Hinter dem Namen des Papstes (Urban II.) stand die Person Eudes de Chatillon. Geprägt war er von der Reformidee des Abtes Hugo von Cluny, spätestens ab 1085 diente Eudes der Kurie als päpstlicher Legat in Deutschland und Frankreich und war ein enger Vertrauter von Papst Gregor VII. (wir erinnern uns, der unheimliche Mönch aus dem Kapitel zu Heinrich IV.). Drei Jahre nach dem Tod Gregors starb auch dessen Nachfolger und Eudes wurde 1088 von der Konklave zu Papst Urban II. gewählt. Die Konfrontation zwischen deutschen Kaisertum und dem Papsttum ging in die nächste Runde, Kaiser Heinrich IV. brachte gegen Urban einen eigenen Papst namens Clemens III. in Stellung.
Urban II. reagierte darauf und arrangierte 1089 die Vermählung der Mathilde von Tuszien mit Welf V., dem Sohn des abgesetzten Herzogs von Baiern Welf IV., und band so Süddeutschland und Norditalien, traditionell Gegner des Kaisers, wieder aneinander. Sodann bemühte er sich, die gespannten Beziehungen zum byzantinischen Reich zu verbessern, und hob 1089 den Bann gegen den byzantinischen Kaiser Alexios I. auf. Dennoch gewann Clemens bald in Rom die Oberhand, so dass Urban nach Süditalien fliehen musste. Es dauerte bis 1093, bis Urban nach Rom zurückkehren konnte, weil sich die Lage gegen Heinrich IV. gewendet hatte. Jetzt hatte der Papst mehr Freiraum, um seine politischen Pläne in die Tat umzusetzen. Kurz darauf erschienen die Gesandten des byzantinischen Kaisers Alexios I., berichteten Urban II. über die Bedrohung durch die Seldschuken und boten Verhandlungen über eine Wiedervereinigung der beiden christlichen Kirchen an, um die Waffenhilfe der lateinischen Christen gegen die Muslime zu erlangen.
Die Einbeziehung des Papstes erforderte notwendigerweise eine stärkere Hervorhebung der religiösen Komponente: Dies war die Hilfe für die östliche Christenheit, die unter dem Druck der Ungläubigen stand. Daneben stellte der Kaiser wahrscheinlich wieder einmal die Kirchenunion in Aussicht. Wenn Alexios I. militärisch gegen die Seldschuken vorgehen wollte, waren zwingend kampferfahrene schwer bewaffnete Reiter vonnöten, wie sie nur abendländische fränkische Ritter darstellten. Der Gedanke an einen Glaubenskrieg war dem Kaiser sicher nicht gekommen. Es ging nur um Söldner und ein erfahrener Diplomat wie Alexios I. wusste die Vorlieben seines Gegenübers einzuschätzen und für seine eigenen Absichten zu nutzen.
Dem Papst bot die byzantinische Anfrage die Möglichkeit, sich als spiritueller Führer der lateinischen Christenheit zu profilieren. Der Gedanke einer verchristlichten Ritterschaft (militia sacra) der in den spanischen Kriegen gegen die Umayyaden (hier waren vor allem die französischen Edlen aktiv) geboren worden war, schien zudem geeignet, kampfbereite Gruppen und Individuen, von denen es zu viele im befriedeten Westeuropa gab, in den Dienst einer guten Sache zu stellen. Die wilden Zeiten, in denen jeder gegen jeden kämpfte, gehörten im Abendland der Vergangenheit an. Die Bevölkerung nahm zu, die Herrschaften wurden stabiler. Der Kampf untereinander war nicht mehr der alleinige Lebenszweck der adligen Schichten. Die Anfrage des Basileios erwies sich sozusagen als Ventil, mit dem man die überschüssigen Energien nach außen lenken konnte. Wenn die christlichen Ritter schon nicht untereinander kämpfen wollten, dann sollten sie es für einen guten Zweck und gegen Nichtchristen tun.
Papst Urban II. nutzte wie erwähnt die Synode in Clermont im November 1095 für seinen Aufruf an die abendländischen Christen. Es war eine der großen Reden der Menschheit. Eine Rede, die das Bewusstsein veränderte und deren Ergebnis die Kreuzzüge waren. Der Papst schilderte der lauschenden Gemeinde, dass die Christen des Ostens durch den Ansturm der Türken auf das Äußerste gefährdet seien. Denn die Türken stießen in das Herz christlicher Länder, schändeten Kirchen und Altäre, misshandelten und erschlugen Menschen. Aber nicht nur Byzanz sei gefährdet und müsse diese Übel erleiden. Er machte den Zuhörern nicht nur die besondere Heiligkeit Jerusalems deutlich, sondern auch die Leiden der Pilger, die zu diesen heiligen Stätten wollten. Er malte ein gewaltiges Panorama der christlichen Welt, die in die Hände von Heiden zu fallen drohte. Dann erließ er einen großen Aufruf, mehr noch, eine Forderung, einen Appell:
Die Christenheit müsse aufbrechen, die Brüder im Osten zu retten vor heidnischer Unterjochung. Er mahnte, von den inneren Kriegen im Abendland abzulassen, sich zu vereinen, und gemeinsam das Werk Gottes zu tun, Gott selbst werde sie dann anführen. Er versprach allen, die auf dem Zuge oder in der Schlacht das Leben ließen, volle Absolution und Vergebung der Sünden. Immer wieder wurde die päpstliche Rede unterbrochen durch den Jubelruf "Deus lo vult!", Gott will es!
Urbans flammender Aufruf erhielt weiteren Vortrieb, als kurz darauf in Europa die Nachricht umlief, dass Jerusalem von einem sarazenischen Heer eingenommen worden sei. Dieses Ereignis wurde sogleich in eine Linie mit der verheerenden Niederlage der Byzantiner in Manzikert im Jahre 1071 gestellt. Als Urban II. sah, welchen Erfolg sein modifizierter Aufruf mit dem Ziel Jerusalem hatte, übernahm er seinerseits diese neue Zielsetzung und vertrat sie in der Folgezeit mit Nachdruck. Der Papst hatte damit offenbar einen Nerv getroffen und eine Lawine ins Rollen gebracht, die später selbst von ihm kaum zu kontrollieren war. Auch Alexios I. war sich wohl kaum bewusst, dass er mit seinem Hilfegesuch an den Papst die Büchse der Pandora geöffnet hatte.
Mit dem Aufstieg Jerusalems sank die Hilfe für Byzanz nämlich zu einem nebensächlichen Ziel des Unternehmens Kreuzzug herab. Außerdem musste mit der Rückgewinnung des Heiligen Landes sofort die Frage in den Vordergrund treten, was mit den Eroberungen, an denen ja niemand zweifelte, geschehen sollte. Bis Clermont ging es nur um ein temporäres Unternehmen im Osten, an der Grenze zwischen christlichem Byzanz und muslimischen Türken. Aber je mehr man vom Erfolg des Kreuzzugs überzeugt war, desto dringender stellte sich die Frage, ob nicht auch jemand im Orient werde bleiben müssen, um die Eroberungen für die Christenheit zu halten. Damit aber – und auch dies dürfte ein Grund für den Erfolg der päpstlichen Kreuzzugspredigt gewesen sein – wurden auch Ritter angezogen, die an einem Heereszug, der sich im Kampf für Byzanz erschöpfte, kein Interesse gezeigt hatten. Die Kreuzzugspredigt hatte zu einem Unternehmen aufgerufen, das die byzantinische Bitte um Entsendung einiger Truppen weit übertraf. Es war etwas völlig anderes und neues, das auch eine veränderte byzantinische Haltung erforderlich machte.
Die Teilnehmer des ersten Kreuzzugs hatten verschiedene Motivationen und Ziele. Herkunftsmäßig zerfielen sie in drei Gruppen: erstens die Südfranzosen aus der Grafschaft Toulouse, deren Führer Raimond von Saint Gilles war, zweitens die Nordfranzosen und die ihre „Nachbarn“ aus Flandern, Niederlothringen, der Normandie und den angrenzenden Gebieten. Die Anführer waren die Grafen Robert von Flandern (der bereits vorgestellt worden ist) und Stephan von Blois sowie die Herzöge Robert von der Normandie (ebenfalls bereits bekannt: Robert „Curthose“) und der Herzog von Niederlothringen, Gottfried von Bouillon, drittens schließlich die unteritalienischen Normannen unter Bohemund von Tarent.
Bei den nordfranzösischen Adeligen darf man in der Regel religiöse Motive unterstellen (und wohl eine Portion Abenteuerlust) - mit Ausnahme von Gottfried von Bouillon, bei dem man am ehesten eine Bereitschaft unterstellen darf, gegebenenfalls im Osten zu bleiben, wenn sich dort eine günstige Gelegenheit bot. Aber auch er traf vor dem Aufbruch Vorkehrungen für den Fall, dass er zurückkehren würde.