Soweit in seiner Position gefestigt, konnte er endlich in das Geschehen in Deutschland eingreifen. Sein Bruder Wenzel dort war nämlich ein erschreckend schwacher König, an dessen Herrschaft das Erstaunliche war, dass sie überhaupt so lange hielt. Wenzel war ein Alkoholiker auf dem Thron, dessen Phlegma nur von seinen gelegentlichen Zornesausbrüchen unterbrochen wurde. Anfangs mögen sich die Kurfürsten noch gefreut haben, dass sie einen schwachen König haben. Mit der Zeit wurde die Inaktivität von Wenzel, der den Beinamen „der Faule“ erhielt, aber zu einem echten Problem für das Reich. In den 1390ern begann man schon darüber nachzudenken, Wenzel zum Rücktritt zu zwingen. Bei diesen Plänen durften Sigismund und sein mährischer Cousin Jobst natürlich nicht fehlen! Das komplizierte Ränkespielen brachte Sigismund an die Seite des Habsburgers Albrecht IV. von Österreich, mit dem er einen umfassenden Beistandsvertrag schloss. Dieser beinhaltete die Bestätigung, die schon Karl IV. mit den Habsburgern geschlossen hatte, nämlich dass sich der Habsburger und der Luxemburger für den Fall der Fälle (den kinderlosen Tod eines Vertragspartners) als gegenseitige Erben bestimmten.
Wenzel wurde 1400 zum Rücktritt gezwungen und legte die deutsche Krone nieder, er blieb aber König von Böhmen. Dort hatte er genug zu tun, die Anhänger des Predigers Jan Hus machten ihm mit ihren radikalen Forderungen nach einer Reform der Kirche allerhand Probleme. Im Grunde war Jan Hus ein Vorgänger von Martin Luther, der gut einhundert Jahre später ähnliche Ansichten und Forderungen verkündete. Im Reich wurde der Pfalzgraf Ruprecht III. zum Nachfolger gewählt, jedoch nur von einem Teil der Kurfürsten – einige erkannten Wenzel weiterhin als König an. Eine paralysierende Situation: Beide Könige hatten kein Geld, um die Frage militärisch zu klären, einen allseits anerkannten Papst, der als Schiedsrichter hätte fungieren können, gab es auch nicht.
Wenzels Kräfte reichten zumindest, um sich in Böhmen seine Verwandten Sigismund und Jobst vom Leibe zu halten. Weil Sigismunds Verbündeter Albrecht IV. im Jahre 1405 vermutlich einem Giftanschlag zum Opfer fiel (auch Sigismund erkrankte, überstand die Sache aber), musste Sigismund von Böhmen ablassen. Für die Ungarn war das gut, endlich investierte ihr König seine Aufmerksamkeit in ihr Land. Sigismund kümmerte sich um die Infrastruktur im Land, förderte Handel und Wirtschaft und gründete 1408 den Drachenorden. Das mit den Orden war zu dieser Zeit ja eine regelrechte Mode. Dem Orden trat übrigens auch der walachische Fürst Vlad bei, stolz trug er fortan den Titel des Dracul, des Drachen.
Im Jahre 1410 kam die große Chance für Sigismund: Zugleich starben der Papst Alexander V. sowie der deutsche König Ruprecht. Dieses Mal wollte sich Sigismund nicht in die zweite Reihe schieben lassen und sprach beim neuen Papst Johannes XXIII. (der residierte in Bologna, es gab ja noch zwei weitere Päpste) wegen eines umfassenden Konzils vor, das die großen Probleme der Zeit anpacken sollte. Dem Papst gefiel es, er sprach sich bei den deutschen Kurfürsten für die Wahl von Sigismund zum König aus. Von Böhmen aus beanspruchte zwar immer noch Wenzel, der wahre deutsche König zu sein, aber das war nicht so wichtig. Bedeutender war, dass Sigismund Cousin - und Konkurrent um die Krone - Jobst zufällig einem Giftanschlag zum Opfer fiel. Da war eine Einigung mit Wenzel plötzlich auch möglich, Sigismund teilte mit ihm einvernehmlich das mährische Erbe von Jobst auf, Brandenburg ging an Sigismund zurück. Da war dann auch Wenzel damit einverstanden, dass Sigismund die Krone des Reiches bekommt. Die Wahl der Kurfürsten fand im Juli 1411 statt, Sigismund wurde der neue deutsche König!
Zuvor hatte Sigismund bereits den Titel „König von Ungarn, Dalmatien, Kroatien, Serbien etc.“ geführt, dazu war er Markgraf von Brandenburg und Erbe des Königreichs Böhmen und des Herzogtums Luxemburg.
Jetzt war er römisch-deutscher König und hatte noch mehr Probleme als vorher. Seine politische und ökonomische Basis im Reich war gering. Die größte Gefahr sah er als Betroffener in den Türken. Nur mit den vereinten Kräften der christlichen Reiche aus West und Ost konnte man nach seiner Ansicht diese Gefahr beseitigen. Eine Einigung Europas war aber nur über eine Beseitigung des Schismas zwischen West- und Ostkirche und zwischen den Päpsten zu erreichen. Dies musste also die vordringlichste Aufgabe sein. Deshalb also das große Konzil, auf dem all diese Probleme angepackt werden sollten.
Es gab da noch einen Punkt im Vorfeld zu erledigen. Sigismund musste im Nordosten Stellung beziehen. Dort war sein Verbündeter, der Deutsche Orden, am 15. Juli 1410 bei Tannenberg vom polnischen König Jagiello vernichtend geschlagen worden. Trotzdem verhielt sich Sigismund zurückhaltend und lavierte zwischen den Parteien herum. Immerhin brauchte er auch die Polen, wenn er das päpstliche Schisma überwinden wollte. Und auch mit Venedig musste sich Sigismund eine Weile beharken, dabei ging es um die Vorherrschaft über Dalmatien. Venedig war gut vernetzt in Italien, Mailand und Neapel hielten zu der Handelsstadt. Auch hier musste schließlich ein Waffenstillstand her, um das große Konzil realisieren zu können. Günstig für Sigismund war zumindest, dass Frankreich nach dem aufsehenerregenden Mord an Herzog Ludwig von Orleans in zwei Lager gespalten war. Unter dem König Charles VI. (genannt der Wahnsinnige) rangen Armagnacs und Bourgugnons blutig um die Macht. Frankreich war als dominierende Ordnungsmacht zeitweise aus dem Spiel, das konnte Sigismund nutzen – übrigens auch England, aber das ist eine separate Geschichte.