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Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #391
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    Das Startdatum 11. November 1444



    Schon Anfang des 15.Jahrhunderts hatten die Türken bereits einmal die Gelegenheit bekommen, den Balkan in Besitz zu nehmen, aber sie hatten sie damals noch nicht nutzen können. Im Osten ihres Reiches wurden sie nämlich von den Timuriden geschlagen, wobei ihr Sultan Bayezid I. in Gefangenschaft geriet und ums Leben kam. Die Thronfolgekämpfe unter seinen Söhnen lähmten das Osmanische Reich zusätzlich. Einmal noch hatte die christliche Welt eine Atempause vergönnt bekommen, das wusste auch Sigismund, ungarischer König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Nicht ohne Grund hatte er ab 1414 auf dem Konzil von Konstanz versucht, die Kirche zu einen und mit ihr die europäischen Mächte, auf dass sie eine Koalition gegen die Türken bilden mögen. Als Sigismund 1437 starb, war er zumindest bei der Bildung dieser Allianz erfolglos geblieben. Sein Nachfolger auf dem deutschen Thron, der Habsburger Albrecht II., regierte nur zwei Jahre lang, von 1438 bis 1439. Zu kurz, um etwas Nennenswertes auf die Beine stellen zu können.

    Die Osmanen dagegen nutzten die Zeit, sich im Inneren zu konsolidieren. Nachdem Mehmed sich unter den Söhnen des Bayezid den Thron sichern konnte, regierte dieser bis zu seinem Tod im Jahre 1421 und hinterließ die Herrschaft wiederum seinem Sohn Murad II. - der räumte rasch unter den Thronprätendenten in seiner Familie auf, die in ihren Ambitionen - nicht uneigennützig - von Byzanz unterstützt wurden. Murad festigte die osmanische Herrschaft über Anatolien und besetzte 1430 Saloniki. Die von der türkischen Expansion betroffenen Staaten Bosnien, Ungarn und Albanien mussten sich überlegen, wie sie sich den Osmanen entgegenstellen konnten. Immerhin hatten sie mit Janos Hunyadi (auch: Johann bzw. Corvinus) und Gjergj Kastrioti (auch: Georg Skanderbeg) zwei fähige Heerführer in ihren Diensten. Skanderbeg sah 1443 seine Chance zum Widerstand gekommen, nachdem die Türken drei Jahre zuvor erfolglos Belgrad bzw. ein Jahr zuvor das rumänische Hermannstadt belagert hatten. Er trat einen albanischen Aufstand gegen die Türken los.



    Zugleich kam Bewegung in das Vorhaben, einen Kreuzzug gegen die Osmanen zu organisieren. Nominell war das natürlich ein Vorrecht des Papstes Eugen IV. (1431-1447), anvertraut wurde das Vorhaben aber dem König Wladyslaw III., der seit 1434 auf dem polnischen Thron saß und 1439 nach dem Tod des Habsburgers Albrecht II. auch die Krone von Ungarn erhalten hatte. Das hört sich mächtig an, doch Wladyslaw III. war erst 19 Jahre alt und benötigte die Erfahrung solcher bewährter Männer wie Hunyadi - der sich im Falle seines Erfolges Hoffnungen auf die Krone Bulgariens machte. Assistiert wurde Hunyadi von dem Serben Georg Brankovic, der eine Rückeroberung seiner Heimat zur Wiedererrichtung des serbischen Despotats nutzen wollte, natürlich mit ihm selber an der Spitze Serbiens.



    Die Gestellung venezianischer Schiffe fädelte der Papst ein, er stellte Venedig dafür die Inbesitznahme von Gallipoli in Aussicht.

    Im Spätsommer 1443 sammelte sich in Südungarn eine Heeresmacht von etwa 25.000 Mann, bunt zusammengewürfelt aus adeligen und einfachen Kriegern verschiedener ost- und südosteuropäischer Ländern wie Ungarn, Polen, Serbien und der Walachei, und sogar aus türkischen Söldnern. Das ehrgeizige Ziel dieser Streitmacht, die so gar nicht einem klassischen Ritterheer ähnelte, war Edirne, das Zentrum des Osmanischen Reiches. Bis Sofia und Nis ging es recht zügig voran, dann wurde der türkische Widerstand aber stärker. Deren Defensive und der Winter 1443/44 erzwangen eine Pause der Kriegshandlungen, man sammelte sich Ende Januar 1444 bei Belgrad, um einen zweiten Anlauf zu wagen.

    Das ganze Unternehmen und besonders die energischen Taten Hunyadis machten einigen Eindruck auf die Beteiligten. Die Walachen schlossen sich dem Kriegszug an, auch der byzantinische Kaiser griff voller Hoffnung zu den Waffen und erwartete ungeduldig das katholische Heer. Auch Sultan Mehmed II. erkannte die Gefahr, die ihm durch Hunyadi drohte und bot Friedensverhandlungen an. Darin sollte auch dem Fürsten der Walachei, Vlad Dracul, Befreiung von türkischer Botmäßigkeit zugestanden und den Ungarn ein zehnjähriger Waffenstillstand garantiert werden.



    Der polnische König ging auf die Sondierung ein, wenn auch nur zum Schein. Denn zugleich versprach er vor dem ungarischen Reichstag und dem päpstlichen Legaten die Fortsetzung des Kreuzzugs noch im Jahre 1444. Als der türkische Botschafter am 1. August im ungarischen Szeged (der Geburtsort meiner Mutter) von den christlichen Parteien den Eid zum Waffenstillstand erhielt, war das eine glatte Lüge, dieser Eid sollte binnen eines Monats gebrochen werden. Die Absolution des Papstes für dieses Vorgehen war gleich zur Hand: Mit Ungläubigen gab es keine bindenden Versprechen. Sultan Murad ahnte das nicht, verließ sich auf das Wort seiner Gegner und wendete sich mit seinen Truppen dem Osten seines Reiches zu. Die Chance für Wladyslaw, im Frühherbst 1444 eine erneute Offensive zu starten.
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  2. #392
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    Das Startdatum 11. November 1444

    Eine Neuauflage der Kreuzzugs hatte Murad mit seinen Verhandlungen also nicht verhindern können, erreicht hatte er aber eine Spaltung des christlichen Lagers, denn der durch das Versprechen des Sultans zur Wiederherstellung seiner Herrschaft zufriedengestellte Despot Brankovic machte seinen Frieden mit Murad und scherte aus der Koalition aus. Damit fehlte Wladyslaw ein wichtiger Alliierter, auch konnte der Kreuzzug nicht mehr Serbien als Aufmarschgebiet benutzen. Die Alternative war der Weg entlang der bulgarischen Schwarzmeerküste. Mit 20.000 Mann marschierten die Kreuzfahrer dort im September 1444 in das türkische Gebiet ein. Die überraschten Türken verschanzten sich in ihren Burgen, während sie der Plünderung des offenen Landes zuschauen mussten. Die Walachen und Bulgaren waren von den Raub- und Mordtaten ihrer Verbündeten wenig begeistert und leisteten verdeckten Widerstand gegen die Polen und Ungarn. Vlad Dracul, Fürst der Walachei, der sich dem Kreuzzug zunächst mit 5.000 Bewaffneten angeschlossen hatte, kritisierte heftig den ganzen Kriegsplan und äußerte Zweifel daran, dass er mit weniger Leuten umgesetzt werden könne, als der türkische Sultan schon alleine bei seinen Jagdvergnügen um sich habe. Nach einem heftigen verbalen Zusammenstoß mit Hunyadi, der beinahe in Handgreiflichkeiten ausgeartet wäre, zog sich Vlad Dracul aus dem Kreuzzug zurück und überließ seinem Sohn Mircea das Kommando über das walachische Aufgebot. Trotz dieser Widrigkeiten und Hindernisse konnte das christliche Heer schließlich Anfang November 1444 auf der Höhe von Varna an der Schwarzmeerküste vorstoßen und damit einen wichtigen Teilsieg erringen.



    Der zweite Teil des Kreuzzugsplanes blieb jedoch schon im Ansatz stecken. Es kam zwar Verstärkung aus Venedig (mit seinen Galeeren) sowie aus Burgund, in Person von Herzog Philipp dem Guten (1419-1467). Der Herzog, Sohn und Nachfolger von Johann Ohnefurcht, sann Zeit seines Lebens auf Rache für die seinem Vater bei Nikopolis angetane Schmach von 1396. Damals war das burgundische Heeresaufgebot freilich größer gewesen als jetzt im Jahre 1444. Burgund legte seinen Schwerpunkt dieses Mal auf die Gestellung von Schiffen. Das hört sich merkwürdig an, wird aber klarer, wenn man bedenkt, dass Philipp mit der portugiesischen Isabella verheiratet war. Der kühne Plan, getrennt zu marschieren und vereint zu kämpfen, scheiterte an den organisatorischen Herausforderungen: Die christlichen Flotten kamen, aber sie waren zu spät dran, um den alarmierten Murad daran zu hindern, mit seinem Heer aus Kleinasien über den Bosporus überzusetzen. In Eilmärschen wandte sich Murad von Edirne nach Norden und erreichte in nur sieben Tagen das Gebiet von Varna, wo das Kreuzfahrerheer lagerte.

    Am Morgen des 10. November 1444 (dem Martinstag) begann die Schlacht zwischen 25.000 Kreuzfahrern und mindestens 80.000 türkischen Kriegern. Gegen neun Uhr am Morgen eröffneten die türkischen Freischärler das Gefecht. Als sie von ungarischen Reitern über den Haufen geritten wurden, brachen türkische sipahi in die linke Flanke der Ungarn ein und richteten einen so großen Schaden an, dass nur noch 150 Reiter die Wagenburg der Kreuzfahrer halten konnten. Erst jetzt griffen die Kerntruppen Wladyslaws und Hunyadis in das Kampfgeschehen ein und vernichteten in kurzer Zeit etwa 3.000 berittene Krieger der Türken. Schließlich hielten nur noch die Janitscharen stand, während sich das restliche türkische Heer zur Flucht wandte. Hunyadi war mit dem Erreichten zufrieden und wollte die erkämpften Positionen sichern, Wladyslaw hingegen ließ sich zu einem neuen Angriff mit 500 seiner Reiter hinreißen, der zunächst auch Erfolg zu haben schien. Murad wollte sich schon selbst zur Flucht wenden, wurde aber von seinen Elitesoldaten daran gehindert, die seinem Pferd Fesseln anlegten und die Flucht unmöglich machten. Nur wenig später stürzte der tollkühne polnische König bei seiner Attacke vom Pferd, und ehe er sich wieder aufrichten konnte, hatte ihm ein griechischer Renegat den Kopf abgeschlagen, den der Sultan sofort auf einer Stange aufspießen und zur Schau stellen ließ. Das richtete eine ungeheure Demoralisierung unter den Kreuzfahrern aus, die sich in der beginnenden Dunkelheit zumindest zurückziehen konnten und bald ihr Heil in einer wilden Flucht suchten. Die Truppen des Sultans konnten da noch gar nicht recht glauben, dass sie gesiegt hatten, und erst sehr spät am folgenden Tag, dem 11. November 1444, besetzten sie das Heerlager der Geflohenen, wo sie in einer Burg von 150 Wagen reiche Beute machten.



    Janos Hunyadi konnte sich nur mit knapper Mühe retten. Er wurde auf der Flucht in der Walachei von Fürst Vlad Dracul aufgehalten und längere Zeit gefangengesetzt, ehe er in seine ungarische Heimat zurückkehren und neue Verteidigungsmaßnahmen gegen die Türken ergreifen konnte. Der päpstliche Legat war zunächst auch unter den Flüchtenden gewesen, verlor sein Leben aber doch noch auf dem Schlachtfeld. Der Kopf des toten Königs Wladyslaw wurde in einem mit Honig gefüllten Gefäß in die alte osmanische Hauptstadt Bursa geschickt und von den Einwohnern in feierlichem Zug an den Stadttoren entgegengenommen, gewaschen und auf eine Lanze gesteckt im Triumph durch die Straßen getragen. 25 gefangene Kürassiere wurden von Murad an den Sultan der Mameluken Gaqmaq als Geschenk übersandt, um den Sieg über die Kreuzfahrer in der ganzen muslimischen Welt bekannt zu machen und zu zeigen, gegen welche Eisenmänner die Osmanen erfolgreich gewesen waren.

    Sultan Murad II. konnte sich nach dem Sieg von Varna von den Herrscherpflichten zurückziehen und das Regieren nun ganz in die Hände seines Sohnes Mehmed II. legen. Dieser Schritt war kurz vorher schon einmal gemacht worden, wegen der Bedrohung in Varna hatte Murad die Befehlsgewalt dann aber doch noch einmal an sich gezogen. Das ist der Grund, warum einerseits Vater Murad II. in meiner Story als Sultan bezeichnet wird, obwohl EU4 zum 11. November 1444 den Sohn Mehmed II. bereits als Sultan führt. Um die Sache vollständig zu machen: Vater Murad zog auch 1446 noch einmal die Regierung an sich, als seinem Sohn ein Aufstand der Janitscharen über den Kopf zu wachsen drohte. Mehmed II. sollte erst fünf Jahre später endgültig Sultan werden, nämlich als sein Vater 1451 starb.

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  3. #393
    Hamburg! Avatar von [DM]
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    Wie die Welt wohl ausgesehen hätte, wenn der König nicht eingegriffen hätte.
    Mich würde ja interessieren, warum Paradox die kastilischen Könige als solche Vollpfosten bezeichnet.
    Zitat Zitat von Bassewitz Beitrag anzeigen
    Make Byzantium even greater!
    Zitat Zitat von Bassewitz Beitrag anzeigen
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  4. #394
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    Uh, das mit Kastilien habe ich mir bereits durchgelesen und Notizen gemacht, anschließend auch eine komplette Kastilien-Partie gespielt, den Abschnitt muss ich aber noch schreiben. Enrique "el impotente" IV. wurde er genannt....
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  5. #395
    Sie/Er/Whatever Avatar von Fimi
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    "Der Unfähige" ist auf jeden Fall ein passender Beiname zu den Werten im Spiel.
    "La majestueuse égalité des lois, qui interdit au riche comme au pauvre de coucher sous les ponts, de mendier dans les rues et de voler du pain." - Anatole France

    Zitat Zitat von Fonte Randa Beitrag anzeigen
    Manchmal kann ich Fimi verstehen...
    Zitat Zitat von Kaiserin Uschi Beitrag anzeigen
    Ja, aber das ist nur ein Grundgesetzbruch, aber kein Verfassungsbrauch. Bring das mal vors Bundesgrundgericht ;)

  6. #396
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    Stadt der weltlichen Begierde



    Stadt der weltlichen Begierde - Das Osmanische Reich 1444

    Endlich konnte Mehmed II. das Sultanat ganz und gar übernehmen. Erfahrung hatte der junge Mann durchaus schon gesammelt, nicht nur, weil sein Vater ihm zwischendurch den Thron überlassen hatte. Schon als Kind war Mehmed, nach dem Tod von einem seiner (Halb-) Brüder, zum Gouverneur einer Provinz befördert worden. Vermutlich wäre unter gewöhnlichen Umständen hier schon Schluss gewesen, was Mehmeds Aufstieg anging. Der Junge war nur der vierte unter den Söhnen des Sultans und in frühen Jahren ein schwer erziehbarer, widerspenstiger Bengel. Sultan Murad setzte dem Knaben einen ägyptischen Gelehrten vor, dem er ausdrücklich das Züchtigungsrecht einräumte. Die erste Amtshandlung des Lehrers bestand darin, Mehmed zu verprügeln. Bald darauf war es offenbar vorbei mit Mehmeds Widerborstigkeit, der Junge war sehr intelligent und machte sich. Und als in den Jahren danach seine beiden weiteren Brüder unter ungeklärten Umständen starben, da war Mehmed plötzlich der Thronfolger. Murad II. holte ihn zu sich in die türkische Hauptstadt Edirne, unterrichtete ihn in der Staatsführung und überließ ihm 1444 zeitweise sogar seinen Thron.

    Das war noch vor der Schlacht von Varna, als die Friedensverhandlungen mit den Kreuzfahrern auf einem guten Weg schienen. Mehmed II. war in religiösen Angelegenheiten nämlich ein ausgesprochen toleranter Mensch, er strebte gar eine Versöhnung und Verschmelzung von Christentum und Islam an. Das war dem Vater wohl suspekt, jedenfalls stellte er Mehmed bei dessen Thronbesteigung eine Reihe von Beratern an die Seite, die in religiösen wie militärischen Fragen erfahrener und traditioneller waren. Es überrascht wohl keinen, dass Mehmed II. ziemlich schnell mit diesen Beratern im Streit lag. Aber die Stunde der vor allzu großer Offenherzigkeit warnenden Berater schlug bald, denn die Christen brachen im August 1444 ihr Friedensversprechen und marschierten gegen den Sultan auf. Wie erwähnt trafen die Heere bei Varna aufeinander, die Schlacht endete mit einem bedeutenden Sieg der Türken.

    Politisch ging danach ein Riss durch das christliche Lager, das der Papst doch hatte vereinen wollen: Die orthodoxen Christen misstrauten den Katholiken, dass es ihnen nicht um das gemeinsame Wohl, sondern um die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen ginge. Auf der Seite der Katholiken war es vor allem Burgund, das das Ideal des Kreuzzugs hochhielt, obwohl die Idee schon seit längerem im Niedergang begriffen war. Augenscheinlich war das bereits seit 1291, als die letzten christlichen Bastionen im Heiligen Land an die Muslime verloren gegangen waren. Byzanz war seit der Plünderung Konstantinopels und der darauf folgenden Zersplitterung seines Territoriums unter dem „Lateinischen Reich“, das sich rund fünfzig Jahre halten konnte, sowieso nur noch ein Schatten einstiger Größe. In diesem Schatten bildete sich seit 1300 das Osmanische Reich.

    Sein Name leitete sich ab von seinem ersten Herrscher Osman, der sich 1299 aus der Vasallität der Rum-Seldschuken lösen und in der Folgezeit das westliche Kleinasien erobern konnte. Möglich geworden war das, weil die eigentlich mächtigeren Seldschuken maßgeblich durch die Invasion der Mongolen geschwächt worden waren – und Byzanz schon nicht mehr in der Lage war, das dadurch entstandene Machtvakuum in dieser Region zu füllen. Osmans Sohn Orhan weitete das Machtgebiet weiter aus bis nach Ankara und versechsfachte das Staatsgebiet. Byzanz war zwar ein Riese im Niedergang, seine Hauptstadt Konstantinopel war für die Türken aber eine uneinnehmbare Festung.

    Es ist bezeichnend für die Schwäche des byzantinischen Kaisers, dass Orhan 1354 mit seinen Soldaten einfach quasi an Konstantinopel vorbei auf den europäischen Kontinent marschierte. Die Dardanellen waren die erste europäische Eroberung der Osmanen, und es blieb nicht die letzte. Orhans Sohn Murad I. konnte in Europa dauerhaft Fuß fassen, obwohl er an seiner östlichen Grenze mit dem Nachbarreich Karaman im Krieg lag. Begünstigt wurde der Vormarsch der Osmanen im Westen durch Bürgerkrieg und Anarchie, der weite Teile Zentraleuropas herrschte. Auch die Balkanstaaten lagen im Hader untereinander, eine verhältnismäßig leichte Beute für den entschlossenen Murad. Bis 1381 waren Serbien und Bulgarien quasi unterworfen worden, Ungarn in seine Schranken gewiesen.

    Möglich wurde das auch durch die Heeresreform, die die Osmanen durchgeführt hatten. Aus versklavten christlichen Jungen suchte sich Murad I. die kräftigsten aus und formte eine neue Elite-Einheit und Leibwache, die Janitscharen. Die Knaben mussten zum Islam übertreten und türkisch lernen.



    Eingeschworen auf den Sultan wurden sie jahrelang trainiert im Handwerk des Krieges. Anders als andere türkische Kämpfer, die ausschließlich für Beute kämpften, erhielten die Janitscharen einen festen Sold. Damit waren sie seit den römischen Legionen die erste Berufsarmee in Europa. Auf den Feldzügen bildeten die Janitscharen, gut erkennbar an ihren weißen Filzhauben, das Zentrum des Heeres. In ihrer Zahl waren sie anfangs nur einige Tausend, zusammen mit den berittenen Sipahis und anderen Elite-Regimentern formten sie aber eine furchterregende Streitmacht, professionell und mit einem überlegenden Korpsgeist.Mithilfe dieser Truppen errang Murad I. auf dem Balkan Sieg um Sieg.



    Jetzt aber waren die christlichen Reiche durch die Erfolge der Türken aufgerüttelt und fanden unter dem serbischen Fürsten Lazar zu einer Allianz zusammen. Die Entscheidung fiel am 15. Juni 1389 auf dem Amselfeld im Kosovo: In dieser Schlacht, ein Nationalmythos der Serben, fielen die Anführer beider Seiten (Lazar und Murad). Militärisch war es wohl ein Unentschieden, zumindest kein Sieg der Türken, in der Konsequenz aber schon: Serbien und Bosnien konnten nach dem Aderlass auf dem Amselfeld nicht mehr gegen die überlegenen Türken standhalten. Der Tod des Murad auf dem Amselfeld brachte 1389 seinen Sohn Bayezid auf den Thron. Um sich gefährlicher Konkurrenz um die Herrschaft zu entledigen, ließ Bayezid unverzüglich seinen Bruder umbringen und begründete damit eine lange Tradition: Dem Brudermord bei Amtsantritt wurde unter den Sultanen auf Dauer gängige Praxis. Es galt einerseits die Unteilbarkeit des Erbes, der Vorrang des Erstgeborenen galt bei den Osmanen allerdings nicht.

    Auch Bayezid führte die Expansion des Osmanischen Reiches fort, eroberte im Osten Konya und unterwarf im Westen weitere Gebiete Bosniens, Serbiens und der Walachei, die ihm tributpflichtig wurden. Gerne hätte sich Bayezid nun um Konstantinopel, dem Stachel im Fleisch seines Reiches, gekümmert. Aber er erlitt 1402 eine schwere Niederlage gegen die Timuriden und starb in Gefangenschaft seines Gegners Timur, der sich in die Nachkommenschaft des Mongolen Dschingis Khan eingeheiratet hatte. Sein Reich reichte von Indien bis Anatolien (bah, was habe ich die Timuriden in Medieval 2 immer gefürchtet, die fand ich in der Schlacht schwer zu packen). Der Untergang der Osmanen lag 1402 in den Händen Timurs, aber der entschied sich, gegen seinen eigentlichen Gegner zu ziehen: Er wollte China unterwerfen. Dazu kam es übrigens nicht mehr, Timur starb zwei Jahre später, kurz vor Beginn dieses Feldzugs, und sein Reich zerfiel nach seinem Tod.

    Nach dem Untergang Bayezids brach im Osmanischen Reich 1402 ein Thronfolgekrieg aus, der den Christen eine dringend benötigte Atempause verschaffte. Wir haben aber bereits im Kapitel zu Kaiser Sigismund erfahren, dass sich der Westen nicht ernsthaft zu einer Koalition gegen die Osmanen zusammenfand. Zehn Jahre lang tobte in der Türkei das Interregnum, bis sich unter Bayezids Söhnen Mehmed I. im Jahre 1413 als Nachfolger auf dem Thron durchsetzen konnte. Seine acht Jahre Regierung galten vor allem der Rückeroberung der in der Zwischenzeit abgefallenen Gebiete sowie der Konsolidierung des Erreichten – wer kennt solche Spielphasen in EU4 nicht? Da müssen Unruhen abgebaut werden, Provinzen missioniert und gekernt werden. Das dauert halt ein paar Jahre. Nun, und im Jahre 1422 folgte Murad II. als Sultan auf den Thron, der spätere Sieger von Varna. Im Oktober 1448, vier Jahre nach Varna, kehrten Murad und sein Sohn Mehmed auf das Amselfeld zurück. Dieses Mal schlugen sie die Christen unter dem Truppenführer Hunyadi und stabilisierten die osmanische Herrschaft auf dem Balkan. Als Mehemd II. im Jahre 1451 seinem Vater auf den Thron folgte, war die Situation für den Sultan endlich wieder ähnlich gut wie um das Jahr 1400. Und wie damals lenkte der Sultan seine Aufmerksamkeit auf den Stachel im Fleisch des Osmanischen Reiches: Die byzantinische Hauptstadt und Festung Konstantinopel.



    Dieses Bollwerk war nur einmal, im Jahre 1204, überwunden worden: Ironischerweise durch die Katholiken des vierten Kreuzzugs (siehe das vorherige Kapitel „Die Wehen der neuen Epoche“), nicht durch die Muslime. Gewaltige Wälle und Gräben umfassten in drei Reihen gestaffelt die Metropole, geschützt von 80 Türmen. Tausend Jahre schon hatten sie allen Eroberern getrotzt, selbst Attila der Hunne war 447 bei ihrem Anblick entmutigt abgezogen. So konnte sich das byzantinische Reich bis in das 15. Jahrhundert behaupten, obwohl das einst so mächtige Oströmische Reich auf ein paar Vororte und Außenposten zusammengeschrumpft war. Denn inzwischen waren es die Osmanen, die über das fruchtbare Hochland Anatoliens, das bergige Thrakien sowie weite Teile des Balkan herrschten. Besonders aus Anatolien hatte Byzanz in früheren Zeiten seine Kornreserven und Truppen bezogen, ohne dieses Gebiet war der Kaiser auf das Anwerben von Söldnern angewiesen – nur, wie sollten die auf Dauer bezahlt werden? Mangels Sold rebellierten diese Söldner immer wieder und verwüsteten das byzantinische Territorium. Pest, Palastintrigen und Bürgerkriege taten ihr übriges zum Niedergang des byzantinischen Kaisertum.

    Ja, auch die Osmanen hatten sich an der Belagerung der Metropole bereits versucht, hatten sich 1401 und 1422 aber geschlagen geben müssen. Doch 1453 begann der junge Sultan Mehmed II. den erneuten Angriff. Aus dem einst starrköpfigen Knaben war ein extrem scharfsinniger Mann geworden, der sich intensiv mit Geographie, Technik und Geschichte beschäftigte. Besonders Waffentechnik und Vorbilder wie Caesar und Alexander der Große hatten es ihm besonders angetan. Kein Wunder, dass er als derjenige in die Geschichte eingehen wollte, der Konstantinopel erobern konnte. Ein Anlass für den Angriff war schnell gefunden, Byzanz lieferte ihn selbst. Der bankrotte Kaiser (Konstantin XI.) erpresste von Mehmed Geld und drohte damit, den osmanischen Thronrivalen Orhan freizulassen. Der hatte zwar kaum Anhänger und wollte Konstantinopel gar nicht verlassen, aber egal. Mehmed II. reagierte entschlossen und stellte in monatelanger Arbeit ein Heer und eine Flotte von gewaltigem Ausmaß zusammen.

    Militärisch gesehen musste der Bosporus mit Galeeren abgeriegelt werden, um Konstantinopel überhaupt in die Knie zwingen zu können. Zu Land errichtete Mehmed gegenüber der Metropole eine eigene Festung, die das „Messer an der Kehle“ genannt wurde. Konstantin XI. hatte sich verzockt, er reagierte mit einer Mischung aus Resignation und Trotz, bereit zum letzten Gefecht. Wahrlich das letzte Gefecht: Konstantinopel war das zweite Rom, Zentrum der orthodoxen Christen, die entscheidende Bastion gegen die Armee des leibhaftigen Antichristen, der nun vor den Mauern stand. Das lud die Stimmung natürlich richtig auf.

    Nur: In Europa erhob sich trotzdem kaum Unterstützung für den bedrängten Kaiser. Die Niederlage von Varna steckte einigen noch in den Knochen, weitere Fürsten lagen mit ihren Nachbarn im Krieg, andere wollten ihre Handelsbeziehungen zu den Osmanen nicht gefährden. Und überhaupt: Solange der Streit mit den Orthodoxen nicht geklärt war, ob das Brot beim Abendmahl gesäuert oder ungesäuert sein soll, gab es grundsätzliche Vorbehalte bei den Katholiken. Kaiser Konstantin konnte sich bei der Verteidigung seiner Stadt daher nur auf wenige Freiwillige und Söldner stützen, etwa 8.000 Mann. Seine wichtigste Lebensversicherung waren die steinernen Bollwerke Konstantinopels. Und für deren Überwindung suchte sich Mehmed II. ein neuartiges Werkzeug.
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    Stadt der weltlichen Begierde

    Dieses Werkzeug bot ihm der ungarische Kanonengießer Urban an, der in Konstantinopel kein Gehalt mehr erhielt und völlig verarmt nach Edirne reiste, um eine Audienz bei Mehmed zu erbitten. Urban erklärte dem Sultan, er könne eine Kanone bauen, die selbst die Mauern Konstantinopels zerschmettern würde. Als Mehmed das hörte, vervierfachte er das geforderte Gehalt und nahm den Mann in seine Dienste. Großzügig gefördert, fertigte Urban Kupferkanonen von acht Metern Länge und einem Durchmesser von 75 Zentimetern. Sie waren so gewaltig, dass ein Mann in sie hineinkriechen konnte. Bei einem Probeschuss flog die Kanonenkugel anderthalb Kilometer weit, ehe sie sich zwei Meter in die Erde grub. Mehmed II. war von der Vorführung begeistert und befahl, die Kanonen vor Konstantinopel zu schaffen.



    Dort lagerten bereits 100.000 türkische Krieger in einer riesigen Zeltstadt, die Umkreisung von Konstantinopel zu Land und von der Seeseite begann am 6. April 1453. Vier Tage später begann der erste massive Artilleriebeschuss der Menschheitsgeschichte. Unter den Verteidigern machte sich Panik breit, aber sie konnten Gegenmaßnahmen entwickeln: Noch waren die Kanonen nicht ausgereift, mussten nach jedem Schuss abkühlen, wenn sie beim Abfeuern nicht gar rissen. Die Byzantiner häuften rasch tonnenweise Erde und Geröll vor ihren Mauern auf, ein probates Mittel gegen die Artillerie.



    Wochenlang zogen sich der Beschuss und gelegentliche Angriffe auf die Mauer, mit denen die Osmanen die verbliebene Kampfkraft der Byzantiner testeten. Tapfer leisteten die Widerstand gegen die Attacken, gingen gegen Tunnelbauer und Belagerungstürme vor, doch Ende Mai 1453 sind sie in jeder Hinsicht erschöpft. Ohne Verstärkungen, Reserven und bei schwindendem Proviant, erwarteten die 4.000 restlichen Kämpfer am 29. Mai den Großangriff der Osmanen.

    Gegen die ausgedünnten Reihen der Byzantiner gelang der Sturmangriff auf die Mauern. Konstantinopel war gefallen! Tausende osmanische Soldaten strömten in die Stadt und verursachten eine Massenpanik unter der Bevölkerung. Einige Stunden des ungehemmten Plünderns und Mordens gewährte Mehmed II. seinen Leuten. Auch Kaiser Konstantin XI. kam in dem Chaos ums Leben, seine Leiche wurde nie gefunden. Am Morgen des 30. Mai 1453 wehte das osmanische Banner auf den Türmen von Konstantinopel. Nach 1123 Jahren war das einst so mächtige Oströmische Imperium endgültig erloschen.



    Am gleichen Tag hatte der letzte Gottesdienst in der Hagia Sophia stattgefunden, gemeinsam von orthodoxen und katholischen Priester gefeiert. Bei dem Fall der Stadt wurde auch die Kathedrale von den Stürmern geplündert und das hierhin geflüchtete Volk teils geschändet, teils getötet und größtenteils versklavt. Und bereits am Nachmittag wurde zum Gebet aufgerufen, das der Sultan auf dem Altar verrichtete. Kirchenglocken, Altar und die liturgische Ausstattung wurden zerstört oder verschleppt. Christliche Insignien wurden teilweise durch muslimische ersetzt, die Ikonen entfernt, Mosaike und Wandgemälde teilweise zerstört, übertüncht oder unter Putz gelegt, Kreuze gegen den Halbmond ausgetauscht. Im Inneren der Kirche wurden die für eine Nutzung als Moschee notwendigen Bauteile eingefügt sowie der Fußboden mit Teppichen ausgelegt.




    Mehmed II. schickte Siegesschreiben an die anderen Herrscher der muslimischen Welt und beanspruchte die Führerschaft des Heiligen Krieges für sich.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  8. #398
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    Stadt der weltlichen Begierde

    Das eroberte Konstantinopel ließ der Sultan wieder aufbauen, machte sie zu seiner neuen Hauptstadt und ließ sie in Istanbul umbenennen. Der bereits damals umgangssprachlich gebräuchliche Name der Stadt ist wohl abgeleitet von der griechischen Redewendung „is tin polin“ (in die Stadt).



    Bedeutete das Ende des Byzantinischen Kaiserreichs zugleich auch das Ende des Orthodoxen Christentums in Konstantinopel, das ja all die Jahrhunderte der Sitz des Patriarchats gewesen war? Erst einmal war das nicht der Fall. Mehmed II. schaffte das geistliche Amt nicht ab, er besetzte es aber mit einem ihm genehmen Mann, nämlich mit Georgios Scholarios, einem führenden griechisch-orthodoxen Theologen aristotelischer Schule. Er wurde der erste orthodoxe Patriarch unter türkischer Herrschaft und nannte sich fortan Gennadios II. (1454-1473). Einst hatte er die Union der orthodoxen mit der katholischen Kirche befürwortet, war im Laufe der Jahre aber zu einem stramm antiwestlichen Kurs übergegangen. Das machte ihn in den Augen des Sultans zu einem guten Kandidaten für die Führung der orthodoxen Kirche.



    Die Nachricht vom Fall der Stadt gelangte über die Häfen des Mittelmeeres nach Westeuropa. Viele Christen wollten anfangs gar nicht glauben, dass die scheinbar uneinnehmbare Metropole den Osmanen in die Hände gefallen war. In Venedig brachen viele zusammen, der deutsche Kaiser Friedrich III. zog sich unter Tränen in seine Kammer zurück. In Dänemark verglich König Christian I. Mehmed mit dem Tier der Apokalypse, das aus dem Meer emporgestiegen sei. Nackte Angst machte sich breit in Europa: Die Türken würden nun mit einer gewaltigen Streitmacht in Italien einfallen. Für den Papst natürlich eine existenzielle Frage, er verfasste eine Bulle, in der er alle Fürsten zum Kreuzzug gegen die Ungläubigen aufrief. Nur: Es geschah nichts. Für die meisten europäischen Herrscher waren die Osmanen immer noch weit weg, einen Feldzug wollten sie nur wagen, wenn die Muslime sie unmittelbar bedrohten. Die Angst der Christen vor einer Invasion Italiens war wohl überhöht, aber auch nicht unbegründet. Mehmed nutzte Istanbul als Stützpunkt für weitere Eroberungszüge.

    Vorab sollen die Krim-Tataren erwähnt werden, die sich bald den Schutz der Osmanen suchten, um gegen ihre anderen mächtigen Nachbarn bestehen zu können. Der tatarische Khan Menli war es, der 1478 nur dank der osmanischen Hilfe den Weg auf seinen Thron zurückfand. Jahrelang hatte ein Bruderkrieg um die Macht das Khanat erschüttert, das hatte durch das Eingreifen des Sultans ein Ende. Der Preis dafür war hoch: Menli musste die osmanische Oberhoheit anerkennen und erhebliche Eingriffe in seine Regierung dulden. Die Tataren waren, kaum dass sie unter Menlis Vater ihr eigenes Fürstentum begründet hatten, zu klassischen Vasallen eines mächtigeren Schutzherren geworden.



    Literatur:
    Matschke: Das Kreuz und der Halbmond
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  9. #399
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    Jenseits des Kap Bojador



    Jenseits des Kap Bojador - Portugal 1444

    Wer zum Startdatum 1444 Portugal wählt, der nimmt ein verhältnismäßig junges Königreich, das seine Interessen in Nordafrika durchsetzen will und die Segel hisst auf der Suche nach neuen Seewegen. Der zu Beginn amtierende (zwölfte) König von Portugal ist dann Alfons V. aus dem Hause Avis.



    Im Vergleich zu anderen Ländern war das Königreich Portugal noch ziemlich jung, es existierte erst seit 300 Jahren. Der Grund ist simpel, die Mauren hatten die Iberische Halbinsel zuvor ja lange im Griff gehabt, es gab also gar keinen Raum für ein christliches Königreich Portugal. Erst als die Reconquista, die Rückeroberung dieser Gebiete von den Mauren, Fortschritte machte, gab es ab 1093 (unter der Lehnsherrschaft von Asturien-Leon) überhaupt eine Grafschaft Portucalia. Mit dieser neuen Grafschaft wurde der Burgunder Heinrich belehnt. Burgund - hört sich ungewöhnlich an, war aber so.



    Heinrich war ein Enkel des Herzogs von Burgund und hatte keine Aussicht auf einen eigenen Landbesitz. Also wurde er mit einer Tante des kastilischen Königs verheiratet und ging an den Hof von Alfons VI. nach Kastilien. Der hatte gerade das Gebiet Portucalia von den Mauren zurückerobert und gab es seiner Tante als erbliches Lehen aus. Und schon war der Burgunder Heinrich der Graf von Portucalia. Heinrich band sein Haus einerseits an das des Königs, er verheiratete seinen Sohn bzw. Nachfolger Alfons mit einer unehelichen Tochter des kastilischen Königs. Andererseits betrieb er eine Politik des Absetzens und der Unabhängigkeit vom königlichen Lehnsherrn.



    Als Graf Heinrich im Jahre 1112 starb, da war sein Sohn Alfons erst drei Jahre alt. Die Mutter Theresia übernahm also die Regentschaft. Es entwickelte sich eine ähnliche Geschichte wie bei dem jungen Edward III. von England. Als Alfons volljährig wurde, musste er seine Mutter und deren Geliebten erst einmal in der Schlacht besiegen, um 1128 die Herrschaft antreten zu können. Theresia schickte er in ein Kloster. In den folgenden Jahren weitete Alfons dank mehrerer Siege über die Mauren sein Herrschaftsgebiet aus und wagte im Jahre 1139 den Bruch mit seinem Lehnsherrn, Alfons VII. von Leon und Kastilien. Der einstige Graf erklärte die Unabhängigkeit von Kastilien und ließ sich zum König von Portugal krönen. Keine einfache Konstellation: In Spanien belauerten sich die Konkurrenten Portugal, Kastilien und die Mauren nun gegenseitig. Die Kirche zögerte satte vierzig Jahre lang, bis sie Portugal 1179 als Königreich anerkannte.



    Verkompliziert wurde das Verhältnis zwischen Portugal und der Kirche noch einmal 1195, als Alfons' Sohn Sancho, seit 1185 Nachfolger auf dem portugiesischen Thron, seine Tochter mit dem König von Leon verheiratete. Das Brautpaar hatte einen gemeinsamen Großvater und der Papst erklärte die Eheschließung wegen des engen Verwandtschaftsgrades für ungültig. Es gab noch ein paar weitere Streitpunkte beim Lehnsrecht, jedenfalls war das Verhältnis zwischen den portugiesischen Königen und den Päpsten über zweihundert Jahre lang ziemlich vergiftet. Eine Exkommunikation jagte die nächste, in Portugal bildete sich gerne mal eine Adelsfraktion zum Sturz des Königs. Kennt man ja alles aus CK2.
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  10. #400
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    Jenseits des Kap Bojador

    Ein Eckstein der portugiesischen Geschichte dürfte das Jahr 1250 darstellen. Zwei Jahre zuvor hatte sich Alfons III. gegen seinen älteren Bruder Sancho II. durchgesetzt und selber den Thron bestiegen. Alfons gelang 1250 die Eroberung der Algarve, damit war die Reconquista in Portugal abgeschlossen, die Mauren waren aus dem Land vertrieben. Später konnte Alfons Sohn und Nachfolger Dionysius den Konflikt mit der Kirche entschärfen – er gab dem Klerus die Ländereien zurück, die sein Vater von der Kirche beschlagnahmt hatte. Immer diese Pflege der Stände-Loyalitäten... Und Dionysius schloss 1294 einen Handelsvertrag mit England, der erste einer langen Reihe von Pakten und Beistandsverträgen zwischen diesen beiden Ländern.



    Nach Dionysius bestieg 1325 dessen Sohn Alfons IV. den Thron von Portugal, ein ziemlich schlechter König. Zunächst war er so faul, dass ihm die Adeligen bereits mit dem Rauswurf drohen mussten. Die Beziehungen zu Kastilien ließ er verfallen, mit seinem Sohn Peter lag er wegen dessen Verbindung zu einer Dame namens Ines dauerhaft im Streit. Dieser Streit eskalierte zu blutigem Ernst, als Alfons IV. im Jahre 1355 Ines in die Finger bekam und prompt hinrichten ließ. Zack, da lag Portugal wieder einmal im Bürgerkrieg. Der endete nach zwei Jahren, nicht aufgrund einer Versöhnung zwischen Vater und Sohn, sondern weil Alfons IV. vernünftigerweise einfach starb.

    Nun konnte Peter I. den portugiesischen Thron besteigen und Rache nehmen an den Mördern seiner Geliebten. Er fuhr einen diplomatischen Schmusekurs zu Kastilien und erreichte die Auslieferung dieser Männer, die sich nach dem Tod von Alfons IV. dorthin geflüchtet hatten. Peter ließ sie foltern, ihnen bei lebendigem Leibe das Herz herausreißen, um diese sodann zu verspeisen, was ihm den Beinamen „der Grausame“ einbrachte. Weiterhin wurde berichtet, dass er seine geliebte Ines exhumieren ließ und in einer feierlichen Zeremonie zur Königin krönen ließ. Von Rachegedanken getrieben, befahl er dem anwesenden Hofstaat, der Königin die verweste Hand zu küssen. Danach war Peters Drang nach Vergeltung offenbar befriedigt, er regierte nämlich zehn Jahre lang in einer stabilen und unspektakulären Weise.

    Sein Sohn Ferdinand war ab 1367 der neunte König von Portugal und der letzte aus dem Hause Burgund. Das war die Zeit, in der im Nachbarland Kastilien der Bastard Heinrich von Trastamara den legitimen Thronerben ermordet und die kastilische Krone usurpiert hatte. Portugal erkannte Trastamara nicht an und erklärte (gemeinsam mit England und Aragon) Kastilien (das sich mit Frankreich verbündete) den Krieg. So kam es, dass auch Portugal zu einem Nebenschauplatz des Hundertjährigen Kriegs wurde. Allerdings lief der für Portugal nicht sonderlich gut, und dann zeichnete sich auch noch ab, dass Ferdinand ohne einen männlichen Erben sterben würde (was 1383 dann geschah).

    Portugals Unabhängigkeit war akut in Gefahr, denn Kastilien war x-mal durch gemeinsame Ehen dynastisch an Portugal geflochten worden, zuletzt war Ferdinands Tochter Beatriz mit dem kastilischen König Johann I. verheiratet worden.



    Man einigte sich darauf, dass später einmal ein gemeinsamer Sohn von Beatriz und Johann die Krone Portugals tragen solle. Portugal also in einer PU unter Kastilien. Game over?



    Nein – Johann von Avis, ein illegitimer Halbbruder des verstorbenen Ferdinand, riss die Macht in Portugal an sich und stellte sich 1385 dem Einmarsch der Kastilier entgegen. Denn die wollten sich die portugiesische Krone natürlich nicht entgehen lassen, es kam also zum Kampf Johann gegen Johann. Dank englischer Unterstützung gelang es dem portugiesischen Johann, das kastilische Heer zu besiegen und die portugiesische Unabhängigkeit zu bewahren. Johann von Avis hatte sich die Krone dauerhaft gesichert und begründete die Dynastie der Avis auf dem portugiesischen Thron. Sie hielt sich immerhin zweihundert Jahre an der Macht.

    Johann I. war darauf aus, das Bündnis mit England zu vertiefen und schloss mit Richard II. 1386 den Vertrag von Windsor, außerdem heiratete Johann im Jahr darauf Philippa von Lancaster, eine Tochter von John of Gaunt, dem Herzog von Lancaster. Mit ihr hatte Johann neun Kinder, und drei von ihnen sind von besonderem Interesse: Eduard (der Thronfolger), Peter (der Herzog von Coimbra) und Heinrich (den man später „den Seefahrer“ nennen sollte). Das Bündnis mit England sicherte in der Tat die Unabhängigkeit Portugals vor dem stärkeren Kastilien und schuf die wesentlichen politischen und ökonomischen Kräfte, die Portugal dann für seinen Aufstieg zur Handels- und Kolonialmacht nutzte.

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  11. #401
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    Jenseits des Kap Bojador

    Portugal war endlich bereit zum Expandieren. Nur wohin? Auf der iberischen Halbinsel war kein Platz dafür, der mächtigere Nachbar Kastilien besetzte hier das Feld und beanspruchte natürlich auch die Gebiete, die dem muslimischen Granada auf der Halbinsel noch verblieben waren. Dafür wusste man zu dieser Zeit aber bereits, dass es noch mehr Land „da draußen“ geben muss, auch wenn es dafür keine praktischen Belege gab. Dabei existierten schon seit hundert Jahren die technischen und theoretischen Voraussetzungen dafür, diese zu finden. Der Schiffstyp der Karavelle mit seinem Mittelruder, die Astronomie, der Kompass und das Navigieren waren bereits entwickelt worden. Und mit der Eroberung der maurischen Gebiete auf der iberischen Halbinsel gelangte ihr Wissen in übersetzter Form auch zu den Portugiesen. Die Moslems hatten nämlich das alte griechische Wissen von der Kugelgestalt der Erde bewahrt und am Leben erhalten. Sie errechneten die Ausdehnung des Längengrads mit bemerkenswerter Genauigkeit, da sie den Erdumfang auf 33.000 Kilometer bestimmten, was den tatsächlichen 40.076 Kilometern schon recht nahe kommt.

    Die geographischen Kenntnisse waren auf unterschiedliche Weise gemeinsamer Besitz von Wissenschaftlern, Seefahrern und Kaufleuten. Die afrikanische Küste war bis zum Kap Bojador (südlich der Kanarischen Inseln) bekannt. Sowohl die Kanarischen Inseln als auch Madeira wurden von Seefahrern aus dem Abendland besucht. Das Innere Nordafrikas war bis zum Süden der Sahara beschrieben, mit einer Fülle von Details über seine Oasen, die Karawanenwege und die afrikanischen Königreiche. All diese Informationen, die aus verschiedenen Quellen stammten, wurden vor allem innerhalb der islamischen Welt zusammengetragen und schließlich weitergegeben. Schon um 1350 beschrieb ein kastilisches Werk den Golf von Guinea, arabische Geographen erwähnen sogar schon die afrikanische Ostküste bis zum Kap der Guten Hoffnung. Die Mauren hatten auch Madeira, die Azoren und die Kanaren entdeckt, doch die Inselgruppen waren zu weit von der Küste entfernt und wirtschaftlich nicht interessant genug, um auf Dauer besiedelt zu werden.

    All diese realen (und sagenhaften) Inseln und Länder hatten einen großen Einfluss auf die Reisen der Portugiesen im späten Mittelalter. Sie waren einer der wichtigsten Anreize und ein präzises Ziel für zahlreiche Entdeckungsreisen, das sowohl den Adel als auch den gemeinen Mann anlockte. Die Kehrseite waren die schrecklichen Geschichten, die über solche Länder und Meere erzählt wurden. Alle möglichen Ungeheuer, Gefahren und Hindernisse machten den Atlantischen Ozean im allgemeinen Volksglauben unsicher. Von den Arabern weitergegeben oder erfunden, beschrieb die Sage vom Finsteren Meer einen von seltsamen Wesen bevölkerten und in ewige Finsternis getauchten Ozean, auf dem alle Schiffe in den furchtbaren Fluten oder kochenden Wasser untergingen. Sämtliche Arten von Aberglauben ließen die Neugier abkühlen und lähmten die Beutegier. Lange Zeit waren die Portugiesen wie die Europäer hin und hergerissen zwischen dem Wunsch, nach Westen und nach Süden aufzubrechen, und der Furcht, nicht wieder zurückzukehren.

    Eine andere Quelle der Verlockung war Asien mit seinen Geheimnissen. Aus Asien kamen begehrte Gewürze sowie Färbestoffe, Elfenbein, Edelsteine und alle Arten von erlesenen Waren. Die mittelalterliche Geographie vermutete Asien an der Mündung des Nils und nicht am Roten Meer und rechnete daher den größten Teil des heutigen Äthiopien dazu. Sie gebrauchte den Begriff Indien auch in einem erweiterten Sinn, der den Nordosten des heutigen Afrika mit einschloss. Es gab mehrere „Indien“ und in einem davon lebte ein großer christlicher Herrscher, der über ein ausgedehntes, dicht bevölkertes, unglaublich reiches und außerordentlich mächtiges Gebiet herrschte. Seit dem Fall von Edessa dreihundert Jahre zuvor erzählte man sich von diesem mächtigen christlichen Reich, das in Asien irgendwo östlich von Persien existieren sollte. Sein Herrscher war bekannt als Priester Johannes, da er zugleich Priester und König war. Zu seinem Reich gehörten alle möglichen Ungeheuer, sagenhafte Gestalten und paradiesische Landschaften. Dieser Mythos von Priester Johannes sollte sich als sehr wichtig für die Erhellung der Ziele der portugiesischen Expansion und ihrer Durchführung erweisen. Heute wissen wir, dass die Figur des Priesterkönigs Johannes sich zusammensetzte aus den Berichten über das christlich-monophysitische Königreich von Abessinien (Axum), die christlich-nestorianischen Gemeinschaften Zentralasiens und Indiens, sowie über die Gleichsetzung mit mongolischen Herrschern (weil diese die islamischen Königreiche in ganz Asien überfielen). Ein Bund der katholischen Reiche des Westens mit diesem Priesterkönig im Osten hätte die muslimische Welt gleichsam in die Zange nehmen können. Im 15. Jahrhundert verfügte man bereits über genauere Informationen über Priester Johannes, der mit dem Herrscher von Äthiopien gleichgesetzt wurde. Uneinig war man sich, auf welchem Weg man nach Äthiopien gelangen sollte, ob von Südwesten oder von Westen, und man wusste auch weiterhin wenig über die tatsächliche Macht und den tatsächlichen Reichtum des Priesterkönigs.

    Dann gab es noch den wirtschaftlichen Druck, der die Portugiesen zu den Entdeckungsfahrten trieb. Europa brauchte Gold. Seit 1350 nahm die Goldproduktion beständig ab, während die Käufe aus dem Orient ebenso beständig zunahmen. Der Geldmangel verhinderte ein weiteres Gedeihen des Handels und trieb Händler und Kaufleute zu dem Versuch, die Minen außerhalb Europas in ihre Macht zu bekommen. Die Geldentwertungen erreichten ein ungekanntes Ausmaß. In Portugal wurde dieser Hunger nach Gold und Silber nach 1400 spürbar. Nun wusste man im Abendland sehr genau, dass es irgendwo in Afrika, im Süden der Sahara, Gold gab, da arabische oder von Arabern befehligte Karawanen es in die islamische Welt brachten. Um es zu bekommen, gab es zwei Möglichkeiten:

    Zum ersten, einige portugiesische Handelszentren zu erobern, was den portugiesischen Angriff auf Marokko erklärt. Johann I. attackierte die Mauren daher auf der afrikanischen Seite und eroberte von ihnen im Jahre 1415 die Provinz Ceuta.



    Erwähnenswert waren weitere wirtschaftliche Anreize, wie die Weizenknappheit und die Anziehungskraft marokkanischer Getreidefelder, oder die Anlage von Zuckerrohrplantagen an der Algarve, die den Wunsch nach anderen, noch ertragreicheren in Marokko weckten, oder auch die Suche nach Sklaven, die im Spätmittelalter wieder „in Mode“ kamen. Marokko übte wie das gesamte islamische Gebiet eine große Anziehungskraft auf die Portugiesen und die Kastilier aus, allerdings wurden sein Reichtum und seine Fruchtbarkeit stark übertrieben. Verbrämt wurde die Expansion dann noch mit dem Gedanken des Kreuzzugs zur Rettung der Seelen – der eigenen Seele sowie die der Ungläubigen, die es zu missionieren galt. Dieses gottgefällige Werk rechtfertigte die Mittel: Piraterie, offener Krieg, Verrat, Plünderung, Versklavung. Es ist also kein Wunder, dass die Kirche die portugiesische Expansionspolitik billigte und ihr ihren Segen gab.

    Die zweite Möglichkeit, an Gold zu gelangen, war der Versuch, in direkten Kontakt mit den Völkern im Süden der islamischen Welt zu treten, was die portugiesischen Entdeckungsreisen mit erklärt. Damit legte Johann I. schon die Stoßrichtung für die späteren Expeditionen seines jüngeren Sohnes Heinrich des Seefahrers fest. Diese Expeditionen bildeten die Basis für den Aufstieg Portugals zu einer der größten Kolonialmächte der Welt. Heinrich der Seefahrer begann 1419 mit dem Ausrüsten von Seeexpeditionen. Obwohl er selbst nie weiter als bis Tanger reiste, erhielt er den Beinamen „der Seefahrer“, denn nur seinem unermüdlichen Wirken verdankte Portugal seine großen Entdeckungen.



    Johann I. übertrug Heinrich die Verwaltung der Algarve sowie die Leitung des Christusordens, damit dem Sohn eine ständige Streitmacht und umfangreiche Einkünfte in Form von Geld und Waren garantiert waren. Eigentlich war Heinrich die Eroberung Marokkos zeit seines Lebens wichtiger gewesen, seinen Namen unsterblich machte aber sein Einfluss auf die Entdeckungsreisen Portugals.

    Bereits bekannt waren die Kanarischen Inseln, die von wilden Stämmen bewohnt waren, die in einer Art neolithischer Kultur lebten. Die Inselgruppe bot reiche wirtschaftliche Möglichkeiten, die die Bemühungen der Portugiesen und der Kastilier, sie zu unterwerfen, erklären: sie lieferte Sklaven, Färbestoffe und Fisch in Hülle und Fülle. Der Kampf um die dauerhafte Beherrschung der Kanarischen Inseln dauerte mehr als hundert Jahre, denn die Eingeborenen kämpften erbittert um ihre Unabhängigkeit. Lange Jahre stritten sich Portugal und Kastilien darum, wem die Kanaren denn nun zustehen. Selbst die Franzosen schalteten sich ein, da der kastilische König französischen Rittern einige Inseln als Lehen geschenkt hatte. 1436 erkannte Papst Eugen IV. ausdrücklich die kastilischen Besitzrechte an den Kanarischen Inseln an – was die Portugiesen nicht hinnahmen, der Streit setzte sich bis 1480 fort. In EU4 haben die Portugiesen zu Spielbeginn jedoch keinen Anspruch auf die Kanaren.

    Anders der Fall Madeira. Portugal hatte dieser Insel bislang keine Aufmerksamkeit zukommen lassen. Als die Kastilier im Jahre 1417 eine Flotte dorthin entsandten, reagierte Portugal entschieden und ohne Zögern. Madeira sollte selber besiedelt werden, bevor es die Konkurrenten taten. Weniger als hundert Personen, angeführt von Joao Goncaves Zarco aus dem niederen Adel, segelten 1419 von der Algarve aus in See und besetzten dauerhaft Madeira und das benachbarte Porto Santo. Das war der Beginn der eigentlichen überseeischen Expansion. Auf der Insel Madeira habe ich im September 2017 Urlaub gemacht, sie ist ziemlich interessant. Geologisch ist sie ein vulkanischer Hot Spot, sie ragt mit einer ordentlichen Steigung aus dem sonst tiefen Meer heraus. Die Insel erhebt sich bis schroff zur Wolkengrenze, was dafür sorgt, dass die Wolken an den Gipfeln hängenbleiben und abregnen. Deshalb ist die Insel im Gegensatz z.B. zu den Kanaren so grün. Bis zum Jahre 1420 war Madeira den Portugiesen auch schon bekannt gewesen, sie waren jedes Jahr einmalig zu der Insel gefahren, um den dort wachsenden Fenchel zu ernten und mitzunehmen. Jetzt bekam Zarco den Auftrag, die Insel dauerhaft zu besiedeln. Die hundert Begleiter waren einfache Leute aus dem Volk, darunter auch einige Verbannte, die sozial und wirtschaftlich von Zarco abhängig waren. Er durfte den Grund und Boden in Erbpacht oder als vollgültigen Besitz vergeben, vorausgesetzt, dass er das Land tatsächlich in Besitz nahm und innerhalb einer bestimmten Frist bestellte.

    Die Insel unterstand vorrangig der Krone, 1433 schenkte der König sie als eine Art Lehen seinem Bruder Heinrich. Geistlich unterstand die Insel dem Christusorden, ein Schachzug, der Heinrich sämtliche kirchlichen Einkünfte aus Madeira sichern sollte. Die Infrastruktur ließ man wohl durch Sklaven aus Afrika und von den Kanaren aufbauen, darunter die Bewässerungskanäle, die das Regenwasser aus den Bergen bis zur Küste hinunterführten. Heute kann man an den Steilhängen, an denen sich diese Wasserrinnen entlangschlängeln, interessante Wandertouren machen. Vorausgesetzt, man ist halbwegs schwindelfrei. Als die Insel besiedelt wurde, gab es hier weder Vieh noch Haustiere. Fisch gab es in Hülle und Fülle, doch Fleisch war Mangelware. Das änderte sich erst, als das Bewässerungssystem von den Bergen hinunter zur Küste fertig war und die Land- und Viehwirtschaft an Fahrt aufnehmen konnte.

    Der Hafen der errichteten Stadt Funchal musste natürlich gegen Piratenüberfälle gesichert werden. So entstand ein Stützpunkt der Portugiesen im Atlantik, der zudem wertvolles Zedern- und Eibenholz (gut geeignet für den Schiffsbau) und Zuckerrohr (das auf der Insel gut gedeihte) abwarf. Madeira warf von Anfang an Gewinn ab. Zu den ersten Exporten der Siedler gehörten Drachenblut, Indigoblau und andere Färbestoffe. Nach 1450 entwickelte sich Madeira zu einem bedeutenden Zentrum des Getreideexports, es gab reichlich Vieh, Wein und Zucker. Besonders der Zucker lief hervorragend, er wurde nach England exportiert und lockte auch von dort Kaufleute an.



    Der nächste Schritt war schwieriger. In den 1420ern kannten die Portugiesen die marokkanische Westküste sowie das Seegebiet um die Kanaren schon gut, hier gab es keine Überraschungen mehr. Sie kannten die Schwierigkeit, günstige Winde auf dem Atlantik zu finden, die sie zurück nach Hause brachten, sobald sie mehr als sonst weiter nach Westen segelten (es sei denn, sie nahmen Kurs nach Nordwesten und kamen dort in die Passatwinde, die aus Westen bliesen). Möglicherweise versuchten die Portugiesen auch, den kastilischen Piraten auszuweichen, die im Gebiet der Kanaren sehr aktiv waren. Auf einem dieser Ausweichkurse erblickte ein Steuermann aus der Algarve 1427 die Inseln der Azoren. Die Besiedlung der Azoren begann erst sehr viel später als es bei Madeira der Fall gewesen war. Als vorbereitende Maßnahme für eine dauerhafte Besetzung setzte man Schafböcke und andere Haustiere auf den Azoren aus. Los ging es mit der Besiedlung dann in den 1440ern, wie Madeira wurden auch die Azoren Heinrich und dem Christusorden unterstellt.

    Nach diesen ersten Besiedlungen dehnte Heinrich der Seefahrer die Expeditionen entlang der westafrikanischen Küste immer weiter aus. Irgendwo im Süden lag der berühmte „Goldfluss“, mit Goldminen, die den gesamten islamischen Raum belieferten. Schon 1346 segelte ein katalanisches Schiff nach Süden auf der Suche nach dem Goldfluss, den man für einen der Arme des Nils hielt. Mehrere portugiesische Schiffe segelten nun in diese Richtung. Die Küstenlinie war ungefähr bis zum 26. Breitengrad bekannt. Ab dem Kap Nun kam man in einsames und gefährliches Gewässer, wo nichts zu sehen war außer abschüssige Felsen und Sanddünen. Das Gebrüll der Wellen, die gegen die Klippen brandeten, war meilenweit zu hören. Wenn die Westwinde bliesen, konnten die Wellen an der Küste eine Höhe bis zu fünfzehn Metern erreichen. Von Oktober bis April herrschte dichter Nebel. Für einen mittelalterlichen Seemann, der sein Leben lang sagenhafte Geschichten über das Finstere Meer und das Ende der Welt gehört hat, bedeutete diese tückische und verlassene Küstenlinie zweifellos die Grenze, ab der keine Schifffahrt mehr möglich war. Das lange Vorgebirge des Kap Bojador, das tief ins Meer vordrang, zeigte klar und deutlich, wo die Grenze lag. Wer würde es wagen, sie zu überschreiten?

    Entsandt von Heinrich dem Seefahrer, war Gil Eanes kühn und erfahren genug, die Heldentat zu vollbringen. 1434 umsegelte er das berüchtigte Kap, segelte einige Meilen weiter und kehrte mit der guten Nachricht zurück, dass die Welt dort für die Schifffahrt noch nicht zu Ende war. Als überzeugenden Beweis brachte er einige wilde Rosen mit, die er jenseits des Vorgebirges vom Bojador gepflückt hatte. Ab 1434 wurde die Entdeckung der afrikanischen Westküste in einem sehr viel schnelleren Rhythmus vorangetrieben. Im Jahr darauf überquerten Gil Eanes und Alfonso Baldaia den Wendekreis des Krebses und gelangten zu einem Fluss, in dem sie den Goldfluss vermuteten und den sie daher Rio do Ouro nannten. Dort bekamen sie erste Proben dessen, was sie vor allem suchten: Gold. Die Reisen begannen sich auszuzahlen und zogen immer mehr Leute an.

    Bis hierhin war an der afrikanischen Westküste der Sklavenhandel einträglicher als das Goldgeschäft gewesen, da Sklaven reichlicher vorhanden und leichter zu bekommen waren – und Madeira brauchte die Arbeitskraft der Sklaven. Die Einwohner der Kanaren und die Mauren waren zu kämpferisch, um sie ohne weiteres versklaven zu können. Am bequemsten war es, sich zu diesem Zweck an der schwarzen Bevölkerung Westafrikas zu bedienen, die auf maurisch und afrikanisch geführten Märkten zu haben waren.

    Nun, nach der Entdeckung des Goldflusses, konnten die Portugiesen das begehrte Metall gegen Weizen tauschen, nach dem bei den Afrikanern eine große Nachfrage bestand. Dies erklärt, warum Madeira so viel von dem Weizen exportierte, der bei der Ernährung der Portugiesen doch keine große Rolle spielte. Jahr für Jahr sollten immer mehr Expeditionen von Portugal aus in See stechen. So entdeckten die Portugiesen im Jahre 1435 die Goldküste (heute: Ghana) oder im Jahre 1446 das Landesinnere des Senegal, als sie den Fluss Gambia hinauffuhren.



    Unter der Schirmherrschaft von Heinrich dem Seefahrer gelangten die Portugiesen mit der Überwindung des Kap Bojador im Jahre 1434 in Gewässer des Atlantik, deren Wind- und Strömungsverhältnisse keine einfache Rückreise vor dem Wind mehr gestatteten. Ein Problem, das einer neuartigen Lösung bedurfte. Wesentliche technische Erfindungen wie Kompass, Astrolabium und Jakobsstab oder schon sehr exakte Seekarten wurden bereits genutzt. Da jedoch die Entfernungen von den Heimathäfen immer größer wurden, benötigten die Portugiesen zunehmend Schiffe, die lange Strecken schnell und, wenn nötig, auch ohne Aufenthalt zurücklegen konnten. Dies erforderte nicht nur die Möglichkeit, hoch am Wind segeln zu können, sondern auch die Fähigkeit, ausreichend Proviant und Ersatzteile für eine längere Reise mitzuführen. Es wurden Schiffe benötigt, die auch ohne die technischen Möglichkeiten einer Werft, eine Überholung des Rumpfes und anderer Reparaturen selbst an ungünstigen Orten zuließen. Des Weiteren mussten diese Schiffe zur Weiterführung der portugiesischen Entdeckungen in der Lage sein, die Erforschung (auch widriger) Strömungs- und Windverhältnisse im Atlantik abzusichern sowie die Möglichkeit bieten, auch flache Küstengewässer und Flussläufe zu befahren. Die Antwort darauf war die Entwicklung des Schiffstyps der Karavelle durch die Portugiesen im Jahre 1441.

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    Jenseits des Kap Bojador

    Aber zurück von Heinrich dem Seefahrer zu seinem Vater, König Johann. Der verheiratete seine Tochter Isabel 1430 mit Herzog Philipp dem Guten von Burgund. Philipp war voller Hass auf den französischen König Karl VII., dessen Leute der elf Jahre zuvor seinen Vater ermordet hatten. Philipp hatte daraufhin mit Frankreichs Erzfeind, den Engländern, einen Bund geschlossen. Von da war es kein großer Schritt zu einem Vertrag mit Portugal, Englands anderem Bundesgenossen. Die Hochzeit zwischen Isabel und Philipp schuf für Portugal vorteilhafte Handelskontakte zu Flandern, zur damaligen Zeit die aufstrebende Wirtschaftsmacht in Europa.

    1433 starb Johann I. von Portugal, sein Nachfolger wurde sein Sohn Eduard, der die Expeditionen seines jüngeren Bruders Heinrich des Seefahrers nachdrücklich förderte. Eduard war hochgebildet und ging als der Philosophen-König in die portugiesische Geschichte ein, ansonsten verlief seine kurze Regierungszeit (fünf Jahre bis 1438) glücklos. Sein Vorgänger Johann I. hatte große Ländereien an den Adel vergeben können, und sich so dessen Unterstützung im Kampf gegen Kastilien gesichert. Eduard versuchte nun zumindest einen Teil dieser Ländereien für die Krone zurückzugewinnen. Er erließ 1434 ein Dekret, gemäß dem die Krone automatisch alles Land erben sollte, sobald ein Landedelmann ohne männlichen Erben starb. Dieses Dekret brachte ihn in Konflikt mit dem Landadel. Der Versuch, 1437 Tanger in Marokko von den Mauren zu erobern, scheiterte. Heinrich der Seefahrer, der den Tanger-Feldzug befehligte, musste vor der arabischen Übermacht kapitulieren. Teil der Kapitulationsbestimmungen war es, dass Portugal Ceuta an die Mauren zurückgab. Um diese Bestimmung zu verbürgen, wurde Prinz Ferdinand, ein weiterer jüngerer Bruder des Königs, den Mauren als Geisel überlassen. Eduard stand nun vor der Frage, ob er seinen Bruder retten und damit die Stadt Ceuta aufgeben sollte oder nicht. Der König starb bereits 1438 an der Pest, und Prinz Ferdinand verblieb in maurischer Gefangenschaft, in der er schließlich 1443 starb.

    Der Sohn und Thronerbe König Alfons V. (1438–1481), mit dem man in EU4 startet, war zum Zeitpunkt seiner Thronbesteigung erst sechs Jahre alt. Die Regentschaft fiel zunächst an seine Mutter Eleonore. Diese wurde aber nach einem Jahr von Peter, dem Herzog von Coimbra, verdrängt, einem jüngeren Bruder König Eduards und damit Onkel von König Alfons. Die Regentschaft des Herzogs von Coimbra entsprach nicht den testamentarischen Bestimmungen König Eduards. Trotzdem gelang es Peter, sie zweimal von den Cortes absegnen zu lassen.



    Auch nachdem Alfons 1446 für volljährig erklärt worden war, gab der Herzog von Coimbra die Regentschaft nicht auf und stärkte seine Position dadurch, dass er seine Tochter mit dem jungen König vermählte.



    Der König verbündete sich daraufhin mit dem Herzog von Braganza, der die Adelsopposition im Lande gegen Herzog Peter anführte. Auch seine Mutter unterstützte den jungen König und sicherte ihm die Unterstützung Aragons ein. So gelang es Alfons V., seinen Onkel und Schwiegervater in der Schlacht von Alfarrobeira 1449 zu besiegen, der Herzog von Coimbra fiel in der Schlacht.



    Alfons V. war danach unbestrittener Herrscher des Landes. Allerdings musste er diesen Sieg mit einer Stärkung der Stellung des Adels bezahlen, repräsentiert besonders durch den Herzog von Braganza. Der junge König stand vor der Aufgabe, zunächst einmal den verlorenen Einfluss für die Krone zurückzugewinnen.



    Während dieser Zeit gingen die Entdeckungen Heinrich des Seefahrers weiter. 1440 wurde auf der westafrikanischen Insel Arguim ein Handelsposten eröffnet, Portugal stieg in den Handel mit Sklaven ein. Ein gewisser Mendes aus Evora leitete den Bau einer Festung zu ihrem Schutz und die erste organisierte Gruppe von Siedlern, zu der auch ein Priester gehörte. Die Handelsniederlassung wurde fast sofort für zehn Jahre an eine portugiesische Gesellschaft verpachtet. In den 1450er Jahren wurde einige Meilen südlich von Arguim eine zweite Handelsniederlassung gegründet, die mit afrikanischem Pfeffer, Elfenbein, Moschus und Papageien handeln sollte.
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    Jenseits des Kap Bojador

    1456 wurden die Kapverden entdeckt und dem Christusorden, den ehemaligen Templern, zur Besiedlung im Namen Portugals überlassen. Im Todesjahr von Heinrich dem Seefahrer (1460) erreichten die Portugiesen Guinea. Am Breitengrad des heutigen Monrovia bog die afrikanische Küstenlinie unzweifelhaft nach Osten ab. Im offenen Meer vor der Küste wurden die Kapverdischen Inseln entdeckt und erforscht. Die Ilha do Sal war bereits bekannt und auf den Karten verzeichnet gewesen, daher behielten die Portugiesen diesen Namen bei. Die übrigen Inseln wurden in der Regel nach dem Heiligen des Tages benannt, an dem sie entdeckt wurden. Inzwischen hatte man das bedeutende Potential erkannt, das Afrika vor allem für den Handel bot, und Portugal versuchte natürlich, Rivalen von der kolonialen Expansion nach Afrika auszuschließen. Dazu war Portugal auf den Papst angewiesen, mit dem man sich daher besonders gut stellen wollte und die Beziehungen eifrig auf über +100 anhob.



    Jawohl, der Papst wurde nach jahrhundertelangem Knatsch mit Portugal nun zum Buddy und am 13. März 1456 übertrug Papst Calixt III. dem portugiesischen Christusorden die gesamte geistliche Gewalt über „alle Gebiete südlich von Kap Bojador und Kap Nun, über Guinea bis zu den Indern sowie über die Inseln im Atlantik“. Bereits ein Jahr zuvor hatte Nikolaus V., der Vorgänger von Calixt, dem portugiesischen König Alfons V., dessen Onkel Heinrich dem Seefahrer sowie ihren Nachfolgern bereits die Länder, Häfen, Inseln und Meere Afrikas samt dem Patronat über die Kirchen, das Handelsmonopol (außer den Handel mit Kriegsmaterial), das ausschließliche Recht der Schifffahrt in diesen Gewässern sowie das Recht, Ungläubige in die Sklaverei zu führen, übertragen. Das alles galt übrigens auch für jene Gebiete, die Portugal erst noch erwerben würde. Ein ordentliches Privileg!



    Auch im Nordatlantik unternahmen die Portugiesen Entdeckungsreisen, auf der Suche nach den sagenhaften Ländern, die auf den Karten vermerkt waren oder von denen die Überlieferungen berichteten. Man denke nur einmal an Platon und seinen Bericht über Atlantis. Über diese Reisen nach Westen ist kaum etwas bekannt, weil es kaum Inseln gibt und daher nur wenige Zeugnisse von den Expeditionen angefertigt wurden. Das Meer an sich war ohne Bedeutung, man war nur an der Entdeckung von Land interessiert. Abseits von Spekulationen, ob die Küste Brasiliens bei diesen Fahrten bereits erreicht wurde, ist zweifellos sicher, dass die Portugiesen zu dieser Zeit bis zur Sargassosee kamen (das waren etwa zwei Drittel der Wegstrecke von Madeira bis Florida). Das reichte, um eine ziemlich vollständige und genaue Karte der Winde und Strömungen des Atlantiks zu zeichnen, die von allen künftigen Seefahrern benutzt werden sollte.

    Nach dem Tod von Heinrich dem Seefahrer im Jahre 1460 gingen die Expeditionsfahrten deutlich zurück. Der neue, junge König Alfons V. interessierte sich mehr für den Ruhm, den die Eroberung Nordafrikas mit sich bringen sollte. Der König unternahm das alles, um an der Seite des Papstes einen europäischen gegen den Islam zu organisieren, vor allem gegen die Osmanen, die 1453 Konstantinopel erobert hatten. Der König von Portugal unterstützte die militärischen Träume des Papstes so gut er konnte und scheute keine Anstrengungen, um sie Wirklichkeit werden zu lassen. Alfons V. griff in Afrika an und errang mehrere Siege, die sowohl sein Selbstbewusstsein als auch sein internationales Ansehen mehrten, obwohl man die tatsächliche wirtschaftliche und politische Bedeutung der Eroberung von Tanger im Jahre 1471 in Zweifel ziehen kann. Na ja, hat seinen Grund, dass man für die Mission an Prestige nur lumpige +5 bekommt. Von wegen Mehrung des internationalen Ansehens.



    Nach dem Sieg erweiterte Alfons V. seinen Königstitel, um seinen Anspruch auch auf die nordafrikanischen Territorien zu bekräftigen. Er nannte sich nun rei de Portugal e do Algarve, Senhor de Septa, Senhor d’Alcacere em Africa; das brachte ihm den Beinamen „der Afrikaner“ ein. Wichtiger waren dem König wohl eher die handfesten 200 Administrativen Punkte, die er dafür einsacken konnte. Weitere Feldzüge mussten wegen der Spannungen mit Kastilien auf Jahre zurückgestellt werden.



    Um trotz begrenzter finanzieller Mittel die portugiesischen Erkundungen an der afrikanischen Küste fortzusetzen, verpachtete König Alfons 1469 das Recht, im Namen und Auftrag der portugiesischen Krone Afrikareisen durchzuführen. In diesem auf fünf Jahre terminierten Vertrag verpflichtete sich der wohlhabende portugiesische Kaufmann Fernão Gomes neben der Pachtzahlung, die afrikanische Küste jährlich weitere um 100 Legoas, also fast 620 km zu erkunden. Ausgangspunkt war dabei das heutige Sierra Leone.

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    Jenseits des Kap Bojador

    1474 starb der König Heinrich IV. von Kastilien. Alfons V. griff daraufhin aktiv in den Kampf um den kastilischen Thron ein. Einstmals hatte er um die Hand der Prinzessin Isabella, der späteren Regentin Isabella der Katholischen, einer Schwester des verstorbenen Heinrich IV., geworben, nachdem sich diese Pläne jedoch zerschlagen hatte, verlobte er sich mit Johanna, der Tochter Heinrichs IV., und unterstützte jetzt deren Thronansprüche gegen Isabella. In der Schlacht von Toro 1476 wurde Portugal von den katholischen Königen geschlagen, die portugiesischen Ansprüche auf den Thron von Kastilien waren damit abgewehrt. Im Frieden von Alcáçovas musste Alfons V. für sich und seine Frau alle Ansprüche auf den kastilischen Thron und die Kanarischen Inseln aufgeben, erhielt dafür jedoch von Spanien Handlungsfreiheit in Nordafrika zugesichert. In seinen letzten Lebensjahren war der König zunehmend depressiv und kränkelte, wollte sogar abdanken, starb aber vorher an der Pest.



    Nach dem Tode Alfons’ V. kam 1481 dessen Sohn, König Johann II. (João II.), „der Strenge“ oder „der Vollkommene“, an die Macht. Der neue König war ein typischer Renaissance-Herrscher. Johann II. begann einen gefährlichen Kampf gegen die großen Feudalherren, den er rasch und skrupellos zu einem triumphalen Sieg führte. Die Macht war fortan – wie in Frankreich und Kastilien – in der Person des Königs zentralisiert. Johann II. zwang die Adeligen zu einem in ihren Augen erniedrigenden Treueschwur, ihnen wurde das Recht genommen, in ihren Domänen selbst die Gerichtsbarkeit auszuüben. Gegner dieser Politik wie den Herzog von Braganca verfolgte der König mit großer Härte (sprich: Kopf ab) und zog große Ländereien zu Gunsten der Krone ein. Nach dem Herzog von Braganca nahm Johann den zweiten bedeutenden Feudalherren Portugals ins Visier, den Herzog von Viseu, Vetter und Schwager des Königs. Unvorsichtig genug, eine neue Verschwörung anzuzetteln, wurde der Herzog 1484 vom König erstochen, während seine Gefolgsleute auf dem Schafott starben oder nach Kastilien flohen. Drei Jahre, nachdem Johann II. den Thron bestiegen hatte, waren also die meisten Vertreter des Hochadels entweder tot oder ins Exil getrieben worden, und der König hatte seinem Besitz einen beträchtlichen Teil des Staatsgebietes hinzufügen können.

    Außenpolitisch setzte der König den Expansionskurs fort. 1482 wurde die Festung São Jorge da Mina an der Goldküste (Ghana) gegründet und damit der Gold- und Sklavenhandel aus Westafrika – weg von den ungünstigen Routen der Karawanen quer durch die Sahara - abgelenkt. Die Einkünfte der Krone verdoppelten sich. Es folgten eine Expedition zum Kongo, im Jahre 1488 umrundete Bartolomeu Diaz das Kap der guten Hoffnung: Damit war der Seeweg nach Indien gefunden worden!



    Die Regierungszeit Johann II. markiert einen Meilenstein auf der Entwicklung Portugals zu einem zentralistischen, auf die Königsmacht ausgerichteten absolutistischen Staat. Während seiner ganzen Regierungszeit berief der König die Cortes nur vier Mal ein, regierte ansonsten vollkommen unabhängig. Die Regierungszeit Johann II. ist aber auch eine Zeit der verpassten Chancen für Portugal. Durch die Eheschließung seines Sohnes und Thronfolgers Johann mit Isabella, Tochter der katholischen Könige Spaniens, bestand die Aussicht auf ein iberisches Großreich unter portugiesischer Führung. Der Tod des Thronfolgers Alfons im Jahre 1491 (kein Scheiß: ein Reitunfall) verhinderte dann diese Pläne. Johann II. blieb nach dem Tode des Thronfolgers ohne legitime männliche Nachkommen und erwog deshalb, seinen Lieblingssohn aus einer illegitimen Verbindung zum Nachfolger zu machen. Testamentarisch bestimmte er dann aber doch den nächsten lebenden männlichen Angehörigen des Hauses Avís zu seinem Nachfolger, Emanuel, einen Bruder seiner Frau und Enkel des Königs Eduard.

    Aber was wurde nun aus dem Vorhaben, einen eigenen Weg nach Asien zu finden, dort mit dem Priesterkönig in Kontakt zu treten und den gemeinsamen Kreuzzug gegen die islamische Welt zu organisieren? Sie mündete in mehr als das: In das umfassende Vorhaben der Eroberung der Welt im Namen Christi. Johanns kühne Seefahrer standen kurz davor, auf dem Seeweg nach Indien zu gelangen, als der König 1495 starb. Doch ist Johann II. auch der portugiesische König, der Christoph Kolumbus seine Hilfe bei der Suche nach dem Westweg nach Indien verweigerte, so dass dieser Amerika in spanischen Diensten entdeckte. Das aber ist bereits Stoff für das Kapitel über Kastilien.



    Literatur:
    Marques: Geschichte Portugals und des portugiesischen Weltreichs
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    Der kleine Drachen

    Der kleine Drachen
    Vlad III. Draculea, Woiwode der Walachei, lebte von 1431 bis 1476


    Die Partie in EU4 beginnt mit der Niederlage des christlichen Koalitionsheeres bei Varna am 10. November des Jahres 1444. Obwohl die osmanische Armee der christlichen zahlenmäßig weit überlegen war, schien der ungarische Kommandoführer Hunyadi dank geschickter Taktik zunächst Erfolg zu haben. Dann aber fühlte sich der polnische König Wladislaw bemüht, eine heroische Ritterattacke auf das Zentrum der Feinde zu führen. Sie endete nicht nur mit seinem Tod, sondern mit einer vollständigen Niederlage der gesamten Streitmacht. Auch der walachische Fürst Mircea war an diesem Tag mit seinen Truppen gegen die Osmanen gezogen, hatte sie aber soweit wie möglich aus dem Kampf herausgehalten. So lag es nahe, ihn zum Sündenbock für die Niederlage zu machen. Die Beziehungen zwischen Ungarn und der Walachei waren jedenfalls zerrüttet. Dazu trug weiter bei, dass der in die Walachei geflohene Hunyadi gefangen gesetzt wurde, um ihn als politisches Pfand in den sich ändernden Machtkonstellationen in Osteuropa in der Hand zu haben. Als sich der osmanische Sultan uninteressiert zeigte und nach Griechenland wandte, ließ der Mann, der ihn festgehalten hatte, Hunyadi wieder frei und schickte ihn, mit Geschenken überhäuft, heim. Der Mann, der Hunyadi festgehalten hatte war: Vlad II. Dracul – der Vater von Dracula.



    Mir gefiel der Film, den ich 1992 im Kino gesehen hatte. Im Intro wird der historische Dracula, na ja, zumindest mal erwähnt, es geht ein paar Minuten darum, wie er zum Verdammten wurde.



    Dracula hat es wirklich gegeben. Sein Leben ist überdeckt von Legenden, Erfindungen und Klischees. Hier soll es um den historischen Dracula gehen, sein richtiger Name lautete Vlad III. Vermutlich wurde er 1431 in Siebenbürgen geboren, jedenfalls hielt sich sein Vater Vlad II. (der ca. 1395 bis 1447 gelebt hat) zur fraglichen Zeit dort auf. Die Mutter stammte aus einem moldauischen Fürstengeschlecht. Es war um die Zeit, als in Nürnberg am 9. Februar 1431 ein Reichstag eröffnet wurde, zu dem König Sigismund – den kennen wir bereits vom vorigen Kapitel – , drei Monate vor seiner Kaiserkrönung in Rom, geladen hatte. Das wichtigste Thema des Reichstages bildete der Kampf gegen die Hussiten in Böhmen. Sigismund wollte hier aber auch auf eine weitere Gefahr für das Reich hinweisen, die Expansion des Osmanischen Reiches. Zu diesem Zweck hatte er Vlad nach Nürnberg kommen lassen.



    Weil Sigismund den bisherigen Fürsten der Walachei für unzuverlässig hielt, erhob er in einer feierlichen Zeremonie Vlad zum neuen Fürsten und schlug ihn zum Ritter des Drachenordens. Diesen Orden hatte Sigismund 1408 gemeinsam mit seiner ungarischen Frau Barbara von Cilli zum Kampf gegen Heiden und Schismatiker, gemeint waren damit die Osmanen und die Hussiten, gegründet. Mit seinem Namen definierte der Drachenorden sein erklärtes Ziel: Stets gegen die Nachfolger des Teufels, des Urdrachens, zu kämpfen. Durch seine Aufnahme in den Orden erhielt Vlad II. den Beinamen Dracul, der Drache, und voller Stolz über diese Ehre machte er den Drachen zu seinem Zeichen auf Münzen und Siegeln. Sein neugeborener Sohn erhielt bald den Beinamen Draculea, der kleine Drache. Das erinnert mich gerade an Grisu, der kleine Drache.

    Warum war Sigismund die Walachei überhaupt wichtig? Es war eine Landschaft von den schroffen Bergen, dichten Wäldern und tiefen Schluchten der Karpaten bis hin zu den Sümpfen und Auswäldern des Donau-Deltas.



    Ein Fürstentum hatte sich hier erst im 14. Jahrhundert gebildet, im Zuge der Ausdehnung des ungarischen Königreichs nach Osten. An der Spitze der Walachei stand ein Woiwode, was früher Kriegsherr und nun schlicht Fürst bedeutete.



    Das Fürstentum strebte danach, sich von Ungarn unabhängig zu machen. Dazu diente auch die kirchenpolitische Unterstellung unter den Patriarchen von Byzanz. Die Bevölkerung der Walachei bekannte sich damit zur griechisch-orthodoxen Kirche gegenüber dem katholischen Ungarn. Nun aber stand eine ungleich bedrohlichere Macht an den Grenzen, die Osmanen. Die Walachei hatte in den 1410ern deren Oberhoheit anerkennen müssen und zahlte ihnen kleinere Tribute. Im Inneren hatte der damalige Woiwode Mircea der Ältere immerhin die Gunst der Stunde genutzt, seine Macht ausgebaut und sich außenpolitisch Ungarn, Polen-Litauen sowie dem Fürstentum Moldau angenähert, um ein langfristiges Gegengewicht zu den Osmanen aufzubauen. Jetzt, 1431, wollte König Sigismund ein neues Bündnis gegen die Osmanen zustande bringen. Der Walachei kam dabei eine wichtige Rolle zu. Damals war das keineswegs ein fernes, unbekanntes Land. Deutsche Kaufleute handelten mit den Städten Siebenbürgens und bezogen von dort Erze für die Rüstungsproduktion. Dieses Land sollte nicht in die Hände der Türken fallen. Nach einer Zwischenperiode unter einem schwachen Fürsten und erbitterten inneren Kämpfen sollte Mirceas Sohn Vlad II. Dracul die Gewähr bieten, dass von der Walachei aus die Osmanen zurückgedrängt werden könnten.



    So ein Bündnis aufzustellen war schwieriger, als es scheint. Osteuropa war in kleine Fürstentümer zersplittert und/oder stand bereits unter der Oberhoheit des Osmanischen Reiches. England und Frankreich lagen noch im Hundertjährigen Krieg und brauchten ihre Zeit, um wieder handlungsfähig zu werden. Kastilien und Portugal standen im Kampf gegen die Mauren bzw. erkundeten die Küsten Afrikas. In Nordeuropa waren die Reiche durch innenpolitische Probleme gelähmt. Italien war politisch auf komplexe Weise zersplittert. Das Heilige Römische Reich hatte keine Zentralgewalt, die diesen Namen verdient gehabt hätte. Und die Autorität des Papstes hatte sich nach der Spaltung zwischen Rom und Avignon ebenfalls gemindert. Lediglich Burgund mit Philipp dem Guten stand als schlagkräftiger Bündnispartner gegen die Osmanen bereit. In diese unruhige Zeit wurde Vlad hineingeboren.
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