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Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #271
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    Ich lasse mich auch noch überraschen. Der Personenbezug wird deutlich weniger sein, ja. Dafür gibt's in EU4 viel mehr Lenkung durch historische Events und Aufgaben. Nimm mal "Italienische Ambitionen" als Beispiel: Warum eigentlich werden die Franzosen in EU4 nach Neapel geschickt? Oder warum zerfällt Burgund nach einigen Jahren? Solche Sachen will ich reinbringen.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  2. #272
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    Edward I.

    Erst in der Morgendämmerung des 22. Juli 1298 erkannte Wallace, dass ihm eine Schlacht aufgezwungen wurde. Es war angesichts der englischen Berittenen zu spät, noch zu weichen. Schlimmer noch: Die Kavallerie schottischer Adeliger ließ ihre Landsleute im Stich. Die Schotten befestigten ihr Lager daher mit angespitzten Pfählen gegen mögliche Reiterattacken und marschierten in der defensiven Formation des Schiltron auf. Edward I. jedoch war weder so träge wie Warenne noch so ungeduldig wie Cressingham. Mörderisch kühl wählte er eine Taktik, der die Schotten nicht gewachsen waren: Englische und walisische Bogenschützen nahmen die nur wenig gepanzerten Feinde aus sicherer Entfernung unter Feuer. Die Schotten wurden Salve um Salve zusammengeschossen, ohne etwas unternehmen zu können. Immerhin, sie hielten trotz des Beschusses diszipliniert ihre Formation – an ihrem Schicksal änderte es aber nichts. Als sich die schottischen Reihen schon gelichtet hatten, ließ Edward I. seine Panzerreiter los. Die Ritter sprengten mit blanken Schwertern in die geschwächten Reihen und erschlugen die Schotten.

    Die Schlacht von Falkirk in Braveheart:


    Wieder endete der Tag mit einem Massaker, doch jetzt unter umgekehrten Vorzeichen. Am Abend des 22. Juli 1298 hatte Wallace keine Armee mehr, die er noch kommandieren konnte. Er selbst floh mit einigen Getreuen in die Wälder und verbarg sich. Die schottischen Adeligen unterwerfen sich angesichts der Niederlage rasch den Engländern. Voller Verachtung legte Wallace daraufhin den Titel des Gurdian nieder. Ein symbolischer Akt, tatsächliche Macht hatte Wallace sowieso nicht mehr. Aber es ist ein Bruch mit dem schottischen Adel. Um neue Verbündete zu finden, verließ Wallace im Sommer 1299 das Land und reiste nach Lübeck und von dort weiter nach Paris. Dort empfing ihn Philipp IV. natürlich gerne, immerhin war Wallace ein nützlicher Unruhestifter in Eduards Rücken. Der Kapetinger stattete den Schotten mit einem Empfehlungsschreiben aus und ließ ihn nach Rom zu Papst Bonifaz ziehen.

    In Rom bat Wallace den Heiligen Vater, er möge sich für die Wiedereinsetzung von John Balliol auf dem schottischen Thron starkmachen. Die englischen Diplomaten am Heiligen Stuhl waren empört, doch einige Monate lang schien es tatsächlich so, als würde Bonifaz VIII. Wallace seine Gunst schenken, zumal Edward I. gegenüber Philipp IV. politisch wie militärisch in eine bedenkliche Lage geriet. Im September 1299 verpflichtete sich Edward zur Heirat von Margarethe, der Schwester des französischen Königs, akzeptierte auf Druck des Kapetingers einen Waffenstillstand mit den Schotten und musste hinnehmen, dass Bonifaz das schottische Reich als päpstlichen Besitz reklamierte, den sich der englische König widerrechtlich angeeignet hätte. Edward wurde von Erzbischof Winchelsey von Canterbury im Namen des Papstes aufgefordert, Schottland umgehend zu restituieren. Das stieß in England bei den weltlichen Großen auf scharfe Ablehnung, so dass Edward bei einer Parlamentssitzung am 20. Januar 1301 das päpstliche Ansinnen zurückwies und eine ausführliche Begründung seines Herrschaftsanspruchs abgab.

    Die Wende zugunsten von Edward kam mit einem Aufstand in Flandern, der sich gegen die französische Herrschaft richtete. Am 11. Juli 1302 kam es dabei zur Goldsporenschlacht bei Courtrai, bei der die schwere Kavallerie der Franzosen im sumpfigen Gelände von den flandrischen Fußtruppen niedergemacht wurde. Die überraschende wie verheerende Niederlage schwächte Philippe IV. so sehr, dass er auch mit Edward I. Frieden schließen musste. Edward erhielt die Gascogne zurück, die Verlobung zwischen dem englischen Thronfolger Edward II. und Philipps Tochter Isabella wurde vertraglich bekräftigt.



    Jetzt war Wallace für Frankreich kein nützlicher Verbündeter mehr, sondern ein diplomatisches Ärgernis. Ohne Unterstützung des französischen Königs wurde er an Europas Höfen wieder zum Niemand, kein Mensch setzte sich mehr für John Balliol ein, und der Heilige Vater schon gar nicht. So kehrte Wallace im Frühjahr 1303 nach Schottland zurück. Im Juni 1303 überfiel er aus einem Versteck im Wald von Selkirk Engländer. Der Partisanenkampf hatte wieder begonnen.

    Aber die Zeiten hatten sich geändert. Vielleicht hatten sich zwischenzeitlich seine Anhänger zerstreut, oder er hatte sein Charisma eingebüßt. Vielleicht waren die Menschen im Land schlicht erschöpft, oder er hatte sich einen Feind zu viel gemacht. Denn mit seinen Anhängern griff er nicht bloß die Erbfeinde an, sondern verwüstete auch die Ländereien des neuen Gurdian Robert Bruce. Auf der anderen Seite versuchte der englische König, die schottischen Großen durch ungewohnte Milde für sich zu gewinnen. Natürlich mit Ausnahme von Vogelfreien wie Simon Fraser und William Wallace. Edward I. nutzte dabei den Groll, den die schottischen Adeligen gegen Wallace hegten, und lobte eine königliche Belohnung für dessen Ergreifung aus. Zwei Jahre lang konnte gehetzte Wallace den Verfolgern immer wieder entkommen. Am 3. August 1305 aber musste Edward I. in seine Schatztruhe greifen. Der schottische Adelige Sir John de Menteith erhielt eine Belohnung im Wert von einhundert Pfund für die Gefangennahme von Wallace bei Glasgow. Die Umstände waren wenig heroisch: Durch Verrat enttarnt, wurde Wallace ohne Widerstand wohl aus dem Bett eines Bordells heraus verhaftet.

    Am 23. August 1305 wurde ihm in London der Prozess gemacht. Angeklagt des Verrats und des des Mordes, der Brandstiftung und Kirchenschändung, machte Wallace nur eine Aussage: Er habe keinen Verrat begangen, denn er habe ja niemals Edward I. die Treue geschworen. Die Verhängung des Todesurteils war vorhersehbar. In seiner Vollstreckung war es aber selbst für damalige Verhältnisse brutal. Wallace wurde zur Verhöhnung in eine Ochsenhaut gehüllt und an ein Pferd gebunden durch London geschleift. An der Hinrichtungsstätte wurde er zunächst gehängt - die übliche Strafe für Mord und Raub – und kurz vor Eintreten des Todes wieder vom Galgen genommen. Es folgte die Strafe für Kirchenschändungen, Wallace wurde bei lebendigem Leibe ausgeweidet, seine Innereien vor seinen Augen verbrannt. Schließlich enthauptete der Henker ihn und vierteilte seinen Körper. Die Leichenteile wurden zum Triumph nach Newcastle, Berwick und Perth gesendet, der Kopf auf einem Pfahl an der London Bridge aufgespießt. Edward I. hatte seinen Gegner vollständig vernichtet: Körperlich, politisch, moralisch und religiös.

    Jetzt konnte Edward seinen Schmeichelkurs der letzten Jahre wieder ablegen und ging erneut daran, die kulturellen und rechtlichen Traditionen der Schotten zugunsten des englischen Systems abzuschaffen. Das Ziel war es, die notwendigen rechtlichen Strukturen für eine ungefährdete englische Herrschaft über Schottland zu schaffen. Diese schweren Eingriffe stießen sogar bei bisherigen Sympathisanten Edwards – Robert Bruce und John Comyn – auf Widerstand, die sich zudem bei den Umstrukturierungen nicht hinreichend berücksichtigt sahen. Sie waren sich im Vorgehen allerdings uneins: Während Bruce seine eigenen Thronansprüche verfolgte, suchte Comyn den Verhandlungsfrieden mit England. Robert Bruce setzte sich auf archaische Weise durch: Er stach am 10. Februar 1306 eigenhändig seinen Konkurrenten Comyn bei einer geheimen Unterredung in der Franziskanerkirche von Dumfries nieder. Bruce floh in heller Aufregung aus der Kirche, sein vor der Tür wartender Begleiter Roger de Kirkpatrick betrat dann das Gebäude, fand den noch lebenden Comyn und tötete ihn. Beim Hinaustreten soll er zu Bruce gesagt haben “You doubt! I mak sikkar!” (zu deutsch etwa: „Du zweifelst! Ich gehe auf Nummer sicher!“). Bis heute ist dies der Wahlspruch der Familie Kirkpatrick. Da der Mord auf heiligem Boden geschehen war, wurde Robert Bruce von Papst Clemens V. (1305-1314) mit dem Kirchenbann belegt.



    Nach dem Mord und der Exkommunikation konnte der englische König Bruce nicht mehr decken. Er hatte damit alle Brücken hinter sich abgebrochen und musste sehr schnell handeln. Es gab nur den Weg nach vorn: Um nicht alles zu verlieren – vor allem den Anspruch auf den schottischen Thron –, ließ er sich nur wenige Tage später am 25. März 1306 in Scone zum König der Schotten krönen. Ironischerweise erwuchs Edward damit nun ein neuer gefährlicher Gegner, denn Bruce bekam Zulauf unter den Adeligen und ging energisch gegen seine Widersacher unter den übrigen vor. Edward I. war inzwischen jedoch zu schwer erkrankt, um die fällige Strafexpedition gegen die Schotten persönlich anzuführen. Er beauftragte seinen Sohn damit, das Heer nach Norden zu führen. Dem Kronprinzen gelang es, den schottischen König am 13. Juli 1306 in der Schlacht von Dalry zu besiegen und zur Flucht zu zwingen. Edward I. griff nun wieder hart durch, um den schottischen Widerstand zu brechen. Zahlreiche Familienmitglieder der Bruce und anderer mit ihnen zusammenarbeitenden Clans wurden in spezielle Käfige gesperrt und in Isolationshaft gehalten. Doch das brutale Vorgehen brachte die Schotten nur mehr gegen die englische Herrschaft auf.

    Edward I. war alt geworden und am Ende seines Lebens angelangt. Er war bereits zu einem letzten Schottlandfeldzug aufgebrochen, als er in Sichtweite der Grenze am 7. Juli 1307 starb. Mit welcher Verbissenheit der sterbende König die Sicherung seines Eroberungswerkes in Schottland anstrebte, verdeutlicht die legendäre Nachricht, wonach der Plantagenet den Thronfolger am Sterbebett schwören ließ, bei künftigen Kriegszügen gegen Schottland immer Edwards Gebeine im englischen Heer mitzuführen, weil dann die schottischen Rebellen niemals siegen könnten.

    So war der neue König Edward II. zum Vollstrecker des Willens seines Vaters verpflichtet. Als Berater suchte sich Edward II. einen gewissen Piers Gaveston (1280/84-1312) aus. Der war der Sohn eines Ritters aus der Gascogne, der König Edward I. auf verschiedenen Feldzügen begleitet hatte. Seit etwa 1300 befand sich Gaveston am Hof des englischen Königs, und anders als im Film war Edward I. beeindruckt von Gaveston mit seiner Eleganz, seinem Scharfsinn und seiner militärischer Expertise.



    Ein letzter Blick auf den Verbleib der Charaktere....



    In einem weiteren Kapitel wird sich zeigen, ob Edward II. oder Robert Bruce in dem Ringen um Schottland die Nase vorn haben wird.

    Literatur:
    Berg – Die Anjou-Plantagenets
    Gable – Von Ratlosen und Löwenherzen
    Geo Epoche – Schottland

    Und zuletzt: Herrlich, wie sich der Typ über die historische Schrägelage von Braveheart aufregt.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  3. #273
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    Drei Familien: Habsburg

    Drei Familien: Habsburg



    Rudolf I. von Habsburg
    König des Heiligen Römischen Reichs, lebte 1218-1291
    Startdatum: 20. September 1273


    Freitag, 26. August 1278. Bei dem österreichischen Ort Dürnkrut an der March, einem Nebenfluss der Donau, standen sich an diesem Morgen zwei Heere gegenüber. Drei Kilometer voneinander getrennt, warteten sie auf den Befehl zum Angriff. Im Süden hatte Rudolf von habsburg mehr als 9.000 Reiter aufmarschieren lassen, darunter 300 gepanzerte Ritter sowie 5.000 berittene Bogenschützen. Das Heer war mit weißen und roten Kreuzen geschmückt. Nördlich davon stand die Armee Ottokars II., erkennbar an dem grünen Kreuz. Der Rivale des Habsburgers hatte zwar weniger weniger Reiter als Rudolf an seiner Seite, gebot aber über eine größere Zahl schwer bewaffneter Ritter. Die Fußsoldaten beider Seiten bewachten jeweils die Feldlager. Die zwei Feldherren waren erbitterte Feinde. Der 60 Jahre alte Rudolf von Habsburg war wenige Jahre zuvor von deutschen Kurfürsten überraschend zum römisch-deutschen König gewählt worden. Sein Gegner Ottokar II. Premysl, König von Böhmen, Markgraf von Mähren, Herzog von Österreich, der Steiermark, Kärnten und Krain, hatte selbst die deutsche Krone erringen wollen und verweigerte dem Gewählten die Anerkennung. Diese Schlacht sollte die Entscheidung darüber bringen, wer der mächtigste Mann im Heiligen Römischen Reich ist.

    Der Habsburger gab als Erster den Befehl zum Angriff. Mit dem Ruf „Rom“ und „Christus“ stürmten seine leicht gepanzerten Reiter hinab in die Ebene. Daraufhin setzten sich auch die ersten Kämpfer der anderen Seite in Bewegung, riefen dabei „Praga“ und preschten mitten in den Pfeilhagel der Bogenschützen Rudolfs, Hunderte fielen. Dann prallten die Reihen der Ritter aufeinander: Splitternde Lanzen, strauchelnde Pferde, die ihre Reiter und sich begruben. Schließlich ritt Rudolf selbst mit seiner dritten Kampfabteilung hinab auf das Schlachtfeld, das bereits von reglosen Leibern bedeckt war. Fast endete dort sein Weg: Als sein Pferd tödlich getroffen unter ihm zusammenbrach, stürzte der König herab, landete mit seinem schweren Harnisch in einem Bach. Nur mühsam konnte er mit dem Schild die Hiebe seiner Gegner abwehren. Einer seiner Ritter half ihm auf und rettete ihm so das Leben. Gut zwei Stunden hauten und stachen die Krieger aufeinander ein. Die Männer, deren Körper von eisernen Rüstungen umhüllt wurden und deren Topfhelme den ganzen Kopf bedeckten, waren erschöpft. Sie waren kaum noch fähig, ihre Schilder, Lanzen oder Langschwerter zu heben. Selbst eine kleine Zahl frischer Ritter konnte jetzt die Schlacht entscheiden. Und genau das hatte Rudolf vorausgesehen.

    Als der König an diesem Augusttag des Jahres 1278 die wohl wichtigste Schlacht seines Lebens focht, waren er und sein Gegner Ottokar mächtige Fürsten des Heiligen Römischen Reiches. Sechzig Jahre zuvor hätte sich bei der Geburt Rudolfs niemand vorstellen können, dass dieser Mann einmal König und Begründer einer bedeutenden Dynastie werden würde. Dies ist seine Lebensgeschichte.




    Bescheidene Herkunft

    1218 Ein merkwürdig ruhiges Jahr inmitten einer stürmisch bewegten Zeit, so als machte die Weltgeschichte eine Atempause. Nirgends ein großer Krieg, nirgendwo eine blutige Schlacht, die der Erwähnung in den Chroniken wert gewesen wäre, kaum auch Hungersnöte oder Seuchen, Übel, welche die Menschen zu jener Zeit häufig heimzusuchen pflegten. Arm war dieses Jahr 1218 an großen historischen Ereignissen, sicherlich zur Freude der Mehrzahl der Zeitgenossen, brachten doch Kriege und Schlachten nur den wenigsten Ruhm und Reichtum, den meisten hingegen Kummer und Leid.

    Zwar war auch im Jahr 1218 die Welt nicht gänzlich frei von Kriegsgeschrei und Schlachtenlärm, doch dienten diese Kämpfe zumeist einem frommen, der Kirche wohlgefälligen Zweck. Wenn auf der Iberischen Halbinsel die christlichen Könige von Léon und Aragón gegen die heidnischen Mauren stritten und ihnen manch schönes Stück Land entrissen, war dies in den Augen eifriger Christen so böse nicht. Auch das Heilige Land galt es wieder einmal vor den Ungläubigen zu schützen, die Jerusalem und die heiligen Stätten bedrohten. Groß war die Zahl der Kreuzfahrer, die sich aufmachten zur Pilgerfahrt nach Jericho oder Jerusalem. Wer aber ein Kreuzfahrer werden wollte, der brauchte sich gar nicht erst nach Palästina zu bemühen. In der Provence, damals noch nicht der Krone Frankreich, sondern dem Heiligen Römischen Reich gehörend, fiel gerade eine Schar von Kreuzrittern über die ketzerischen Waldenser her, die sich der Autorität der Kirche nicht beugen wollten. Dass die Anhänger des Petrus Waldes es ernster nahmen mit Frömmigkeit und evangelischer Armut als so mancher Exponent der Amtskirche, sollte ihrer Sache mehr Schaden als nützen.

    Im allgemeinen aber herrschte Friede in der Christenheit, Friede zwischen den Königen von Frankreich und England, die vier Jahre zuvor einander blutig bekämpft hatten. Das Treffen bei dem Flecken Bouvines hatte schmählich geendet für die englischen Ritter und Barone, die jedoch an ihrem eigenen König, John Lackland, sich schadlos hielten. Von ihm nämlich erpressten die Herren, in zähem Feilschen und Verhandeln weitaus standhafter als auf dem Schlachtfeld, ein Konvolut von Zugeständnissen und Privilegien, die Magna Charta, die als der Grundstein angelsächsischen Verfassungslebens gilt bis zum heutigen Tag.

    Die Schlacht bei Bouvines wirkte auch auf die Mitte Europas, auf Deutschland und das Heilige Römische Reich, wo sich die zwei vornehmsten Familien, die Staufer und die Welfen, um die Vorherrschaft stritten. Ein blutiger Zwist, voll von Mord und Totschlag, Hinterlist und Heimtücke, den man Bürgerkrieg nur deswegen nicht nennen kann, weil Bürger darin noch kaum eine Rolle spielten. Die Welfen, mit dem englischen Königshaus verwandt und verbündet, unterlagen jetzt endgültig, weil sie auf die Unterstützung des schwachen Königs John nicht mehr zählen konnten. Verbittert und verbraucht von jahrelangen Kämpfen, übersandte der Welfe Otto, römischer Kaiser nur mehr dem Namen nach, die Reichsinsignien seinem staufischen Rivalen Friedrich und legte sich auf der Harzburg zum Sterben nieder. Noch einmal schien der Stern der Staufer hell zu strahlen, doch war dies ein trügerischer Glanz. Staufer und Welfen prägten die Geschicke Deutschlands, von den Habsburgern sprach damals noch niemand.



    In jenem Frühjahr 1218, da Friedrich der Staufer, der Enkel Barbarossas, allgemein anerkannter König wurde, kam auf einer Burg am Oberrhein oder im Elsass Rudolf von Habsburg zur Welt, unbeachtet von den Zeitgenossen, so dass der Ort seiner Geburt in Vergessenheit geriet.

    Rudolf von Habsburg, der „arme“ Graf, der dank seiner Fähigkeiten, durch Zufall, dank göttlicher Fügung, durch eine Laune der Geschichte, wie immer man es nennen mag, zum König emporstieg, fing sein Leben recht bescheiden an, als Sohn des Grafen Albrecht von Habsburg und der Heilwig, welche dem Geschlechte der Grafen von Kyburg entstammte. Er war kein Purpurgeborener, die Königskrone wurde ihm nicht in die Wiege gelegt. Die Habsburger waren gewiss keine mittellosen Leute und brauchten nicht zu darben, doch schon in ihrer näheren Umgebung lebte wohl ein Dutzend Herren, die an Macht und Einfluss sich durchaus mit ihnen messen konnten. In den biederen habsburgischen Grafen die künftigen Beherrscher halb Europas zu vermuten, wäre niemanden eingefallen, und noch heute gilt ihre Stammburg als Symbol ihrer bescheidenen Herkunft.



    Im Schweizer Kanton Aargau, unweit der Stelle, wo Aare und Reuß zusammenfließen, stand auf einer steilen Anhöhe die Habichtsburg, ein düsteres, trutziges Gemäuer. Die Ursprünge des Geschlechts, das sich nach dieser Habichtsburg nannte, liegen im Dunkel der Vorzeit. Es ist einigermaßen sicher, dass die Habsburger zurückgehen auf die Familie der Etichonen im Elsass des siebten Jahrhunderts. Die leiblichen Vorfahren Rudolfs von Habsburg hießen nicht Jupiter oder Julius Caesar, wie später mancher Gelehrte und Pseudogelehrte herausgefunden zu haben meinte, sondern Guntram, Radbot und Lanzelin. Im aargauischen Kloster Muri haben fleißige Mönche den Stammbaum der frühen Habsburger aufgezeichnet. Diesen zufolge war ein Graf Guntram der Reiche (+973), der noch vor der Jahrtausendwende lebte, Ahnherr einer mächtigen Dynastie. Dass er aber ein Habsburger sei, hatte der Graf Guntram noch nicht wissen können und auch nicht sein Sohn Lanzelin (+991), der sich Graf von Altenburg nannte. Von den Söhnen Lanzelins gründete einer das Kloster Ottmarsheim am Rhein, ein anderer, Radbot (985-1045), soll um 1020 die Habichtsburg errichtet haben: Kein weitläufiges, respektgebietendes Schloss mit Palas, Kemenaten und Ringmauern, sondern einen schlichten Turm, allein dem Zwecke der Verteidigung dienend. Radbot wirkte aber auch bei der Gründung des erwähnten Klosters Muri mit. Die fromme Stiftung geschah auf Bitten seiner Gemahlin Ita (995-1035) und sollte ein Akt der Sühne sein. Welche Untaten Radbot sühnen musste, ist nicht bekannt, doch unterschied er sich in diesem Falle kaum von vielen anderen adeligen Klostergründern seiner Zeit, die nicht allein aus purer Frömmigkeit, sondern auch durch schlechtes Gewissen sich leiten ließen, für ihr gefährdetes Seelenheil auf angemessene Weise zu sorgen.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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    Drei Familien: Habsburg

    Von Radbots Enkel Otto, „Graf de Havichsberg“, weiß man, dass er 1108 Kaiser Heinrich V. auf einem Kriegszug gegen Ungarn begleitete und bis nach Pressburg gelangte, der erste seiner Familie wohl, der österreichischen Boden betrat. Hier herrschten als Markgrafen die Babenberger, ein tatkräftiges, kriegstüchtiges Geschlecht. Trotz der exponierten Lage des Landes als Bollwerk gegen den Osten hatten sie im Verein mit ihren Untertanen für Wohlstand und Prosperität allerhand geleistet. Im Gebiet des Markgrafen Leopold gab es schon stattliche Siedlungen und blühende Klöster, die auf ihren Anhöhen thronend, das Donautal weithin beherrschten. Auch der Markgraf selber residierte zuweilen auf seiner Burg auf dem Kahlenberg hoch über dem Strom. Wo die Ostgrenze der Mark Österreich eigentlich verlief, vermochte niemand genau zu sagen. Blickte man vom Söller der markgräflichen Burg ostwärts, sah man eine weite Ebene, bedeckte mit üppigen Urwäldern, durch die der Donaustrom, in unzählige Arme geteilt, träge dahinfloss. Irgendwo in dieser Ebene begann Ungarn. Inmitten von Wäldern und Sümpfen verbarg sich eine Ansiedlung, die Vienni genannt wurde, wo auf den Ruinen römischer Zivilisation ein paar Dutzend tapferer Siedler kümmerlich hausten.

    Dass anstelle dieser ärmlicher Hütten dereinst die Prunkbauten der habsburgischen Haupt- und Residenzstadt Wien stehen würden, hat Graf Otto sich gewiss nicht träumen lassen, als er im Heerbann Kaiser Heinrichs V. ostwärts zog. Überhaupt war ja diese erste Begegnung eines Habsburgers mit Österreich nur flüchtig und wäre der Erwähnung gar nicht wert, wenn es später nicht weniger flüchtige und weitaus folgenreichere Begegnungen gegeben hätte. Habsburg und Österreich hatten noch keine Beziehung zueinander. Ohne sich um das Land zu kümmern, zog Graf Otto wieder heimwärts nach Schwaben und ist dort anno 1111 im Verlaufe eines Streits meuchlings erschlagen worden, nicht der letzte Habsburger, der auf gewaltsame Art zu Tode kam. Die Nachkommen des Grafen Otto waren ein tatkräftiges, kriegstüchtiges Geschlecht, Herren über wehrhafte Burgen und einträgliche Bauerngehöfte. Umsichtig walteten sie ihrer Ämter als Klostervögte und Landgrafen im oberen Elsass. Manche ihrer Eigenschaften, Frömmigkeit zum Beispiel, Gelassenheit im Unglück, eine gesunde Portion Habsucht, haben sie späteren Generationen weitervererbt. Auch an Mut hat es ihnen nicht gefehlt. Als wehrhafte Gefolgsleute haben sie manchen Kriegszug des Kaisers Friedrich Barbarossa nach Italien mitgemacht. Ein Graf Werner von Habsburg hat 1167 bei einer Seuche vor den Mauern Roms sein Leben gelassen.

    Gute Beziehungen zu den Staufern, der mächtigsten Familie Schwabens, war die Konstante ihres politischen Handelns, was ihnen im Fall des unglücklichen Grafen Werner Nachteil, im allgemeinen aber Vorteile brachte: Unermesslich hohen Blutzoll forderten die Italienzüge Barbarossas vom schwäbischen Adel, und manch einstmals blühendes Geschlecht starb aus. Die Grafen von Habsburg aber überlebten und erbten Güter und Rechte von denen, die nicht überlebten. Im Schatten der Staufer kamen sie empor und waren bereit, für diesen Aufstieg auch Opfer zu bringen. Man weiß von einer bedeutsamen Geldsumme, die Rudolf der Alte, der Großvater Rudolfs von Habsburg, dem Staufer Friedrich II. zur Verfügung stellte.



    Das Geld steckte der Herzog von Lothringen ein, dessen Wohlwollen für die staufische Partei Friedrich regelrecht erkaufen musste. 3200 Mark Silber hatte der Lothringer gefordert, und für allein 1000 Mark bürgte Rudolf der Alte, während so bedeutende Würdenträger wie der Erzbischof von Mainz und der Bischof von Worms nur je 700 Mark riskieren mochten. Dennoch zählten die Habsburger noch längst nicht zu den reichsten Familien, ein Adelsgeschlecht, wie es viele gab in Deutschland, die sich kämpfend oder Güter schachernd durchs Leben schlugen. In Schwaben und im Elsass wollten sie ihren Besitz erweitern, nach Höherem strebten sie nicht. Nichts deutete darauf hin, dass ihre Nachkommen statt um elsässische Bauernkaten um europäische Königreiche streiten würden. Graf Albrecht von Habsburg (1188-1239) noch hat sich als Feldhauptmann den Straßburgern verdingt, durch seinen Sold das spärliche Familieneinkommen aufbessernd, sein Sohn würde es später ähnlich machen, jedoch weitaus erfolgreicher und in größerem Stil. Dieser Sohn, Rudolf von Habsburg, nachmals König der Römer, kam im Frühjahr 1218 zur Welt, am 1. März oder am 1. Mai, man kennt das Datum nicht genau.



    In den Aufzeichnungen der Dominikaner von Colmar, der einzigen vorliegenden Quelle, ist nämlich die Eintragung von Rudolfs Geburt erst viel später erfolgt, als er schon König war. „Rex Rudolphus nascitur“, heißt es darin kurz und bündig. Dann fügte eine zweite Hand das Datum „Kal. Martii“, 1. März, hinzu, worauf noch ein Dritter das Wort „Martii“ durchstrich und durch „Maii“, 1. Mai, ersetzte. Der Ort von Rudolfs Geburt war möglicherweise auf der Limburg nahe Breisach am Rhein. Im Frühjahr 1218 war diese Festung in habsburgischen Besitz gekommen, und nachweislich hielt sich Rudolfs Vater Albrecht damals dort auf. Möglich, dass auch Frau Heilwig, geschützt durch die starken Mauern der Limburg, ihre Niederkunft erwartete. Friedrich II. der Staufer persönlich, soll des kleinen Rudolf Taufpate gewesen sein, was aber eher unwahrscheinlich ist. Wäre Rudolf am 1. März geboren, dann hätte der Staufer die heilige Handlung vollziehen können, denn damals weilte er noch am Oberrhein, am 1. Mai nicht mehr. Vermutlich erfand man die Sache mit der Taufe später, um die Habsburger gleichsam als legitime Erben der Staufer darzustellen.

    Mehr als der Eintrag über die Geburt und die Geschichte von der Taufe ist nicht bekannt über Rudolfs Kindheit. Über die ersten zwei Jahrzehnte seines Lebens wurde nichts aufgezeichnet; nichts darüber, wie und wo er aufwuchs, was er lernte. Derlei Dinge erschienen den Zeitgenossen nicht wesentlich. Erst als Erwachsener, aktiv im Leben stehender Mensch fand der Habsburger die Beachtung seiner Zeitgenossen.

    Noch war Rudolf zu jung, um in das Geschehen um ihn herum einzugreifen. Er war aber schon alt genug zu beobachten, und aus dem, was er beobachtete, seine Schlüsse zu ziehen. 14Jährig sah er seinen Großvater sterben, Rudolf den Alten, sah auch, wie die beiden überlebenden Söhne Rudolf und Albrecht einträchtig die üblichen frommen Stiftungen machten für des hohen Verstorbenen Seelenheil, wie sie dann jedoch gar nicht mehr einträchtig um das stattliche Erbe zu streiten begannen, das der alte Habsburger hinterlassen hatte.

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    Geändert von Mark (22. Oktober 2017 um 19:09 Uhr)
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    Drei Familien: Habsburg

    1235 Zwist gab es auch in der hohen Politik, im staufischen Kaiserhaus, Empörung des jungen Königs Heinrich gegen seinen kaiserlichen Vater. Die schwäbischen Herren, Albrecht von Habsburg unter ihnen, standen anfangs auf Heinrichs Seite. Im Jahre 1235 aber kam Friedrich II. selber nach Deutschland. Fünfzehn Jahre waren es her, seit er zum letzten Mal auf deutschem Boden geweilt hatte. Innere Angelegenheiten seines sizilischen Reiches, der Kreuzzug und der Streit mit dem Papst hatten ihn so lange ferngehalten. Sein prunkvoller Aufzug machte Eindruck auf die biederen Deutschen. Das orientalische Gepränge, die exotischen Tiere und sarazenischen Leibwachen, vor allem aber das viele Gold und Silber, das der Kaiser großzügig an Fürsten und Herren verteilte, verfehlten ihre Wirkung nicht: „Da wurden die Anhänger Heinrichs verwirrt, Schrecken und Entsetzen brachen über seine Spießgesellen herein wegen des gewaltigen Ruhmes und der Macht des Kaisers.“ Der Kaiser verfügte über keine nennenswerte Kriegsmacht, und dennoch brach der Aufstand rasch zusammen. Friedrich II. hielt strenges Gericht über seinen eigenen Sohn, die Königswürde wurde ihm genommen. Als Verbannter starb Heinrich in einem einsamen apulischen Schloss eines rätselhaften Todes. Anhänger des Königs Heinrich war auch Graf Albrecht von Habsburg gewesen.



    Doch auch ihn ließen die Lockungen kaiserlichen Goldes rasch erkennen, dass es vorteilhaft sei, die Partei zu wechseln. Im Winter 1236 reiste Albrecht an den kaiserlichen Hof nach Hagenau und blieb dort mehrere Wochen. Sein Sohn Rudolf dürfte ihn begleitet haben, der Weg nach Hagenau war nicht weit. Dort also dürfte der junge Rudolf von Habsburg erstmals seinen hohen Taufpaten von Angesicht gesehen haben. Wie lange er in Friedrichs Umgebung verblieb, ist unbekannt. Doch über Rudolfs Vater Albrecht geben Urkunden wieder, dass er bis 1238 mehrmals am Hofe des Kaisers war, unter anderem in Pavia. Auch hier ist Rudolfs Anwesenheit insofern wahrscheinlich, denn der junge Mann aus Schwaben schien von der Person Friedrichs II. in den Bann gezogen zu sein. Dem Kaiser wollte er die Treue halten, komme da, was wolle.

    Wenn Rudolf jemals am Hofe des Kaisers eine sorglose Jugendzeit mit Liebschaften und Abenteuern genoss, dann riss ihn der frühe Tod seines Vaters jäh aus seinen Träumen. Im Frühjahr 1239 muss es gewesen sein, da nahm Graf Albrecht von Habsburg Abschied von seiner Gemahlin Heilwig und den Kindern und machte sich auf zur Kreuzfahrt ins Heilige Land. Er kehrte nie wieder heim, irgendwo zwischen Tyrus und Akkon soll er begraben liegen. Dem ältesten Sohn Rudolf hinterließ er ein stattliches Erbe und die Sorge für die Mutter und vier unmündige Geschwister.



    Nicht viel über zwanzig Jahre alt war Rudolf von Habsburg, als er in die Lage kam, Herr zu sein über Grafschaften und Bauerngehöfte, Ritter und Leibeigene, Herr aber auch seiner eigenen Entschlüsse, Bestrebungen, Neigungen, Pläne: Der junge Mann begann schon bald, sich umzusehen bei seinen Nachbarn – und befand, dass sie mit allerlei Reichtümern gesegnet waren, die ihm fehlten. Wie konnte er auch zu solchem Wohlstand gelangen? Bettelte er die Nachbarn an, sie möchten ihm von ihren Reichtümern einen Teil abgeben, hätte er nur Spott und Gelächter geerntet. Der Rechtsweg war Rudolf verschlossen, denn die Justiz urteilte nur im Sinne der Besitzenden. Also blieb ihm nur ein Weg, reich zu werden: Er wollte es mit Gewalt versuchen.

    Die Herrschaft über das Eigen, das Gebiet rings um die Habsburg, übte Rudolf unmittelbar aus, es gehörte ihm (im Spiel: Die Grafschaft Aargau mit der Habsburg, der Stadt Schaffhausen und dem Bistum Basel). Nicht hingegen die Landgrafschaft im oberen Elsass, die war ein Lehen des Reiches. Wenn man von Besitzungen sprach, dann musste man die Besonderheiten des mittelalterlichen Verfassungslebens berücksichtigen. Da waren die Grafschaftsrechte im Aargau und die Vogtei über das Kloster Muri, die jedoch auch sein Onkel, Rudolf von Habsburg-Lauenburg, für sich beanspruchte. Das Tal der Reuß gehörte dem jungen Rudolf unbestritten bis hinauf zum Zuger und Vierwaldstätter See, dazu die Orte Bremgarten und Meienburg, die Grafschaft im Frickgau und die Stadt Säckingen am Rhein. Rudolfs elsässische Güter fanden sich in der oberrheinischen Tiefebene, in der Nähe der Stadt Mühlhausen und weiter nördlich gegen Schlettstadt zu, am Fuße der Vogesen. Auch rechts des Rheins, am Rande des Schwarzwalds, hatten Rudolfs Vorfahren schon Fuß gefasst. Weit verstreut lagen diese Besitzungen, von Straßburg hinauf in die Gegend des Vierwaldstätter Sees, und ringsum lebten genug neidische Nachbarn, die gierig nach einer Gelegenheit spähten, ihr Besitztum auf Kosten anderer zu vergrößern. Die verworrenen, schier unüberschaubaren Rechtsverhältnisse kamen solchen Bestrebungen entgegen.

    Obwohl die Zeiten rau waren und das Recht unsicher, gelang es Rudolf, sein Erbe zusammenzuhalten. Er teilte nicht mit seinen jüngeren Brüdern. Die Spaltung und Schwächung habsburgerischen Besitzes nach dem Todes seines Großvaters waren ihm Warnung genug. Die Macht der Habsburger vertrug keine weitere Aufsplitterung. Das führte zu Schwäche und Bedeutungslosigkeit, und schnell konnte zunichte sein, was Generationen in Jahrzehnten und Jahrhunderten aufgebaut hatten. Dafür gab es ein trauriges Beispiel in Rudolfs unmittelbarer Nachbarschaft. Zerrüttet war der Besitz der einstmals mächtigen Herren von Winterstetten, deren letzter Spross bettelnd in Schwaben umherzog und von den Almosen sich nähren musste, die ihm seine glücklicheren und klügeren Standesgenossen gönnerhaft überließen.

    Für einen standesgemäßen Lebensunterhalt seiner Geschwister sorgte Rudolf. Von seinen Schwestern widmete sich eine dem geistlichen Stand und ging als Nonne in ein Kloster. Die andere, Kunigunde, heiratete zuerst den Grafen von Küssaberg, und als dieser früh verstarb, den Edlen Otto von Ochsenstein, der ein treuer Gehilfe Rudolfs wurde. Man heiratete nur unter seinesgleichen. Als Rudolf anfing, waren es Grafen und Herren, denen eine Habsburgerin als angemessene Partie erschien, seine Töchter vermählten sich später mit Kurfürsten und Königssöhnen.

    Die beiden Brüder Rudolfs spielten in der habsburgischen Geschichte keine bedeutende Rolle. Der eine, Albrecht, führte als Pfründner der reichen Bistümer Basel und Straßburg ein eher geruhsames Leben. Den anderen, Hartmann, lockte Lust nach Abenteuer in die Ferne. Schon in jungen Jahren geriet er bei Kämpfen in der Lombardei in Gefangenschaft und kam in einem feuchten Verlies um. Doch auch Albrecht, der Domherr, starb jung trotz des bequemen Lebens, das ihm seine Pfründe sicherten. Die Lebenserwartung der Menschen war im allgemeinen gering, auch die der Vornehmen. Wenn sie nicht auf einer Kreuzfahrt im Heiligen Land zugrunde gingen, oder bei den Kämpfen in Italien, und sie nicht das Unglück hatten, daheim in Deutschland im Laufe einer Fehde von einem missgünstigen Nachbarn erschlagen zu werden, dann drohten ihnen Krankheiten und Seuchen, gegen die kein Bader und kein Physikus wirksamen Rat wussten. Vor dem Tode waren Hoch und Nieder gleich. Man musste die knappe Zeit nutzen, die einem zur Verfügung stand, sei es im Kampf, sei es bei der Vermehrung des Besitzes. Die Nachbarn zu bekriegen, das war das Handwerk, das Rudolf von nun an durch fünf Jahrzehnte zumeist erfolgreich übte. Ein anderer wäre vielleicht mit dem zufrieden gewesen, was er besaß und was stattlich genug war. Rudolf nicht, der strebte nach mehr und bekam bis zu seinem Lebensende nie genug. In Ruhe die Erträge seiner Meierhöfe zu genießen, war nicht nach seinem Geschmack, ihn lockte das Abenteuer.

    Da lebte in der Nähe der junge Hugo von Taufenstein, der war reich und vornehm und besaß eine feste Burg, so dass er sich vor neidischen Angreifern gesichert glaubte. Seine Reichtümer aber stachen dem Grafen von Habsburg ins Auge, und dieser beschloss, des Tiefensteiners Besitz mit Gewalt an sich zu bringen. Also begann Rudolf den Ritter Hugo in seiner Feste zu belagern. Er hatte anfangs wenig Erfolg dabei. In einer Zeit, die Feuerwaffen noch nicht kannte, war der Verteidiger gegen den Angreifer meist im Vorteil. Am Ende aber nützte dem Tiefensteiner seine feste Burg nichts. Er hatte nämlich nicht bedacht, zu welch heimtückischer List der Habsburger fähig war. Zum Schein bot Rudolf Frieden an. Arglos kam darauf der Ritter Hugo aus seiner schützenden Burg hervor und ließ sich willig in einen Hinterhalt locken, den habsburgische Reisige ihm stellten. Dort wurde er auf schimpfliche Weise erschlagen. Dunkel ist diese Geschichte und gewiss kein Ruhmesblatt für Rudolf von Habsburg. Die Erzählung dürfte wahr sein, hat doch Rudolf im Laufe seines Lebens auch noch andere Gewalttaten verübt, und kaum jemand außer den Betroffenen selber hat sie ihm angekreidet. Mord und Totschlag kamen häufig vor in jenen Zeiten. Die Herren hatten im allgemeinen nicht mehr gelernt, als sich nach Ritterart durchs Leben zu schlagen, und Rittertum bedeutete ja keineswegs nur Minnesang und Frauendienst und ähnlich harmlose Dinge.

    Der Ritter war in erster Linie Krieger. Wenn es gerade anderwärts nichts zu kämpfen gab, etwa im Heiligen Land oder gegen die heidnischen Preußen, wenn der Kaiser gerade keinen Krieg führte und der Papst gegen niemanden das Kreuz predigen ließ, dann fielen die Herren zum Zeitvertreib übereinander her. Ein Anlass für einen Streit war rasch gefunden, ein paar Fässer Wein, die der Nachbar böswillig beschlagnahmte, ein strittiges Jagd- oder Weiderecht, und schon ging es los mit Brandschatzen und Burgenbrechen.

    Mit jugendlichem Ungestüm stürzte sich Rudolf von Habsburg ins Getümmel und machte bald eine leidvolle, aber nützliche Erfahrung: Wer Schläge austeilte, musste auch bereit sein, Hiebe einzustecken, zumal ja viele andere denselben Prinzipien huldigten wie er selber, sein Vetter Gottfried zum Beispiel, der noch etwas jünger war als Rudolf und auch noch etwas kühner und ungestümer. Mit seinen Laufenburger Verwandten kam Rudolf von Anfang an nicht gut aus. Immer noch stritt man wegen der Vogtei über das Kloster Muri, auf die ja beide Habsburger Linien seit dem Tode Rudolfs des Alten Anspruch erhoben. Wenn Rudolf glaubte, sein Recht durchsetzen zu können, indem er den Laufenburgern deren Dörfer verwüstete, irrte er sich gewaltig. Vetter Gottfried sah dem bösen Treiben nicht lange zu und beschloss, den lästigen Verwandten tüchtig in die Schranken zu weisen.



    Eines Morgens erschien er mit einer Schar Bewaffneter überraschend vor der Stadt Brugg, fand den Zugang schlecht verteidigt, verschaffte sich Einlass und plünderte alles, was nicht niet- und nagelfest war. Auch Rudolfs Stadtburg ging in Flammen auf. Mit Beute reich beladen zog der kühne Jüngling samt seinen Spießgesellen wieder heim nach Laufenburg. Schlau hatte Gottfried die Abwesenheit des Hausherrn abgewartet, der daher die Zerstörung seiner Heimatstadt nicht verhindern konnte. Welche Gedanken mochten Rudolf bewegt haben, als er heimkam nach Brugg und vor den rauchenden Trümmerhaufen stand, der einst seine Residenz gewesen war? Eines jedenfalls lernte er daraus: Dass eine starke Faust und ein scharfes Schwert allein nicht genügten, wenn man sich behaupten wollte in gefahrvoller Zeit. Man brauchte auch einen klugen Kopf.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  6. #276
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    Drei Familien: Habsburg

    1241 war es im Mai, als Rudolf von Habsburg in Italien weilte. Man weiß dies aus einer Urkunde, die er selber im Jahr 1290 ausgestellt hat. Wenn er sich im hohen Alter noch an seinen Italienzug vor fast fünfzig Jahren erinnerte, dann muss ihn das, was er dort erlebte, beeindruckt haben. Er war in Faenza, am Hofe Kaiser Friedrichs II.

    Es war die Zeit des Kampfes zwischen dem Kaiser und dem Papst. Auf Deutschland und das staatliche Leben dort wirkte er sich nachhaltig negativ aus. Der Kaiser, in die italienischen Händel verstrickt, konnte sich um den Erbteil seiner Väter wenig kümmern. Nicht einmal ganze zwei Jahre seines 30jährigen Kaisertums hat Friedrich II. in Deutschland verbracht. Das Machtvakuum, das er hinterließ, vermochten seine jugendlichen Söhne, die er zu deutschen Königen machte, nur unzulänglich auszufüllen. Die Fürsten, geistliche und weltliche, traten an deren Stelle, nahmen sich immer mehr Rechte, die vordem der Kaiser bzw. der König geübt hatte. Sie wurden zu Landesherren, wie sie sich stolz zu nennen begannen. Kaiser Friedrich II. ließ es geschehen, weil die Kämpfe in Italien alle seine Kräfte in Anspruch nahmen. Das Reich wandelte sich allmählich zu einem Konglomerat von mehr oder minder mächtigen Fürstentümern und Herrschaften, das Königtum geriet in Abhängigkeit vom guten Willen einiger Potentaten und Halbsouveräne. Diesen Niedergang der Zentralgewalt, der unter Friedrich II. begann, vermochte auch Rudolf von Habsburg nicht umzukehren.

    Aber zurück zu Rudolfs Aufenthalt in Italien im Jahre 1241. In Faenza residierte zu dieser Zeit der Kaiser. Friedrich II. war nicht als Friedensfürst hergekommen, sondern als Eroberer. Rudolf selbst hatte die Strapazen der Alpenüberquerung auf sich genommen, um von dem Staufer seine Reichslehen zu empfangen. So erforderten es das alte Herkommen und die Satzungen des Reiches. Der Lehensmann nahm aus der Hand des Lehnsherrn ein Banner entgegen als Symbol für die Rechte und Pflichten, in die er nun eintrat. Peinlich genau hielt sich Rudolf an diesen Brauch, denn es war allgemeine Rechtsansicht, dass ohne eine solche Zeremonie, die vor möglichst vielen vornehmen Zeugen stattzufinden hatte, der Bewerber sein Anrecht auf das Reichslehen binnen Jahr und Tag verwirkt hatte. Der Kaiser nahm den hochgewachsenen, etwas ungehobelt wirkenden Mann aus Schwaben freundlich auf. Er brauchte ihn, weil durch habsburgerisches Gebiet wichtige Verbindungswege von Deutschland nach Italien führten. Bei seinem Aufenthalt in Faenza wird Rudolf die imposante Kriegsmaschinerie besichtigt haben, darunter die mächtigen Wurfmaschinen, die zentnerschwere Steine gegen Festungsmauern schleudern konnten. Auch der hohen Politik wohnte der Habsburger bei, wenn auch nur als Zaungast. Gesandte des Königs Bela von Ungarn reisten dem Staufer bis nach Spoleto nach und boten ihm im Namen ihres Königs die Unterwerfung ihres von den Mongolen verwüsteten Landes an, Ungarn vom Kaiser also als Lehen zu nehmen. In ganz Mittel- und Osteuropa lebten die Menschen in diesem Jahr in Angst vor der furchtbaren Mongolengefahr. Aus den Steppen Innerasiens waren diese wilden Reiterhorden aufgetaucht. Unter der Führung Batus, des Enkels Dschingis Khans, hatten sie ganz Russland überrannt, die Hauptstadt Kiew erobert, die Bewohner allesamt ermordet, die Stadt in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandelt.



    Wo denn Kiew eigentlich lag, wussten in Mitteleuropa freilich nur die wenigsten. Genaue Karten gab es nicht, und von der Geographie hatten viele Leute nur eine ungefähre Vorstellung. Aber die wilden Tataren hatten bei Kiew nicht haltgemacht, sie waren weiter nach Westen vorgedrungen, nach Schlesien und Ungarn, und wo diese Länder lagen, wusste man in Deutschland und Italien sehr gut. Vergeblich hatte sich der ungarische König Bela den mongolischen Reiterscharen in den Weg gestellt, er war mit seinem Heer fürchterlich geschlagen worden. Bei Liegnitz in Schlesien versuchten deutsche und polnische Ritter, die Invasion aus dem Osten aufzuhalten. Sie wurden alle niedergemetzelt; und ihr Opfermut wäre vergeblich gewesen, hätten nicht innere Wirren den Khan Batu und seine Horden im Jahr 1242 plötzlich heim nach Asien gerufen.

    Diese glückliche Wendung aber ließ sich im Mai 1241 noch keineswegs voraussehen. Da zitterte König Bela vor den Mongolen und flehte den Kaiser um Hilfe an, selbst um den Preis der Unterwerfung Ungarn, das zur Zeit ohnehin für ihn verloren war. Der Kaiser nahm die Mongolengefahr zwar ernst, sein Krieg mit dem Papst und den Städten aber hielt ihn in Italien fest. Die Unterwerfung der Ungarn aber nahm Friedrich II. gern entgegen, da sie ihn nichts kostete. Rudolf von Habsburg war in Spoleto Zeuge, wie die ungarischen Gesandten aus der Hand des Kaisers die Standarten entgegennahmen, die ihr Land symbolisierten. Das prunkvolle Schauspiel blieb Rudolf sicher im Gedächtnis. Jedoch: Reale Folgen hatte der Akt nicht. Der Kaiser, der Theorie nach nun Oberherr über Ungarn, konnte das Land (ebenso wie Deutschland) nicht vor den Mongolen schützen. Da überdies die Gefahr bald darauf so rasch wieder verschwand, wie sie aufgezogen war, fasste auch König Bela wieder Mut und dachte nicht mehr daran, dem Kaiser in Ungarn irgendwelchen Einfluss einzuräumen. Und Friedrich, der nur leere Versprechungen und keine Hilfe gegeben hatte, musste sich mit der Tatsache abfinden. Er hatte sowieso andere Sorgen.

    Der Wind drehte sich gegen den Kaiser in seinem Konflikt gegen den Papst und die italienischen Städte. In der Reichsstadt Lyon berief der Heilige Vater ein Konzil, auf dem über die Absetzung des Staufers beraten wurde. So manch ein Reichsfürst fiel von Friedrich II. ab, der schüttere Besuch von dessen Fürstentag in Verona machte dies deutlich. Nicht nur die rheinischen Erzbischöfe von Mainz und Köln, auch der Thüringer Landgraf Heinrich Raspe, bisher ein wichtiger Vertrauensmann des Kaisers, gehörte inzwischen zu den Gegnern. Friedrich II. war im Kirchenbann, das nahm so mancher zum Anlass, ihm den Gehorsam zu verweigern. Einer jedoch hatte sich zum Freund des Staufers gewandelt: Als vornehmster weltlicher Fürst erschien Herzog Friedrich von Österreich in Verona.



    Österreich, das schöne Herzogtum an der Donau, aus einer Grenzmark zu Ungarn entstanden, war weitaus einheitlicher organisiert als die alten Stammesherzogtümer Baiern oder Schwaben und bildete ein im wesentlichen geschlossenes Herrschaftsgebiet. Hier gab es keine freie Reichsstadt, kein Bischof, Abt oder sonstiger geistlicher Machthaber mit selbständiger Regierungsgewalt störte die Geschlossenheit des Territoriums, kein Graf mit eigener Gerichtsbarkeit, wie Rudolf von Habsburg einer war. Die Babenberger konnten in ihrem wohlhabenden Österreich durchregieren, wie man heute wohl sagen würde, auch dank der Privilegien, die einst Barbarossa, der Großvater des Kaisers, ihnen 1156 verliehen hatte.

    Mit Herzog Friedrich von Österreich bekam der Kaiser einen nicht nur reichen, sondern auch kriegstüchtigen Verbündeten. Warum Friedrich den Beinamen „der Streitbare“ trug, hatten nicht nur seine eigenen Dienstleute, sondern auch die Mongolen und die Böhmen erfahren. Dem Herzog ging der Ruf voraus, dass keine Frau oder Jungfrau vor ihm sicher sei. Den Markgrafen von Meißen, dem Gemahl seiner Schwester, hatte er gleich in der Hochzeitsnacht überfallen und vom eingeschüchterten Bräutigam den Verzicht auf die vereinbarte Aussteuer erpresst. Selbst die Mutter des Babenberger fürchtete sich vor ihrem Sohn so sehr, dass sie beim König von Böhmen Zuflucht suchte. Der Beistand des Herzogs hatte für den Kaiser natürlich einen Preis: Es ging darum, Österreich zu einem Königreich zu erheben. Das war für Friedrich II. annehmbar, denn die Vereinbarung hatte einen Zusatz: Da Herzog Friedrich ohne Kinder war, sollte die Krone Österreichs nach dessen Tod an den Kaiser fallen. Doch der Plan scheiterte an Widerstand anderer, und es blieb beim Status quo. Bei der dabei beurkundeten Bestätigung der alten Privilegien setzte als einer von vier vornehmen Laienzeugen kein anderer als Rudolf von Habsburg sein Siegel. Er war 1245 bei den Beratungen des Kaisers in Wien also dabei gewesen.

    Nur ein Jahr später starb Herzog Friedrich der Streitbare im Kampf gegen seine ungarischen Todfeinde. Er, der beinahe König geworden wäre, erhielt einen Lanzenstich in den Kopf, ein Heldentod, der seinem kriegerischen und tatenreichen Leben entsprach. Mit ihm erlosch die Dynastie der Babenberger, die das Land 270 Jahre hindurch erfolgreich regiert hatte. Österreich und Steiermark wurden nun zum Spielball der großen Nachbarn Böhmen und Ungarn, eine Entwicklung, die der letzte Babenberger, man mag über seinen wilden Lebenswandel denken, wie man will, bei seinen Lebzeiten verhindert hatte.

    Rudolfs wiederholte Anwesenheit am Hof Kaiser Friedrichs II. deutet es bereits an: Er war ein treuer Gefolgsmann des Staufers, selbst in den letzten Lebensjahren des Kaisers. Dabei lief es für Friedrich II. nicht sonderlich gut, die Zahl seiner Feinde überwog zuletzt die seiner Freunde.

    1250, am 13. Dezember, starb in einem einsamen Kastell im fernen Apulien „das Staunen der Welt“. Unermüdlich, jedoch sieglos und mit abnehmenden Erfolgsaussichten hatte er gegen das Papsttum gekämpft. In einer schlichten Mönchskutte beschloss der einst so Glanzvolle sein an Höhepunkten und Rückschlägen überreiches Leben und verließ die Welt, die ihn nie so recht verstanden hatte. Prophetisch notierte ein Chronist: „Mit ihm wird das Imperium enden, denn wenn er auch einen Nachfolger finden wird, so werden sie doch der Kaiserkrone beraubt sein.“

    Noch stand Rudolf nicht im Brennpunkt großer Ereignisse, noch waren die Grenzen eng, in denen er sich bewegte. Brugg, Basel und Schlettstadt hießen die Orte, wo er sich in diesen Jahren aufhielt. Vom Griff nach der Krone war er 1250 weit entfernt, obwohl er sich schon eine durchaus solide Stellung erkämpft hatte. Er galt als das Haupt der staufischen Partei am Oberrhein - die jedoch offenbar nur aus ihm selbst bestand. Rudolf unterstützte den jungen Konrad IV., der nach dem Tode seines Vaters den Kampf gegen die Anhänger des Papstes fortsetzte und sich gegen den „Pfaffenkönig“ Wilhelm von Holland leidlich behaupten konnte. Warum folgte Rudolf nicht dem Beispiel seiner Nachbarn und machte seinen Frieden mit der Kirche? Glaubte er am Ende immer noch, auf staufischer Seite mehr Gewinn einzuheimsen als auf päpstlicher? Auch dieses Motiv muss wohl im Spiel gewesen sein. Opportunismus, Streben nach Macht und Gewinn spielten ja keine geringe Rolle im Denken dieser Menschen, im Denken Rudolfs zumal, obwohl ihm Begriffe wie „Kapital“ oder „Profit“ noch durchwegs fremd waren. Dagegen war das Wort „Handsalbe“ eine gängige Vokabel. Treue musste belohnt werden, und wer den Lohn für sein Wohlverhalten nicht gleich auf die Hand bekam, der suchte ihn eben in Form von Gütern und Ländereien zu kassieren. Man sah darin nichts Unehrenhaftes, auch das Wort „Korruption“ hat niemand in den Mund genommen.

    Von Konrad IV. ließ sich Rudolf den Zehnten in Mühlhausen übertragen, als wohlverdiente Gunst. Schließlich erhielt der Habsburger noch 100 Mark Silber und die Städte Breisach und Kaisersberg, die er jedoch an den König zurückzugeben hatte, falls er das feste Rheinfelden gewänne, das der Bischof von Basel besetzt hielt. Im Kampf gegen diesen Bischof und seine Leute nutzte Rudolf nicht nur seiner eigenen Sache, er war damit zugleich das Werkzeug Konrads IV. gegen die Anhänger des Papstes. Rudolf war dabei so gründlich, dass es ihm fast zum Verhängnis geworden wäre.

    Mit einer Schar seiner ritterlichen Spießgesellen erschien er vor Basel, bemächtigte sich durch nächtlichen Überfall des Klosters der Reuerinnen, das außerhalb der Stadtmauern lag, plünderte das Gebäude und brannte es nieder. Ein boshafter Gewaltakt ohne Zweifel. So sehr rührte das Wehklagen der obdachlosen Nonnen den Basler Bischof, dass er sofort einen Boten an die Kurie abfertigte und dem Papst Kunde gab von dem bösen Treiben des Habsburgers. Erzürnt befahl Papst Innozenz am 18. August 1254, den Grafen Rudolf von Habsburg und seine Komplizen, „allesamt Anhänger des verstorbenen Kaisers Friedrich und seines Sohnes Konrad und Feinde der Kirche“, wegen des nächtlichen Überfalls und der argen Beschädigung des Basler Reuerinnenklosters zu exkommunizieren. Von diesem Banne sollten sie erst losgesprochen werden, wenn sie den Schaden gutgemacht und sich vor dem päpstlichen Richterstuhl zur Rechtfertigung eingefunden hätten. Der Arm des Papstes reichte weit, den Habsburger aber erreichte er dieses Mal nicht; der hütete sich wohl, vor des Papstes Gericht zu erscheinen. Und auch mit dem Bischof von Basel, der ihn jüngst wegen seiner Gewalttat so vehement verklagt hatte, lebte er bald darauf wieder in schönster Eintracht. Die Herren waren ja rasch bei der Hand mit dem Friedenschließen wie mit dem Kriegführen, zumal die Folgen ihres Tuns andere, Unbeteiligte, meist weitaus schärfer spürten als sie selber.



    Die Sache der Staufer erlitt 1254 wohl ihren entscheidenden Rückschlag. Es lag ein schlechter Stern über dem Italienzug Konrads IV. In Rom hatte der junge Staufer einziehen wollen, um sich die Kaiserkrone zu holen, statt dessen holte er sich im ungesunden Klima Italiens das Fieber, und der Tod raffte ihn hinweg und machte all seinen ehrgeizigen Plänen ein frühes Ende. Ein kleines Kind, Konrads zwei Jahre alter Sohn, von den italienischen Ghibellinen Corradino (Konradin) genannt, repräsentierte jetzt in Deutschlan die vor kurzem noch blühende Dynastie der Staufer. Ob der kleine Konradin jemals in die Fußstapfen seiner berühmten Vorfahren treten, ob er die Macht der Staufer noch einmal aus dem Staub erheben würde, war noch nicht abzusehen. Der Sieg in dem gewaltigen Ringen neigte sich dem Papst zu.

    Für Rudolf von Habsburg war es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Fast ein Jahrzehnt hatte er sich jetzt für die Sache der Staufer eingesetzt und galt deshalb als Feind der Kirche. Die Handsalbe, die er sich ausgerechnet hatte, war dürftig. Die schönen Städte Breisach und Kaisersberg konnte er nicht halten, und vom Erwerb Rheinfeldens war nach Konrads IV. Tod keine Rede mehr. Rudolf tröstete sich mit dem Brückenzoll von Freudenau und der Vogtei über das Kloster Sankt Blasien, ein mageres Ergebnis nach beinahe zehn Jahren Kampf und Entbehrungen. Zweifellos hatte er auf das falsche Pferd gesetzt in dem gewaltigen Spiel, er hatte gewagt und nicht gewonnen. Doch wenigstens seinen Einsatz hatte er retten können. Seine Territorien im Aargau und Elsass vermochte er zu behaupten als Basis für künftige Unternehmungen.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  7. #277
    Seufz Avatar von GarfieldMcSnoopy
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    Also, Friedrich II (dem Babenberger) Militärwert 1 zu geben ist wohl daneben. Muss ein CK2-Bug sein Witzigerweise soll er in diesem unwichtigen Scharmützel gefallen sein, weil er die Angreifer zu spät bemerkt hat. Er war zu beschäftigt, seinen Männern für den bevorstehenden Kampf eine anspornende Rede zu halten... Muss mal gucken, ob ich die Quelle noch finde

    Ansonsten mal wieder Danke Die Details zum historischen Wallace kannte ich nicht. Für nen Rebellen find ich es aber ganz cool, aus dem Bett eines Bordells heraus verhaftet zu werden
    Das ist alles, was wir tun können: immer wieder von neuem anfangen, immer und immer wieder. (Thornton Wilder)

  8. #278
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    Drei Familien: Habsburg

    Absolut! Oft stimmen ja sogar die Charaktereigenschaften, die Paradox den Personen mitgegeben hat - hier (bei Friedrich der Streiter) aber nicht. Bei Wallace fand ich neu und interessant, dass er zwischendurch jahrelang in Paris und Rom war, um Unterstützung für Schottland zu erreichen. Im Film ist das komplett fallengelassen, passte wohl nicht zum Bild des rauen Naturburschen.


    Das Interregnum

    Der Tod des Staufers Konrad brachte dem holländischen Grafen Wilhelm im Reich endlich die allgemeine Anerkennung als König. Schon sechs Jahre vorher war er nach dem Tod des Gegenkönigs Heinrich Raspe von der Kurie zum neuen Gegenspieler Friedrichs II. ausgesucht worden. Die Wahl auf diesen eher unbedeutenden Grafen von der Peripherie des Reiches war jedoch weniger in einer persönlichen Eignung Wilhelms oder in einem nennenswerten Einfluss begründet. Eher im Gegenteil. Es fand sich im Reich schlicht niemand, der die Rolle des Gegenkönigs von Papstes Gnaden annehmen mochte. Nach Konrads Tod wurde Wilhelm von Holland als neuer König anerkannt, weil er sich als Alternative für den Thron bereits anbot, die Kirche ihn als ihren Kandidaten förderte und weil Wilhelm in den Augen der anderen Fürsten den Vorteil bot, dass er über so wenig Hausmacht verfügte. Unter Friedrich II. hatten sich die deutschen Fürsten bereits daran gewöhnt, dass ihnen der König wenig in ihre Angelegenheiten hineinredete. Das sollte so auch bleiben. König Wilhelm tat ihnen diesen Gefallen, er beschränkte sich bei seinen Aktivitäten auf seine holländische Nachbarschaft. Gerade einmal zwei Jahre auf dem Thron, wurde ihm eine seiner Nachbarschaftsfehden zum Verhängnis: 1256 brach er bei einem Feldzug in Friesland im Eis ein und ertrank.

    Die deutsche Krone wurde nach Wilhelms Tod endgültig zu einem Pokal, der dem Meistbietenden zugeschanzt wurde. Besser noch, den zwei Meistbietenden, dann konnte man doppelt kassieren. Und so wurde nicht nur Graf Richard von Cornwall, der Bruder des englischen Königs, sondern auch der kastilische König Alfons X. von einem Teil der Fürsten zum deutschen König gewählt. Während Richard zumindest zeitweise in Deutschland auftauchte, ließ sich Alfons zeitlebens nicht im Reich blicken, nicht einmal zu einer Krönung oder dergleichen. Ausrichten konnten beide nichts, wenn es um die Geschehnisse in Deutschland ging. Dort waren die Fürsten nun sozusagen unter sich. Dem Papst war es recht, Hauptsache es war kein Staufer an der Macht. Es gab da ja noch den kleinen Konradin, der potentiell eine Gefahr darstellte.

    Die Folge war, dass die deutschen Fürsten ungehemmt ihre eigenen Interessen durchsetzen konnten. Früher hatten sie eine starke Zentralgewalt, einen geordneten Staat, der ihr Streben nach Macht und Reichtum in gesetzlich geregelte Bahnen lenkte. Jeder Territorialherr, vom Fürsten herab bis zum ärmsten Ritter, nahm sich nun, was und wie viel er kriegen konnte. Man bediente sich dabei gern eines alten, aus germanischer Zeit stammenden Rechtsmittels, der Fehde. Fehde war das Zauberwort, das alle Überfälle und Brandschatzungen, alle Morde und Raubzüge mit dem Deckmantel scheinbarer Rechtlichkeit umgab. Viel uraltes Gedankengut spielte da mit, von Gottesurteil und göttlicher Gerechtigkeit. Wem sein Recht vorenthalten wurde, weil der König fern oder niemand gewillt war, Recht zu sprechen, der konnte es suchen durch das Mittel der Fehde. Die einst streng formalisierte Fehde war zu Rudolfs Zeiten aber bereits zur Karikatur entartet, denn sogar der schlimmste Raubritter hatte keine Skrupel dabei, die Fehde zur scheinbaren Rechtfertigung seines bösen Treibens zu missbrauchen.

    Doch nicht nur üble Räuber und Strauchdiebe bedienten sich der Fehde, auch Fürsten und Herren machten fleißig Gebrauch davon, um ihr Recht durchzusetzen, oder das, was sie für ihr Recht hielten. Rudolf von Habsburg zum Beispiel war ein angesehener Mann, und gleichwohl hat er in jenen verworrenen Jahren unzählige Fehden ausgefochten. Es konnte ja einer, wenn er tüchtig war und skrupellos und auch einigermaßen reich und mächtig, wenn er mehr an das Diesseits dachte als an sein Seelenheil, aus den Verhältnissen, wie sie waren, sehr wohl seinen Vorteil ziehen. Es galt das Recht des Stärkeren, der Schwache blieb auf der Strecke. Diesem Faustrecht hat Rudolf von Habsburg sich angepasst und kräftig davon profitiert. Er war ein typischer Vertreter dieser wirren Zeit des Interregnum, heute würde man ihn wohl einen Warlord nennen. Seinen Rivalen hatte der Habsburger Warlord voraus, dass er meist klüger war als sie, bisweilen aber auch weitaus skrupelloser.

    Mitten in den Wirren dieser Zeit fand Rudolf Zeit, zu heiraten. Er war ja schon weit über 30 Jahre alt, da empfahl es sich für einen Grafen, eine Familie zu gründen und für legitime Nachkommenschaft zu sorgen. Er hatte nicht enthaltsam gelebt bisher und mit einer Frau Ita einen außerehelichen Sohn gezeugt. Die näheren Umstände dieser Beziehung sind nicht bekannt. Vielleicht war Ita eine Dienstbotin, eine Unfreie, die für eine Ehe mit einem Grafen nicht in Frage kam. Für den Sohn aber, der aus dieser Verbindung entspross, sorgte Rudolf. Die Braut, die Rudolf von Habsburg zum Altar führte, war die ungefähr fünfzehnjährige Gertrud von Hohenberg.



    Sie sollte ihm in einer langen Ehe ein gutes Dutzend Kinder gebären. Nicht lange nach seiner Hochzeit beendete Rudolf den leidigen Streit mit den Laufenburger Verwandten. Vetter Gottfried, ein tüchtiger Kriegsmann, hatte ihm viel Ungemach bereitet. Einen solchen Mann, der noch kühner und angriffslustiger war als er selber, wollte Rudolf auf Dauer nicht zum Feind haben. Ab Ende 1256 traten die beiden Vettern einträchtig als Verbündete auf.

    Sicher ist es nicht, doch es heißt, im Jahre 1257 sei Rudolf von Habsburg dann am Hofe des Königs von Böhmen gewesen, hätte dort sogar das Amt des Hofmarschalls ausgeübt. Der Name dieses Königs: Ottokar II. Premysl, später Rudolfs größter Gegner. Dessen Persönlichkeit hatte etwas geheimnisvoll Zwiespältiges: Meinen die einen, er sei ein überaus blutrünstiger Tyrann gewesen, gibt es andererseits Zeugnisse, er sei ein beliebter Heerführer gewesen, ein vortrefflicher Fürst, mit dem sich von den Königen seiner Epoche kaum einer an Freigebigkeit, Macht und guten Sitten messen konnte. Er war ein gutes Jahrzehnt jünger als Rudolf von Habsburg, und in seinen Adern rollte staufisches Blut. Seine Mutter Kunigunde war eine Cousine Friedrichs II. Ottokar soll ein schöner Jüngling gewesen sein, nur mittelgroß zwar, aber kräftig, mit braunen Haaren, tapfer und an Beredsamkeit sogar die Philosophen übertreffend. Doch nicht zur Philosophie fühlte sich der aufgeweckte junge Mann hingezogen, sondern zu Macht und Reichtum, und in seiner Seele brannte der Ehrgeiz. Noch nicht zwanzig Jahre alt, empörte er sich gegen seinen Vater, den König Wenzel, und konnte sogar die Hauptstadt Prag für sich gewinnen. Nur mit Mühe gelang es dem Vater, den ungestümen Sohn zu bändigen. Der Aufstand wurde niedergeworfen und Ottokar geriet in Gefangenschaft. Auf einem einsamen Bergschloss in milder Haft gehalten, hatte der Jüngling Muße, über aussichtsreichere Eroberungspläne nachzudenken.

    Der alte Wenzel beschloss, den Tatendrang seines Sohnes in für ihn weniger gefährliche Bahnen zu lenken, und als nächstes und überdies äußerst lohnendes Ziel bot sich das benachbarte Österreich an. Die babenbergergischen Länder waren nach dem Tod Friedrichs des Streitbaren der Anarchie verfallen. Sechs Jahre lang herrschten dort Mord und Totschlag unter den Leuten. Denn die verschiedenen Prätendenten, die sich des verwaisten Babenberger Erbes zu bemächtigen trachteten, konnten sich nicht durchsetzen und paralysierten ihre Kräfte gegenseitig: Der König Bela von Ungarn, der sich durch grausame Raubzüge Respekt verschaffen wollte, der kaiserliche Statthalter Otto von Eberstein und Markgraf Hermann von Baden, der Gemahl der frommen Babenbergerin Gertrud, der als Favorit des Papstes galt. Über den erfolglosen Markgrafen höhnten die Annalen: Er wollte Herzog von Österreich sein, doch er konnte nicht.

    So lagen die Dinge, als im Spätherbst 1251 Ottokar von Böhmen mit Heeresmacht in Österreich erschien. Er fand keinen nennenswerten Widerstand und freundliche Aufnahme beim österreichischen Adel, den er durch Handsalbe für sich gewonnen hatte. Bald gab es nach dem Zeugnis eines Zeitgenossen in Österreich „keinen Winkel mehr, der seine Herrschaft zurückgewiesen hätte“. Auf der Hainburg, am östlichen Rand der Mark Österreich, heiratete Ottokar die fast doppelt so alte Margarete, die Schwester des letzten Babenbergers, eine Vernunftehe aus dynastischen Gründen. Nach der Hochzeit übergab ihm die Babenbergerin die Privilegien Barbarossas und Friedrichs II., die den Przemysliden weit mehr interessierten als seine ältliche Ehefrau. In diesen Freiheitsbriefen stand festgeschrieben, dass Österreich ein „Weiberlehen“ sei, also auch die Töchter des regierenden Herzogs Anspruch auf die Regierung hätten (mal wieder: agnatisch-kognatisch). Von den Seitenverwandten allerdings war darin nicht die Rede, und so galt Margaretes Erbrecht als zweifelhaft. Um derlei juristische Spitzfindigkeiten aber kümmerte sich Ottokar nicht. Sein ganzes Leben lang hat er lieber auf die macht vertraut als auf das Recht, was ihm letztlich zum Verhängnis werden sollte.



    Vorerst aber eilte er von Erfolg zu Erfolg. Er beerbte seinen Vater Wenzel im Königreich Böhmen und schlug die Ungarn 1260 vernichtend an der March. Der Siegerpreis war die Steiermark, die zuvor dem grausamen König Bela hatte gehorchen müssen. Niemand konnte hier Ottokar noch entgegentreten, niemand forderte ihn auf, die erworbenen Herzogtümer vom Reiche als Lehen zu nehmen – denn es gab keine zentrale Reichsgewalt, die ihn dazu hätte auffordern können. Ironischerweise hatte Ottokar den Kastilier Alfons als deutschen König anerkannt, und ließ sich von dessen Konkurrenten Richard von Cornwall einen Lehensbrief ausstellen. Gewählt hatte er beide. Und so entstand ein gewaltiges Reich im Osten, bestehend aus Böhmen, Mähren, Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain, das von den Sudeten bis an die Gestade der Adria reichte. Ottokar konnte anschließend die Ehe mit der älteren Margarete lösen lassen, er brauchte die Babenbergerin nicht mehr.



    Rudolfs Verhältnisse stellten sich im Vergleich zu dem Böhmen recht bescheiden dar, noch zumindest. Vielleicht machte sich der Habsburger einen Reim darauf, als er vom Erfolg Ottokars hörte. Im Übrigen beschränkte sich seine Herrschaft auf die nähere Umgebung um die Habsburg. Erwähnenswert aber ist eine Begebenheit aus dem Herbst dieses Jahres 1260: Da reiste der Herr Werner von Eppstein, der neugewählte Erzbischof von Mainz, nach Rom, um sich vom Papst die Weihen und das Pallium zu holen. Von Straßburg bis an die Alpen gab Rudolf von Habsburg dem Würdenträger das Geleit. Wie der Erzbischof selber bezeugte, war die Fahrt gefährlich und mühevoll. Damals reiste ja niemand aus purem Vergnügen, die Wege waren beschwerlich, Raubritter und Wegelagerer lauerten den Reisenden auf, und das Hochgebirge mag dem hohen Herrn aus dem Rheinland wohl ein wenig unheimlich gewesen sein, zumal er es in der schlechten Jahreszeit überquerte. Dennoch ging die Reise glücklich vonstatten, und dass der Erzbischof wieder wohlbehalten nach Hause kam, war zu einem Teil auch das Verdienst des Grafen von Habsburg. Diesen Dienst vergaß Werner von Mainz nicht, und er erinnerte sich später an Rudolf, als es daran ging, einen neuen König zu wählen. Der Erzbischof war ein einflussreicher Mann im Kurfürstenkollegium. Tja, Tüchtigkeit allein entschied, und entscheidet, nicht über Erfolg und Misserfolg – man muss auch die richtigen Freunde haben.



    Für Rudolf gab es trotz seines eingeschränkten Wirkungskreises durchaus Gelegenheiten zum Eingreifen. Da war das benachbarte Straßburg, eine reiche Stadt, ein Bistum. Regiert wurde es ab März 1260 von dem Bischof Walther von Geroldseck, mit dem die selbstbewussten Bürger Straßburgs nicht glücklich waren. Der führte nämlich mit ihnen einen Machtkampf um die Gerichtsbarkeit, der freien Wahl von Stadträten und der Steuererhebung. Bis dahin waren die Straßburger den umgänglichen Heinrich III. von Stahleck, der vierzehn Jahre als Bischof amtierte, gewohnt gewesen. Bischof Walther dagegen war ein aufbrausender und stolzer Mann, der lieber zum Schwert als zum Bischofsstab griff und von einem geistlichen Fürstentum am Oberrhein träumte. Anfangs war Walther erfolgreich, brachte die Städte Colmar, Hagenau und Mühlhausen in seine Gewalt. Die aufsässigen Straßburger Bürger schlugen zurück und zerstörten 1261 die Zwingburg Haldenberg. Da ließen sie sich auch von dem bischöflichen Interdikt nicht einschüchtern. Walther rief einige benachbarte Adelige mit ihren Truppen zu Hilfe, darunter auch Rudolf von Habsburg. Es kam zu einer Schlacht, die aber keine Entscheidung herbeiführte. Wegen der bevorstehenden Ernte wurde ein mehrwöchiger Waffenstillstand vereinbart.



    Unverrichteter Dinge ritt Rudolf von Habsburg also wieder heim – und wechselte die Seiten. Hatte ihn die militärische Tüchtigkeit der Straßburger beeindruckt? Lockten sie ihn mit Handsalbe? Fraglos war ein übermächtiges Bistum Straßburg auch eine Bedrohung seiner Interessen. Aber als Adeliger ein Bündnis mit Bürgern eingehen? Wie dem auch sei, Rudolf griff ab Oktober 1261 auf der Seite der Bürger in die Kämpfe ein und eroberte für sie die Stadt Colmar zurück. Die Bürger von Colmar begrüßten Rudolf als Befreier von der bischöflichen Garnison. Das Beispiel von Colmar machte nun Schule: Auch die Bürger von Mühlhausen wollten sich von den drückenden Steuern des Bischofs befreien und boten Rudolf die Übergabe ihrer Stadt an. Natürlich war Walther von Geroldseck nicht gewillt, das einfach hinzunehmen, den ganzen Winter 1261/62 kämpfte er gegen die Straßburger und ihren Habsburger Verbündeten. Kurz darauf , im Februar 1262, starb der Bischof, an Gram über seine wiederholten Niederlagen, hieß es. Der Weg war frei für Friedensverhandlungen.

    Die Früchte des Straßburger Sieges durfte auch Rudolf von Habsburg ernten, er erhielt die faktische Oberhoheit über die eigentlich freien Reichsstädte Colmar, Mühlhausen und Kaisersberg. Freie Reichsstadt war fortan auch Straßburg selbst, und sie sollten dieses Privileg 400 Jahre lang verteidigen (erst der Sonnenkönig Louis XIV. von Frankreich machte dieser Freiheit im Jahre 1681 ein brutales Ende). Rudolf von Habsburg hatte seinen Einfluss in das Elsass erweitert, ein geschickter Schachzug. Der schwache König Richard von Cornwall nahm es einfach hin, dass die Reichsstädte unter Rudolfs Hand gerieten, was hätte er auch dagegen tun sollen? Im November 1262 weilte der Schattenkönig im Elsass. In der ehemaligen Stauferpfalz Hagenau bestätigte er der Stadt Straßburg all ihre schwer errungenen Rechte und Freiheiten. Vornehm waren die Zeugen dieses Rechtsaktes, Werner von Eppenstein, Erzbischof von Mainz, und Graf Rudolf von Habsburg. Die Herren kannten einander. Vor kaum zwei Jahren hatte Rudolf den Kirchenfürsten sicher über die Alpen geleitet. Ein tüchtiger, tatkräftiger Mann, dieser Habsburger! Den Eindruck muss der Erzbischof wohl gewonnen haben. Und, wie gesagt, seine Meinung hatte Gewicht im Rate der Kurfürsten.
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    Drei Familien: Habsburg

    Die nächste Gelegenheit ergab sich für Rudolf, wenn er nach Savoyen blickte. Die dortigen Grafen waren Mitte des 13. Jahrhunderts ein mächtiges Geschlecht, ihr Oberhaupt Graf Peter hatte es zu Einfluss gebracht und saß sogar im Rate des englischen Königs, weil er auch über die Grafschaft Richmond herrschte. Peter strebte nach Höherem, nämlich einem Staat beiderseits der Westalpen, der die Pässe beherrschte (ähnlich wie das für Tirol in den Ostalpen galt). Der Graf von Savoyen hatte nicht weniger im Blick als die Kontrolle über ein Territorium, das vom Bodensee bis an die Ufer des Mittelmeeres reicht. Eine wichtige, wenn auch nicht sehr ruhmreiche Rolle in den Savoyers ehrgeizigen Plänen war den Grafen von Kyburg zugedacht.



    Sie beherrschten den gesamten Thurgau vom Bodensee bis Zürich und hatten überdies stattliche Besitzungen im Aargau und in Burgund. Dort berührte ihr Interessengebiet das der Grafen von Savoyen. Die Kyburger waren verwandt mit den Habsburgern: Rudolfs Mutter entstammte dem Kyburger Geschlecht. Das Oberhaupt der Kyburger, Graf Hartmann der Ältere, war der Oheim Rudolfs und ein kränklicher, schwacher Mann. Ihn einen Pantoffelhelden zu nennen, täte seiner gräflichen Würde Abbruch tun, doch stand der Kyburger zweifellos unter dem Joch seiner überaus energischen Ehefrau. Sie hieß Margareta und war eine Schwester Peters von Savoyen.



    Die Ehe Hartmanns mit Margareta war kinderlos geblieben, und man ahnt schon, was folgt. Denn nachdem auch Hartmanns Neffe jung gestorben war, war das Erlöschen des Hauses Kyburg im Mannesstamm nur noch eine Frage der Zeit. Margareta bestürmte – sicher im Sinne ihres Bruders Peter – ihren Mann, für ihr späteres Auskommen als Witwe vorzusorgen. Hartmann tat ihr den Gefallen und überschrieb ihr seinen gesamten Besitz bzw. bat König Richard um Übertragung seiner Lehen an Margareta.



    In Ruhe sterben konnte der alte Hartmann trotzdem nicht. Die Bürger seiner Stadt Winterthur rebellierten im Frühjahr 1264 und belagerten wohl sogar das Stammschloss der Kyburger. Hartmann sah nur die Möglichkeit, seinen kriegstüchtigen Neffen Rudolf von Habsburg um Hilfe zu rufen. Der hatte darauf anscheinend nur gewartet. Eilends kam er herbei geritten, erledigte das kleine Ungemach und forderte bei Hartmann sogleich seinen Anteil an der künftigen Erbschaft. Der wachsweiche Kyburger gewährte ihm diesen, und quasi zum Pfand behielt Rudolf die Stadt Winterthur in seiner Kontrolle. Noch im selben Jahr, am 27. November 1264, starb Hartmann, der letzte Kyburger.



    Es bedeckte ihn kaum das kühle Grab, da eilte Rudolf mit seinen Rittern und Reisigen auf den Plan und nahm so viel in Besitz, wie er sich gewaltsam nur aneignen konnte: Seinen versprochenen Erbteil (die Städte Frauenfeld und Diessenhofen, die Burgen Limmat und Wallensee) und noch mehr (den gesamten Thurgau, die Vogteien über Zürich und Glarus). Und das, obwohl Rudolf einen heiligen Eid geschworen hatte, Margaretas Besitzungen und Rechte nicht anzutasten. Mit dem Schutz von Witwen und Waisen hielt es der Habsburger also nicht so sehr. Margareta floh, wie vorauszusehen war, an den Hof ihres Bruders nach Savoyen und rief den Papst um Hilfe. Den König anzurufen, für Recht zu sorgen, erschien offenbar zwecklos, wegen Interregnum und so. Also erschien ein päpstlicher Legat bei Rudolf und forderte – aus sicherer Entfernung – schriftlich geführte Verhandlungen. Für den Habsburger, der des Schreibens und Lesens nicht mächtig war, ein lächerlicher Vorschlag. Wozu die Feder führen, wenn das Schwert mächtiger ist? Unverrichteter Dinge zog der Legat wieder nach Rom zurück. Das Schwert musste Rudolf nun auch gebrauchen, wenn er seinen Gewinn gegen Graf Peter von Savoyen, der aus Flandern zurückeilte, verteidigen wollte. Doch Rudolf hatte bereits vollendete Tatsachen geschaffen, nur den burgundischen Teil des Erbes konnte Peter retten. Daran änderte auch eine Schlacht nichts, von der nicht sicher war, ob sie ein Unentschieden bedeutete oder eine Niederlage für Rudolf. Die Savoyer mussten sich zu einem Vergleich bequemen, der Margareta einen nur bescheidenen Teil ihres geraubten Erbes sicherte - und selbst der sollte nach ihrem Tod an den Habsburger fallen.

    Mit diesem Coup, zusammengenommen mit dem Erfolg von Straßburg, hatte Rudolf seinen Machtbereich schlagartig vergrößert. Er war nun einer der bedeutendsten Territorialherren im Südwesten des Reiches, herrschte von Colmar im Elsass bis zum Vierwaldstätter See, von den Grenzen der Abtei Sankt Gallen im Osten bis nach Freiburg im Westen. Bedrohlich umklammerten seine Besitzungen das Bistum Basel, und auch die kleinen Adeligen im Thurgau und im Zürichgau bekamen Angst vor der geballten Macht und dem Landhunger des Habsburgers. Möglich war das nur, weil es keinen König gab, der ihn zur Ordnung rufen konnte. Rudolf nahm, wie die anderen Fürsten um ihn herum auch, was er kriegen konnte. Das Kyburger Erbe war eine Weichenstellung, es hob die Habsburger in eine neue Liga, während sich Savoyen nach dieser Geschichte nicht über den Status einer Regionalmacht erheben würde.

    Vermutlich hätte der Habsburger an diesem Punkt gerne einige Jahre Zeit gehabt, seine Territorialgewinne einzugliedern. Doch sein hoher Aggressionswert hatte zur Folge, dass sich in seiner Nachbarschaft eine gegen ihn gerichtete Koalition bildete. Seele dieser Koalition war der Graf Ulrich von Regensberg, der alle seine Verwandten zum Beitritt in das Bündnis überredete. Es erschien nicht ratsam, solange zu warten, bis Rudolf wieder zu Kräften kommen würde. 1266 wurde die Lage für Habsburg wirklich ernst, aber Zürich sprang Rudolf bei. Ein höchst ungleiches Paar, doch den Zürichern erschien Habsburg als das kleinere Übel. Rudolf hatte erkannt, dass er die Bürger nicht zum Feinde haben durfte und hatte sie weder mit Raub und Brand belästigt noch ihre Warentransporte überfallen. In einem Gefecht während dieser Fehde gegen Regensberg geriet Rudolf sogar in akute Lebensgefahr, als er vom Pferd stürzte. Wäre nicht der Ritter Rudolf Müllner aus Zürich herbeigeeilt, wäre es früh zu Ende gewesen mit Habsburgs Glanz und Gloria. Ein anderes Mal gelang es Rudolf nur dank der Information eines Spions, rechtzeitig vor einem Überraschungsüberfall der Regensberger zu fliehen.

    Kaum hatte sich Rudolf dieser Angriffe leidlich erwehrt, drohte ihm mit dem Abt von Sankt Gallen ein neuer, mächtiger Gegner. Der sah nämlich die Chance, Rudolfs – im Zuge der Aneignung des Kyburger Erbes - frechen Eingriff in seine Rechte rückgängig zu machen. Angesichts dieser Koalition stand es um Habsburg so schlecht, dass Rudolf dem Abt Frieden anbieten musste. Nur: Seine Dienstmannen, die sich jahrelang an das Plündern und Beutemachen gewöhnt hatten, stellten sich quer. Der Graf musste doch tatsächlich auf die Forderungen „seiner Belegschaft“ hören und sich ihnen beugen. Auch Zürich hatte ein Interesse am Fortgang der Fehde, sie wollten die Regensberger tüchtig in die Schranken weisen. Dies gelang einige Monate später, die regenbergische Festung Glanzenberg wurde durch eine Kriegslist Rudolfs erobert. Den Überrumpelten blieb nur die Kapitulation, Glanzenberg wurde von den Zürichern angezündet. Ähnlich erging es Ulrichs Raubschloss auf dem Ütliberg. Der Regensberger konnte der Stadt Zürich nie mehr gefährlich werden.

    Härteren Widerstand leistete der Graf von Toggenburg. Durch seine starke Feste Uznaberg am Südende des Zürichsees beherrschte er die Straße, die von Zürich südwärts führte nach Italien, und nutzte diese Lage auf seine Weise. Nicht genug, dass er die Warentransporte der Züricher Handelsherren überfiel, er vergriff sich auch an lombardischen Kaufleuten, die Rudolfs Geleitschutz erbeten hatten, und raubte sie gnadenlos aus. Eine solche Beleidigung konnte sich der Habsburger nicht bieten lassen, sein Ruf stand auf dem Spiel. Mit seinen Reisigen erschien der Graf vor dem Raubnest und belagerte es zwei Monate lang, ehe die Garnison ausgehungert aufgab. Für die Toggenburger bedeutete der Fall ihrer Burg ihr Ende als Landesherren.

    In diese Zeit (1267) fiel der Italienzug des letzten Staufers Konradin, der dem Anjou Karl das Königreich Sizilien entreißen wollte. Rudolf ließ sich den sicheren Durchzug von Konradins Heer durch sein Gebiet gut bezahlen und folgte Konradin bis nach Verona. Dort aber überlegte der Habsburger es sich anders: Das Heer des Staufers machte keine glänzenden Eindruck, Konradin gingen die Geldmittel allmählich aus. Nach Beratung mit einigen anderen Reichsfürsten entschloss sich Rudolf, nach Hause zurückzukehren und das Unternehmen des Staufers seiner ungewissen Zukunft zu überlassen. Als sich im folgenden Jahr 1268 Konradins bitteres Schicksal im fernen Unteritalien erfüllte, war der Habsburger längst wieder daheim. Er hatte den Staufern lange die Treue gehalten, ein weltfremder Phantast war Rudolf aber sicher nicht.
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    Die nächste Fehde Rudolfs begann noch im Jahre 1268 gegen das Bistum von Basel. Die Beziehungen waren schon länger belastet, verschlechterten sich aber noch, als der ehrgeizige Heinrich von Neuenburg (ein Vetter Rudolfs, siehe unten im folgenden Bild) auf den Bischofsstuhl gelangte.



    Im Straßburger Krieg hatten sie noch gemeinsam gefochten, nun wurden sie erbitterte Feinde und blieben es mehr als fünf Jahre lang. Zankapfel war wohl die Stadt Breisach, die Rudolf in den Wirren des Interregnums an sich gebracht hatte. Bischof Heinrich meldete Erbansprüche auf Breisach an, und Rudolf zeigte sich kompromissbereit – unter der Voraussetzung, dass er die Abtretung mit 1.000 Mark Silber bezahlt bekommt. Der Bischof zahlte schließlich 900 Mark und erhielt dafür Breisach. Doch der Habsburger gab danach keine Ruhe, „belästigte“ den Basler ungebührlich und erhielt weitere 100 Mark, auf dass er Ruhe geben sollte. Ein Jahr lang hielt sich der Habsburger daran, dann beunruhigte er den Bischof erneut (der gab ihm weitere 100 Mark), im Jahr darauf das gleiche Spiel (der Bischof zahlte ihm noch einmal 100 Mark). Im dritten Jahr forderte Rudolf aber 200 Mark, weil er Schulden hatte. Dieses Geld verweigerte ihm Heinrich von Basel schließlich, worauf Rudolf von Habsburg seinen Cousin nach Kräften zu befehden begann. Raue Sitten am Oberrhein, für Rudolf war Erpressung, nichts anderes war das, ein legitimes Mittel der Politik.



    Den Habsburger trieben allerdings nicht nur finanzielle Nöte dazu, gegen Basel zu agieren. Das Territorium des Bistums schob sich territorial wie ein Keil zwischen die Habsburger Gebiete im Elsass und in Oberschwaben. Es lag auf der Hand, dass Rudolf nach Arrondierung strebte, also eine Landverbindung herzustellen. Umgekehrt wollte Heinrich von Basel ein mächtiges geistliches Fürstentum am Oberrhein schaffen, wie ein Jahrzehnt zuvor der Bischof von Straßburg es beabsichtigt hatte. Dazu brauchte er auch solche Städte und Burgen, die dem Habsburger gehorchten. Eigentlich hatten beide kein Anrecht auf Orte wie Colmar, Breisach und Mühlhausen, denn das waren ja Reichsstädte, die dem König direkt unterstanden. Dem Papier nach, denn es gab keinen mächtigen König mehr, der sein Recht durchgesetzt hätte. Die Fehde spielte sich mit den bekannten üblichen Ereignissen ab: Burgen brechen, Städte abbrennen, Reliquien stehlen, die einfache Bevölkerung ausrauben und ermorden.

    Was Rudolf voranbrachte, war nicht allein kriegerisches Handwerk. Er verstand es auch, einen Zwist innerhalb der Basler Bürgerschaft geschickt für sich zu nutzen. In Basel bekämpften einander die Parteien der Psittiche und der Sterner, und Rudolf wusste haargenau, dass er in dieser Sache an seinem spärlichen Schatz nicht sparen durfte. Mit Bestechungsgeldern befeuerte er die Unruhen zu seinen Gunsten. Kurz: Der Ring um Bischof Heinrich zog sich immer enger zusammen. In der Nacht auf den 25. August 1272 ging Basels nördliche Vorstadt vor dem Kreuztor in Flammen auf, ohne dass es der Bischof hindern konnte. Rudolfs Mannen hatten den Brand gelegt, aber einnehmen kann der Habsburger die Stadt nicht ohne weiteres. Angesichts des nahen Winters erschien eine Belagerung zu langwierig. Doch im darauf folgenden Frühjahr 1273 stand Rudolf wieder vor Basel und jetzt meinte er es ernst mit der Belagerung. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Bischof Heinrich würde aufgeben müssen. Der Sieg über Basel würde ein miteinander verbundenes Habsburger Territorium entstehen lassen, endlich jenes mächtige Staatswesen, das Rudolf all die Jahre angestrebt hatte, von Straßburg bis zu den Alpen reichend. Doch es kam anders.
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    Königswahl

    Um den 20. September 1273 erschien Burggraf Friedrich von Nürnberg (ein Hohenzollern) in Rudolfs Lager. Er brachte ihm das Angebot der Kurfürsten, das Amt des Königs zu übernehmen. Rudolf war nicht der Mann, eine solch verlockende Offerte auszuschlagen. Was für Möglichkeiten sich da auftaten, in noch größerem Maße fortzuführen, was er bisher schon erfolgreich betrieb! Mit dem Bischof von Basel schloss Rudolf einen Waffenstillstand. Herr Heinrich konnte die überraschende Wendung kaum fassen. Erleichterung, Ärger, aber auch Bewunderung für den Rivalen schwangen mit, als er ausrief: „Herr im Himmel sitze fest, sonst nimmt Dir dieser Rudolf auch noch Deinen Platz weg!“

    Wäre es nach der Mehrheit der deutschen Fürsten gegangen, hätte Deutschland wohl noch eine lange Zeit ohne einen starken und rechtmäßig gewählten König auskommen müssen. Von den beiden Schattenkönigen des Interregnum war der eine, Richard von Cornwall, im Jahr 1272 gestorben, nachdem er familiärer Zwistigkeit wegen einige Zeit in den Verliesen des Londoner Towers geschmachtet hatte. Der andere, Alfons von Kastilien, war vergessen. Den Fürsten und Herren gefiel dieser Zustand der Anarchie recht gut, wo jeder tun und lassen konnte, was er wollte, solange er nicht einem Mächtigeren in die Quere kam. Für diese großen Potentaten war die kaiserlose, schreckliche Zeit gar so schrecklich nicht, sie hatten sogar Vorteile davon. Kräftig hat sich zum Beispiel Rudolf von Habsburg in jenen wilden Jahren bereichert, wobei seine Mittel, um es vorsichtig zu formulieren, nicht immer rechtens waren und schon gar nicht moralisch einwandfrei. Keine Reichsoberhaupt hatte ihn daran gehindert, die Reichsstädte Colmar und Mühlhausen in Besitz zu nehmen, niemand war ihm in den Arm gefallen, als er die savoyische Margareta gewaltsam um ihr Witwengut und seine Nachbarn an den Bettelstab brachte. Kein Richter hat ihn je zur Verantwortung gezogen, weil seine Krieger Klöster niederbrannten und Gehöfte und die Hufe ihrer Pferde die Ernte auf den Feldern niedertrampelten, so dass die Landsleute in Hunger und Elend verkamen. Die Fürsten und Herren maßen mit anderen Maßstäben. In ihren Augen war der Habsburger ein durchaus ehrenwerter Mann, da sie es doch selber, sofern sie konnten, genauso trieben.

    Nach dem ruhmlosen Tod Richards von Cornwall war die Krone des Reiches verwaist. Es gab einige Fürsten, die sie sich gerne aufs Haupt gesetzt hätten, der mächtige Przemysl Ottokar zum Beispiel; der war aber den anderen zu mächtig. Vorbei wäre es gewesen mit all der schönen fürstlichen Libertät, wenn erst der Böhme mit harter Hand über ganz Deutschland regiert hätte. Dass er dies konnte, hatte er unlängst im Herzogtum Steiermark eindrucksvoll bewiesen, als er in einer energischen Aktion die Burgen der unzufriedenen Adeligen brach, einen der Aufrührer sogar hinrichten ließ und von den glimpflicher Davongekommenen Geiseln forderte, damit sie künftig seinen Anordnungen gefügiger waren. Der grausame König Ottokar (Pfeil 1) war in den Augen der Fürsten also nicht der rechte Kandidat.



    War es der Wittelsbacher Ludwig (Pfeil 2), Pfalzgraf bei Rhein? Der führte den Beinamen „der Strenge“, und trug um seinen Hals als eine Art Wahrzeichen eine prächtige Kette mit einem Herzen aus Gold daran, das von einem Dolche durchbohrt war. Das seltsame Schmuckstück diente dem Grafen nicht als Befriedigung seiner Eitelkeit, sondern sollte ihn stets an das Furchtbare gemahnen, das vor Jahren auf seiner Burg Mangoldstein in Baiern geschehen war. Rasend vor Eifersucht hatte er dort seine junge Gemahlin enthaupten lassen. Als sich zu spät deren Unschuld herausstellte, war Ludwig ein gebrochener Mann. Das Haar des noch nicht 30jährigen soll damals über Nacht ergraut sein. Er tat Buße für seine blindwütige Eifersucht und den Justizmord an seiner unschuldigen Gemahlin, und stets wollte er an seine schwere Sünde erinnert sein. Deswegen die goldene Kette. Auch ein Kloster stiftete der reuige Mann zur Sühne für seine Missetat, wofür jedoch auch seine Untertanen kräftig zu zahlen hatten, die ja auf keinen Fall mitschuldig waren am grausamen Schicksal der Maria von Brabant. Doch Ludwig war nicht nur ein Büßer, sondern auch ein Geschäftsmann von Rang. Einst hatte sich der junge Konradin die Unterstützung des Wittelsbachers durch immer neue Verpfändungen staufischen Hausguts teuer erkaufen müssen. Diese Güter am Lech und in Franken nahm Ludwig nach der Katastrophe Konradins vollends in Besitz, was ihn zwar zum reichsten weltlichen Potentaten in Deutschland machte, zu reich und mächtig jedoch für seine Mitfürsten, die ihn deshalb nicht zum König wählen mochten, wie sehr der Pfalzgraf auch nach dieser Würde strebte.



    Sogar der grimmige Karl von Anjou, Sieger über die Staufer, Herr über Neapel und Sizilien und vom Papst mit dem Ehrentitel Senator ausgezeichnet, gedachte, in die deutschen Thronwirren sich einzumischen. Als Kandidaten hatte er seinen jungen Neffen Philipp im Auge, den Sohn des frommen Königs Ludwig von Frankreich, der unlängst auf einer Kreuzfahrt vor der Stadt Tunis ums Leben gekommen war.



    Das Kaisertum, schrieb der Senator seinem Neffen nach Paris, sei für einen König von Frankreich ein erstrebenswertes Ziel sei gar nicht so schwer zu erreichen: Man müsse nur die Kirche für sich gewinnen und in paar deutsche Fürsten, die Geldmittel seien vorhanden.



    Die „paar deutschen Fürsten“, die es mit Geld für die französische Kandidatur zu gewinnen galt, waren die sieben Kurfürsten (Pfeile 1 bis 7), Inhaber der Erzämter des Reiches, drei geistliche, die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, und vier weltliche, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen, dessen Kurrecht aber strittig war. Das Kurfürstentum als Institution war noch nicht alt, es hatte sich allmählich erst in den letzten Jahrzehnten herausgebildet. Bei der Wahl des jungen Staufers 1237 in Wien war von Kurfürsten noch keine Rede gewesen, damals hatten noch alle Fürsten gemeinsam den König gewählt, ein Recht, das jetzt die Kurfürsten als „principes electores“ allein für sich in Anspruch nahmen. Rasch setzte sich diese Rechtsmeinung durch, schon 1260 hatten die Bürger der alten Krönungsstadt Aachen die Fassade ihres Rathauses mit den Statuen der sieben Kurfürsten geschmückt.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  12. #282
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    Drei Familien: Habsburg

    Die sieben Wähler des Jahres 1273 waren unter sich nicht eins. Sie hätten wohl noch so manchen Monat, vielleicht auch Jahre auf der Suche nach einem ihnen allen genehmen Kandidaten verstreichen lassen, wären sie nicht von anderer Stelle energisch zur Eile gemahnt worden. Der Papst selber war es, der die Deutschen aufforderte, endlich einen König zu wählen. Inhaber des Stuhles Petri war seit dem Jahr 1271 Tebald Visconti, vormals Archidiakon von Lüttich, der den Namen Gregor X. angenommen hatte, ein weitgereister, welterfahrener Mann, durch sein früheres Amt auch mit den Verhältnissen nördlich der Alpen wohl vertraut.



    Der neue Papst war von dem Gedanken beseelt, die ganze Christenheit zu vereinen für einen Kreuzzug zur Befreiung des Heiligen Landes. Wie einst Barbarossa die christliche Ritterschaft um sein Banner geschart hatte, so sollte auch jetzt ein Kaiser der neue Führer dieses gewaltigen Unternehmens sein. Deswegen das große Interesse Gregors, dass die Deutschen endlich einen König wählten, denn nur dieser konnte nach altem Herkommen die Kaiserkrone empfangen, die ihm als eine Art Oberhaupt des Abendlandes und Schutzherrn der Christenheit legitimierte. Ein Jahr lang wartete der Papst vergeblich auf die Nachricht von einer deutschen Königswahl, dann entschloss er sich zu handeln. Anfang August 1273 erging der päpstliche Appell an die Kurfürsten, endlich ihre Pflicht zu tun und dem Reich einen Herrscher zu geben. Sollten sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, dann werde er, Papst Gregor, mit seinen Kardinälen für ein geeignetes Reichsoberhaupt sorgen.

    Diese Drohung wirkte Wunder. Hektisch berieten die rheinischen Kurfürsten im Spätsommer 1273, der Pfalzgraf Ludwig, Werner von Mainz und seine geistlichen Kollegen aus Köln und Trier. Einen von der Kurie ihnen aufgezwungenen Kandidaten wollten sie denn doch nicht haben. Der möglichen Bewerber waren aber nicht viele. Ottokar von Böhmen stand nicht zur Diskussion. Zwar hatte ihn Engelbert von Köln das Jahr zuvor in Prag aufgesucht, doch nicht, wie das Gerücht ging, um ihm die Krone anzutragen, sondern um zu sondieren, ob der Böhme wohl zu einer einmütigen Königswahl sein Einverständnis geben würde. Der Erzbischof war von seiner Mission mit leeren Händen heimgekommen. Eine Wahl, an der Ottokar sich beteiligte, musste ihn zum König machen, keinen anderen, sonst mochten sie sehen, wie sie ohne ihn auskamen. Anfang September musste auch der Pfalzgraf Ludwig schweren Herzens einsehen, dass für ihn sich eine Mehrheit im Kurfürstenkollegium nicht finden ließe, obwohl noch ein paar Wochen zuvor der einflussreiche Werner von Mainz ihm seine Stimme versprochen hatte. Guter Rat war jetzt teuer, denn im Hintergrund stand die Drohung des Papstes, dass er von sich aus einen König bestimmen werde. Würde er sich am Ende für den Böhmen aussprechen, der ja mit der Kurie bekanntermaßen im besten Einvernehmen stand? Ein Kompromisskandidat musste her, der sowohl dem Papst als auch den Städten genehm wäre, denn diese, Mainz und Frankfurt an der Spitze, hatten erklärt, sie würden bei zwiespältiger Wahl keinen Bewerber und überhaupt nur einen einmütig Gewählten als König anerkennen.

    Es gab kam noch Männer königlichen Geblüts. In Thüringen lebte ein Enkel Friedrichs II., der Sohn der Kaisertochter Margarete, Friedrich der Freidige genannt, doch diesen Sprössling hätte die Kurie niemals als König anerkannt. Ein Stauferspross, ein Abkömmling des „Natterngezüchts“, und wäre er ein noch so entfernter Verwandter gewesen, kam für den Papst nicht in Frage.



    Ein paar Wochen lang war dann noch der Graf Siegfried von Anhalt im Gespräch, ein farbloser Mann, doch auch er fand keine allgemeine Zustimmung. Da stellte in der ersten Septemberwoche angeblich der Burggraf von Nürnberg den Namen Rudolf von Habsburg zur Diskussion. Der Habsburger war den Kurfürsten kein Unbekannter, seine Kriegstaten forderten Respekt, und Erzbischof Werner mochte sich noch an seine beschwerliche Romreise vor 13 Jahren erinnern, bei der ihm der Graf das Geleit gegeben hatte. Auch Pfalzgraf Ludwig kannte den schwäbischen Herrn von Verona her, als sie gemeinsam im Heere Konradins gedient hatten. Dann war es aber einer unbekannten Sache wegen zu einer Verstimmung zwischen den beiden Herren gekommen, doch der Pfalzgraf erklärte sich bereit, diesen Streit zu begraben. Es sprachen einige Gründe für die Wahl des Habsburgers. Vor allem war er, wenngleich keineswegs arm, doch längst nicht so mächtig wie der Böhmenkönig, so dass er die fürstliche Libertät kaum würde gefährden können. Außerdem war er, obwohl robust und von guter Gesundheit, doch schon ein Mann von 55 Jahren, ein Alter, dass damals viele gar nicht erreichten. Wählte man einen Jüngeren zum König, würde man mehrere Jahrzehnte mit ihm auskommen müssen. Es war nicht abzusehen, dass Rudolf fast zwei Jahrzehnte Zeit haben würde, um seine Herrschaft zu konsolidieren. Eine Kompromisslösung also war Rudolf von Habsburg, ein Übergangskandidat, der jetzt einmal ein paar Jahre unter der Aufsicht der Kurfürsten sein Glück versuchen sollte.

    Der Burggraf von Nürnberg wurde zu Rudolf gesandt, um ihm die überraschende Botschaft der Kurfürsten zu überbringen: „Die Wahlfürsten tun Euch kund: wenn Ihr Eure Töchter diesen und jenen Herren vermählen wollt, so werden sie Euch zum König der Römer wählen.“ Rudolf antwortete: „Dies und alles andere werde ich erfüllen.“ Da zeigte der Bote allen den Bestätigungsbrief, und alle brachen in Jubel aus und riefen: „Lang lebe der König!“



    Selbst in diesem feierlichen Augenblick handelte der Habsburger rasch und umsichtig: Abschluss eines Waffenstillstands mit dem Bischof von Basel, Verkünden einer Amnestie, die auch den Gefangenen die Freiheit brachte, die schon gut ein Jahrzehnt in habsburgischen Verliesen schmachteten; Zustimmung zur Verlobung seiner Töchter mit dem Pfalzgrafen und dem Herzog von Sachsen, eine Bedingung, die ihm die Kurfürsten gestellt hatten, um ihn leichter lenken zu können. Es musste ja einer König werden, der ihnen das in den letzten Jahrzehnten erworbene Reichsgut, für dessen Besitz sie kaum gültige Rechtstitel hätten vorweisen können, nicht wieder streitig machte. Den mächtigen Böhmen im Südosten, der durch seine geballte Übermacht ihre Interessen bedrohte, sollte der neue König in die Schranken weisen, die Kurfürsten aber in Ruhe lassen, und als königliche Schwiegersöhne würden sie in dieser Beziehung nichts zu fürchten haben.

    Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde, dass der Graf von Habsburg zum König bestimmt sei. Städte, die ihm zuvor feindlich waren, Rheinfelden, Neuenburg, Breisach, öffneten ihm die Tore, selbst Basel, das so sehr unter seinen kriegerischen Unternehmungen gelitten hatte, bereitete ihm einen ehrenvollen Empfang. Die Reise den Rhein hinab zum Wahlort Frankfurt gestaltete sich zum Triumphzug. Der hagere, asketische Mann aus Schwaben verkörperte mit einem Male die Sehnsucht Tausender nach Frieden und einem geordneten Zusammenleben, die Hoffnung auf ein Ende der kaiserlosen, schrecklichen Zeit. Dass er selber kräftig dazu beigetragen hatte, dass diese Zeit so schrecklich war, spielte jetzt keine Rolle mehr. Am Michaelstag, dem 29. September 1273, hielten die Kurfürsten mit großem Pomp Einzug, am prächtigsten der Erzbischof von Trier, sein Gefolge wurde auf 1800 Ritter und Knappen geschätzt. Es war auch ein Gesandter des Böhmenkönigs erschienen, der Bischof von Bamberg, er erhob Einspruch gegen die bevorstehende Wahl.



    Da aber Einstimmigkeit sein sollte und die geheiligte Siebenzahl des Kollegiums nicht angetastet werden durfte, zog man den Herzog Heinrich von Niederbaiern hinzu, der auch bei der Wahl Richards von Cornwall anno 1257 mitgestimmt hatte. Der Herzog aber war nicht in persona anwesend, sein Bruder, der Pfalzgraf, übte das Stimmrecht für ihn aus und gab deshalb gleich zwei Stimmen ab, ein Verfahren, das man schon von früheren Königswahlen her kannte.

    Auf die Kunde des Burggrafen von Nürnberg, Rudolf harre im nahen Dieburg der Wahl, schritten die Kurfürsten am Sonntag, den 1. Oktober 1273, zur feierlichen Handlung. Einstimmig gaben sie ihr Votum für den Grafen von Habsburg ab und einigten sich dann auf den Pfalzgrafen Ludwig, damit er in aller Namen die Wahl vollziehe. Der Pfalzgraf erhob sich und sprach: „Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit mit Willen aller Kurfürsten verkünde und wähle ich den Grafen Rudolf von Habsburg zum römischen König.“ Am folgenden Tag hielt der Erwählte feierlich Einzug in der Stadt Frankfurt und nahm die Huldigung der Fürsten und des Volkes entgegen. Der Erzbischof von Mainz las ein festliches Hochamt im Münster, daran sollte sich die Belehnung der Kurfürsten anschließen. Da gewahrte man zur allgemeinen Bestürzung, dass auf ein Zepter vergessen worden war, ein übles Vorzeichen, denn eine Belehnung ohne Zepter war nach den Rechtsanschauungen der Zeit ungültig. Doch der neue König war um einen Ausweg nicht verlegen: „Dieses Zeichen“, rief er, „durch welches wir und die ganze Welt erlöst worden, soll unser Zepter sein!“ Und unter tosendem Beifall der Umstehenden nahm er die Belehnungszeremonie vor. Dann sprach der König zum erwartungsvoll lauschenden Volk: „Heute will ich all denen jegliche Schuld nachsehen, die mir geschadet haben; alle Gefangenen sollen frei sein, die in meinen Kerkern schmachten, und ich gelobe, von nun an ein Schirmer des Landfriedens zu sein, wie ich bisher ein unersättlicher Kriegsmann gewesen.“

    Am Dienstag,dem 24. Oktober 1273, fand in Aachen die feierliche Krönung statt, der Höhepunkt seines Lebens. Der Erzbischof von Köln salbte ihn und setzte ihm die Bügelkrone aufs Haupt, die vor ihm so viele bedeutende Herrscher des Reichs getragen hatten. Jetzt fühlte er sich ihnen zugehörig. Er, der Graf aus Schwaben, war jetzt der legitime Nachfolger eines Barbarossa, eines Friedrich II., dem er selber einst treu gedient hatte. An Friedrich II. wollte er anknüpfen, der Institution des Königtums wieder zu Glanz und Ansehen verhelfen, die es einst unter diesen Herrschern gehabt. Über dem Münster stand während der Krönung eine Wolke in Kreuzesform, und spontan gelobte Rudolf, das Kreuz zu nehmen, bei aller Emotion dieses Tages ein wohlberechneter Schachzug. Einem Kreuzfahrer würde der Papst die Anerkennung schwerlich verweigern können.

    Nur das Königsmahl musste leider um einen Tag verschoben werden, weil die Erzbischöfe von Köln und Mainz sich nicht einigen konnten, wem der beste Platz an des Königs Seite gebührte. Auf inständiges Zureden Rudolfs gab der besonnenere Werner von Mainz schließlich nach und begnügte sich mit dem Stuhl neben der Königin, nicht ohne sich aber feierlich verbriefen zu lassen, dass dieses einmalige Nachgeben seinen und seiner Kirche Rechten keinerlei Abbruch tun sollte. So walteten denn um einen Tag verspätet die Kurfürsten nach altem Brauch ihrer Ämter als Truchsess, Kämmerer und Marschall. Das Schenkamt aber, das dem König von Böhmen zugekommen wäre, übte aushilfsweise der Schenke des Erzbischofs von Köln, ein Wermutstropfen in der allgemeinen Festfreude, denn augenfällig wurde Rudolf daran erinnert, dass sein Königtum keineswegs nur begeisterte Zustimmung hervorrufen würde, sondern auch erbitterte Feindschaft.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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    Drei Familien: Habsburg

    Marsch auf Wien

    Sie hatten nicht viel gemeinsam, der strahlende, stolze König Ottokar, und der Emporkömmling aus Schwaben, den die Kurfürsten mangels eines geeigneteren Kandidaten zum König gemacht hatten. Nicht einmal Reichsfürst war Rudolf von Habsburg gewesen, ehe er die Stufen zum Königsthron erklomm. Zuvor dürfte der Böhmenkönig von Rudolf vor dessen Königswahl keine Notiz genommen haben, eilends erkundigte er sich, was für ein Mann „der schwäbische Graf“ denn sei, denn in seiner Gegenwart durfte niemand einen König nennen. Ein Gemisch von Hochmut und Hass waren die Gefühle, die der Przemyslide dem Habsburger entgegenbrachte, dem armen Grafen, wie er ihn geringschätzig zu nennen beliebte, den der Bettelsack drückte. In diesem Sinne schrieb Ottokar an den Papst Gregor, klug die Wunschträume des Heiligen Vaters für seine Zwecke nutzend. Wie sollte dieser schäbige kleine Adelige der Führer des Abendlandes gegen die Ungläubigen werden, der kein Geld hatte, keine Verbindungen, der alles in allem unwürdig war für dieses hohe Amt. Wieder so ein Schattenkönig, wie man sie schon genug kannte seit Wilhelm von Holland, Richard von Cornwall und Alfons von Kastilien? Er, Ottokar, würde einen Kreuzzug unternehmen ins Heilige Land, wenn ihm der Papst für sechs Jahre den Besitz seiner Länder garantieren könne.



    Der Papst zögerte in der Tat sehr lange, Rudolf von Habsburg anzuerkennen. Unermüdlich arbeitete Rudolfs Vertrauter Heinrich von Isny daran, seinen Herrn ins rechte Licht zu rücken. Das tat er mit seinem souverän diplomatischen Auftreten gegenüber Papst und Kardinälen, und wohl auch mit Handsalbe. Ein übriges taten die unterwürfigen Briefe, die Heinrich im Namen seines Herrn überbrachte. Dem Papst gefielen solche demütigen Zeilen, sie klangen ganz anders als zu Zeiten Friedrichs II. Wenn sich Gregor die Sache genau überlegte, konnte Rudolf von Habsburg doch der rechte Mann sein. Natürlich ließ sich der Papst von Rudolf zusätzlich schwören, die Kirche nie in ihren Interessen zu schädigen und vor allem niemals die von den Päpsten so gefürchtete Vereinigung Siziliens mit dem Reich anzustreben. Der Habsburger leistete diesen Eid leichten Herzens, erkannte er damit doch nur das an, was eh längst Realität war. Fürsten und Päpste hatten fast ein Menschenalter lang Zeit gehabt, die Macht des Königtums zu untergraben. Die universale Politik, die einst die Staufer betrieben hatten, konnte sich ihr Nachfolger nicht mehr leisten. Wie sollte einer, der bei der kleinsten Amtshandlung von der Zustimmung der Kurfürsten abhängig war, nach der Eroberung Siziliens streben? Rudolf verzichtete auf die alten Reichsrechte in Italien, sie durchzusetzen lag sowieso außerhalb des für ihn Möglichen.

    Nachdem Ottokar nicht bei der Belehnungszeremonie erschienen war, wartete Rudolf die Frist von einem Jahr ab, die dem Böhmenkönig zum Empfang seiner Lehen offenstand. Dann schritt er zur Tat: Einberufung eines Reichstages nach Nürnberg für den Martinstag, den 11. November 1274, Erscheinen des Königs mit starker bewaffneter Macht, denn man musste einen Anschlag Ottokars aus dem nahen Böhmen fürchten. Es folgte die feierliche Frage Rudolfs an die versammelten Fürsten, wer Richter sein solle, wenn der römische König wider einen Reichsfürsten eine Klage vorzubringen habe. Die Versammlung antwortete, dass dieses Recht nach altem Herkommen dem Pfalzgrafen bei Rhein zustehe. Und so wurde ein Tribunal gebildet, bei dem Rudolf vor dem Vorsitzenden Pfalzgraf Ludwig als Kläger gegen Ottokar von Böhmen auftreten konnte. Im Ergebnis wurde Ottokar der Verlust aller Reichslehen angedroht, wenn er sich nicht am 23. Januar des nächsten Jahres in Würzburg vor dem Gericht einfinden würde. Mit Ottokars Erscheinen rechnete natürlich niemand ernsthaft.

    Die für Rudolf recht erfolgreiche Versammlung zu Nürnberg klang aus mit einer prächtigen Hochzeitsfeier. Des Königs ältester Sohn Albrecht heiratete Elisabeth von Görz-Tirol, eine hochpolitische Verbindung. Das Mädchen, das man dem 20jährigen Albrecht ins Bett legte, mochte kaum zwölf Jahre gezählt haben. Das vorgeschriebene Beilager dürfte sich also in einer symbolischen Handlung beschränkt haben, in der der Bräutigam in voller Rüstung sich neben seine künftige Ehefrau legte und ihre Schenkel flüchtig berührte. Damit galt die Ehe als vollzogen.



    Wie auch immer, entscheidend war der politische Wert dieser Verbindung mit Graf Meinhard von Görz. Der war der südwestliche Nachbar Ottokars, seine Gebiete grenzten an das Herzogtum Kärnten, das der Böhme besetzt hielt und sich nicht darum kümmerte, dass Rudolf das Land längst dem schwachen Philipp von Sponheim verliehen hatte. Ottokar war sicherlich alarmiert von diesem Bündnis, war sich seiner eigenen Stärke aber bewusst und fühlte sich der Koalition seiner Gegner überlegen. Die Ladung für den 23. Januar 1274 nach Würzburg ignorierte er. Sein Standpunkt war sogar verständlich: Wo waren der König, wo das Reich gewesen, als er Österreich und die Steiermark gegen die grausamen Überfälle der Magyaren verteidigt hatte? Als gleichsam herrenloses Gut hatte Ottokar einst die Länder in Besitz genommen und dort Ordnung geschaffen. Sein böhmisches Reich war seine eigene Schöpfung, die er sich von dem Habsburger nicht zerschlagen lassen wollte. Wie Rudolf hatte Ottokar immer lieber auf die Macht als auf das Recht vertraut - und damit auch recht behalten.

    Ottokar erschien der Schattenkönig Alfons von Kastilien als nützliche Schachfigur gegen Rudolf. Er bestärkte Alfons in seiner Haltung, der rechtmäßige König des Reiches zu sein und ermunterte ihn, mit einem Heer in Oberitalien zu landen. Vergeblich forderte der Papst daraufhin Rudolf auf, seinerseits Truppen über die Alpen zu schicken, um Alfons in die Schranken zu weisen. Der Habsburger antwortete mit der Bitte um ein Darlehen. Es war letztlich das Werk Gregors, Alfons auf diplomatischem Wege von der Aussichtslosigkeit seines Thronanspruchs zu überzeugen, der kastilische König zog sein Heer schließlich ergebnislos aus Italien zurück und kehrte in seine Heimat zurück. Nach diesem Eingreifen des Papstes erst leisteten die oberitalienischen Städte Rudolf den Huldigungseid. Mehr als eine formelle Anerkennung war das nicht. Es war jedoch zumindest die Grundlage für Rudolfs Plan, nach Rom zu ziehen und die Kaiserkrone zu empfangen.

    Ein Treffen mit dem Papst in Lausanne (Oktober 1275) ließ den Habsburger hoffen, dass die Kaiserkrönung bald stattfinden könnte. Rudolf leistete dem Papst artig alle gewünschten Zusagen – all jene, die frühere Herrscher wie Barbarossa und Friedrich II. sich stets gesträubt hatte, sie abzugeben – und bekam von Gregor sogar ein Darlehen von 12.000 Mark, um den Zug nach Rom unternehmen zu können. Aber selbst das reichte für den König angesichts seiner klammen Kassen nicht. Außerdem gab es in Süddeutschland einige Probleme unter den Fürsten, die Rudolfs Präsenz ratsam erschienen ließen. Schweren Herzens musste Rudolf seinen Plan mit Rom verschieben. Es sollte ein Vertagen auf längere Zeit werden, denn am 10. Januar 1276 starb Gregor X. plötzlich. Aus war es mit Gregors Kreuzzug- und Rudolfs Kaiserplänen. Das Heilige Land sollte nicht mehr zurückerobert werden, die letzten Bastionen der Kreuzritter sollten zwanzig Jahre später in die Hand der Muslime fallen. Der Nachfolger auf dem Heiligen Stuhl wurde Innozenz V., ein Mann der französischen Partei an der Kurie und Freund des mächtigen Karl von Anjou (der kein Interesse an einem starken Kaiser hatte, der ihm Sizilien streitig machen könnte). Daher befahl der neue Papst dem Habsburger, keinesfalls nach Rom zu kommen, bevor nicht der Status Siziliens und der von der Kirche beanspruchten Romagna geklärt seien. Für Rudolf von Habsburg war jetzt klar, dass er sich besser erst einmal um das Problem mit Ottokar von Böhmen kümmern sollte.

    Die Situation im Südosten des Reiches war insofern günstig für Rudolf, weil die meisten dortigen Adeligen unter der strengen Herrschaft Ottokars stöhnten. In Österreich und Steiermark hatte der Böhme kaum Rückhalt unter den Fürsten, war bei den Bürgern jedoch sehr beliebt. Rücksichtslos hatte der Przemyslide nämlich die widerrechtlich errichteten Burgen des Adels gebrochen, die Anführer der Raubnester eingekerkert oder hingerichtet. Für die Bürger war das eine Befreiung, fleißige und gehorsame Kaufleute und Handwerker konnten zufrieden sein mit Ottokars strengem Regiment. Rudolf von Habsburg ging den streng legalen Weg, um Ottokar möglichst ins Abseits zu stellen. Eine letzte Ladung für den Mai 1275 scheiterte, es gab keine Einigung mit dem arrogant auftretenden Gesandten Ottokars. Endlich konnte Rudolf gegen Ottokar den ersehnten Beschluss fällen lassen: Ottokar wurden wegen nachgewiesenem Ungehorsam und unterlassener Lehensnahme seine Reichslehen Böhmen und Mähren samt Kurwürde aberkannt, dazu Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain, die Windische Mark und das Egerland als dem Reiche heimgefallenes und entfremdetes Gut.



    Die Kurwürde verlieh Rudolf sogleich dem niederbairischen Herzog Heinrich, ein kluger Zug. Denn der Wittelsbacher hatte zuvor Ottokars Partei zugeneigt. Mit Geld hatte der Habsburger ihn nicht locken können, doch angesichts der verlockenden Kurwürde wechselte Herzog Heinrich die Seiten. Mit diesem Schritt verprellte Rudolf zwar den Pfalzgrafen Ludwig, der seinem verhassten Bruder Heinrich den Erfolg nicht gönnte, aber Rudolf schätzte korrekt ein, dass er den vorläufigen Unmut seines Schwiegersohns in Kauf nehmen konnte. Ottokar wurden den Beschluss der Reichsversammlung im Juni 1275 in Wien übergeben. Natürlich wies der ihn brüsk zurück, wie sollte er auch seiner eigenen Entmachtung zustimmen. Es war klar, dass das Schwert nun entscheiden musste.



    Nahe beieinander lagen zu Rudolfs Zeiten Freude und Leid, Glück und Unglück, Geburt und Tod. Am Valentinstag, dem 14. Februar 1276, gebar Königin Anna ihr zehntes Kind, einen Sohn, der auf den Namen Karl getauft wurde. Nie zuvor hatte ein Habsburger diesen stolzen Namen getragen, der an die glorreichen Zeiten des fränkischen Reiches erinnerte. Die Hoffnungen, die Rudolf in den Jungen gesetzt haben mochte, erfüllten sich aber nicht. Das Kind starb schon nach wenigen Wochen. Ein Monument aus rotem Sandstein bezeichnet noch heute die Stelle im Münster von Basel, wo der erste Purpurgeborene habsburgischen Geblüts seine letzte Ruhestätte fand. Werfen wir bei dieser Gelegenheit einen Blick auf Rudolfs Nachkommen, wie sie sich 1276 darstellen:

    Rudolf I. (*1218) oo Gertrud, genannt Anna (*1225)
    1. Mathilde (*1253) – wurde verheiratet mit dem Kurfürst Ludwig II. von der Pfalz (*1229)
    2. Albrecht (*1255) – wurde verheiratet mit Elisabeth von Görz (*1262)
    3. Katharina (*1256) – wurde verheiratet mit Herzog Otto III. von Niederbaiern (*1261)
    4. Gertrud (*1257) – wurde verheiratet mit Herzog Albrecht II. von Sachsen (*1250)
    5. Heilwig (*1259) – wurde verheiratet mit Markgraf Otto IV. von Brandenburg (*1238)
    6. Klementia (*1262) – wurde verheiratet mit Charles Martell von Ungarn (*1271)
    7. Hartmann (*1263) – ledig
    8. Rudolf (*1270) – ledig
    9. Guta (*1271) – ledig
    10. Karl (*1276) – 1276 gestorben



    Wer in einer Partie den Aufstieg der Habsburger nachspielen möchte: mit diesen Ehen ging Rudolf die entsprechenden Bündnisse ein bzw. erhoffte er sie sich.

    Bei der Beisetzung seines Sohnes Karl war der König nicht persönlich zugegen. Er versuchte zu dieser Zeit, eine Allianz gegen Ottokar zu schmieden. Dazu musste er im Streit zwischen den Wittelsbacher Brüdern vermitteln, schickte einen Boten nach Ungarn, um dort den König Ladislaus daran zu erinnern, dass Ottokar ihr gemeinsamer Feind sei. Dem Habsburger schwebte vor, gemeinsam mit den Ungarn das gegnerische Böhmen in die Zange zu nehmen, und er bot Ladislaus die Wiederherstellung der früheren ungarischen Grenzen. Was Rudolf offenbar nicht wusste: Der junge Ladislaus war ein Spielball der Adelscliquen, die ihn für ihre eigenen Zwecke missbrauchten. Der Kumane, wie Ladislaus genannt wurde, Sohn einer heidnischen Mutter, war ein wankelmütiger König, der ein Jahr zuvor noch Ottokar Treue geschworen hatte. Doch Rudolf hatte das Glück, dass am ungarischen Hof inzwischen der Schatzmeister Joachim der starke Mann im Hintergrund war – und der war ein eingefleischter Gegner des Böhmen. Ungarn würde bei einem Angriff dabei sein. Der wankelmütige Kumane war vielleicht nicht die erste Wahl, wenn es um einen Bündnispartner ging, doch Rudolf konnte sich seine Freunde nicht aussuchen. Norddeutschland hielt sich ganz aus dem Streit im Süden heraus, auch Erzbischof Siegfried von Köln zog es vor - trotz der zuvor erwiesenen Aufmerksamkeiten von Seiten des Königs – zu Hause zu bleiben.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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    Drei Familien: Habsburg

    Energisch aber entledigte er sich seiner Gegner im Rücken. Im Frühjahr 1276 erhob sich der Markgraf von Baden, vermutlich durch böhmische Bestechungsgelder verlockt. Einen Monat lang hatte Rudolf hart zu kämpfen, um den Aufrührer zur Räson zu bringen. Er bricht auch den Trotz der Städte Friedberg, Frankfurt und Oppenheim. Die Friedensbedingungen waren insofern milde, als dass der König von den Empörern lediglich Geld erwartete. Das brauchte er dringend. Nach seiner eigenen Aussage brauchte der König keinen Schatzmeister, habe er doch keinen Schatz und kein Geld als nur fünf schlechte Schillinge. Den Reichskrieg gegen Ottokar trieb Rudolf dennoch unbeirrt voran. Ottokar beschränkte sich zu dieser Zeit darauf, möglichst alle Boten abzufangen, die in seinen Ländern von seiner Ächtung Kunde tun wollten. Die Böhmen und Österreicher sollten davon nichts erfahren, immerhin waren die österreichischen Adeligen Ottokar überdrüssig und würden auf dumme Gedanken kommen. Die heimlichen Sendboten Rudolfs baumelten bald als Gehenkte an den Stadttoren, sofern Ottokar ihnen habhaft wurde.

    Man konnte nicht sagen, dass Rudolf eine gewaltige Streitmacht versammeln konnte. Die Anzahl seiner Männer war geringer als die des Böhmen, dafür konnte Rudolf etwa 2.000 verdeckte Rosse, schwere Kavallerie, aufbieten. Und die galt als schlachtentscheidend. Am 1. September 1276 erhob sich Rudolfs versammeltes Heer von Nürnberg aus. Doch nicht nach Nordosten gen Eger, sondern nach Süden, der Donau entgegen, ging der Zug. Überraschend für Freund und Feind hatte der Habsburger den mit seinen Verbündeten besprochenen Angriffsplan in letzter Minute umgestoßen. Nicht nach Böhmen, in die Höhle des Löwen, marschierte er, sondern nach Österreich, um dort den Adel als Befreier auf seine Seite zu ziehen. Das Eintreffen von Rudolfs Heer in Regensburg tat dann noch sein Übriges, dass der Herzog Heinrich von Niederbaiern - angesichts der Militärmacht vor seinen Toren - seine Sympathien für Ottokar rasch vergaß und sich auf Rudolfs Seite schlug. Zur Untermauerung seiner Treue erhielt Heinrich bei dieser Gelegenheit Rudolfs Tochter Katharina an die Hand. Ob seine Tochter das wollte, dürfte Rudolf kaum Kopfzerbrechen bereitet haben. Eher schon die 40.000 Mark Mitgift, die der geschäftstüchtige Baier nun fordern konnte. Das wichtigste kurzfristige Ziel war aber erreicht, Herzog Heinrich räumte freiwillig seine Donausperren, die bei Straubing und Passau den Kriegsschiffen im Weg gewesen waren.



    In Passau angelangt, geriet der Heerzug jedoch noch einmal ins Stocken. Herzog Heinrich hatte sich mittlerweile ein Bild machen können von den leeren Kassen, den desolaten Finanzen des Habsburgers. Er bangte um die 40.000 Mark Mitgift und verlangte vom König, Oberösterreich als Pfand übereignet zu bekommen. Rudolf war in der Zweckmühle, konnte aber nicht auf die Hilfe des Wittelsbachers verzichten. Die Zeit würde zeigen, was aus dieser Geschichte werden würde, erst einmal musste Österreich ja erobert werden! In Passau gab es auch gute Neuigkeiten für den König, Verstärkungen aus Salzburg stießen zum Heer hinzu und aus Kärnten und Steiermark erhielt Rudolf Kunde von einem Aufstand des Adels gegen Ottokar. Dort war im August 1276 des Königs Freund Graf Meinhard von Görz (dessen Tochter mit Rudolfs ältesten Sohn Albrecht verheiratet war) in Kärnten und Krain einmarschiert und auf nur wenigen Widerstand gestoßen. Der Adel von Steiermark nutzte die Gunst der Stunde und schlug seinerseits gegen Ottokars Herrschaft los. Es waren die Städte, wie Graz und Judenburg, die zu Ottokar hielten und ihre Tore vor seinen Gegnern schlossen. Doch sie fielen – Steiermark, Kärnten und Krain waren auf einen Streich für Böhmen verloren gegangen.

    Hilflos musste Ottokar von seinem Lager bei Tepl aus zusehen, wie sein Reich auseinanderfiel. Sein fester Stützpunkt, von dem aus er Rudolf in der Flanke zu fassen gedachte, war nun nutzlos geworden. Er musste sich nach Süden wenden, dem Habsburger den Weg nach Österreich abschneiden, bevor auch dort der Adel rebellieren würde. Jetzt machte sich Rudolfs ungehinderte Donaufahrt bezahlt, sein Heer erreichte am 6. Oktober 1276 Linz, nur einen Tag, bevor Ottokar es hätte erreichen können. Für Ottokar war guter Rat teuer. Sollte er die Donau forcieren, den Übergang erzwingen, obwohl die Flottille des Gegners den Fluss beherrschte? Oder sollte er versuchen, der ungünstigen Schlacht auszuweichen und die Entscheidung anderswo suchen? Ottokar entschloss sich für letzteres, er wollte nach Wien ziehen, wo ihm die Bürger wohlgesonnen waren und die Stadtmauern eine starke Verteidigung. Dort sollte die Entscheidung fallen.

    Um Wien zu erreichen, musste Ottokars Heer einen großen Umweg nehmen, weil der direkte Weg von Rudolfs Streitmacht bereits versperrt war. Er musste durch die dichten Wälder Südböhmens und das Marchfeld ziehen, während die Reichstruppen auf Straßen Richtung Österreich weitermarschieren konnten. Im Weg stand Rudolf aber ein gewaltiges Hindernis, kurz vor Wien stand die Stadt Klosterneuburg, mit einer auf einem Hügel thronenden Festung. Rudolf konnte sie nicht umgehen und griff zu einer List. Eine kleine Reiterschar des Pfalzgrafen Ludwig gab sich als Vorhut des mit Böhmen verbündeten Bischofs Bruno von Olmütz aus und erlangte freien Zutritt in die Burg. Augenblicklich überwältigten sie die verdutzten Wächter und öffneten der Hauptmacht des Pfalzgrafen die Tore. Klosterneuburg, der Schlüssel Wiens, war in den Händen Rudolfs! Wien selbst lag schon in Sichtweite des Reichsheeres.

    Rasch bereitete sich Wien auf die Belagerung vor, und die Stadt war gut gerüstet zur Verteidigung. Den Wienern war es ja gut gegangen unter Ottokar und sie hatten keinen Grund, eine Änderung der Regierung herbeizuwünschen. Nicht mehr lange, dann würde das böhmische Heer eintreffen und sie entsetzen. Rudolf von Habsburg wusste keinen Rat, wie er die widerspenstige Stadt bezwingen sollte. Seine Streitkräfte reichten nicht einmal aus, um Wien vollständig einzuschließen und wirkungsvoll vom Nachschub abzuschneiden. So kurz vor dem Winter war eine Belagerung bis zum Aushungern der Stadt aussichtslos. Es zeugte von Rudolfs Ratlosigkeit, dass er die Verwüstung des Wiener Umlands befahl, was nur die Versorgungslage seiner eigenen Truppen verschlechterte.



    Ein Monat verging ereignislos, Ottokar ließ auf sich warten. Der Böhme lagerte auf der weiten Ebene des Marchfeldes, keinen halben Tagesmarsch entfernt von Wien, und half nicht, konnte nicht helfen. Sein Heer war in Auflösung begriffen, seine Soldaten desertierten zur Gegenseite oder kehrten schlicht heim. Verrat ging um in Ottokars Lager, das mächtige böhmische Geschlecht der Witigonen nahm geheime Verhandlungen mit Rudolf auf. Die Witigonen waren alte Rivalen der Przemysliden, ihr Anführer war Zawisch von Falkenstein, ein Mann mit einem hohem Intrige-Wert.



    Zawisch sah die Chance gekommen, sich selber auf den böhmischen Königsthron zu schwingen und trat in Südböhmen, im Rücken von Ottokars Heer, einen Aufstand los. Und dann traten auch noch die Ungarn auf den Plan – sie kamen, wenn auch spät. Der Krieg zwischen Ottokar und Rudolf hatte sich in eine Pattsituation festgefahren: Der Böhme war stärker, der Habsburger hatte die taktisch günstigere Position einnehmen können.

    Wo Waffen keine Entscheidung zu bringen vermochten, eröffnete sich ein Spielraum für Verhandlungen, mochten die beiden Gegner einander noch so hassen. Boten wechselten zwischen den beiden Lagern, um die Bedingungen eines Waffenstillstands zu sondieren. Auch in der Umgebung des deutschen Königs machte sich Kriegsmüdigkeit breit: Die Fürsten hatten an einer totalen Niederlage Ottokars kein Interesse, das hätte nur den Habsburger gefährlich stark werden lassen. Am 21. November 1276 war der Waffenstillstand zu Papier gebracht – recht zügig, alle wollten nach Hause. Stark vereinfacht lautete er so: Ottokar verzichtete auf Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain, auf die Reichsstadt Eger und Pordenone in Italien. Dafür erhielt er vom König die Belehnung mit Böhmen und Mähren. De facto behielt Ottokar auch die Kontrolle über Niederösterreich, nur die reiche Doppelstadt Krems/Stein blieb als Brückenkopf und ergiebige Einnahmequelle in Rudolfs Händen. Eine Wechselheirat wurde vereinbart zwischen einer Tochter Rudolfs und Ottokars Sohn Wenzel, umgekehrt sollte des Habsburgers Sohn Hartmann die Tochter des Böhmen, Kunigunde, heiraten. Der Name der Habsburgertochter war in dem Vertragstext ausgelassen, diese Nebensächlichkeit war noch zu klären. Und Ungarn erhielt seinen Teil zurück, jene Ländereien, die ihnen Ottokar abgenommen hatte.

    Am 25. November 1276 tat der Böhmenkönig seinen wohl schwersten Gang. Angetan mit kostbaren Gewändern und prunkvollem Schmuck, erschien er vertragsgemäß in Rudolfs Lager, um dort den König um Verzeihung zu bitten und seine Reichslehen zu empfangen. Der Habsburger empfing Ottokar in betont schlichter Kleidung, nämlich jenem grauen Wams, den er alltäglich zu tragen pflegte. „Wie oft“, sagte Rudolf zu seinem Gefolge, „hat der Böhme mein graues Wams verspottet, nun wird dieses graue Wams ihn verspotten.“



    Am nächsten Tag trennten sich ihre Wege wieder. Beide waren sie entschlossen, den Waffenstillstand bei nächster Gelegenheit zu ihren Gunsten zu revidieren. Der Geschlagene zog an Wien vorbei heimwärts nach Böhmen, um sich den abtrünnigen Zawisch vorzuknöpfen. Ottokar durfte bei seiner Abreise den Wienern nicht einmal Dank sagen für die erwiesene Treue. Es war der Sieger, der Einzug hielt in Wien, das ihm mehr als einen Monat widerstanden hatte.



    Dass die Wiener dem Habsburger feindselig gegenüberstanden, kümmerte Rudolf nicht. Mit der Feindschaft der Städte hatte er in den letzten Jahren zu leben gelernt. Für ihn zählte der Erfolg, und der war in der Tat überwältigend. Die Hauptstadt Österreichs war sein, dazu noch der größere Teil des Herzogtums und Steiermark, Kärnten und Krain. Der Erzfeind war aus dem Felde geschlagen, sein Reich zerstört und dies in einem Feldzug, der nur vier Monate gedauert und kaum Blutopfer gefordert hatte.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  15. #285
    Seufz Avatar von GarfieldMcSnoopy
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    Da wollte ich grade rumnörgeln, und dann sehe ich, dass die Huldigung anno 1276 historisch ist. Das wusste ich noch gar nicht, dass die berühmte Schlacht erst in einem zweiten Feldzug stattfand. Wieder was gelernt, danke!
    Das ist alles, was wir tun können: immer wieder von neuem anfangen, immer und immer wieder. (Thornton Wilder)

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