Henry VIII. machte sich allmählich daran, sein Haus zu bestellen. Die testamentarisch verordnete Thronfolge war eine kleine Sensation: Sie räumte auch den Töchtern einen Rang in der Erbfolge ein, die da lautete: Zunächst Edward und seine etwaigen legitimen Kinder. Dann Mary und ihre etwaigen legitimen Kinder. Zuletzt Elisabeth und ihre etwaigen legitimen Kinder. Über den Status der beiden Töchter infolge ihrer Bastardisierungen schwieg sich das Testament aus. Weiter ging die Erbfolge mit den Nachkommen von Henrys jüngerer Schwester Mary. Die Nachkommen seiner älteren Schwester Margaret ließ der König komplett außer Acht, da er nicht vorhatte, England und Schottland unter der Herrschaft der Stuarts zu vereinigen.
Für seinen Sohn Edward und für die Zukunft des Landes hatte er einen besonderen Plan: England und Schottland unter der Herrschaft der Tudors vereinigt, indem er die kleine Maria Stuart, Königin von Schottland von ihrem sechsten Lebenstag an, mit Edward verheiratete. Eine durchaus vernünftige und sogar visionäre Idee, bedeutete sie doch ein Ende des Blutvergießens, der unablässigen Kriege zwischen Schottland und England. Aber den Stuarts passten die Bedingungen nicht, und das ist gut nachzuvollziehen. So wie der Ehevertrag formuliert war, wäre Schottland leicht an die englische Krone gefallen. Da hielten es die Schotten im Zweifel lieber mit den Franzosen und der Allianz gegen England, die sie seit jeher mit Frankreich hatten. Henry VIII. rächte sich für die schottische Absage an seine dynastische Heiratsofferte, indem er im Mai 1544 einen Kriegszug nach Schottland startete, bei dem Edinburgh niedergebrannt wurde.
Selbst gegen Frankreich wollte der Tudor nun noch einmal in den Krieg ziehen, doch England war nach Henrys langer aufwendiger Herrschaft völlig pleite, es gab auch keine Kredite mehr. Die Fugger winkten ab, und das englische Parlament fragen wollte der König nicht, so tief mochte er nicht sinken. Kurz: Englands König war nicht mehr kreditwürdig. Und das, obwohl er das Königreich in so gesunder finanzieller Verfassung von seinem Vater Henry VII. übernommen hatte!
Es ging mit Henry VIII. sowieso dem Ende zu. Die Mediziner versuchten alles Mögliche, die Kosten für die Medikamente des Königs stiegen Woche um Woche. Neben der eiternden Beinwunde und dem monströsen Übergewicht dürfte Henry zuletzt an Diabetes, Malaria und vielleicht sogar Skorbut, jedenfalls an Mangelerscheinungen, gelitten haben. Er ernährte sich einfach zu ungesund, aß quasi nur Fleisch (das als standesgemäß galt) und überhaupt keine frischen Sachen wie Obst und Gemüse, da solche Sachen in dem Verdacht standen, die Melancholie zu fördern. Henry wurde bewusst, dass er nicht mehr so lange leben würde, um seinem Sohn Edward das Zepter direkt übergeben zu können. Der Prinz war zu jung, es würde zu einer Phase der Regentschaft kommen. Zu Catherines Enttäuschung wurde sie nicht zur Regentin Edwards bestellt, dabei war sie eine gute Ehefrau und Stiefmutter.
Im Gegenteil, der König setzte seiner Frau noch einmal mit seinem grausamen Vergnügen richtig zu, ließ zunächst radikale Protestanten aus ihrer Umgebung verhaften und der Ketzerei anklagen. Eine dieser Personen war Anne Askew, die trotz der schlimmsten Folter standhaft blieb und dem Gericht keine Zugeständnisse machte. Bezüglich der Realpräsenz Christi während der Messe antwortete sie: „Ich habe gelesen: Gott schuf den Menschen, aber dass ein Mensch Gott schaffen kann, habe ich nirgendwo gelesen und werde ich vermutlich auch niemals irgendwo lesen.“ Schlimm zugerichtet, verkrüppelt durch die Folter im Tower, da sie am Ende weder laufen noch stehen konnte, wurde Anne Askew schließlich am 16. Juli 1546 verbrannt.
Noch im Verlauf des Verfahrens gingen die Traditionalisten in Henrys Reihen noch viel weiter. Sie wollten die Königin mit ihren Sympathien für Häretiker zu Fall bringen. Anne Askew war dazu gewissermaßen nur ein Präludium. Die Königin sei eine Schlange an seinem Busen, flüsterte Bischof Gardiner dem König ein. Henry führte ein sadistisches Machtspiel mit seiner Frau: Wie zufällig wurde eine Abschrift der Anklage im Korridor der Wohnräume Catherines fallen gelassen, worauf die Königin informiert war und verständlicherweise in Panik geriet. Sie suchte umgehend den König auf, in nackter Angst, und fand ihren Ehemann in der Stimmung, weitere theologische Dispute mit ihr vom Zaun brechen zu wollen, um sie zu testen. Catherine erkannte das, und warf sich Henry vor die Füße. Sie sei nur eine törichte Frau, schluchzte sie, mit allen Unvollkommenheiten und Schwächen ihres Geschlechts ausgestattet, und so würde sie es sich niemals anmaßen, ihre eigene Urteilskraft über die Weisheit seiner göttlichen Majestät zu stellen, da er ja der Höchste sei, gleich nach Gott. Sie habe ihn mit den Gesprächen doch nur von den Schmerzen in seinem Bein ablenken wollen und habe nebenbei von seinem theologischen Wissen immens profitiert. Der König nahm sie gerührt in den Arm und sagte: „Ist das so, Sweetheart?“ Dann sind wir wieder vollkommene Freunde!“ Zweifellos authentisch ist die Szene einen Nachmittag darauf, da sie vor zahlreichen Augenzeugen stattfand. Das Königspaar saß gemeinsam im Garten des Palastes, als der Kanzler sich mit vierzig Wachsoldaten näherte, um zur vereinbarten Zeit die Verhaftung der Königin vorzunehmen. Henry wollte davon nichts mehr wissen, obwohl er die Verhaftung zweifellos persönlich angeordnet hatte. Er schrie den Kanzler an, worauf dieser sich demütig zurückzog und einmal mehr über die Unberechenbarkeit seines Königs belehrt wurde. Bei aller Perfidie, aller Berechnung, Henry VIII. hatte offenbar keine Kraft mehr, eine weitere Ehefrau aufs Schafott zu befördern. Wahrscheinlich wusste er auch, dass er keine Zeit mehr haben würde, sich eine neue zu suchen.
Catherines Position war darauf stärker denn je, und die Traditionalisten verloren merklich an Macht. Das Pendel neigte sich zum Schluss in die reformatorische Richtung, auch weil diese sein königliches Supremat immer verteidigt hatten. Cranmer blieb bis zum Schluss in Henrys Gunst und gab dem sterbenden König die Letzte Ölung (!). Aber Gardiner wurde gestürzt, und die Howards wurden gestürzt, also die weltlichen und geistlichen Führer der katholischen, konservativen Fraktion. Henry fand Gardiner einfach für zu gefährlich, nach seinem Tod eine wichtige Rolle im Regentschaftsrat seines Sohnes auszuüben. Der König verfügte, dass der Rat aus sechzehn ausgewählten Personen bestehen sollte.
Es ging für Henry VIII. nun ans Sterben. Jeder wusste es, aber niemand durfte es aussprechen, denn das hätte als Hochverrat ausgelegt werden können. Henry war bis einen Tag vor seinem Tod bei Bewusstsein und nahm Anteil an seiner Umgebung. Aufgetürmt auf seinen Kissen, besprach er am 27. Januar 1547 sogar noch einige Staatsangelegenheiten mit seinen Räten. Ein Diener fasste sich ein Herz und sprach das Unaussprechliche aus: Nach menschlichem Ermessen habe der König nicht mehr lange zu leben. In der Tat war der König bereit, die Beichte abzulegen und seine Sünden zu bekennen. Ob er einen Geistlichen sehen wolle, wurde er gefragt. Er wolle den Cranmer, so Henry, aber erst wolle er ein bisschen schlafen. „Und dann, wenn mir danach ist, werde ich Euch darüber benachrichtigen.“ Das waren die letzten Worte des Königs. Als Cranmer kam, war Henry VIII. bereits nicht mehr ansprechbar. Der hinscheidende König konnte sich während seiner letzten Beichte nur noch mit dem Drücken seiner Hand äußern. Dann war es vorbei. Mit Henry VIII. verschied 1549 ein wahrer Renaissance-König, der als prächtiger Hoffnungsträger gestartet war, etliche Ehefrauen und Berater verschliss, den Bruch mit dem Papst lostrat und eine eigene Kirche gründete, und der schließlich als fetter Tyrann sein Leben beschloss.
Und wie ging es danach weiter...?
Henrys Wille, dass ein Regentschaftsrat aus sechzehn Personen seinen Sohn Edward VI. vertreten solle, wurde nach seinem Tod rundheraus übergangen. Edwards gleichnamiger Onkel (der Bruder seiner Mutter Jane Seymour) ließ sich nämlich zum Reichsprotektor mit den Befugnissen eines Vizekönigs ernennen. Das war der Anfang erbitterter Machtkämpfe, unter anderem auch mit dem Bruder (Thomas) des Lordprotektors, den Henrys Witwe in nahezu unanständiger Hast heiratete, nachdem der König unter der Erde lag. Sie wurde umgehend schwanger und starb an den Folgen der Geburt ihres Kindes. Thomas Seymour selbst stolperte über eine gefährliche Liaison mit der dreizehnjährigen Prinzessin Elisabeth, die Catherine in den gemeinsamen Haushalt aufgenommen hatte. Während der Regentschaft seines Bruders verlor der schöne Thomas seinen Kopf und Elisabeth ihre Unschuld, zumindest die seelische.
Der neunjährige Edward VI. hatte nur noch sechs Jahre vor sich, und seine Nachfolgerin auf dem Thron Mary würde sich in den lediglich fünf Jahren ihrer Regierung den Beinamen „die Blutige“ erwerben. Sie wollte England mit allen Mitteln wieder zum Katholizismus zurückführen. Unter anderen Umständen wäre sie wohl eine hervorragende Königin geworden. Und dann kamen die 44 Jahre unter Elisabeth I., die ohne Nachfolge blieb, krönender Abschluss der Tudors, deren Herrschaft in der Schlacht gegen Richard III. 1485 bei Bosworth mit Elisabeths Großvater begonnen hatte. Das beste, was Henry VIII. gemacht hat, war vielleicht seine Tochter Elisabeth. Aber diese, als das, was sie war, nämlich ein Mädchen, außerdem ja auch zu fünfzig Prozent das Produkt ihrer Mutter, war gar nicht beabsichtigt, ganz und gar war sie das nicht. Sie war genauso wenig beabsichtigt wie Henrys sonderbare Reformation.