zu kurz Gekommenen des etablierten Adels. Beltran konnte den Fürsten tatsächlich gefährlich werden, denn er war bereits der Hochmeister des Ritterordens von Santiago. Der unheilvollste Günstling in der Umgebung des Königs war aber Juan Pacheco, der zunächst der Erzieher Enriques gewesen, dann sein Liebhaber geworden war. Pacheco installierte seine Verwandtschaft an wichtigen Stellen am königlichen Hof. Die ganze Geschichte hört sich ähnlich an wie bei Edward II. von England. Wo einige aufsteigen, gibt es andere, die darauf neidisch sind. In Kastilien knisterte es wie vor einem Bürgerkrieg.



    Und in dieses vergiftete Klima am Hofe holte Enrique IV. die kleine Isabel und ihren Bruder. Vielleicht wollte der König sie einfach in seine Nähe haben – um sie besser unter Kontrolle zu haben, bevor jemand auf die Idee kam, die beiden für eigene politische Zwecke zu instrumentalisieren.

    Enriques erste Ehe war nach dreizehn Jahren ohne Kinder geschieden worden. Angeblich hatte „Behexung“ den Beischlaf verhindert. Das Volk machte sich sein eigenes Urteil und nannte Enrique belustigt „El Impotente“. Die zweite Gattin, die schöne, lebenslustige Schwester des portugiesischen Königs, brachte immerhin im siebten Ehejahr 1462 eine Tochter zur Welt. Nur, wer war der Vater? Zunächst bestand Enrique auf die Vaterschaft, dem Beweis seiner Männlichkeit. Das Volk bildete erneut sein eigenes Urteil und nannte das Mädchen „La Beltraneja“, die Tochter Beltrans. Offenbar waren sich der König und sein Günstling selbst nicht sicher, wer von ihnen der Vater der kleine Juana war.



    Nach einem ersten, halb erzwungenen Treueid der kastilischen Fürsten kam es bald zum Widerruf. Sie hatten die Schnauze voll von dem abscheulichen Laster am königlichen Hof: Die Granden machten Druck auf Enrique, Juana zu verleugnen und stattdessen Isabels jüngerem Bruder Alfonso den Vorrang in der Thronfolge einzuräumen. Enrique IV. knickte ein und ließ den Treueid nun auf den elfjährigen Alfonso leisten. Mehr noch: Er musste sich von seinem Günstling Beltran trennen, ihm seine Ämter entziehen und diese an Alfonso geben.

    Eine tolle Gesellschaft, in der Isabel fünf Jahre ihres jugendlichen Lebens verbrachte. Entgegen der Wahrscheinlichkeit entwickelte sie sich aber zu einer moralisch prinzipientreuen, ökonomisch denkenden und nicht bestechlichen Person. Dem zehnjährigen Alfonso gefiel seine Rolle als Thronfolger natürlich. Die Geschichte, wie Isabel und ihr Bruder am Hof in das Netz von Intrigen und Korruption eingesponnen wurden, war noch nicht zu Ende. Enrique machte drei Jahre später nämlich seine Erklärung zur Thronfolge rückgängig. Er holte Beltran wieder an seine Seite und gab ihm seinen Reichtum zurück. Der König fühlte sich stark genug, den darauf ausbrechenden Adelsaufstand militärisch zu bezwingen. Während Isabel am Hof blieb, weilte Alfonso bei den adeligen Rebellen. Was sie wollten, zeigten sie in einem Puppentheater von Schauprozess: Eine ausgestopfte Figur, die Enrique darstellen sollte, verurteilten sie ihn zur Absetzung und ernannten Isabels Bruder zum neuen König Alfonso XII.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 603.jpg (197,1 KB, 444x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 605.jpg (371,9 KB, 432x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 606.jpg (261,4 KB, 431x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 607.jpg (281,0 KB, 431x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 608.jpg (400,5 KB, 431x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  8. #473
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    Die iberische Hochzeit

    Das Land hatte jetzt einen Gegenkönig, der Bürgerkrieg war unvermeidbar. Enrique verlor schon den Mut, da kam ihm der Seitenwechsel des intriganten Pacheco mit seinem Kumpel Villena gelegen. Für eine stattliche Summe Geld traten sie mit ihren Söldnern in das Lager Enriques über. Villena hatte noch eine Bedingung, die er stellte: Die Entlassung von Beltran und für sich selbst die Ehe mit der jungen Isabel. Für Enrique war es völlig in Ordnung, das 16jährige Mädchen mit einem dreißig Jahre älteren Mann, der bekannt war für seine wüste Verkommenheit, zu vermählen. Isabel hatte das Glück, dass Villena schon kurz darauf an der Diphtherie starb. Die Gegenspieler standen wieder am Anfang, die Entscheidung sollte 1467 endlich fallen. Enrique rückte mit einer überlegenen Streitmacht gegen die Rebellen und stellte sie im August zur Schlacht. Der Gegenkönig Alfonso war jetzt alt genug, um selber zur Waffe zu greifen. Die Schlacht ging unentschieden aus, in der Folge gingen aber einige Städte zu Alfonsos Seite über, dabei gelangte Isabel aus den Händen Enriques zu ihrem Bruder. Enrique hatte sich mit der kleinen Juana/Beltraneja abgesetzt.



    Am Ende wurde Alfonso doch des Thrones beraubt. Schuld daran waren die Unruhen in Toledo, wo blutige Straßenkämpfe zwischen den getauften Juden, den Conversos, und den Altchristen tobten. Anlass war die Vergabe von Zöllen, Ursache war das tiefe Misstrauen der Altchristen gegen die konvertierten Juden, denen man nachsagte, sie würden im Geheimen ihrem bisherigen Glauben treu bleiben. Alfonso wurde vorgeworfen, er sei den Conversos gegenüber zu nachsichtig. Als er sich weigerte, den Altchristen einen Progrom zu genehmigen – auf eine solche Weise wollte er seine Macht nicht festigen – da starb er plötzlich am 1. Juli 1468 nach heftigen Magenkrämpfen. Vergiftet, raunte man sich zu.

    Der so frühe Tod rückte nun Isabel in den Mittelpunkt. Der aufständische Adel und Klerus bedrängte sie, sie sei nun die alleine Erbin der kastilischen Krone. Das Königreich erwarte ihre Entscheidung. Sie müsse einwilligen, um als Nachfolgerin ihres Vaters Juan, ihres Bruders Alfonso zur Königin von Kastilien und Leon gekrönt zu werden. Es war ihre erste wichtige politische Entscheidung. Sollte sie sich offen gegen ihren Halbbruder Enrique und dessen Tochter stellen? Das waren ihre einzigen noch lebenden Verwandten. Sie entschied sich für einen abgewogenen Mittelweg: Man möge, um des Friedens willen, das rechtmäßige Königtum von Enrique anerkennen, und ihr die ebenso legale Thronfolge zugestehen. Also Legalität statt Gewalt. Die Granden waren von der jungen Frau schwer beeindruckt.

    Enrique konnte froh sein, ein solches Angebot zu erhalten. Er willigte ein, sich von den schlechten Beratern und Günstlingen zu trennen und alleine Isabel als Erbin anzuerkennen. Damit sie unabhängig blieb, sollten ihr die Einkünfte einer Reihe von Städten zufallen. Alfonso war erst zehn Wochen tot, da trafen sich die Bürgerkriegsparteien zur Versöhnung. Der rebellische Adel bat Enrique um Verzeihung, dafür wurden sie von dem Treueid befreit, den sie sechs Jahre zuvor gegenüber Juana/Beltraneja geleistet hatten. Danach konnte Enrique und Isabel gemeinsam gehuldigt werden. Enrique blieb auf Lebenszeit König, Isabel war die Thronfolgerin.



    Prompt war Isabel eine begehrte Partie, immerhin die künftige Königin – und noch ledig. Aus den Nachbarländern meldeten sich die Freier, ganz andere Kaliber als die bisherigen Typen, mit denen man sie hatte vermählen wollen. Aus Frankreich fragte Louis XI. für seinen Bruder Charles an, Portugal wollte Kastilien in ihre Allianz mit England einbringen und gegen Frankreich ausrichten. Auch der Thronfolger von Aragon und Sizilien, Fernando, freite Isabel, denn Aragon hatte Grenzkonflikte mit Frankreich. Isabel musste ihren nächsten Schritt gut überlegen, denn Enrique IV. versuchte bereits, seine Zugeständnisse ihr gegenüber wieder rückgängig zu machen. Das Problem war, dass Isabel für eine Hochzeit die Zustimmung Enriques benötigte, die Vermählung einer Thronerbin war keine Privatsache.

    Den portugiesischen Kandidaten, den fettleibigen Alfonso, wollte sie nicht. Der der deutliche ältere Mann hatte bereits einen Sohn aus erster Ehe, der als Thronfolger für Portugal feststand. Was also sollte sie mit dem Vater? Isabel war schlauer geworden, sie sagte nicht einfach Nein, sondern zögerte die Verhandlungen lange hinaus, bis sie wegen zu enger Blutverwandtschaft der beiden abgeblasen wurden. Der französische Kandidat wurde ihr als schwächlich und weibisch beschrieben, ein von Magersucht geplagter Kavalier. Von dessen Thronfolge sprach niemand mehr, nachdem Louis XI. einen Sohn geboren bekommen hatte. Blieb Fernando von Aragon, ein stattlicher Prinz und Erbe, klug, tapfer und sattelfest. Kastilien und Aragon in einer Ehe, das hörte sich auch strategisch gut an. Enrique IV. war gegen diese Verbindung, aber Isabel führte unverdrossen geheime Verhandlungen mit Fernando.

    Die beiden zogen die Sache durch. Am 18. Oktober 1469 fand die so folgenreiche Vermählung von Kastilien und Aragon statt. Ein letztes Hindernis, Fernandos Blutsverwandtschaft durch Vorfahren aus dem englischen Hause Lancaster (er war Isabels Vetter zweiten Grades), wurde durch päpstlichen Dispens beseitigt. Das Paar ahnte nicht, dass ihrer Trauung eine gefälschte Dispens zugrunde lag. Doch alle Betreiber, voran Erzbischof Carillo, der päpstliche Nuntius, suchten so schnell und geheim wie möglich ihr Werk zu vollenden. Nur endete die Geheimhaltung, als in Valladolid alle Einwohner und Gäste eine volle Woche hindurch mit Tanz und Spiel die glücklich Vermählten feierten.



    Enrique IV. war brüskiert, Isabel hatte die Ehe gegen seinen Willen geschlossen. Einige Briefe gingen hin und her, in denen Isabel klug und diplomatisch argumentierte, bis der König nicht weiter dagegen anzuschreiben wusste. Es war im Oktober 1470, als sich Enrique zur Vergeltung entschloss, Isabel erwartete zu dieser Zeit bereits ihr erstes Kind. Der König hörte sich beim französischen König um, ob der nicht beleidigt sei, dass Isabel die Hand seines Bruder abgelehnt hat. Louis XI. witterte eine Chance, in dem kastilischen Thronfolgestreit einzugreifen. Enrique bot nämlich seine Tochter Beltraneja, die mit der zweifelhaften Vaterschaft, an. Doch, natürlich, sie ist seine leibliche Tochter, und im übrigen auch die legitime Thronfolgerin von Kastilien. Prima, antwortete der französische König, dann steht einer Verbindung des achtjährigen Mädchens mit seinem Bruder Charles ja nichts mehr im Wege. Für die Brautleute schlossen zwei Stellvertreter den Ehevertrag ab. Die kleine Beltraneja dürfte wegen ihres kindlichen Alters gar nicht kapiert haben, was da in ihrem Namen geschah. Große Konsequenzen hatte es eh nicht: Charles starb zwei Jahre später, eventuell nach einem Giftanschlag, den sein königlicher Bruder Louis XI. befohlen hatte.

    Die Episode zeigt, dass sich Isabel trotz aller Schwüre nicht sicher sein konnte, dass sie einmal von Enrique den Thron vermacht bekommen würde. In dieser Zeit dürfte sie ihren Trost in der Geburt ihrer ersten Tochter, der kleinen Isabel (*1470), gefunden haben. Die Zeit arbeitete für sie, die Stände hatten ihren Anspruch auf die Thronfolge nie widerrufen, und Enrique würde nicht ewig leben. Was die moralische Isabel wirklich störte, war der kirchenrechtliche Makel auf ihrer Ehe mit Fernando. Da blieb sie dran und hatte Erfolg: Der neue Papst Sixtus IV. ließ sich zur offiziellen Segnung der Ehe bewegen. Er schickte zu diesem Zweck den katalanischen Kardinal Rodrigo Borja nach Kastilien. Dieser Kardinal sollte später einmal selbst Papst werden, um ihn geht es im nächsten Kapitel. Der wegen seiner Lasterhaftigkeit berüchtigte Borja war ein scharfsinniger, redegewandter Diplomat, der in Kastilien unermüdlich und mit gebotenem Feingefühl zwischen den zerstrittenen Parteien zu vermitteln suchte. Die Schlichtung gelang nicht sofort, immerhin konnte ein Bürgerkrieg verhindert werden.

    Das Schicksal entschied die kastilische Thronfolge im Jahre 1474 mit dem Tod des Königs Enrique. Bei einem Festessen befielen ihn heftige Schmerzen in der Seite, vermutlich ein Leberleiden. Die Ärzte verordneten Enrique Bettruhe.



    Berater flüsterten ihm ein, seine Erkrankung sei auf einen Giftanschlag aus Isabels Umgebung zurückzuführen und überzeugten ihn, gegen sie loszuschlagen. Eine Schar Bewaffneter sollte eine Anzahl ihrer Leute ermorden, und Isabel selbst nebst Fernando gefangennehmen. Enrique nahm von dem Plan wieder Abstand, weil ihn der Kardinal Mendoza überreden konnte, dieses Tun würde nur Böses und Unheilvolles nach sich ziehen. Dem König ging es nach einiger Zeit wieder etwas besser, doch er kränkelte noch monatelang vor sich hin, bis er am 11. Dezember schließlich im Alter von 51 Jahren starb. Bis zuletzt hatten ihn hohe Würdenträger bekniet, er möge erklären, ob die Beltraneja seine Tochter sei, wie es um die Thronfolge stehe. Er verweigerte jede Antwort, schlug erbittert mit den Armen um sich, als wolle er die lästigen Fragen wie Fliegen vertreiben, bis er die Sprache verlor.

    Isabel handelte rasch, als sie vom Tod Enriques erfuhr, sie musste beim Griff nach der Krone den Anhängern ihrer Nichte Beltraneja zuvorkommen. Unter anderem bat sie ihren Beichtvater Tomas de Torquemada um Rat und Beistand. Dieser Mann kommt in EU4 als möglicher Berater vor. Seine Meinung war eindeutig: Isabel sollte sich trotz des Risikos eines Bürgerkriegs unverzüglich zur Königin krönen lassen und vollendete Tatsachen schaffen. Der Schritt gelang, die Stände machten mit, selbst der mutmaßliche Vater der Beltraneja erschien, um Isabel zu huldigen. Er widersetzte sich damit offen dem Thronanspruch seiner eigenen Tochter.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 609.jpg (747,8 KB, 414x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 610.jpg (570,8 KB, 412x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 611.jpg (600,7 KB, 409x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 612.jpg (381,5 KB, 405x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 616.jpg (379,0 KB, 403x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  9. #474
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    Die iberische Hochzeit

    Die Sache war damit aber nicht ausgestanden. Die Anhänger Betranejas traten an den portugiesischen König Alfonso V. heran und boten sie ihm zur Frau an. Alfonso war sowieso sauer auf Isabel, weil die seinerzeit zweimal seine Heiratsanträge abgelehnt hatte. Jetzt hatte er eine neue Chance, Portugal einen dynastischen Zugriff auf Kastilien zu schaffen. Beltraneja heiraten und ihr mit portugiesischer Waffengewalt den kastilischen Thron erobern, das war der Plan. In früheren Zeiten war Portugal das durch Kastilien bedrängte Land gewesen, aber die Machtverhältnisse hatten sich inzwischen umgekehrt. Kastilien war abgewirtschaftet, Portugal dagegen reich geworden durch den afrikanischen Sklaven- und Goldhandel. Ende Mai 1475 fiel Alfonso mit 20.000 Mann in Kastilien ein.

    Ein gelungener Handstreich des portugiesischen Königs, und die europäische Geschichte hätte einen anderen Verlauf genommen. Aber trotz seiner Übermacht zögerte Alfonso den Generalangriff hinaus, das rettete Isabel und Fernando, denn sie gewannen wertvolle Zeit zum Anwerben von Söldnern und anderweitiger Unterstützung. Die schwangere Isabel ritt unter diesem Druck so viel im Land umher, dass sie eine Fehlgeburt erlitt. Einerseits lohnte es sich der Verlust, andererseits nicht: Innerhalb von zwei Monaten stampfte sie ein Heer von 40.000 Mann aus dem Boden. Eine tolle Anzahl, es waren nur leider zusammengewürfelte, disziplinlose Haufen. Das exzessive Anwerben von Söldnern hatte ihre Armee-Professionalität gen Null sinken lassen. Da kam es Alfonso zupass, die Entscheidung einfach weiter zu verzögern. Ohne Sold und Proviant fiel das kastilische Söldnerheer schnell auseinander, Isabel musste von vorne beginnen.

    Der zweite Versuch sollte besser klappen. Was sie brauchte, war kein Massenheer aus Söldnern, sondern eine straff geführte, disziplinierte, kämpferische Truppe, deren Nachschub gesichert war. Sie beschwor im August 1475 die einberufenen Stände, ihr Kredit zu gewähren. Kardinal Mendoza und der höhere Klerus stellten die Hälfte des Kirchenschatzes zur Verfügung, das entsprach den zweifachen Jahreseinnahmen der kastilischen Krone. Es lohnte sich für Isabel, einen Klerus sowohl mit hohem Einfluss- als auch Loyalitätswert zu haben. Die Inflation wurde dadurch zwar mächtig in die Höhe getrieben, aber das wollte Isabel ausmerzen, indem sie versprach, den Kredit innerhalb von drei Jahren zu tilgen (was ihr auch gelang). Im Dezember 1475 hatte sie ein neues Heer, jetzt mit 15.000 Mann, aber besser als das erste Heer. Damit konnte ihr Gatte Fernando seine strategische Begabung zeigen, er stellte Alfonsos Heer am 1. März 1476 zur Schlacht und besiegte es. Geschlagen mussten die Portugiesen den Rückzug in ihr Land antreten, und König Alfonso verlor augenblicklich das Interesse an einer Ehe mit der Beltraneja. Die junge Frau wurde noch einige Male auf dem Schachbrett der Heiratsdiplomatie hin und her geschoben (so sollte sie Isabels einjährigen Sohn Juan heiraten, damit in Kastilien Frieden einkehren kann). Im Jahre 1479 war Beltraneja der Ehezwänge derart müde, dass sie den Schleier nahm und in ein Kloster ging.



    Juan, das war der kleine Sohn, den Isabel und Fernando im Jahre 1478 bekamen. Es war die Zeit, in der Isabel ihren Thronanspruch endgültig konsolidierte. Verkürzt gesagt, verband sie sich mit den mächtigen Ritterorden, kam dadurch an Geld und sammelte damit die Unterstützung der kastilischen Städte ein. Den Kardinal Mendoza, der sie in der kritischen Zeit so sehr unterstützt hatte, ernannte sie zu ihrem Kanzler. Nach Abwehr der äußeren Gefahr war die Wiederherstellung der inneren Sicherheit die erste Aufgabe. Die Jahre unter dem schwachen König Enrique hatten aus Kastilien ein Land gemacht, in dem verbindliches Recht wenig zählte, das galt es zu korrigieren. Isabel sammelte also bevorzugt administrative Machtpunkte. Die wachsende Sicherheit für die Menschen steigerte ihren Respekt vor der Krone, hatte aber auch seinen Preis: Die Steuerlasten, die ihnen auferlegt wurden, wuchsen. Einen solchen Regler gibt es in EU4 merkwürdigerweise gar nicht.

    Im Januar 1479 starb der greise König Juan von Aragon, der sich bis ins hohe Alter mit den aufsässigen Katalanen herumschlug und jenseits der Pyrenäen um die Grafschaften Roussillon und Cerdagne kämpfte. Fernando, der nach langem Ritt im Februar in Aragon ankam, übernahm kein leichtes Erbe, aber es war die ersehnte, nun realisierte Vereinigung beider Königreiche.



    Am 6. November 1479 folgte das dritte lebend geborene Kind des Königspaares, es war ein Mädchen, das auf den Namen Juana getauft wurde. Schon früh zeigte sich die Infantin als eigenwillig, leiht reizbar, schwierig, weshalb sie die besondere Zuneigung ihrer Eltern erhielt. Juana sollte später unter ihrem Beinamen „die Wahnsinnige“ in die Geschichte eingehen.

    Königin Isabel war eine fleißige und kundige Herrscherin. Im Rechtsbereich unterzeichnete sie zahlreiche Erlasse: Mittellosen Angeklagten sollte ein von den örtlichen Behörden bezahlter Verteidiger zur Seite stehen. Bestechung der Richter fiel unter schwere Strafe. Gefängnisse sollten regelmäßig überprüft werden. Die Rechtsprechung im Land wurde vereinheitlicht. Mit einer Währungsreform drosselte Isabel die fortschreitende Geldentwertung, mehr als hundert Feudalherren wurde das Recht eigener Geldausgabe entzogen, während den wenigen königlichen Prägestätten das Alleinrecht der Münzprägung zufiel. Im Bereich der Wirtschaft förderte sie besonders die Vereinigung der Schafzüchter, die Gewinnung und der Handel mit Wolle war der wichtigste Zweig der kastilischen Wirtschaft.



    Binnen weniger Jahre führte Isabel ihr zuvor politisch wie wirtschaftlich heruntergewirtschaftetes Land zurück auf einen gesunden Kurs. Nichts wäre der Verwirklichung eines wahrhaft Goldenen Jahrhunderts im Weg gewesen, hätten nicht zwei Vorgänge die spanische Geschichte in eine andere Bahn gedrängt: Die Inquisition und die Reconquista, beide Begriffe sind untrennbar mit dem Namen Isabels verbunden.

    Die Inquisition, von deren Notwendigkeit Isabel überzeugt war, begann mit Argwohn gegen ehemalige Juden in Kastilien. Unzählige von ihnen waren in der Vergangenheit zum Katholizismus konvertiert, um ihren gesellschaftlichen Aufstieg nicht zu gefährden, zwischen ihnen und den Christen hatte es immer wieder Spannungen und Unruhen gegeben. Wer wusste schon zu sagen, wie viele Scheintaufen es da gegeben hatte? Die Inquisition machte es sich zur Aufgabe, die Ernsthaftigkeit der Konvertierungen unter die Lupe zu nehmen. Das entsprach zum einen dem Willen der christlichen Bürger, hatte für Isabel – neben dem Streben nach religiöser Reinheit - aber auch den Vorteil, dass das Vermögen verurteilter „Conversos“ an die Krone fiel (womit wiederum die Reconquista mitfinanziert wurde). Dementsprechend konzentrierte sich die Inquisition zunächst auf wohlhabende Verdächtige: Kaufleute, Handwerker, Geldverleiher, Ärzte. Ein Denunziant für eine Anklage fand sich stets. Den päpstlichen Segen für die Inquisition erhielt Isabel von Sixtus IV. im Jahre 1478, das war wichtig für die stramm katholische Königin. Kardinal/Kanzler Mendoza war von dem Kurs wenig begeistert. Er überredete sie, es fürs erste bei der Erstellung eines Katechismus zur Belehrung der Neugetauften zu belassen, mit dem die Conversos im Glauben unterwiesen werden sollten. Der Gegenspieler Mendozas war der erwähnte Torquemada, der zum ersten Großinquisitor des Königreichs aufstieg. Der glühende Asket und Überzeugungstäter war selbst aus jüdischer Familie.

    Er sorgte über Jahre hinweg für steigende Fallzahlen von aufgedeckten Scheinbekehrungen, berichtete Isabel hiervon sowie von dem brodelnden Volkszorn gegen die Juden, von dem Verlangen fanatischer Mönche nach Reinheit des Glaubens. Im Jahre 1480 entschieden sich Isabel und Fernando für den Kurs, den Torquemada anstrebte: Sie öffneten der Inquisition für ihre Arbeit, das Land von der Ketzerei zu reinigen, die Tore. Es bedurfte allmählich des Mutes, die Inquisition zu kritisieren (das taten Mendoza und einige andere des Adels).



    Unter der Leitung von Torquemada wurde die Inquisition zu einem selbständigen Machtapparat, ein Staat im Staate Kastilien und Aragon. Aus heutiger Sicht ist es zweifelhaft, dass die beiden Könige dieses Räderwerk überhaupt noch hätten stoppen können, wenn sie es denn gewollt hätten. Aber Isabel und Fernando standen hinter der Inquisition und förderten sie. In ihrer kalten Brutalität und Effizienz ähnelt die Inquisition den totalitären Apparaten des 20. Jahrhunderts, die statt religiöser Reinheit eine soziale, politische bzw. rassische Reinheit erzwangen, um das irdische Paradies zu schaffen: Denunziation, Schauprozesse, Enteignung, Exekution. Wie erwähnt profitierte die Krone finanziell von der Inquisition, das galt aber nur kurzfristig. Die Enteignungen brachten einmalige Einnahmen, das Auslöschen der jüdischen Volksgruppe hatte auf längere Sicht aber schwere Folgen für den Staatshaushalt. Das bemerkte Isabel recht bald, aber sie nahm es in Kauf. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Isabel auf der einen Seite so viel tat, um durch Gesetze in ihrem Land Rechtssicherheit zu schaffen – und auf der anderen Seite mit der Inquisition ein Werkzeug schuf, dass eine entfesselte Rechtsprechung außerhalb der gewöhnlichen Justiz ausübte.

    Bei den Conversos machte die Inquisition bald nicht mehr halt. Auch hier der moderne Vergleich: Erst erwischt es die eine und die andere Minderheit, schließlich sind alle im Visier. Die Inquisitoren machten sich auf die Suche nach jeglichen Abweichlern vom reinen Glauben, auf die Jagd nach Ketzern. Ein Klima der Angst vor den allgegenwärtigen Denunzianten machte sich breit. Mancher Unschuldige geriet in die Fänge dieser Justiz, hatte keine Rechte als Angeklagter, er und seine Familie waren mindestens dem Ruin preisgegeben. Berüchtigt ist die Wahrheitsfindung bei der Befragung, die Folter der Beschuldigten. Die Kerker der Inquisition waren zu dieser Zeit erträglicher als die der weltlichen Gerichte, ihre Folter aber war gefürchtet, denn sie war ausgeklügelt und professionell. Die Verfahren führten nicht zwingend zur Hinrichtung, es gab durchaus Freisprüche oder anderweitige Strafen wie Auspeitschen, Galeerenstrafen oder Kerkerhaft, der manchmal in Haus- bzw. Klosterarrest umgewandelt wurde. In Spanien wurden bis 1490 rund 2.000 Menschen verbrannt, 15.000 sogenannte „Versöhnte“ verfielen anderen Strafen. Wenn man alleine die totalen Zahlen betrachtet, sollte das Ärgste erst im 17. Jahrhundert folgen, und zwar im Heiligen Römischen Reich. Die spanische Inquisition aber war der Vorreiter, die institutionelle Grundlage der späteren Verfolgungen.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 613.jpg (691,3 KB, 365x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 614.jpg (57,0 KB, 367x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 617.jpg (171,1 KB, 371x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 618.jpg (196,1 KB, 374x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  10. #475
    Ewig unbezähmbar! Avatar von LegatBashir
    Registriert seit
    01.11.05
    Ort
    verschneiter Süden
    Beiträge
    1.684
    ex flammis orior

  11. #476
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    Die iberische Hochzeit

    Das zweite Steckenpferd von Isabel war der Wunsch, Spanien endgültig von den Mauren zu befreien. Das war ihr schon früh so wichtig, dass die den Punkt ausdrücklich in ihren Ehevertrag mit Fernando aufnehmen ließ. Die nach politischer und religiöser Einheit strebende Königin muss die letzte Bastion der fremdgläubigen Mauren, das Emirat Granada, als Stachel im Fleisch empfunden haben. Doch wie schwach war Kastilien noch 1478, als man tatenlos hinnehmen musste, wie der tributpflichtige Emir Abu-l-Hassan selbstbewusst den fälligen Tribut verweigerte.

    Nahezu 770 Jahre waren seit der Invasion des Berberführers Tarik und seiner raschen Ausbreitung der moslemischen Herrschaft vergangen. In einem sagenumwobenen Blitzfeldzug hatten die Eindringlinge ihre Macht über die iberische Halbinsel ausgedehnt, bis auf einen Flecken namens Asturien. Der Großvater von Karl dem Großen aus dem ersten Kapitel hatte den Vormarsch der Mauren im Frankenreich gestoppt. In den Jahrhunderten danach gab es lange Zeiten des friedlichen Zusammenlebens. Die nomadischen Eroberer heirateten sich in die heimische Bevölkerung ein, kultivierten den Boden, brachten Kunst, Sitte und Wissenschaft mit. Dazwischen gab es barbarische Herrscher und Bruderkriege maurischer Fürsten. Solche Zeiten nutzten die von Norden nach Süden drängenden christlichen Reconquistadoren (auch ich in meinen CK2-Partien). Schon Mitte des 13. Jahrhunderts herrschten die christlichen Könige wieder über Valencia, Murcia, das südwestliche Andalusien bis hinunter zur Küste.

    Einzig das maurische Emirat Granada, ungefähr so groß wie die Schweiz, bewahrte seine politische Eigenständigkeit gegen Zahlung von Tribut. Das Fürstentum war reich, gemessen am kargen Binnenland Kastilien, reich an Bodenschätzen und fruchtbarem Land, reich durch produktive Gewerbe wie Textilherstellung und Metallbearbeitung, reich durch lebendige Handelshäfen wie Malaga und Almeria. Doch zur Zeit des alternden Emirs Abu-l-Hassan litten ungefähr drei Millionen Einwohner unter überhöhten Steuern. Eine Folge politischer, ökonomischer und sozialer Rückständigkeit, die die wachsenden Rivalitäten innerhalb der Nasriden-Dynastie noch verschärfte. Der alte Emir hasste die Christen, liebte aber die Tochter eines christlichen Stadtkommandanten, die als Kind gefangen genommen und am Hof moslemisch erzogen worden war. Wegen ihrer Schönheit nannte man sie Zoraya, Stern des Morgens. Die verstoßene Lieblingsfrau Aysha rächte sich mit Intrigen und unternahm alles, um ihren Sohn Boabdil an die Macht zu bringen. Gegen den weichen, unentschlossenen Boabdil mit dem Beinamen El Chico (der Kleine), aber auch gegen den Emir konspirierte Hassans Bruder El Zagal (der Tapfere), der seinerseits die Herrschaft beanspruchte. Alles bereit also für einen netten Familienzwist.

    Die Gelegenheit für Kastilien, mit Granada aufzuräumen, war ab 1481 günstig, es begann mit Grenzscharmützeln, die sich zu lokalen Gegenangriffen und Massakern auswuchsen. Bei einem Vorstoß der Spanier eroberte ein Heer Alhama – und geriet dabei in eine Falle, ihr war der Rückweg abgeschnitten. Die Invasoren wurden in der eroberten Stadt belagert, Hilfe musste her. In dieser Situation ereignete sich in Granada der familiäre Putsch: Abu-l-Hassan wurde auf Betreiben von Aysha abgesetzt und ihr Sohn Boabdil zum Herrscher ernannt. Klasse, befand Isabel, sie ritt umgehend selbst nach Süden, um mit Macht gegen Granada zu marschieren. Nebenher bekam sie ihre Tochter Maria (*1482). So resolut sie persönlich auch war, die Königin unterschätzte die militärische Wehrhaftigkeit Granadas. Nichts gelang so richtig. Alhama hielt der Belagerung zwar stand, eine Entscheidung ließ trotz herber Verluste jedoch auf sich warten. Erst im Jahre 1484 gelang ein gewisser Fortschritt, Boabdil verlor eine Schlacht und ließ sich von den Spaniern gefangen nehmen. Das Lösegeld, das Aysha für ihn zahlte, kam Isabel und Fernando gerade recht. Außerdem verpflichtete sich Boabdil, seine christlichen Gefangenen freizulassen und als Vasall Kastiliens in Granada zu residieren. Granada aber war bereits gespalten zwischen den seinen Anhängern und denen, die seinem Vater Abu-l-Hassan die Treue hielten.

    Zwischen Isabel und Fernando gab es Diskussionen über den nächsten Schritt. Fernando wollte nach dem Tod Louis XI. die Grafschaft Roussillon von Frankreich und für Aragon zurückerobern, Isabel bestand auf eine Fortsetzung des Krieges gegen Granada. Während Fernando noch bei den Ständen um Unterstützung für sein Vorhaben warb, machte Isabel unverdrossen und energisch ihr eigenes Ding. Schließlich musste sich Fernando den Realitäten beugen und zu Isabel nach Süden zurückkehren. Sie hatte sich durchgesetzt. Der Preis dafür war hoch: Der Feldzug geriet derart teuer, dass sie wieder einmal allen Besitz verpfänden musste und sogar Kredite bei den Juden nachfragte. Während dieser Zeit brachte Isabel 1485 ihr fünftes und letztes Kind Catalina zur Welt.

    Lange Zeit musste Malaga zu Land und von der Seeseite aus belagert werden, bis sich die wichtige Handelsstadt im Jahre 1487 ergab. Die Verluste auf beiden Seiten waren groß. Zur Abschreckung und weil die Mauren erste Friedensangebote mit der Drohung, sie würden alle gefangenen Christen hängen, brüskiert hatten, übergab Fernando die überlebenden Mauren den inländischen und afrikanischen Sklavenmärkten. Ein noch härteres Exempel, die Hinrichtung der Einwohner, hatten die Befehlshaber gefordert. Die Sklavennahme, oft genug auch von den Mauren geübt, war ein nicht ungewöhnlicher Zugriff des Siegers. Allerdings soll die Königin um Milde gebeten und einem Teil der Gefangenen den Freikauf ermöglicht haben.

    Die nächste Etappe war die Belagerung von Baza, ein gut zu verteidigender Ort zwischen den östlichen Bergen des Emirats, die letzte Bastion vor Granada. Auch hier wurde die Belagerung lang und hart, im Winter 1489 war das Wetter so mies, dass Fernandos Heer in pure Verzweiflung abzusinken drohte. Die Chefin selbst musste sich der Sache annehmen, Isabel erschien persönlich im Heerlager. Es muss wie ein Wunder angemutet haben, dass wenige Tage später der maurische Befehlshaber die Kapitulation von Baza anbot. Baza war die Stadt von El Zagal, dem Tapferen. Er stimmte der Übergabe zu, und Baza wurde von den Spaniern friedlich besetzt. Die maurischen Einwohner durften sogar in der Stadt bleiben und Untertanen der kastilischen Krone werden. Das großmütige Verfahren gab wohl den Ausschlag für El Zagal, anschließend auch Almeria und Guadix kampflos zu übergeben. Er selbst erhielt freien Rückzug und setzte sich nach Marokko ab. Glück beschied ihm das nicht: El Zagal wurden später vom marokkanischen Sultan die Augen ausgebrannt und er endete als Bettler.

    Inzwischen war auch der alte Emir Abu-l-Hassan gestorben. Nun residierte El Chico Boabdil in der Alhambra. Aysha war am Ziel ihrer Wünsche. Dummerweise konnte sich der schwache Boabdil keiner Ruhe erfreuen. Er hatte nämlich einige Angriffe auf christliche Soldaten zugelassen, ein prima Anlass für Fernando, zum Fangstoß gegen ihn anzusetzen. Nach dem Verlust von Malaga, Baza, Almeria und Guadix war die Schlinge schon eng gelegt um Granada und Boabdil, den letzten Nasriden.

    Für Kastilien brach nun das Jahr 1492 an, das annus mirabilis. Vor den Mauern Granadas begann es mit gespannter Ruhe. Wozu ein Blutvergießen riskieren, wenn die Festung von selbst wie eine reife Frucht in die Hände Kastiliens fallen konnte? Es gab allenfalls Scharmützel mit maurischen Spähtrupps. Zum ersten Mal durfte der inzwischen 13jährige Thronfolger Juan seinen Vater Fernando auf einem Erkundungsritt begleiten. Isabel widmete sich den Staatsgeschäften und machte sich Gedanken darüber, wie sie ihre Kinder politisch günstig verheiraten könnte. Die Personalunion Kastilien-Aragon war unter ihrer Herrschaft zu einem gewichtigen Faktor in Westeuropa aufgestiegen. Zum Beispiel machte Englands Henry VII. den Vorschlag, seinen Sohn Arthur mit Catalina zu vermählen. Verhandlungen mit dem Habsburger Kaiser Maximilian drehten sich um eine Doppelhochzeit zwischen Juan und Juana, der Wahnsinnigen, mit Margarete sowie deren Bruder Philipp, dem Schönen. Für ihre älteste Tochter Isabel hatte die Königin bereits eine Partie gefunden, sie wurde nach Portugal verheiratet, der dortige Thronfolger Alfonso nahm sie zur Frau. Endlich also Frieden zwischen Kastilien und Portugal. Aber wenige Monate später schon starb Alfonso in Lissabon – mal wieder ein Reitunfall! Tochter Isabel kehrte als Witwe zurück nach Hause.

    Derweil liefen mit Boabdil die Verhandlungen zur Übergabe von Granada. Er musste sich in Acht nehmen vor seinen eigenen Leuten, die Bedingungen mussten günstig sein, sonst hatte er ein Problem. Das erkannten auch Isabel und Fernando, sie gewährten tatsächlich großmütige Zusagen. Das Emirat sollte samt Waffen ausgeliefert werden, dafür erhielten die verbliebenen Mauren das Recht zur freien Wirtschafts- und Religionsausübung sowie eigener Rechtsprechung. Ihre Kultur und ihre Sitten sollten respektiert werden. Boabdil selbst erwartete der ungehinderte Abzug auf ein kleines Lehen südlich von Granada. Der Friedensvertrag kam zum Abschluss. Dann war es soweit: Granada öffnete den Spaniern die Tore, ein großer Tag für Isabel und Fernando. Ganz Granada, ganz Spanien, war für die Christenheit zurückerobert worden.

    In einem demütigenden Akt musste Boabdil dem Königspaar entgegenziehen und von seinem Pferd steigen, um die Hand des Christenkönigs zu küssen. Fernando verweigerte ihm dies vor den Augen der Menge, Boabdil erwischte mit seinen Lippen nur den Ärmel des Königs. Dann küsste Boabdil die Schlüssel von Granada, der Stadt seiner Heimat, und übergab sie Fernando, der sie an Isabel weiterreichte. Boabdil durfte mit seinen Leuten davonreiten. Außerhalb der Stadt blieb ihm nur ein letzter Blick zurück auf die Mauern und Türme Granadas und seiner Alhambra. Da brach der Emir vor Kummer in Tränen aus, ermahnt von seiner Mutter Aysha: „Weine nicht wie ein Weib, da du nicht kämpfen mochtest wie ein Mann.“ Der Ort des legendären Rückblicks heißt heute Puerto del Suspiro del Moro, Pass des Seufzers des Mauren.

    Auf den Türmen Granadas wurden nun die christlichen Fahnen hochgezogen. Bald erklang aus den Moscheen das christliche Tedeum, ein erster Vertragsbruch. Einige Jahre nur bemühte sich wenigstens Erzbischof Talavera, den Mauren die zugesicherte Religionsfreiheit und die Moscheen zu erhalten. Dann aber nahmen die Zwangsbekehrungen zu, bis schließlich den Mauren, nach mehreren Aufständen (die in EU4 üblichen zwanzig Jahre Meinungsmalus wegen Nationalismus), 1502 nur noch die Wahl zwischen Vertreibung oder Konversion blieb.

    Vielleicht hing die Schonfrist mit der vordringlichen Entscheidung zur Vertreibung der Juden zusammen. In Granada, am letzten Märztag 1492, erließen Isabel und Fernando jenes Edikt, das alle Juden zwang, innerhalb von vier Monaten die Taufe anzunehmen oder auszuwandern. Die Auswanderer konnten weder ihren Besitz mitnehmen noch Gold und Silber ausführen. „Sie liefen umher und suchten nach Käufern, ohne einen zu finden. Manche bekamen als Preis für ein Haus nur einen Esel, für ihren Weinberg ein wenig Tuch oder Leinen, da sie Gold und Silber nicht fortschaffen durften.“



    Die Gesamtzahl der Auswanderer mag 200.000 spanische Juden umfasst haben, sie gingen auf abenteuerlichen Wegen nach Portugal, Südfrankreich, Italien, Nordafrika und der Türkei. Rund 50.000 ließen sich taufen und blieben im Land. Diejenigen, die gegangen waren, waren aber die Tüchtigen und Gelehrten unter ihnen, nüchtern betrachtet ein arger Verlust für Spanien. Anfang August 1492 begann der Auszug der spanischen Juden ins Exil. Es ist geradezu ein Zeichen der Ironie, dass gleichzeitig, am 3. Augst 1492, der genuesische Seefahrer und Kartograph Cristobal Colon (Christoph Kolumbus) mit drei Karavellen den andalusischen Hafen Palos verließ, um im Namen der katholischen Majestäten den Seeweg nach Indien zu entdecken. Denn Colon war selber Nachfahre früherer Exiljuden.



    Colon hatte es unter dubiosen Umständen nach Kastilien verschlagen. Der gebürtige Genuese war einer der Korsaren, deren Kaperschiff 1476 vor der portugiesischen Küste gestrandet war. Als Schiffbrüchiger rettete sich der 25jährige an Land. Er blieb dort, heiratete eine adelige Portugiesin beschäftigte sich unentwegt mit Kosmographie, Kartographie und Seefahrt, las Erdbeschreibungen, Geschichtsbücher, philosophische Werke und kommentierte das Gelesene durch seine Randnotizen. Er war ein lernbegieriger Autodidakt, der aus der Erkenntnis, dass die Erde rund sei, praktischen Nutzen ziehen wollte. Im Jahre 1484 verließ er Portugal aus unbekannten Gründen in verdächtiger Hast und zog nach Kastilien weiter. Er reiste nur mit seinem kleinen Sohn, und ohne seine Frau. Vielleicht war sie krank, denn sie starb ein Jahr später. Colon fand Unterschlupf in einem Kloster, wo er Zugang zur Bibliothek erhielt und seine Studien fortsetzen konnte. Ein ehemaliger Beichtvater der Königin empfahl ihn bei hohen Herren am Hof und benachbarten Herzögen. Bald hatte Colon erste Gelegenheit, dem königlichen Schatzmeister Quintanilla und dem Kanzler Mendoza seine Pläne vorzustellen: Er wollte Indien auf dem Seeweg nach Westen entdecken. Ein Unternehmen wie der Flug zum Mond. Zu dieser Zeit hatten die Portugiesen den Seeweg gen Osten eingeschlagen, hatten die Südspitze Afrikas umrundet und stießen entlang der afrikanischen Ostküste Richtung Äthiopien vor. Bis Indien waren sie noch nicht gekommen. Die Portugiesen hatten zwar auch Expeditionen Richtung Westen unternommen, dabei aber nur die Weiten des Atlantik durchkreuzt, ohne auf Land zu stoßen. Immerhin gab es vom Atlantik also bereits einige Seekarten. Colon wollte diesen Ansatz also konsequent durchziehen.

    Um Geldgeber zur Ausrüstung von Schiffen zu gewinnen, hatte er zwei Köder parat. Die Glaubensverbreitung im neuentdeckten Land und die Erwartung unermesslicher Gold- und Silberfunde. Das musste auch dem Kardinal-Kanzler, dem Schatzmeister und schließlich den Majestäten gefallen. Isabel war jedoch zunächst skeptisch: Ein verwegener Plan, vorgetragen von einem Mann mit rätselhafter Vergangenheit. Der war zudem nicht bescheiden, Colon verlangte das Amt des Vizekönigs und Generalgouverneurs aller von ihm entdeckten Inseln und Länder. Zusätzlich forderte er den zehnten Teil von sämtlichen Einnahmen, die aus seinen Entdeckungen nach Spanien flossen. Wäre Isabel nicht neugierig gewesen, hätte sie den Plan des anmaßenden Fremden aus dem niederen Adel kaum einer Kommission zur Prüfung vorgelegt.

    Damit begann für Colon eine quälend lange Wartezeit, die am Selbstvertrauen nagte, seine Umgebung verspottete ihn bereits als Spinner. Es dauerte bis April 1492, dass er die Chance bekam, vor ihre Majestäten treten zu dürfen. Fernando war misstrauisch und lehnte die Expedition ab, aber Isabel erkannte, dass sich für eine überschaubare Investition ein großer ökonomischer Vorteil gewinnen ließ. Sie setzte sich gegen ihren Mann durch und gewährte Colon die Finanzierung, akzeptierte seine Forderungen. Also gefällt es Ihren Majestäten! Am 2. August 1492 konnte Colon mit seinen drei Karavellen aufbrechen.



    Am 70. Tag nach der Ausfahrt, unterbrochen durch das Anlaufen der Kanarischen Inseln zur Ausbesserung und Proviantnahme, sichtete ein Matrose Land. Colon glaubte, die Westindischen Inseln erreicht zu haben. Sein Irrtum machte die Einheimischen der neuentdeckten Welt zu Indios und Indianern. Der von den Einwohnern Guanahani genannten ersten Insel, die Colon mit seinen Begleitern am Morgen des 12. Oktober 1492 betrat, gab er den Namen San Salvador.



    Hier wie auf den anderen Inseln und auf dem Festland nahmen die unbekleideten Einheimischen waffenlos und friedfertig die Entdecker auf, boten Essen und Trinken an und brachten reichlich Geschenke. Ein geringer Aggressionswert eben. Die hellhäutigen fremden Männer in glänzenden Rüstungen, die auf großen Schiffen mit feuerspeienden Rohren zu ihnen kamen, hielten sie für Götter, vom Himmel herabgestiegen. So verlief die Besitzergreifung im Namen des Königs und der Königin ohne Schwierigkeiten.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 619.jpg (722,8 KB, 322x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 620.jpg (14,2 KB, 322x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 622.jpg (135,3 KB, 324x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 621.jpg (384,7 KB, 320x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 623.jpg (512,0 KB, 320x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  12. #477
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    Die iberische Hochzeit

    Während dieser Ereignisse beschäftigte sich Isabel eher widerstrebend mit den Angelegenheiten Aragons, also ihres Mannes. Die Verteidigung der Interessen aus dem Erbe der Staufer, also Sizilien und Neapel, fand sie lästig. Sie unterstützte Fernando beim Zustandekommen des im Januar 1493 abgeschlossenen Vertrages mit Charles VIII. von Frankreich, der Aragon die umstrittene Grafschaft Roussillon zurückbrachte. Kurz vorher war auf Fernando ein Attentat verübt worden, beim ein Mann ihn mit einem Messer an Schulter und Hals verletzte. Mehrere Wochen war der Zustand des Königs kritisch, bis er sich wieder erholte. Zwei Jahre danach wird Isabel ihrem Mann ihren tüchtigsten Feldherrn Gonzalo de Cordoba, samt dreitausend guter Soldaten, überlassen, damit Süditalien und Neapel von der französischen Okkupation befreit werde. Doch im selben Frühjahr 1495, als Kardinal Mendoza mit 66 Jahren starb, lehnte Isabel eine andere Forderung des Königs ab. Fernando beanspruchte die Nachfolge Mendozas als Erzbischof von Toledo und Primas der spanischen Kirche für einen seiner Bastardsöhne. Es widerstrebte der frommen Königin, ein so wichtiges Amt einem solchen Leichtgewicht zu übertragen, sie entschied sich für ihren bescheidenen Beichtvater Cisneros. Von Anfang an gehörte Cisneros zu den wenigen nicht korrumpierbaren Würdenträgern seiner Zeit. Sein Eifer gehörte der Bekämpfung derjenigen, die nicht taufwillig waren und unter dem Druck der Verfolgung rebellierten.

    Isabels Wahl für die Besetzung des Erzbistums Toledo fand die wohlwollende Zustimmung des berüchtigten Papstes Alexander VI., der selbst ein Spanier war. Die Königin konnte gute Beziehungen zum Heiligen Stuhl gut gebrauchen, denn nach der Entdeckung Westindiens drohte ein Konflikt mit Portugal wegen der Herrschaftsansprüche über diese und künftige Entdeckungen. In drei Bullen bestätigte der Papst die territoriale Inbesitznahme, teilte er selbstherrlich die Neue Welt, indem er eine Demarkationslinie von Pol zu Pol zog, etwa hundert Meilen westlich der Azoren, wobei der westliche Teil Spanien, der östliche Portugal zufallen sollte. Im Juni 1494 unterzeichneten beide Länder in Tordesillas die päpstliche Erdteilung. Nur verschob man die Grenzlinie nach Westen, so dass das heutige Brasilien portugiesisch wurde.



    EU4 bildet den Vertrag von Tordesillas ab, indem der Papst stets dem Land, das als erstes eine bestimmte Anzahl von Provinzen innerhalb eines Kolonialgebietes besiedelt, den Zuschlag für alle noch freien Provinzen dieses Gebietes erteilt. Man weiß in dem Spiel ja nicht mit Bestimmtheit, ob es Spanien und Portugal sind, die mit dem Kolonisieren loslegen.

    Zur gleichen Zeit befand sich Colon auf seiner zweiten Entdeckungsfahrt, jetzt schon mit siebzehn Schiffen. Insgesamt unternahm er vier Expeditionen, aber keine brachte ihm solchen Ruhm wie die erste von 1492. Der Sohn eines Wollwebers aus Genua genoss die Ehren, als er nach gut sieben Monaten zurückkehrte.



    Er berichtete in Spanien von Unmengen Gold und der Bekehrung vieler Völker. Die Majestäten waren beeindruckt. Colon präsentierte mitgebrachte Schätze: lebendige bunte Papageien, exotische Pflanzen, Schmuck der Indios aus purem Gold, dazu Goldklumpen, und – am meisten bestaunt – sechs leibhaftige Indios, die halbnackt, lediglich mit einem Schurz bedeckt und bunten Federn im blauschwarzen Haar, den gaffenden Versammelten zur Schau gestellt wurden. Colons Ruhm war enorm, ließ nach der zweiten und dritten Expedition aber bereits nach. Ein allmählich sichtbar werdendes Versagen löste Misstrauen aus, das zu Colons jähen Absturz führte. Bereits im November 1500 wurde er von seiner dritten Expedition in Ketten zurückgebracht. Was war geschehen?

    In Cristobal Colon und Jimenez de Cisneros begegneten Isabel die stärksten, einflussreichsten Persönlichkeiten ihres Lebens. Doch während der eine, Cisneros, noch im widerstrebend befolgten Aufstieg zu höchsten Ämtern persönliche Lauterkeit bewahrte, ließ sich Colon von der ihm zugefallenen Macht korrumpieren. So groß, wie er in der Kühnheit seines Traums und seiner waghalsigen Entdeckungsfahrt über den Ozean war, so klein und jämmerlich schwach wurde er, als er sein Ziel erreicht hatte. Es begann schon nach der ersten Fahrt, als er dem Matrosen, der zuerst Land gesehen hatte, die versprochene königliche Prämie nicht gönnte und sie selbst beansprucht, sich schamlos die erste Sicht selbst zuschrieb. Wo immer ihm der eigene Vorteil, Prestige und Gold, greifbar war, zeigte er sich unaufrichtig. Das wurde ihm in Spanien zum Verhängnis. In seinem Drang nach Gold und persönlicher Bereicherung beutete er die Indios erbarmungslos aus, jagte sie mit Bluthunden. Er führte in der Neuen Welt die Sklaverei ein, verschleppte die Bevölkerung und verkaufte sie auf den Sklavenmärkten. Das geschah gegen den Willen der Katholischen Könige, die solche Sklaven wieder freikaufen ließen. Isabel befahl Colon vor seiner letzten Abfahrt ausdrücklich, er dürfe keine Sklaven mitbringen.

    Zwar hätte die Königin zweifellos den Erlös aus solchen Geschäften gut für ihre Staatskasse gebrauchen können, es entsprach aber nicht ihrem Willen, den Einwohnern der Indischen Länder die volle Freiheit der Bewegung zu erhalten. Sie wollte vielmehr, dass sie gut und gerecht behandelt werden, zugefügte Schäden seien zu ersetzen. Als Colon als Administrator völlig versagte und seine Unfähigkeit durch eine von Tag zu Tag unerträglichere Schreckensherrschaft zu überdecken versuchte, sandten die Katholischen Könige einen Gouverneur ihres Vertrauens, der Colon ablösen sollte. Der mit königlichen Vollmachten ausgestattete Bobadilla ließ den widerständigen Colon in Fesseln legen und nach Spanien zurückbringen.



    In Granada stand der weißhaarige 49jährige Colon vor Isabel und Fernando, rechtfertigte sich, sprach von seiner Treue, und sein Auftritt, seine Redegewandtheit rührten die Könige, so dass er sich noch einmal ihrer Gunst erfreute. Nach einiger Zeit erlaubten sie Colon eine weitere, letzte Entdeckungsreise. Vor Jamaika erlitt er Schiffbruch und kehrte im November 1504 zurück, krank und in seiner Vitalität gebrochen. Im selben Monat starb die Königin, und Colon schrieb vergebens Brief um Brief, um von König Fernando die ihm zugestandenen Rechte und Titel ungeteilt zu erhalten. Der vertröstete, kranke Colon siechte dahin, von der Gicht ans Bett gefesselt. Im Jahre 1506 starb er, zwei Jahre nach seiner Gönnerin Isabel, verbittert und von allen Freunden verlassen.

    Nach der Geschichte um Christoph Kolumbus geht es jetzt noch einmal um die Kinder von Isabel und Fernando, hier wurden die Weichen für die Zukunft gestellt. Ich zähle sie noch einmal auf: Isabel (1470), Juan (1478), Juana die Wahnsinnige (1479), Maria (1482) und Katharina von Aragon (1485). Die begabteste, intelligenteste der Töchter war Juana. Doch zugleich war sie am meisten gefährdet, schon als Kind. Ihre wache, sensibilisierte Auffassungsgabe erleichterte das Lernen. Ihre Sprachbegabung und ihr musikalisches Talent machten sie zu einem Paradekind, das die Eltern gern vorzeigten. Aber sie zeigte sich scheu, introvertiert, wehrte sich instinktiv gegen jedes Zurschaustellen durch heftige Ausbrüche, oder sie lief einfach davon, verkroch sich. Ihre Geschwister scheinen sie eher gemieden zu haben, und sie selber suchte kaum Kontakt, vielleicht zu dem ein Jahr älteren Bruder Juan. Die Infantin Maria, die einmal die Krone Portugals tragen wird, und die ganz junge Katharina, die ihrem versprochenen Prinzen Arthur nach dessen frühem Tod Englands berüchtigtem Henry VIII. angetraut wird, standen dem gesunden, vernünftigen Realismus ihrer Mutter näher. Und die ältere hübsche, doch blässliche und wohl lungenkranke Schwester Isabel, die als erste Frau das Elternhaus verlassen hatte und als 21jährige Witwe aus Portugal zurückgekehrt war, verkümmerte in Grübeleien.

    Juana scheint in ihrem ganzen Leben nur zwei Menschen geliebt zu haben, ihren Vater Fernando (was ihr schlecht vergolten wurde) und in fast zehn schrecklichen, liebestoll bis zum Wahn getriebenen Ehejahren den habsburgischen Philipp den Schönen. Keine der Mutter zugeneigte Gemütsregung Juanas ist bezeugt, während Isabel ihrem Sorgenkind mehrmals opferwillig beistand und so jedenfalls eine innigere Zuwendung erkennen ließ. Ohne Zweifel galt die größere Sorge der Königin dem Thronerben Juan. Auch er wuchs nicht unproblematisch heran, seine schwache Gesundheit machte Juan zum ängstlich gehüteten Kind, das Diätnahrung erhielt wie ein Kranker. So wird Isabel besondere Genugtuung empfunden haben, als die Heiratsverhandlungen mit den Habsburgern neben der neunjährigen Juana schließlich auch den Sohn einbezogen und eine Doppelverbindung mit dem Erben und der Tochter des zukünftigen Kaisers Maximilian I. und der Maria von Burgund zustande kam.

    Nach der Unterzeichnung der Eheverträge wurden die Paare durch die übliche Ferntrauung verbunden, Juan und Margarete im November 1495 in Flandern, Philipp der Schöne und Juana Anfang 1496 in Kastilien. Erst später lernten die Ehepartner sich jeweils kennen. Zwischen Juan und Margarete lief es gut, ihre persönliche Beziehung war harmonisch, jedoch nicht von Dauer. Zwischen Juana und Philipp wurde es komplizierter. Die nächste Hochzeit war diejenige zwischen der verwitweten Königintochter Isabel mit König Manuel von Portugal.

    Auf diese Feiern folgte der erste Todesfall unter den fünf Kindern der Königin: Am 4. Oktober 1497 erlag der zarte Thronfolger Juan mit 19 Jahren einer fiebrigen Krankheit. Was für ein schwerer Schlag, denn Juan war die Hoffnung der vereinigten Königreiche Kastilien und Aragon gewesen. Drei Monate nach seiner Bestattung gebar dessen junge Witwe Margarete ein totes Kind. Über die männliche Linie würde es also keinen Erben geben. Die Thronfolge ging mangels weiterer Söhne nun über auf die älteste Tochter, das war Isabel., jetzt Königin von Portugal. Doch im Herbst desselben Jahres 1498 starb sie bei der Geburt ihres Sohnes Miguel. Noch in Windeln wurde dem Infanten die Erbnachfolge als König von Portugal und Spanien aufgebürdet. Die Stände in Toledo und Zaragoza schworen ihm den Eid. Doch nach 22 Monaten starb das hilflose Kind. Durch diesen dreifachen Tod kam Isabels Tochter Juana in den Besitz der spanischen Thronfolgerechte.

    Wer jetzt meint, dass Juana nun eine glückliche Zeit gehabt haben müsste, liegt daneben. Die spanische Prinzessin mit ihrem Gefolge passte so gar nicht in die Umgebung des flandrischen Hofes, sie blieben dort krasse Außenseiter. Das galt besonders für Juana persönlich: Sie war fast asketisch aufgewachsen, Königin Isabel legte bei der Erziehung Wert auf Moral und Sparsamkeit. Das war das Gegenteil des prunkvollen und lebenslustigen Hofes von Burgund und Flandern. Juanas arroganter Ehemann Philipp, den sie so sehr vergötterte, hielt es wie die anderen Niederländern eher mit Frankreich als mit Spanien, und das ließ man Juana spüren. Sticheleien und Demütigungen überschritten bald das dem spanischen Stolz zumutbare Maß. Die im Ehevertrag festgesetzte Geldzuwendung für Juanas Hofhaltung blieb über mehrere Monate aus. Am reichen flämischen Hof geriet die Erzherzogin von Burgund und spanische Thronfolgerin in ärgste Geldnot, unfähig, den Unterhalt ihres Personals aufzubringen. Und wenn dann mal Geld floss, verschwand es in den Taschen flämischer Höflinge, die man nach und nach in Juanas Umgebung installiert hatte.

    Zudem litt Juana extrem wegen der frivolen Schürzenjägerei ihres Mannes Philipp. Für Fürsten wie ihren Gatten war es ein Kavaliersdelikt, sich Geliebte zuzulegen, das hatte eine Ehefrau zu ertragen. Nicht umsonst hatte Philipp den Beinamen „der Schöne“. Doch Juana war in dieser Frage reichlich eifersüchtig, sie hatte zu der Promiskuität ihre eigene Meinung. Vermerkt ist übrigens eines jener Hoffeste, nämlich das Sankt-Matthias-Fest vom 24. Februar 1500, an dem sie als Hochschwangere teilnahm. Sie verspürte dort ein plötzliches Unwohlsein, flüchtete sich in die nächstgelegene Toilette, und dort gebar sie gegen Mitternacht ihren Sohn Carlos, den späteren Kaiser Karl V.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 624.jpg (52,2 KB, 293x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 626.jpg (421,8 KB, 285x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 627.jpg (574,0 KB, 286x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 628.jpg (149,8 KB, 286x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  13. #478
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    Die iberische Hochzeit

    Ich mache einen Sprung von drei Jahren in den Frühling 1503. In Toledo erwarteten die Katholischen Könige ihren Schwiegersohn Philipp und ihre Tochter Juana, die kürzlich (am 10. März) ihren zweiten Sohn, Ferdinand, geboren hatte. Der würde später übrigens nach Karl V. deutscher Kaiser werden. Juana wollte ihren geliebten Mann ihrer Familie nahebringen, wollte Philipp für Spanien gewinnen. Der wenig feinfühlige Philipp verhehlte nicht seine Vorliebe für französische Lebensart und Eleganz. Er zeigte es prahlerisch in seiner und seiner Gefolgsleute Kleidung, gegen die die Wollstoffe der Spanier, inklusive der Gewänder der Katholischen Majestäten, ärmlich aussahen. Auch politisch war Philipp den Franzosen zugeneigt, er hatte kürzlich noch den Freundschaftsvertrag mit Louis XII. erneuert, was gar nicht in spanischem Interesse war (eine Kränkung, die Aragons Fernando ihm niemals verzeihen sollte). Große Herzlichkeit dürfte sich zwischen Philipp und seinen Schwiegereltern nicht eingestellt haben. Der Staatsakt, bei dem Juana und Philipp in der Kathedrale Toledos von den Ständen als Thronfolger Spaniens anerkannt wurden, war für den Schönen eine freudlose Pflichtübung. Er sah zu, dass er bald wieder nach Hause kam.

    Juana blieb noch einige Zeit in Spanien bei ihren Eltern, brach im Frühjahr 1504 dann auf nach Flandern. Es sollte ein endgültiger Abschied von ihrer Mutter Isabel werden. Im Frühsommer verschlechterte sich der gesundheitliche Zustand der spanischen Königin. Der Körper der 53jährigen war von den Strapazen der ganzen Jahre erschöpft. Isabel litt unter Atemnot, Wasser in den Beinen und Fieberanfällen. Sie ahnte, dass es bald mit ihr zu Ende gehen würde, und erledigte letzte Grüße und Vorkehrungen für ihren Nachlass. Mit Freude schrieb sie an Gonzalo de Cordoba, den sie als Heerführer nach Neapel geschickt hatte. Er hatte dort gute Arbeit geleistet, die Franzosen besiegt und so Louis XII. zur Anerkennung der aragonesischen Erbansprüche auf Neapel gezwungen.



    Ein weiterer Schriftsatz der Königin galt den Bewohnern der Neuen Welt. Isabel bat und befahl nachdrücklich, nicht zu bewilligen oder zu veranlassen, was die Indianer schädigen könnte, sie vielmehr menschlich zu behandeln, bereits verursachten Schaden wiedergutzumachen. Bemerkenswert war der Zeitpunkt, zu dem Isabel diese Zeilen verfasste. Cristobal Colon war am 7. November nach zweieinhalb Jahren von seiner vierten und letzten Entdeckungsfahrt zurückgekehrt und lag gichtkrank in seinem Quartier in Sevilla. Mit der Nachricht von Colons Rückkehr dürfte die Meldung, dass man Indianer erneut versklavt und ausgeplündert hatte, an Isabels Sterbelager gelangt sein.



    Dann schrieb Isabel ihren Töchtern einige aufmunternde Briefe. Maria war Königin in Portugal und führte dort ein ruhiges, ereignisloses Leben. Katharina war in England, seit kurzem war sie nach dem Tod des englischen Thronfolgers Arthur zur Witwe geworden. Am Hof in London hatte die junge Frau die Launen der Tudors zu ertragen, weil sie für neue Heiratsverhandlungen dort festgehalten wurde. Später sollte sie die Ehefrau des englischen Thronfolgers Henry VIII. werden – …. genau, das ist der mit den vielen verstoßenen und geköpften Ehefrauen.

    Kummer machte Isabel der Gedanke an die Tochter Juana und an die spanische Thronfolge. Juana war depressiv, nervlich labil und ihrem arroganten Gatten Philipp verfallen. Es war eindeutig, dass dieser Burgunder Habsburger, der sich so gut mit Frankreich verstand, Juana die Führung über Spanien aus der Hand nehmen würde, nachdem Juana die Thronfolge angetreten haben würde. Isabel entschloss sich deshalb, folgende Regelung in ihr Testament aufzunehmen: Falls Juana die Regierung nicht übernehmen wolle oder könne, sollte Fernando die Regentschaft in Kastilien zufallen, stellvertretend bis zur Volljährigkeit von Juanas Sohn Carlos. Das war ihr testamentarischer Entschluss, den sie sechs Wochen vor ihrem Tod formulierte. Am 26. November 1504 tat Isabel von Kastilien ihren letzten Atemzug.


    … und was geschah danach?

    Den Nachklapp dehne ich an dieser Stelle mal etwas aus, weil er den Übergang zu dem Kapitel über Karl V. bildet.


    EU4 bietet nach dem Todesdatum von Isabel I. ein Zeitfenster von nur wenigen Tagen, in dem man sich entscheiden kann, Spanien mit Königin Juana zu spielen...

    Juana die Wahnsinnige war von nun an die Königin von Kastilien, aber wer sollte ihr die tatsächliche Herrschaft aus den Händen nehmen können? Ihr Vater, Fernando von Aragon? Oder ihr Mann, Philipp der Schöne? Zwischen den beiden Männern ging es gleich zur Sache. Fernando machte schnell den ersten Zug, er ließ vor den kastilischen Ständen Isabels Testament verlesen und ließ sich bestätigen, dass Juana leider regierungsunfähig sei. Damit fiel Fernando die Regentschaft für Juana bzw. deren Sohn Carlos zu. Was Juana davon hielt, danach fragte Fernando nicht. Philipp entdeckte jetzt zügig seine Sympathie für das kastilisch-aragonesische Königreich und ließ Juana ebenfalls für regierungsunfähig erklären, mit dem Unterschied, dass Philipp den Schwiegervater Fernando gleich mit zur Seite schieben wollte (wenn es taktisch opportun war, dann galt Juana in Philips Augen zwischenzeitlich doch als regierungsfähig, und er war dann lediglich der treusorgende Ehemann, der seiner Gemahlin gegen ihren Vater zu ihrem Recht verhelfen wollte). Wütend forderte Philipp Fernando auf, die Regentschaft niederzulegen und Kastilien zu verlassen. Er habe als Ehemann der kranken Königin ein vorrangiges Recht zur Regierung gegenüber dem Vater der Königin. Den kastilischen Ständen warf Philipp vor, ungerechte Entschlüsse gefasst zu haben, künftige Entscheidungen seien erst nach der Rückkehr von Juana und ihm zu treffen. Die Drohung in Richtung der Stände flankierte Philipp mit Bestechungsgeldern, die er den Granden anbieten ließ.


    Juana und Philipp

    Bei vielen kastilischen Herren fand Philipp durchaus Gehör, denn Fernando unternahm einige ungeschickte Schritte. So verhandelte er über eine zweite Ehe für sich, und zwar ausgerechnet mit der Beltraneja, der einstigen Rivalin Isabels. Das fand man dann doch ziemlich taktlos. Bei der zweiten Kandidatin bewies der von Ehrgeiz zerfressene Fernando auch kein besseres Gespür: Er vermählte sich mit der 23jährigen Germaine de Foix. Die war nicht nur hässlich und körperlich missgestaltet, sondern die Nichte von König Louis XII., des Erzfeindes von Aragon. Die stellvertretend vollzogene Ehe bedingte einen Vertragsabschluss, wonach sich Fernando zur Zahlung von einer Million Golddukaten an Frankreich verpflichtete. Sollte ihm Germaine einen Sohn gebären, würde er Aragon und das umstrittene Königreich Neapel erben, andernfalls fiele Neapel zur Hälfte an Frankreich. Ein leiblicher Erbe würde Juana zumindest Aragon entziehen. Zu diesem hohen Preis erkaufte sich Fernando die Freundschaft zu Frankreich, damit der französische König nicht zu seinem Freund, Philipp dem Schönen, hält. Louis XII. hatte nämlich auch von Philipp ein schönes Angebot vorliegen gehabt: Gemeinsam mit Kaiser Maximilian (Philipps Vater) sollte der französische König mit Heeresmacht in Aragon und Neapel einfallen, und als Gegengabe Mailand erhalten. Dieser von Philipp über Juanas Kopf hinweg verhandelte Plan scheiterte nun durch Fernandos überraschende Allianz mit Louis XII. - und brachte Philipp zugleich den Erfolg. Denn die kastilischen und vor allem aragonesischen Stände waren über Fernandos Vertrag mit Frankreich ziemlich vergrätzt und zwangen Fernando zum Nachgeben: Juana und Philipp sollte die Königsherrschaft, Fernando dagegen die Regentschaft zufallen. Das war im Grunde der Status quo.


    … nach diesem kurzen Zeitfenster wird Philipp der Schöne als Herrscher angeboten.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 625.jpg (384,0 KB, 252x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 629.jpg (135,6 KB, 253x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 630.jpg (148,0 KB, 252x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 636.jpg (41,0 KB, 252x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 631.jpg (156,6 KB, 249x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  14. #479
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.186

    Die iberische Hochzeit

    Mit dem bisher Erreichten war Philipp der Schöne offenbar zufrieden, der Rest würde schon noch kommen. Erst einmal lebte er mit seinem flandrischen Gefolge (deren Auftreten und Begünstigung bei den Kastiliern Zorn hervorrief) in den Tag hinein, wie er es gewohnt war. Am 16. September 1506 ritt Philipp zur Jagd aus, spielte anschließend bis zur Überhitzung Pelota (eine Art von Squash) und leerte im kühlen Schatten einen Krug Wasser. Am nächsten Tag fühlte er sich nicht wohl, ritt dennoch zur Jagd aus. Auch ein leichtes Fieber und Appetitlosigkeit nahm Philipp nicht ernst. Als ihn weitere zwei Tage später Schüttelfrost befiehl, ließ er seine beiden Ärzte rufen. Sie konnten ihm nicht helfen: Sein Zustand verschlechterte sich rasch, er spuckte Blut und bekam Pusteln am fiebrigen Körper. Am 25. September 1506 starb Philipp der Schöne im Alter von 28 Jahren. „Uti flos vernus evanuit“, hinweggemäht wie eine Frühlingsblume. Der unerwartete Tod des Habsburger Hoffnungsträgers brachte plötzlich den alten Fernando wieder voll ins Spiel zurück.



    Er hielt sich zu dieser Zeit weit weg in Neapel auf, kam nun aber rasch zurück nach Spanien. Die Königin Juana, die ja extrem in den schönen Philipp vernarrt gewesen war, brach nach dessen Tod nervlich völlig zusammen. Hier rührt die bekannte Geschichte her, von der Juana ihren Beinamen die Wahnsinnige herhat: Sie ließ den Leichnam Philipps nicht bestatten, sondern führte seinen Sarg noch jahrelang mit sich. Die ihrem Kummer verfallene Frau ließ den Sarg bei jeder Gelegenheit öffnen, um den toten Geliebten zu liebkosen, mit dem sie in gespenstischen Nachtfahrten quer durch Spanien irrte. Unter solchen Umständen hatte es ihr Vater Fernando leicht, Juana die Regierung aus den Händen zu nehmen, er bekam jetzt die gewünschte Regentschaft über die Tochter und deren Kinder, die wir teilweise in den späteren Kapiteln wiedersehen werden: Karl V. (1500), Ferdinand I. (1503), Maria von Böhmen/Ungarn (1505) und Katharina von Aragon (1507).


    Ferdinand / Fernando von Aragon

    Fernando hatte jetzt die ganze Macht über Spanien. König von Aragon war er sowieso, über Kastilien herrschte er de facto, auch wenn offiziell Juana die Königin war. Deren Spuktreiben schaute er einige Jahre lang zu, dann ließ er sie 1509 in einer Festung in Tordesillas verschwinden, wo sie unter Arrest gehalten wurde - und das unter wenig erbaulichen Bedingungen, jedenfalls nicht wie es einer Königin gebührt. Immerhin zehn Jahre lang bis zu seinem Tod konnte Fernando als alleiniger Herrscher über Aragon und Kastilien herrschen. Zeit genug, um zu zeigen, dass er nicht das politische Format der Königin Isabel hatte. Er konzentrierte sich auf Nordafrika, um die Berber an ihren Überfällen der spanischen Küste zu hindern. Fernandos Streben, hier Sicherheit zu schaffen, war verständlich. Nur blieben von den durch mühsam erpresste Steuergelder finanzierten Kriegszügen nur ein paar unzusammenhängende marokkanische Küstenstreifen übrig. Die Fortsetzung der Reconquista war das jedenfalls noch nicht. Erfolgreicher waren da Fernandos kriegerische und politische Unternehmungen in Italien. Erst trat er der Liga von Cambrai bei, der gegen Venedig gerichteten Koalition von Papst, Kaiser und Frankreich. Später, als ihm der Bund nichts mehr nützte, wechselte Fernando bedenkenlos ins Gegenlager, der nun gegen Frankreich gerichteten Liga von Papst, Venedig und England. Dass Frankreich gemäß des früheren Vertrags aufgrund der (kinderlosen) Ehe Fernandos mit der hässlichen Gräfin von Foix die Hälfte von Neapel bekommen sollte, war nur noch Schnee von gestern.

    Die letzten Jahre von Fernando liefen nicht sonderlich gut. Anfang 1515 war nach dem Tod von Louis XII. der Valois Francois I. auf den französischen Thron gekommen, und der machte Ferdinand Dampf in Italien bzw. Neapel. Außerdem grollte Fernando, dass er seine eigene Nachfolge nicht umgestalten konnte. Er wollte verhindern, dass Carlos/Karl, Juanas Sohn aus ihrer Ehe mit Philipp, seine aragonesische Krone erbt. Aber es stellte sich, wie erwähnt, in Fernandos zweiter Ehe mit Germaine kein Nachwuchs ein, lediglich ein Kind, das gleich nach der Geburt starb. Da halfen auch die starken Liebestränke nicht, die Germaine ihm braute. Ende 1516 starb König Fernando verbittert, mürrisch und ruhelos.

    Isabel und Fernando, das Königspaar, war nun tot, ihre gemeinsame Tochter, die Thronerbin Juna, im Arrest kaltgestellt, ihr Gatte Philipp ebenfalls tot. Das war die Stunde für Carlos/Karl, Juanas und Philipps Sohn bzw. Enkel von Isabel und Fernando. Karl war seit einem Jahr mündig, doch körperlich wie geistig etwas zurückgeblieben und abhängig von seinen flandrischen Beratern. Die hatte er im Schlepptau, als er 1517 nach Spanien kam, um hier sein Erbe anzutreten. Die Spanier waren wenig amüsiert, dass die Schaltstellen in ihrem Land hemmungslos von diesen Fremden besetzt wurden. Als Juana die Ankunft ihres Sohnes in Spanien gemeldet wurde, da sagte sie: „Ich allein bin Königin, mein Sohn Carlos ist Kronprinz, nicht mehr.“ Formell war das richtig, nur die Realität sah anders aus. Sie blieb auch unter Karl im Arrest, all die Jahre.

    Karls Position in Spanien war noch nicht gefestigt, als am 12. Januar 1519 Kaiser Maximilian, sein zweiter Großvater aus der Habsburger Linie, starb. Dieses Ereignis brachte neue Aufregung, denn der knapp 19jährige Enkel beanspruchte sofort die Nachfolge im Reich. Er musste sich in der Kurfürstenwahl gegenüber den königlichen Mitbewerbern Henry VIII. von England und Francois I. von Frankreich behaupten, und das kostete viel Geld – unter anderem solches aus seinem spanischen Besitz. Das Schmieren der Kurfürsten hatte Erfolg, im Juni 1519 wurde der Habsburger zu Kaiser Karl V. gewählt. Die spanischen Stände fanden es nicht lustig, dass ihre finanziellen Mittel für ausländische Interessen zweckentfremdet wurden. Man erinnerte sich daran, dass immer noch Juana die offizielle Königin Spaniens war, und holte sie im August 1520 eigenmächtig aus ihrem Arrest in der Festung heraus, um ihr die Treue zu schwören.

    Juana nahm die Chance wahr, wenigstens einmal in ihrem Leben standesgemäß als Königin behandelt zu werden und auch so agieren zu können. Sie begann, eigenständig zu regieren, berief die Stände zu einer Versammlung ein. Ihr Sohn Karl V. war zu dieser Zeit nicht im Land, er musste sich um seine Kaiserkrönung in Aachen kümmern, die für den Oktober 1520 anstand. Aber er reagierte geschickt aus der Ferne. Einerseits begrüßte er das Wirken seiner Mutter, andererseits stellte er ihr zwei handverlesene Berater zur Seite – und ließ eifrig in Spanien verbreiten, wie verrückt seine Mutter sei, ungeeignet zur Regierung. Zwei Monate lang wurden spanische Granden mit Geld und einigen Zugeständnissen gelockt, sich auf Karls Seite zu schlagen. Juana bekam das alles durchaus mit und reagierte depressiv, verweigerte das Essen. Das machte es Karl V. leicht, weiter über ihren Geisteszustand zu stänkern. Und dann war es schon wieder vorbei mit Juanas aktiver Regierungszeit. Im Dezember 1520 eroberten kaiserliche Truppen Tordesillas und brachten Juana unter ihre Kontrolle. Ihr blieb nichts anderes übrig, als die Kommandanten freundlich zu empfangen und sich wieder in den Arrest zu begeben.

    Von nun an schmachtete sie weitere 35 Jahre in der Festung. Unter der strengen und demütigenden Bewachung bekam sie nichts mehr mit von den Vorgängen in der Welt. Sie wusste nichts von Karls Feldzügen gegen den König von Frankreich, nichts von der Eroberung Mexikos und Perus und der Plünderung Roms, nichts von den Reichstagen zu Worms und Regensburg. Sie ahnte nicht, wie die Reformatoren Luther und Calvin an den Grundfesten der Kirche rüttelten. Juanas letzte noch lebende Schwester Katharina von Aragon starb, von Henry VIII. verstoßen. Von ihren eigenen Töchtern starb Isabel, Königin von Dänemark. Catalina war vermählt mit dem König von Portugal, und Eleonore in zweiter Ehe mit Francois I. von Frankreich. Maria, Witwe des Königs von Böhmen und Ungarn, regierte seit 1530 als Statthalterin der Niederlande. Die Kinder der in Tordesillas vereinsamt ihrem Tode näher rückenden Königin bestimmten das Leben an den Königshöfen Europas. Ferdinand, Karls Bruder, war zum römisch-deutschen König gewählt worden, und Karl V. hatte seinen in Valladolid geborenen Sohn Felipe II. bereits zum Regenten in Kastilien ernannt.

    Felipe II. war streng religiös erzogen, und es war ihm unangenehm, dass seine greise Großmutter ohne Messe, ohne die heiligen Sakramente, ohne Heiligenbilder leben musste. Er schickte ihr den Pater Francisco Borja nach Tordesillas, damit er sich um sie kümmert. Dieser Borja stammte aus einer berüchtigten Familie, er war der Urenkel des skandalösen Borgia-Papstes Alexander VI. aus dem nächsten Kapitel, Großneffe des Cesare Borgia und der Lucrezia Borgia. Pater Francisco Borja aber war kein Schurke, er war ein frommer Mann, dessen Anwesenheit Juana sehr schätzte. Endlich hatte sie jemanden bei sich, der anständig mit ihr umging, sie nicht bespuckte, an den Haaren zog, ihr die Bibel entriss.

    Zu Ostern 1555 hatte Juana ihr Leben endlich vollbracht. Wegen einer Erkrankung wurde die teilweise Gelähmte in ein Bad gelassen, wobei die Frauen ihr zu heißes Wasser in den Zuber gossen und ihr den Rücken und das Gesäß verbrühten. Es bildeten sich Brandblasen, die bald eiterten. Eine Infektion breitete sich über den ganzen Körper aus, eine große schwarze Wunde am Gesäß musste mit einem glühenden Eisen ausgebrannt werden. Diese Prozedur und den weiter schwärenden Wundbrand überstand die alte Juana nicht. Sie starb am Karfreitag 1555. Zuletzt soll sie sich von ihrem Bett noch einmal aufgerichtet haben, mit den Worten: „Gekreuzigter Jesu, hilf mir!“

    Juana hatte so lange gelebt, dass selbst ihr Sohn Karl V. bereits 55 Jahre alt und müde geworden war. Erst jetzt war der Habsburger auch offiziell der König von Spanien, erst jetzt gab es klare staatsrechtliche Verhältnisse. Der Tod der Königin erleichterte Karl V. die Abdankung und Übergabe der Herrschaft an seinen Sohn Felipe II., dem Enkel Juanas und Philipps des Schönen. Persönlich zog sich Karl V. bald darauf zurück und wählte die Einsamkeit in der Estremadura, wo er nach drei Jahren seiner Mutter in den Tod folgte. Nirgendwo ist vermerkt, dass ihn im Kloster der Hieronymiten eine Ahnung von Schuld am Schicksal seiner Mutter bewegte.

    Die Geschicke von Karl V. und seiner Zeitgenossen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kommen natürlich noch in späteren Kapiteln noch dran. Zunächst kommt jetzt der Abschluss dieses Kapitels zur Startepoche von EU4, es geht in den Kirchenstaat zum Papst.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 632.jpg (192,7 KB, 228x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 635.jpg (186,8 KB, 224x aufgerufen)
    Geändert von Mark (22. Januar 2019 um 20:57 Uhr)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  15. #480
    Registrierter Benutzer Avatar von Herbert Steiner
    Registriert seit
    23.03.12
    Beiträge
    3.711
    Wieder einmal wunderschön erzählt

Seite 32 von 45 ErsteErste ... 2228293031323334353642 ... LetzteLetzte

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •