Seite 23 von 45 ErsteErste ... 1319202122232425262733 ... LetzteLetzte
Ergebnis 331 bis 345 von 668

Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #331
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Jetzt geht's mal wieder zurück auf die Insel. Hier spielt die Diplomatie mal wieder nicht so die Rolle wie bei den deutschen Kapiteln.

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1 – Edward III.

    Edward III. Plantagenet, lebte 1312-1377
    König von England 1327-1377
    Start: 1. Januar 1327


    Schon seit mehreren Kapiteln schildere ich immer wieder, wie die Könige von England und Frankreich miteinander im Streit lagen. Dieser Konflikt sollte im Jahre 1337 in den Ausbruch des Hundertjährigen Kriegs münden, als nämlich der englische König Anspruch auf sein größtmögliches Ziel, den französischen Thron erhob. Er hatte in Frankreich natürlich Gegner und musste zu den Waffen greifen, wenn er diese Krone haben wollte. Dieser nun ausbrechende Krieg überdauerte seine Protagonisten um Längen, denn er endete erst nach 116 Jahren im Jahre 1453 – da sind wir schon im Bereich von Europa Universalis 4.

    Um die Ursachen für den Hundertjährigen Krieg zu benennen, muss man im Grunde bis zum Jahr 1066 zurückgehen: Da starb der englische König Eduard der Bekenner, ohne eigene Nachkommen zu hinterlassen. Er bestimmte vor seinem Tod, dass der Sohn seines Cousins die englische Krone bekommen solle. Und das war William, der zu dieser Zeit bereits der Herzog der Normandie war.

    Im dem Kapitel zu William dem Eroberer beschrieb ich ausführlich, wie es ihm gelang, sich den englischen Thron zu sichern und eine Dynastie zu begründen. Der springende Punkt war von nun an, dass der englische König zugleich der Herzog der Normandie, dank kluger Heiratspolitik später auch der Herzog von Aquitanien, war. Und das waren Gebiete, die vom französischen König als Lehen ausgegeben wurden.

    Seitdem erinnerten die französischen Könige aus dem Geschlecht der Kapetinger die Plantagenet auf dem englischen Thron beharrlich an diesen Umstand, und forderten regelmäßig den Lehnseid für diese Ländereien ein. Natürlich mochten sich die englischen Könige nicht unterordnen, die Folge waren diverse diplomatische und militärische Rangeleien. Die englischen Besitzungen auf dem Kontinent waren Frankreich stets ein Stachel im Fleisch und bildeten einen ganzen Strauß an De-jure-Kriegsgründen.

    Zuletzt gab es 1259 zwischen Henry III. und Louis IX. einen umfassenden Vertrag, der die Verhältnisse klären sollte. Der Plantagenet erhielt von dem Kapetinger das Herzogtum Guyenne mit Bordeaux als Hauptstadt zu Lehen. Dafür verzichtete Henry auf Anjou, Maine und die Tourraine, gab seinen Titel als Herzog der Normandie ebenso auf wie den des Grafen von Anjou. Was als dauerhaftes Friedensabkommen gedacht war, führte jedoch im Laufe der Zeit weiterhin zu unvereinbar gegensätzlichen Positionen. Denn die englischen Könige wollten ihr französisches Lehnsgut wie Eigentum behandeln und behalten, während die Könige von Frankreich ihren mächtigen Vasallen gänzlich vom Kontinent zu vertreiben suchten. Unter Edward I. (dem Hammer der Schotten) und seinem Sohn Edward II. (dem mit dem Günstling Gaveston) steigerten sich die Spannungen bis zur Entladung in den 1330ern. Das war die Zeit, in der Edward III. in England ans Ruder kam. Mit dem Tod des „Schottenhammers“ Edward I. schloss 1307 das letzte englische Kapitel in dieser Story. Bevor es mit Edward III. losgeht, soll zunächst die zwanzigjährige Lücke geschlossen werden. In dieser Zeit saß sein Vater Edward II. auf dem Thron.


    Der Vater: Edward II. (1307-1327)

    Manche Historiker halten Edward II. für den jämmerlichsten Versager, der je auf Englands Thron gesessen hat. Und seine Zeitgenossen waren so fassungslos darüber, dass ein Löwe wie Edward I. einen so spektakulären Versager gezeugt haben sollte, dass es bald Gerüchte gab, der junge Edward sei in der Wiege vertauscht worden. Aber diese einfache, wenn auch wenig originelle Erklärung konnte kaum zutreffen, war der neue König seinem Vater doch wie aus dem Gesicht geschnitten, wenn auch kein solcher Hüne.



    Edward II. war ein wankelmütiger, weinerlicher, unschlüssiger und feiger König, was womöglich daran lag, dass er als Kind im Schatten des imposanten, autoritären Vaters stand. Der junge Prinz hat eine wohl eher einsame Kindheit erlebt und klammerte sich später mit fanatischer Treue an seine Freunde. Eigentlich eine schöne Eigenschaft. Edward II. besaß jedoch ein erstaunliches Talent dafür, sich immer wieder die falschen Freunde auszusuchen, und das riss England dann ins Verhängnis.

    Kaum auf dem Thron, gestaltete Edward II. den königlichen Hof nach seinen Vorstellungen und tauschte so manchen Berater aus, darunter den einflussreichen Schatzmeister Walter Langton. Mit dem war Edward II. zwei Jahre zuvor – da noch in seiner Eigenschaft als Thronfolger - aneinandergeraten, vermutlich wegen der hohen Kosten seines aufwendigen Lebensstils. Damals ergriff Edwards Vater für den mächtigen, jedoch unbeliebten Schatzmeister Partei und verbannte Edward II. vom königlichen Hof. Damit wollte Vater Edward seinen Sohn vermutlich auch von einigen seiner Freunde trennen, deren Einfluss er missbilligte. Jetzt, da der alte König tot war, entband Edward II. zügig den alten Schatzmeister Walter Langton unter entwürdigen Umständen seines Amtes, tauschte auch andere altgediente Berater seines Vaters aus und setzte seine eigenen Leute in die Ratsämter Kanzler, Marschall und Kämmerer ein. Zudem rief Edward II. einflussreiche Gegner seines Vorgängers aus dem Exil ins Inselreich zurück, darunter Erzbischof Robert von Canterbury.

    Schnell zeigte sich, dass der neue König die Rechte des Parlaments, die sich die Barone jahrzehntelang erkämpft hatten, nicht sonderlich respektieren wollte. Das erzeugte großen Unmut bei den Lords, der sich vordergründig in ihrem Streit mit dem König wegen dessen Berater und Günstlinge entlud. Zu denen gehörte der junge, aus Aquitanien stammende Piers (Peter) Gaveston, den der frühere König Edward I. selbst im Jahre 1300 in den Haushalt des Thronfolgers aufgenommen hatte. Gaveston war der engste Freund Edwards II. geworden und hatte großen Einfluss auf ihn. Schon die Zeitgenossen argwöhnten, dass zwischen den beiden auch ein sexuelles Verhältnis bestand, was aber nicht sicher ist. Jedenfalls fühlten sich die Barone durch das parvenuhafte Verhalten provoziert. In den Augen der Lords war Gaveston ein Niemand, aber noch 1307 erhob Edward II. ihn zum Grafen von Cornwall. Standesmäßig zusätzlich abgesichert wurde Gaveston, indem er die Nichte des Königs heiraten durfte. Die Lords murrten.

    Edward II. selber heiratete im Januar 1308 seine bisherige Verlobte Isabella, die Tochter des französischen Königs Philippe. Zum Entsetzen der englischen Barone ernannte Edward seinen Günstling Gaveston zum Regenten über England, solange er wegen der Hochzeit außer Landes weilte. Einen Monat später fand dann in London die Krönung Edwards statt, die zwölfjährige Isabella an seiner Seite wurde zur Königin von England gekrönt. Dabei fühlte sich Isabella durch Gaveston rangmäßig zurückgesetzt, weil der als Träger der Sankt-Eduard-Krone auftrat, was umgehend zu Verstimmungen am französischen Hof führte.



    Die Barone sorgten vor, dass der neue König ihre Rechte nicht missachten würde und legten ihm einen veränderten Krönungseid vor, in dem er nicht nur wie seine Vorgänger die bisherigen Gesetze und Verfügungen zu achten versprach, sondern auch diejenigen Gesetze zur „Gemeinschaft des Reiches“, die noch zukünftig erlassen werden würden. Das schränkte den politischen Handlungsspielraum des Königs weiter ein. Im März 1308 ging es in einer Parlamentssitzung einen Schritt weiter, wo die Barone eine klare Trennung zwischen der Person des Monarchen und der Institution des Königtums betonten. Damit versetzten sich die Magnaten in das Recht, in einer Konfliktsituation, die zur Schmälerung der Kronrechte führen würde, einzugreifen. Und damit nahmen sie aktuell und ganz konkret den königlichen Berater Gaveston ins Visier. Tatsächlich gelang es den Baronen, so viel politischen Druck auf Edward II. aufzubauen, dass sie ihn nötigen konnten, Gaveston von der Insel wegzuschicken, Richtung Irland. Das war übrigens nicht die erste Verbannung vom Hof: Edwards Vater hatte Gaveston seinerzeit bereits zweimal vom königlichen Hof fortgeschickt, aber damals hatte Edward II. seinem energischen Vater die Stirn geboten und seinen Favoriten beide Male zurückgeholt. Es war zwischen Vater, Sohn und Günstling also nicht so harsch abgelaufen, wie das hier dargestellt wird.



    Aber okay, im Sommer 1308 waren es nun die Barone, die Gavestons dritte Verbannung durchsetzten. Vordergründig lief der Streit zwischen König und Parlament um die „schlechten Berater“, also Gaveston, mit denen sich Edward II. umgeben würde (der König holte sich Gaveston auch ein drittes Mal an seinen Hof zurück). Im Kern ging es aber um die königliche Herrschaftspraxis, die das Parlament als übergriffig empfand. Ultimativ forderten die Barone eine „Regierungsreform“, die von einer Kommission ausgearbeitet und im August 1311 dann auch vorgelegt wurde. Gemäß der „Ordinances“ wurde der König der Kontrolle des Parlaments unterstellt. So musste er etwa seine personellen Entscheidungen von den Baronen absegnen lassen und brauchte die Zustimmung des Parlaments, um Kriege erklären zu können sowie um das Land zum Zweck der Kriegsführung zu verlassen. Nicht zuletzt musste das Parlament zweimal jährlich vom König einberufen werden.

    Die Barone waren mit dem Stil des Königs aus mehreren Gründen nicht einverstanden: Erstens interessierte sich Edward II. im Gegensatz zu seinem Vater nicht für außenpolitische Aktivitäten, was meistens gleichbedeutend mit Kriegsführung war. Kein Krieg – kein Ruhm (für die gewöhnlichen Untertanen war das – das muss man mal erwähnen – eine gute Sache, denn England erlebte endlich einmal eine längere Friedensperiode). Edward II. bevorzugte die Diplomatie und knüpfte auf dem Kontinent Kontakte zu den deutschen Monarchen Albrecht I. bzw. Heinrich VII. sowie zum französischen Königshof. Einen Feldzug unternahm er immerhin einmal im September 1310 gegen Schottlands König Robert I. Bruce, den er jedoch ergebnislos abbrechen musste. Die Schotten hatten wieder einmal ihre Guerillataktik eingesetzt.



    Zweitens sanierte der Plantagenet eben dadurch, dass er keine kostspieligen Kriege führte, seine Finanzen. Das machte ihn unabhängiger vom Parlament, wo er ansonsten für jede Steuererhebung nach der Erlaubnis der Barone hätte fragen müssen. Statt sich bei ihnen das nötige Geld zu holen, verschuldete sich der König bei dem Bankier Amerigo Frescobaldi, einem Italiener. Gefiel den Fürsten entsprechend auch nicht.

    Drittens widmete sich Edward II. nicht den üblichen Hobbys eines Monarchen, von dem man Jagden, Turniere und Hoffeste oder sonstigen ritterlichen Zeitvertreib erwartete. Edward mochte bäuerliche Sportarten wie Rudern und Angeln, er versuchte sich in verschiedenen Handwerken und interessierte sich sogar für Landwirtschaft. Ein volksnaher König, würde man heute wohlwollend sagen. Aber Edwards Zeitgenossen – Lords wie Bauern – war dieser schrullige König so unendlich peinlich, dass sie vom Zuschauen feuchte Hände und Bauchschmerzen bekamen. Erinnert mich an jemanden...



    Es ist nicht verwunderlich, dass Edward II. um eine baldige Revision der „Ordonances“ bemüht war, die aus England quasi eine parlamentarische Monarchie machten. Die stärkste Gegenwehr hatte der König dabei von seinem eigenen Cousin zu erwarten, Thomas von Lancaster. Der gebot über nicht weniger als fünf Grafschaften im Norden Englands, war also ein echter Magnat. Edward II. hatte vielleicht noch die Vertreibung seines italienischen Geldgebers Frecobaldi hingenommen, der - unter Verlust seiner ausstehenden Forderungen gegenüber dem König, so ein Pech – das Land fluchtartig verlassen musste. Aber am Schicksal seines Günstlings Gaveston zeigte sich Edward interessierter. Der war 1311 als Exilant am Hof des französischen Königs gelandet, wo er bald Repressionen ausgesetzt war. Zur Erinnerung: Philippe IV. war der Vater von Edwards Frau Isabella, die durch Gavestons Verhalten während ihrer Hochzeit provoziert worden war. Das hatte Philippe offenbar nicht vergessen. Gaveston sah zu, dass er aus Paris wegkam und kehrte über Flandern im Dezember 1311 nach England zurück. Dass Gaveston trotz jeder Verbannung schon wieder beim König war, erzürnte die Barone endgültig. Sie schlossen sich unter Thomas von Lancaster zusammen und vereinbarten, nun auch militärisch gegen den König vorzugehen.



    Während einige Barone die wichtigen Regionen Englands zu sichern hatten, marschierten andere mit einem gemeinsamen Heer gegen Edward, der sich in Newcastle befand. Am 4. Mai 1312 türmte der königliche Hof fluchtartig vor den anrückenden Soldaten, wobei Edward II. einen mitgeführten Schatz und zahlreiche Juwelen zurücklassen musste. Während der König sich nach York zurückzog, floh Gaveston nach Scarborough, wo er bald von den Grafen von Pembroke und Surrey belagert wurde.

    Die beiden brachten Gaveston dazu, aufzugeben, indem sie ihm eidlich die persönliche Unversehrtheit und eine parlamentarische Prüfung seines Falles zusicherten. Beim Abtransport brachen die Grafen aber ihren Eid und ließen Gaveston des Verrats anklagen und verurteilen. Die Hinrichtung fand sogleich am 19. Juni 1312 statt, Gaveston wurde von zwei walisischen Soldaten aus Thomas Lancasters Truppe exekutiert. Die enthauptete Leiche übergab man den Dominikanern, die wegen der fortbestehenden Exkommunikation des Hingerichteten eine Beisetzung auf unbestimmte Zeit verschieben mussten.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 001.jpg (220,7 KB, 271x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 002.jpg (180,4 KB, 271x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 003.jpg (542,6 KB, 273x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 004.jpg (93,6 KB, 268x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 005.jpg (212,5 KB, 270x aufgerufen)
    Geändert von Mark (02. Februar 2018 um 20:34 Uhr)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  2. #332
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Die Tötung Gavestons, der immerhin der Graf von Cornwall gewesen war, erwies sich bald für Lancaster als Fehlschlag, da zahlreiche andere Barone die Hinrichtung als widerrechtlich betrachteten, so dass sich Lancaster nach einem Schuldeingeständnis im Oktober 1313 dem König unterwerfen musste. Zugleich hatte Edwards Diplomatie auf dem Festland inzwischen einige Ergebnisse zustande gebracht, der König war innen- wie außenpolitisch endlich mal im Aufwind. Das gab ihm die Möglichkeit, endlich gegen die Schotten vorzugehen, die während Edwards „Schwächephase“ immer frecher geworden waren und unter Führung des Robert I. Bruce wiederholt nordenglische Landstriche geplündert hatten. Ja, sie hatten sogar die Festungen Perth und Dumfries genommen. Innerhalb von Schottland hielten die Engländer quasi nur noch die Festung von Stirling. Roberts Bruder (Eduard Bruce) verhandelte mit der Garnison von Stirling und vereinbarte die Übergabe der Festung, sofern sie nicht bis zum Johannistag (24. Juni) 1314 vom englischen Heer entsetzt werden würde. König Edward II. konnte nicht nur, er musste also auch handeln. Er schaffte es auf den Tag genau, mit seinem Heer termingerecht vor Ort aufzumarschieren und den Schotten bei Bannockburn in der offenen Feldschlacht zu begegnen.

    Die Schotten unter Robert Bruce waren zahlenmäßig klar unterlegen, aber Robert focht mit großem persönlichem Mut und der besseren Taktik. So gelang es den Schotten erstmals, die Engländer in einer offenen Feldschlacht zu besiegen. Edward musste schwere personelle und materielle Verluste hinnehmen und zurück nach England fliehen. Bis auf die Knochen blamiert kehrte der Plantagenet nach London zurück und erlebte in der Folge drei richtig schwierige Jahre. Nicht nur, dass die Schotten ungehemmt immer weiter nach Nordengland vordrangen: Mehrere aufeinanderfolgende Missernten führten zur grauenvollsten Hungersnot in der Geschichte des Landes, und wegen der andauernden Konflikte zwischen König und Barone herrschte Anarchie im Land. Die Missernten trafen ganz Europa und waren nicht Edwards Schuld, aber seinen schwer geprüften Untertanen kam es so vor.

    Edward II. stellte das Regieren in dieser Phase praktisch ein, und das nutzte Lancaster. In der Parlamentssitzung vom 9. November 1314 wurden fast alle wichtigen Führungspositionen im Lande, darunter das Personal des Kanzlers, Marschalls und des Kämmerers, sowie die Sheriffs, ausgetauscht und gegen Kandidaten ersetzt, die Lancaster genehm waren. Die Macht lag jetzt de facto in der Hand von Lancaster. Doch der setzte sie nicht ein! Er tat nichts, um die Hungersnot im Land zu mindern und die Ordnung wiederherzustellen. Thomas von Lancaster blieb in den folgenden zwei Jahren den Parlamentssitzungen fern und ließ den Kontakt zu den anderen Baronen einschlafen. Ende 1316 war er politisch isoliert. In England wüteten Hungersnöte, Seuchen, Inflation und Fehden.

    Zwischendurch fiel sogar Irland unter die Kontrolle der Schotten: Im Mai 1316 akzeptierten die wichtigen irischen Clans den schottischen König Robert I. Bruce als ihren Hochkönig. Man muss dazu aber sagen, dass dies nicht von langer Dauer war. Robert übergab seinem Bruder Eduard die Regierung über Irland, wo die Hungersnot nicht minder schrecklich wütete. Der neue englische Leutnant Roger Mortimer (den Namen sollten wir uns jetzt schon mal merken) erzielte ab 1317 wachsende Erfolge gegen die vom Hunger geschwächten Anhänger von Bruce und zerschlug im Oktober 1318 die Allianz zwischen Schotten und Iren militärisch. Das war ein Erfolg, die Aufmerksamkeit richtete sich aber auf eine weitere spektakuläre Niederlage im Norden, wo den Schotten im April 1318 die Eroberung von Berwick gelungen war. Dieser Misserfolg wurde vor allem Thomas von Lancaster angelastet. Eine recht große Gruppe von Baronen, die sowohl mit König Edward II. als auch mit Thomas von Lancaster unzufrieden war, bildete nun eine dritte politische Fraktion innerhalb von England. Diese Fürsten schlossen sich unter dem Grafen von Pembroke zusammen und sorgten im Zusammenspiel mit dem König dafür, dass die Schlüsselpositionen in England erneut neu besetzt wurden. Thomas von Lancaster verlor seinen Einfluss wieder zu einem guten Teil, und nun gab es drei politische Fraktionen in England.

    Die Zusammenarbeit zwischen der Pembroke-Fraktion und dem König hieß noch lange nicht, dass sie sich miteinander wieder verstanden. Schon bald entwickelte sich die nächste innenpolitische Krise, wie zu Zeiten Gavestons ging es um die Rolle königlicher Günstlinge. Die Kritik richtete sich jetzt gegen Hugo Despenser, der einen beherrschenden Einfluss auf den König erlangt hatte und wie Gaveston homosexueller Beziehungen zu Edward II. verdächtigt wurde. Zu seiner Absicherung heiratete Despenser Eleanor, die Nichte des Königs.



    Noch unkluger als sein Vorgänger in der Position eines Günstlings begann Despenser (gemeinsam mit seinem gleichnamigen Vater), konsequent und rücksichtslos seinen Besitz zu vergrößern. Das führte dazu, dass sich die „mittlere“ Fraktion der „Pembroke-Barone“ an Thomas Lancaster wendete, um gemeinsam mit ihm gegen die Despenser vorzugehen. Es war das gleiche Spiel wie zuvor: In der Parlamentssitzung vom 15. Juli 1321 wurde die Verbannung von Despenser samt seiner Entourage durchgesetzt, die allesamt als „üble Ratgeber“ angeprangert wurden.

    Der König war geschwächt. Das eröffnete der Pembroke-Fraktion die Möglichkeit, mit ihm gemeinsam gegen Lancaster vorzugehen, mit dem Ziel, ihn zu entmachten. Während Lancaster den Vormarsch der gegen ihn gerichteten Koalition militärisch erstaunlich widerstandslos hinnahm, suchte er in seiner Not ausgerechnet die Unterstützung der Schotten. Damit verrechnete sich Lancaster entscheidend: Ein Bündnis mit den Schotten, das gegen den englischen König gerichtet war! Das war ein so schändlicher Verrat an England selbst, dass niemand mehr etwas mit Lancaster zu tun haben wollte, selbst viele seiner Gefolgsleute fielen von ihm ab. Politisch völlig isoliert wurde Lancaster mit seinem verbliebenen Heer am 16. März 1322 geschlagen, er selbst gefangen genommen und sechs Tage später als Verräter enthauptet. Als einer der wenigen, die bis zuletzt an der Seite von Lancaster gestanden hatten, landete Roger Mortimer im Tower von London.



    Edwards erste Amtshandlung nach seinem Sieg bestand natürlich darin, Despenser aus dem Exil zurückzuholen. In York verkündete der König am 2. Mai 1322 ein Statut, das die Ordinances außer Kraft setzte und die Macht der Krone wiederherstellte. Dann kehrte er mit Despenser und dessen parasitärer Entourage nach London zurück, um alle Fehler der Vergangenheit zu wiederholen: Eine große Zahl von Königsgegnern wurde verurteilt und enteignet, so dass der König beachtlichen Landbesitz neu vergeben und zu Patronage-Maßnahmen nutzen konnte. Edward II. selbst war finanziell vom Parlament unabhängig und Despenser wurde zu einem mächtigen Lord. Der König verfügte nun über umfangreiche Krongüter, nahm gutes Geld aus dem zunehmend florierenden Wollhandel ein und hatte in dem Florentiner Bankier Bardi einen neuen Kreditgeber gefunden. Edward II. war wieder stark genug für Außenpolitik.



    Zum einen wies er Robert I. Bruce hinter die englisch-schottische Grenze zurück und beendete vorläufig die Verwüstung Nordenglands durch die Schotten. Es wurde 1323 ein Waffenstillstand geschlossen, der auf dreizehn Jahre angelegt war. Gelöst wurde der Konflikt dadurch natürlich nicht. Robert erreichte trotz aller Anstrengungen nicht seine politische Anerkennung durch Edward, der wiederum den Schotten militärisch nicht besiegen konnte. Zum zweiten musste Edward seinen Blick nach Paris richten.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  3. #333
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Frankreich steckte in einer veritablen Thronfolgekrise, seitdem König Philippe IV. nach 29 Jahren auf dem Thron am 29. November 1314 gestorben war (der ist übrigens dafür bekannt geworden, dass er am Freitag, den 13. Oktober 1307 den mächtigen Templerorden zerschlug, ihre Anführer landesweit verhaften und als Ketzer verbrennen ließ. Jetzt ratet mal, woher der sprichwörtliche „Freitag der Dreizehnte“ herkommt). Philippe IV. hinterließ drei Söhne (Louis, Philippe und Charles) und eine Tochter (das war Edwards Gattin, Isabella). Zunächst übernahm der älteste der drei Brüder den Thron, doch Louis X. starb 1316 überraschend mit nur 26 Jahren an einer „Fiebererkrankung“. Na ja, angeblich war er nach einem Ballspiel erhitzt in den kühlen Keller des Schlosses gegangen, um dort eine große Menge Wein zu trinken.



    Sein Tod hinterließ jedenfalls eine problematische Erbfolgesituation, denn Louis X. hinterließ lediglich eine Tochter und eine schwangere Ehefrau. Sein jüngerer Bruder Philippe erklärte sich daraufhin zum Regenten des Landes, bis zur Geburt des Kindes. Tatsächlich war dies ein Junge, der als König Jean aber nur fünf Tage - vom 15. bis 19. November 1316 - lebte. Dadurch entstand für die Kapetingerdynastie erstmals seit ihrem Bestehen die Situation eines fehlenden männlichen Nachkommen eines Königs. Nun rückte die Tochter Jeanne in die Position einer potentiellen Nachfolgerin, doch ihr Onkel Philippe sollte deren Legitimation wegen zu naher Verwandtschaft ihrer Eltern in Frage stellen und ließ sich am 9. Januar 1317 als Philippe V. zum König krönen. Um Jeanne jegliche weitere Möglichkeiten auf den französischen Thron zu nehmen, ließ der neue König unmittelbar darauf die rein agnatische „Lex Salica“ als alleingültiges Erbfolgerecht für die französische Krone anerkennen, was Frauen in der Erbfolge ausschloss und für die weitere Geschichte Frankreichs große Bedeutung erlangen sollte.

    Philippe V. sollte jedoch auch nicht lange leben, er starb am 3. Januar 1322 an einer Ruhrerkrankung. Zwar hatte er vier Töchter und zwei Söhne, doch die beiden waren schon im Knabenalter gestorben. Die Mädchen waren nach Philipps eigener Lex Salica nicht erbfolgeberechtigt. Damit war Philipps jüngerer Bruder an der Reihe, nämlich Charles, der letzte der drei Brüder. Er bestieg als Charles IV. den Thron. Das war also der vierte französische König innerhalb von acht Jahren. Und wozu war der englische König gegenüber jedem neuen französischen König verpflichtet? Richtig, er musste ihm für die Lehen auf dem Kontinent den Eid leisten. Charles forderte Edward natürlich direkt dazu auf. Zunächst konnte Edward ihn 1322 abwimmeln und sich mit dem laufenden Feldzug in Schottland entschuldigen, den ich vorhin erwähnte. Aber nachdem der Waffenstillstand mit Robert I. Bruce geschlossen war, pochte Charles wieder auf die Huldigung. Edward II. weigerte sich, was bei dem französischen König den Verdacht erregte, der Plantagenet könne Drahtzieher einiger Konflikte innerhalb von Frankreich sein, die das Land destabilisierten.

    Charles IV. ging lehnsrechtlich gegen Edward II. vor und drängte diesen diplomatisch wie militärisch in die Ecke. Es musste eine Einigung her, aber Edward traute sich aus Furcht vor einem Umsturz nicht, die Insel zu verlassen. Als päpstliche Gesandte 1324 die englische Königin Isabella als Vermittlerin vorschlugen, stimmte Despenser dem erstaunlicherweise zu. Immerhin war das persönliche Verhältnis zwischen den beiden total zerrüttet, und Isabella als Familienmitglied der Kapetinger galt als Sicherheitsrisiko für den Fall einer drohenden französischen Invasion. Das ließ sich aber lösen: Isabella wurden vorsorglich ihre englischen Besitzungen abgenommen und ihre französischen Bediensteten inhaftiert. Trotzdem übernahm sie die diplomatische Mission nach Paris, wo sie mit ihrem Bruder die Verhandlungen führte. Und sie war erfolgreich, auf ihr Betreiben hin unterzeichneten die beiden Könige Mitte 1325 einen Kompromiss. Der französische König rückte die besetzten Lehen des Plantagenet wieder heraus – unter der Voraussetzung, dass Edward II. zuvor seinen zwölfjährigen Sohn Edward mit diesen Ländereien (Aquitanien, Gascogne) investierte. Auf diese Weise war es nämlich der kleine Edward, der anstelle des Vaters in Paris den Lehnseid zu leisten hatte.



    Isabella verschaffte sich durch diesen diplomatischen Erfolg so viel Aufmerksamkeit, dass ihr kleiner Hof in Frankreich jetzt zur Anlaufstelle für alle Engländer, die ihrer Heimat nach und nach schaudernd den Rücken kehrten und nichts sehnlicher wünschten, als die Macht von Despenser zu brechen. Zu denen, die sich Isabella anschlossen, gehörte auch Roger Mortimer, dem die Flucht aus dem Tower geglückt war. Und es dauerte nicht lange, bis Isabella den schneidigen Mortimer zu ihrem Liebhaber erwählte. Nun geschah, was passieren musste: Als ihr Sohn Edward III. wie vereinbart für den Lehnseid nach Paris kam, fiel er seiner Mutter Isabella in die Hände. Der englische Thronfolger, was für ein wertvolles Pfand! Die Entscheidung des englischen Königs, nach seiner Frau auch seinen Nachfolger nach Paris zu schicken, war erstaunlich kurzsichtig – zumal Edward II. von Bischof Walter von Exeter, der aus Paris nach London zurückgereist war, gewarnt worden war, dass die Königin mitsamt ihrem Liebhaber nicht beabsichtige, nach England zurückzukehren, solange Despenser dort das Sagen habe.



    Nun hielt sie nichts mehr. Weil ihr Bruder Charles IV. ihre skandalöse Affäre mit Roger Mortimer nicht ignorieren wollte, verließen sie seinen Hof und reisten zu ihrem Cousin Graf Wilhelm III. von Holland. Der versprach ihnen Truppen, wenn der englische Thronfolger seine Tochter Philippa heiratet.



    Abgemacht, entschied Isabella, und am 23. September 1326 segelten die Wölfin, der Liebhaber, der Thronfolger und die holländischen Truppen nach England, um den König zu entmachten und seine Günstlinge unschädlich zu machen. Ihre Truppe war mit 1.500 Mann nur klein, aber ihr Zulauf, sobald sie in England landeten, war gewaltig. Die Barone waren die Selbstherrlichkeit von Edward II. und Despenser leid, die fünf zurückliegenden Jahre seit 1321 nannten sie bereits „the tyranny“. Isabella nahm England ein, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Nach und nach wurden die Despensers Anhänger aufgespürt und unter entwürdigenden Umständen hingerichtet. Der König selbst flüchtete nach Wales und geriet zusammen mit Despenser am 16. November 1326 in Gefangenschaft.

    Während der König nach Kenilworth Castle zur Verwahrung gebracht wurde, verhängte man über seine gefangenen Anhänger schwere Strafen, einige wurden sofort hingerichtet. Despenser wurde acht Tage nach seiner Gefangennahme der Prozess gemacht. Erwartungsgemäß endete das Verfahren mit der Verurteilung als Verräter und der grausamen Hinrichtung. Isabella und ihr Mortimer hatten auf ganzer Linie über ihren Gatten gesiegt!
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  4. #334
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Ursprünglich war die Invasion nur dazu gedacht gewesen, Despenser zu beseitigen. Aber nach der Inhaftierung von Edward II. erhielt das Unternehmen eine neue Dynamik. Der vierzehnjährige Kronprinz Edward III. wurde zum Regenten Englands ernannt und ein Parlament in seinem Namen einberufen. Rechtlich war das völlig abwegig: Ein minderjähriger Regent, während es noch einen König gab. Also lud das Parlament Edward II. vor, um in einer Sitzung seine Absetzung beschließen zu können. Da spielte der König jedoch nicht mit, er weigerte sich zu erscheinen. Gut, also setzte das Parlament Ende 1326 Edward II. ohne dessen Zutun als König ab. Aber selbst der Thronfolger weigerte sich, unter diesen rechtlich fragwürdigen Umständen die Krone von England zu übernehmen. Also reiste im Januar 1327 eine Delegation nach Kenilworth, um den König zu „überreden“, abzudanken und die Krone an seinen Sohn weiterzureichen. Erst unter massivem Druck und der Drohung, einen neuen Monarchen aus einem anderen Geschlecht zu wählen, erklärte sich der Plantagenet zum Thronverzicht zugunsten seines Sohnes bereit, woraufhin die anwesenden Fürsten aus der Delegation ihren Lehnseid gegenüber Edward II. widerriefen und ihm die Herrschaftsinsignien abnahmen. Ihm blieb nur noch der itel des Grafen von Shrewsbury. So konnte Edward III. am 1. Februar 1327 in Westminster gekrönt werden. Um den Bürgerkrieg möglichst rasch zu beenden, wurde für den unmündigen König ein Regentschaftsrat unter Leitung des Grafen von Leicester eingesetzt, während Mortimer der Strippenzieher im Hintergrund blieb und Königin Isabella sich weitgehend aus dem politischen Geschehen zurückzog.

    Trotzdem blieb die bloße Existenz des abgesetzten Monarchen für die neuen Machthaber ein gravierendes Problem, da Edward II. und die wenigen ihm verbliebenen Anhänger eine potentielle Gefahr darstellten. Denn die neue Regierung, die Mortimer und Isabella im Namen des jungen Edward führten, war mindestens genauso schlecht wie die des alten Königs. Tatsächlich gelang es im Juli 1327 einem Trupp, den inhaftierten König zu befreien. Doch Edward II. wurde rasch in Dorset gefasst und unter verschärften Bedingungen erneut inhaftiert. Nachdem ein zweiter Befreiungsversuch fehlgeschlagen war, entschied Mortimer, das Problem endgültig zu lösen. Der Mord an einem König durfte keinesfalls offenbar werden, also musste sich Mortimer etwas einfallen lassen. Man versuchte zunächst, den Herrscher durch schlechte Behandlung und Ernährung zu vernichten. Diese Bemühungen scheiterten aber an der körperlichen Robustheit des Monarchen. Also verwendete man eine effizientere Methode, Edward II. vom Leben zum Tode zu befördern.



    Einige Meuchelmörder drangen am 21. September 1327 in die Zelle ein, um das zu erledigen. Um keine äußerlichen Spuren am Körper Edwards zu hinterlassen – und möglicherweise in Anspielung auf seine angeblichen homosexuellen Praktiken – zwangen sie ihn zu Boden, um danach dem Opfer ein Kuhhorn in den Anus einzuführen und anschließend durch das Horn einen glühenden Eisenstab in den Leib zu stoßen.



    Nach Verkündung des angeblich natürlichen Todes stellte man Edwards äußerlich unversehrte Leiche einen Monat lang aus, bevor man sie nach Gloucester brachte und sie dort zwei weitere Monate präsentierte. Erst Ende 1327 wurde Edward II. schließlich in der dortigen Kathedrale bestattet.



    Video Edward II.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    Geändert von Mark (07. Februar 2018 um 19:06 Uhr) Grund: letztes Bild Korrigiert
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  5. #335
    Legion Doge Avatar von Zplash
    Registriert seit
    25.01.17
    Ort
    Iuvavum
    Beiträge
    806
    Das letzte Bild
    Zitat Zitat von Paidos Beitrag anzeigen
    Die Legende besagt, dass Zplash noch immer Steinhagel einsetzt
    Zitat Zitat von Fimi Beitrag anzeigen
    Wer Raucht, gehört eh vom Balkon geworfen
    Meine Storys:
    [EU4]Zplashs interaktive Reise zur Kaiserkrone

    [History / EU4] Der Aufstieg der Jurchen Horde

  6. #336
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318
    Das vertauschte Bild ist korrigiert. Nach dem Einstieg mit Edward II. geht es an den eigentlichen Charakter Edward III. samt seinem Sohn Edward, dem Schwarzen Prinzen. Wir befinden uns jetzt hier, zeitlich parallel zu Karl IV. von Luxemburg aus dem vorherigen Kapitel:

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  7. #337
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1



    Familienangelegenheiten

    Zunächst war Edward III. nur ein Faustpfand im Kampf seiner Eltern gewesen. Wir erinnern und an das Kapitel, in dem Isabella die Wölfin und ihr Lover Mortimer in Paris den Prinzen in ihre Gewalt bekommen und 1326 mit einer kleinen Flotte nach England zurückkehrten, um dem unbeliebten Regime von Edward II. ein Ende zu bereiten. Der König wurde gestürzt und kurz darauf im Kerker ermordet. Da war der junge Edward III. vierzehn Jahre alt. Zum ersten Mal seit 1066, seit ein normannischer Vorfahr den englischen Thron erobert hatte, war ein König von diesem Thron verjagt worden.

    Am 1. Februar 1327 wurde er mit Zustimmung des Parlaments und unter dem Jubel der Londoner zu Edward III. von England gekrönt. Die mächtige Krone, die der Erzbischof von Canterbury ihm aufsetzte, war eigens ausgepolstert worden, damit sie nicht verrutscht. Edward leistete seinen Krönungseid mit feierlichem Ernst - und wurde anschließend hinter irgendwelche Burgmauern abgeschoben, wo er seine schulische und ritterliche Ausbildung fortführen und in Vergessenheit geraten sollte, während Mutter Isabella und ihr Mortimer die wahre Macht ausübten. Sie bereicherten sich schamlos, verfolgten und drangsalierten ihre Widersacher unter Missachtung aller Gesetze und schlossen einen Friedensvertrag mit Schottland, den jeder Engländer als faul und schändlich empfand. Edwards kleine Schwester Johanna hatte zur Bekräftigung des Vertrags den vierjährigen schottischen Thronfolger David zu heiraten. Und all das taten sie in Edwards Namen.



    Auch mit Frankreich schlossen Isabella und Mortimer einen Friedensvertrag, der England nur einen schmalen Gebietsstreifen in Guyenne übrig ließ. Okay, die Kriege waren für England schon länger nicht gut gelaufen, aber das alles war für die Engländer schlicht Verzichtspolitik. Unter den Baronen wuchs der Groll über den Emporkömmling Mortimer, und man erinnerte sich daran, dass Isabella eine Angehörige des feindlichen Königshauses der Kapetinger war.

    Gut drei Jahre waren so ins Land gegangen. Edward III. war inzwischen 17 Jahre alt geworden und bewies jetzt, dass er aus anderem Holz geschnitzt war als sein Vater. Seine Ausbildung hatte aus Etikette, Tanzen und Musizieren, Kampf mit dem Schwert und der Lanze bestanden. Der junge Edward III. beherrschte Englisch ebenso wie das Französisch der adeligen Elite, las wohl einige politisch Standardwerke und kannte sich aus in Militärtheorie. Von Herzen aber begeisterte er sich für anderes: etwa den Helm, den sein Vorfahr Richard Löwenherz einst im Kampf gegen Sultan Saladin erbeutet haben soll. Für die Legenden um den heiligen Georg, den Patron aller Ritter. Ritter sein, das wurde für den Heranwachsenden zum großen Leitbild. Zu seinem Traum von Ruhm und ehrbarem Königtum in einer Welt voll Gier, Furcht und Rachsucht.



    Im Januar 1328 hatte er Philippa geheiratet, die Tochter des Grafen von Hainault (Hennegau), wie es seine Mutter ausgehandelt hatte, und im Juni 1330 brachte Philippa den neuen Thronfolger zur Welt: Auch er erhielt den Namen Edward, bekannt wurde er noch als der „Schwarze Prinz“.


    Obere Reihe: Edward II. +1327, Thomas Graf von Norfolk (unterstützte Isabel und später Edward III. bei deren Umsturzen), Edmund Graf von Kent +1330 (wollte Edward II. aus der Haft befreien und wurde dafür enthauptet)
    Mittlere Reihe: Edward III., John of Eltham (stirbt schon 1336), Eleonore (wird nach Geldern verheiratet), Johanna (wird nach Schottland verheiratet)
    Untere Reihe: Edward der Schwarze Prinz


    Die Geburt des Prinzen gab dem jungen König Selbstvertrauen, seine kluge Frau stärkte ihm den Rücken, und obwohl Mortimer ihn Tag und Nacht bespitzeln ließ, gelang es Edward, sich mit ein paar guten Freunden zu verbünden und den päpstlichen Segen für seinen Plan einzuholen: Denn Edwards Wut richtete sich gegen seine Mutter und deren Liebhaber.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 106.jpg (327,6 KB, 225x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 103.jpg (411,6 KB, 225x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 102.jpg (229,3 KB, 227x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 105.jpg (122,8 KB, 225x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 107.jpg (158,5 KB, 225x aufgerufen)
    Geändert von Mark (10. Februar 2018 um 07:36 Uhr)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  8. #338
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Am 19. Oktober 1330 drang Edward mit einer Handvoll Getreuer durch einen unterirdischen Geheimgang in Nottingham Castle ein, wo seine Mutter und Roger Mortimer gerade residierten. Sie fanden sie im Schlafgemach, und als Edward seinem Stiefvater erklärte, dass er verhaftet sei und der König fortan selber das Land regieren werde, bat Isabella die Wölfin um Gnade für ihren Liebsten. Aber daraus wurde nichts. Roger Mortimer, inzwischen nicht weniger als der Earl of March, wurde wegen einer Vielzahl von Verbrechen verurteilt und im November in London hingerichtet – aufgehängt am öffentlichen Galgen wie ein gewöhnlicher Dieb. Seiner Mutter gestattete Edward, sich auf ein verschwiegenes Landgut zurückzuziehen. Dort blieb sie auch bis zu ihrem Tod im Jahre 1358.



    Der junge König war knapp 18 Jahre alt, als er die Macht an sich riss. Mit dem Überfall hatte er Mut und Entschlossenheit bewiesen. Nun. beim eigenständigen Regieren bewies der junge Monarch mehr Geschick als seine Vorfahren. Er verfiel weder in die kompromisslose Brutalität seines Großvaters, noch in die Günstlingswirtschaft seines Vaters. Edward III. schlug einen Mittelweg ein, innenpolitisch hatte er die Barone so bald hinter sich versammelt. Es gab offenbar große Zustimmung dafür, endlich wieder einen durchgreifenden, aber gerechten Herrscher zu haben. Nicht, dass es Edward an Selbstbewusstsein mangelte, an Sinn für seinen von Gott verliehenen Rang und dessen Privilegien. Er leistete sich luxuriöse Mode, feierte extravagante Feste, verlor Unsummen am Spieltisch. Seine Jagdleidenschaft grenzte ans Manische. Doch bei den Paraden vor den beliebten Reiterturnieren trat der König manchmal auch mit geschlossenem Visier an, inkognito, um die Gleichheit aller Ritter herauszustreichen. Edward hielt auf Freundschaft und Treue, Großzügigkeit gegen jedermann. Prunk und Freigebigkeit, Wagemut und Zuhören: Edward III. erfüllte alles, was von einem guten König erwartet wurde.



    Außenpolitisch jedoch sah es in den ersten Jahren danach aus, dass Edward bezüglich Schottland die alten Fehler wiederholt. Der Tod von Robert I. und die Thronbesteigung des fünfjährigen David II. eröffneten England die Möglichkeit, die Hand auf Schottland zu legen. Edward III. hatte dafür ein gutes Werkzeug zur Hand: Edward Balliol, den Sohn des früheren Königs und Thronprätendenten John Balliol.



    Die Engländer marschierten also mit Balliol im Gepäck in Schottland ein, schlugen die Schotten in der Schlacht bei Halidon Hill und installierten ihren Mann 1332 auf dem schottischen Thron. Der militärische Sieg über die Schotten auf dem offenen Feld ließ Edwards taktisches Können bereits erkennen: Er setzte auf den Einsatz einer neuen Waffe in den Händen gut ausgebildeter Fußsoldaten, den Langbogen. Das funktionierte so hervorragend, weil die Schotten auf diese Waffe keine Antwort wussten.

    Kaum gekrönt, erkannte Balliol die englische Oberhoheit über Schottland an, so wie 40 Jahre zuvor schon gewesen war. Die Reaktion der Schotten war dieselbe wie früher: Sie bekämpften die Preisgabe ihrer Unabhängigkeit und führten einen Guerillakrieg gegen Balliol und seine englischen Beschützer. Edward III. wusste keine Antwort auf diese Taktik – und verstrickte sich immer tiefer in die schottischen Wirren: Schon 1333 musste Balliol nach England fliehen und ein Jahr später ein zweites Mal mit Hilfe eines englischen Heeres zurück auf den schottischen Thron gebracht werden. Noch einmal hatte Balliol für diesen Dienst beträchtliche Konzessionen an die Engländer hinzunehmen. Tja, im Jahre 1336 kam es zur zweiten Entmachtung von Balliol, der erneut nach England fliehen musste. Dieses Mal blieb es bei seinem Exil, bis zu seinem Tod 1364. Auf der anderen Seite gelang es dem Konkurrenten David II. im Jahre 1341, aus seinem Exil nach Schottland zurückzukehren. Schottland blieb für Edward III. ein kostspieliges Unternehmen ohne nachhaltige Ergebnisse. So hatte es bereits sein Großvater erfahren müssen. Das Problem mit Schottland war für Edward auch deshalb nicht zu lösen, weil Frankreich hier seine Finger im Spiel hatte. Das hieß: Wenn Frankreich aus dem Konflikt herausgedrängt werden könnte, wäre auch der Norden leichter zu beherrschen. Und es gab eine ideale Gelegenheit, die Franzosen zu packen:



    Am 1. Februar 1328 war der französische König Charles IV. ohne männlichen Erben gestorben, er hinterließ nur eine schwangere Witwe. Das war zu der Zeit, in der der spätere deutsche Kaiser Karl IV. als junger Mann in Paris erzogen wurde (siehe voriges Kapitel). Das Dumme war, dass erst einige Jahre zuvor die weibliche Thronfolge ausgeschlossen worden war. Mit dem Aussterben der Kapetinger stellte sich jetzt die dringende Frage, ob der Ausschluss von Frauen aus der Thronfolge auch für deren Nachkommen Gültigkeit besitzen sollte.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 104.jpg (497,9 KB, 225x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 108.jpg (134,2 KB, 224x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 109.jpg (566,4 KB, 227x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 101.jpg (375,0 KB, 227x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 111.jpg (188,8 KB, 224x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  9. #339
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Agnatische oder Agnatisch-kognatische Erbfolge: Hört sich an wie juristische Feinschmeckerei, die Antwort hatte aber größte Konsequenzen. Denn wenn man die rein agnatische Erbfolge verneinte, hatte der englische König Edward III. einen Thronfolgeanspruch, nämlich über seine Mutter Isabella, die eine Schwester des verstorbenen Charles war. Zugleich war Edward über diese Linie ein Enkel des früheren Königs Philippe IV. (1285-1314).

    Dem trat der Anspruch des Valois Philippe gegenüber, der zwar ein agnatischer Nachfahre, vom Verwandtschaftsgrad her aber ferner stand. Aber Philippe schuf 1328 in Paris vollendete Tatsachen, als die Witwe des verstorbenen Königs eine Tochter, Blanca (Blanche), zur Welt brachte. Das Mädchen kam aufgrund ihres Geschlechts für die Thronfolge nicht in Frage, also griff der Valois nach der französischen Krone und bestieg als Philippe VI. den Thron.



    Wenn man die Söhne weiblicher Kapetinger als mögliche Thronfolger mit einbezog, gab es neben Edward noch weitere Kandidaten. Aber die meisten hatten nicht die Macht, ihren Hut in den Ring zu werfen. Eine Ausnahme gab es: Philippe IV. hatte noch einen Halbbruder gehabt, dessen Sohn (Philippe von Evreux) die Nichte (Jeanne) des verstorbenen Königs geheiratet hatte. Dieser Philippe von Evreux kam für den Thron auch noch in Betracht.



    Eigentlich hatte Edward III. den französischen König Philippe VI. bereits anerkannt, weil er ihm gegenüber einen Lehnseid für einige englische Gebiete auf dem Kontinent geleistet hatte. Nun verlangte der Valois schon wieder einen Lehnseid von Edward, nämlich für Aquitanien. Zur Untermauerung seiner Aufforderung zog Philippe VI. seine Flotte von Marseille an die Küste der Normandie und bedrohte damit die englische Südküste. Die angespannte politische Situation eskalierte jetzt, denn Edward weigerte sich, den Lehnseid zu leisten. Die Reaktion aus Paris war vorhersehbar: Der französische König erklärte den Plantagenet kurzerhand für enteignet und Aquitanien an die Krone heimgefallen. Edward III. nahm den Fehdehandschuh auf und setzte noch einen drauf: Er erhob aufgrund seiner Verwandtschaft zu den Kapetingern selber Anspruch auf die französische Krone und drohte Philippe mit Krieg.



    Dieses Abenteuer war vielleicht als eine Art „ritterliche Freizeitbeschäftigung“ für ein, maximal zwei Sommer gedacht gewesen. Es wurde die längste militärische Auseinandersetzung in der Geschichte Europas, der Hundertjährige Krieg von 1337 bis 1453. Nominell also sogar mehr als hundert Jahre, es gab zwischendurch aber mehrere Ruhephasen.



    Zu Nebenschauplätzen dieses Krieges wurden die Bretagne und Flandern, hier wollte Edward III. auf dem Kontinent den Fuß in die Tür bekommen – und Philippe VI. eben dies verhindern. Zunächst Flandern: Hier befand sich Graf Ludwig von Nevers in einem schweren Kampf gegen rebellierende Bauern sowie die Brügger Stadtbevölkerung. Die missbilligten die enge Bindung ihres Landesherrn an den französischen König und die Wirtschaftspolitik. Philippe marschierte in Flandern ein und schlug ein Bauernheer. Graf Ludwig beschlagnahmte die Waren englischer Kaufleute, was London 1336 mit einem Wirtschaftsembargo beantwortete. Edward untersagte sowohl den Export englischer Wolle nach Flandern als auch später den Import ausländischer Tuche in sein Reich. Die Sanktionen ließen den Grafen eher unberührt, trafen die Kaufleute Flanderns hingegen empfindlich. Sie verstärkten ihren Widerstand gegen Ludwig und wählten Jakob van Artevelde im Januar 1338 zum Leiter der kommunalen Opposition. Ludwig wurde zur Flucht nach Paris gezwungen und Artevelde übernahm die Macht in Flandern. Umgehend schloss er einen Ausgleich mit Brabant, Holland und vor allem England: Das Wollembargo wurde aufgehoben und Flandern versprach Neutralität im Ringen zwischen England und Frankreich.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 100.jpg (270,5 KB, 208x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 110.jpg (182,7 KB, 205x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 112.jpg (329,6 KB, 206x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 113.jpg (163,3 KB, 206x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 114.jpg (458,1 KB, 209x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  10. #340
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Zwischen den beiden Königen lief jetzt eine Art Wettlauf um die besten Bündnispartner auf dem Kontinent. Edward schloss Heiratsverträge mit den Herren von Geldern, Hennegau, Brabant, Köln, Jülich und Berg. Philippe hatte die Nase vorn in der Freigrafschaft Burgund, Lüttich und Böhmen. Ein Sonderfall war der deutsche König Ludwig, der erst im Dezember 1336 mit Philippe einen Vertrag schloss, dann im Juli 1337 einen weiteren mit Edward. Von beiden ließ er sich dafür bezahlen und hielt sich letztlich aus der Sache raus. Ludwig IV. hatte genug mit dem Papst zu tun, er brauchte nur das Geld.



    Nachdem im Sommer 1337 das kontinentale Bündnissystem Edwards konstituiert schien, stand einem Beginn der militärischen Aktivitäten auf dem Kontinent nichts mehr im Wege. Erst jetzt allerdings warf Edward einen Blick in seine Schatztruhen – die waren dummerweise leer. Vor allem, weil der Plantagenet dem deutschen König so viel Geld versprochen hatte. Edward III. musste in den folgenden Monaten seine Verbündeten bei der Stange halten, sie bezüglich des Geldes vertrösten und ging dazu über, ihnen einen Anteil an der erhofften französischen Beute in Form von Land in Aussicht zu stellen. Im Juli 1338 landete Edward zum Zwecke solcher Bündnisgespräche in Antwerpen und tourte den Rhein entlang. Dabei traf er sich im September auch mit dem deutschen Kaiser Ludwig.

    Solange blieb es in dem Krieg auf gelegentliche Plünderungen der Franzosen in küstennahen Städten Englands sowie auf Angriffe französischer Schiffe gegen englische Boote beschränkt. Lebhafter wurden die Schotten im Norden, die natürlich mitbekommen hatten, dass die Engländer im Süden beschäftigt waren.

    Erst im September 1339 ging der militärische Feldzug los. Das englisch-niederländische Heer rückte von Valenciennes in die Grafschaft Hennegau ein und begann mit der Belagerung der Stadt Cambrai. Bereits im Oktober brach Edward die aber ab, um Richtung Westen auf französisches Gebiet vorzudringen und dort das Heer des Valois zur Schlacht zu stellen. Nur: Zahlreiche Soldritter im englischen Heer verweigerten den direkten Kampf gegen ihren französischen Lehnsherrn. Und Philippe hatte kein Interesse an einer Entscheidungsschlacht, er wollte lieber abwarten, bis Edward das Geld für den Feldzug ausgehen würde.



    Kampflos zog Edward III. ab: Das ganze Unternehmen hatte – außer den üblichen Plünderungen und Zerstörungen – rein gar nichts eingebracht. Bevor der Plantagenet im Januar 1340 nach England zurückkehren durfte, musste er seinen Bündnispartnern auf dem Kontinent neue Zugeständnisse und Sicherheiten machen. Die flämischen Städte Gent, Brügge und Ypern erhielten von ihm die volle Handelsfreiheit – und Edward musste seine Königin mit ihren Kindern faktisch als Geiseln für die vollständige Bezahlung seiner finanziellen Verpflichtungen auf dem Kontinent zurücklassen. Aus diesem Grund brachte die Königin Philippa ihren vierten Sohn in Gent zur Welt, so wurde dieser Junge später „John of Gaunt“ genannt. Von dem wird später noch die Rede sein.



    Edward III. musste nach England zurück, um das Parlament (und die Hanse) nach mehr Geld zu fragen. Das blieb natürlich Philippe VI. nicht verborgen und er zog eine Flotte von vierhundert französischen und kastilischen Schiffen im Ärmelkanal zusammen. Edward war gezwungen, auf die Schnelle alle verfügbaren Handelskoggen und Fischerboote zusammenzukratzen. Trotzdem konnte er nur halb so viele Schiffe aufbieten wie sein Gegner. Das machten die Engländer mit einer guten Taktik wett: Sie überraschten die französische Flotte bei Gent und versenkten so viele ihrer Schiffe, dass man sich in Brügge erzählte, die Fische des Meeres hätten an diesem Tag Französisch gelernt, wenn sie hätten sprechen können. Und am französischen Hof machte die Geschichte Runde, wie der Hofnarr dem König die schlechte Nachricht überbracht habe: „Wisst Ihr, mein König, warum die Engländer solche Feiglinge sind? Ich will es Euch sagen, mein König, weil sie es nicht wagen, wie die Franzosen, ins Meer zu springen und zu schwimmen.“

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 115.jpg (222,8 KB, 208x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 116.jpg (732,5 KB, 209x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 119.jpg (254,8 KB, 208x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 122.jpg (564,3 KB, 206x aufgerufen)
    Geändert von Mark (13. Februar 2018 um 18:44 Uhr)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  11. #341
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Das war ein großer Triumph Edwards, der den Krieg in England populär machte, aber außer ein paar erbeuteten Schiffen brachte er nichts ein, und Edward III. hatte immer noch 400.000 Pfund Schulden.



    Letztlich löste Edward III. seine finanziellen Probleme dadurch, dass er bei verschiedenen Bankhäusern gigantische Kredite aufnahm – und diese schlicht nicht zurückzahlte. Es waren italienische Banken, die da auf ihren Forderungen sitzengelassen wurden, und sie gingen daran pleite. Die niederländischen Verbündeten gingen Edward von der Stange, aber da sie sowieso kaum einen Finger für ihn gerührt hatten, erschütterte ihn das nicht. Vorsichtiger war er nur bei den englischen Kaufleuten, die er zwar auch kräftig schröpfte. Doch er wusste, dass er hier nicht übertreiben durfte – man schlachtet nicht die Gans, die goldene Eier legt. Fortan hofierte der König die Kaufleute, eröffnete ihnen Möglichkeiten zu einem sozialen Aufstieg, bescherte ihnen ein neues Selbstbewusstsein. Die englischen Kaufleute finanzierten Edwards ambitioniertes militärisches Abenteuer und wurden mit der Erkenntnis belohnt, dass sie Englands Zukunft waren.



    Im Juni 1340 konnte Edward den zweiten Feldzug auf dem Kontinent wagen. Dass die Schotten im Norden Probleme machten, ignorierte er vorläufig. Eins nach dem anderen. Dieses Mal machte Edward den Fehler, seine Kräfte aufzuspalten, er marschierte gleichzeitig gegen St. Omer und Tournai. Philippe hielt es (zu Recht) wie im Jahr zuvor und wich einer Entscheidungsschlacht aus. Im September war klar, dass die Pattsituation eines Waffenstillstands bedurfte. Die beiden Parteien unterschrieben, dass es beim Status quo bleiben sollte. Für Edward war das eine Schlappe, denn wie sollte er seine Schulden je zurückzahlen? Der Plantagenet musste handeln, es lag außerdem in seiner Natur, nach Ruhm zu streben.

    Wirklich voran kam er zunächst aber nicht. Ein Winterfeldzug Ende 1341 gegen die Schotten unter David II. blieb ergebnislos. Aber es eröffnete sich der zuvor erwähnte zweite Nebenschauplatz des Krieges: Die Bretagne, eine mögliche neue Front im Krieg gegen Frankreich.



    Da gab es nämlich Erbfolgestreitigkeiten – was sonst. Nachdem Herzog Johann III. im April 1341 kinderlos gestorben war, erhoben Johann de Montfort, ein Sohn Arthurs II. aus dessen Ehe mit Jolande de Dreux, und Karl von Blois, der mit Johanna de Penthieve – einer Nichte des verstorbenen Herzogs – verheiratet war, gleichermaßen Ansprüche auf die bretonische Nachfolge. Da Karl die Unterstützung des Valois erhielt und Montfort in Nantes gefangen genommen wurde, intervenierte Edward aufgrund strategischer Überlegungen mit Truppenkontingenten, die im Juni 1342 zur Unterstützung der bedrängten Johanna entsendet wurden. Damit erreichte Edward immerhin eine Pattsituation zwischen den beiden Prätendenten. Unter Vermittlung des Papstes kam es im Januar 1343 zum Waffenstillstand, der die Teilung der Bretagne praktisch einfror.

    Danach kehrte erst einmal Ruhe ein in dem Konflikt, es liefen ja die beiden Friedensverträge. Erst im Sommer 1346 durfte Edward III. wieder losschlagen, und Philippe VI. erwartete seinen Angriff.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 117.jpg (231,7 KB, 203x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 120.jpg (50,3 KB, 202x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 118.jpg (415,7 KB, 202x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  12. #342
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Die Schlacht von Crecy

    Der König Frankreichs, Philippe VI. aus dem Haus Valois, trank den gläsernen Kelch leer und stellte ihn auf dem Tisch ab. Konzentriert blickte er aus dem Fenster. Der Kelch stand genau in einem Strahl der Abendsonne und das mit Rosetten verzierte Glas brach das Licht, erzeugte auf der Tischplatte ein Muster von elfenhafter Zartheit. Der Mundschenk näherte sich mit einer Karaffe und schenkte nach. Das Elfengespinst auf der Tischplatte färbte sich rot wie Blut. Ein Omen, dachte sich der Mundschenk. Er wusste, die Gedanken des Königs drehten sich in diesem Augenblick um bevorstehende Schlachten und Tod. Philippe wendete seinen Blick auf die im Raum umherstehenden Berater. Der König hatte gute Voraussetzungen, auf die kommende Invasion aus England zu reagieren. Frankreich war das wohlhabendste Land Europas, Philippe bezog aus seinen Ländereien ein jährliches Einkommen von 26 Tonnen Silber. Genug, um seine Armeen zu finanzieren. Bei seinem Gegner Edward sah das anders aus, er hatte nur ein Einkommen von fünf Tonnen Silber jährlich und musste für seinen dritten Feldzug auf dem Kontinent zu Steuererhöhungen greifen – die er sich vom Parlament gegen Konzessionen absegnen lassen musste. Der Valois dürfte das für einen König als beschämend betrachtet haben. Auch bei den Bewohnern und Truppen konnte Philippe aus dem Vollen schöpfen. Frankreich hatte zwölf Millionen Einwohner (England nicht einmal halb so viel), die annähernd 50.000 adeligen Familien stellten viermal so viele der ebenso teuren wie kampfstarken Ritter, als dies die Noblen Englands konnten.



    Dennoch lag die Stirn des Valois in Sorgenfalten. Er hatte erwartet, dass Edward sein in Südengland gesammeltes Heer nach Aquitanien schicken würde. Doch im letzten Moment hatten sich die Gerüchte verdichtet, dass die Invasion im Norden stattfinden sollte. Frankreichs Heere waren räumlich nicht gut aufgestellt. Philippe hatte seinen Neffen Karl de Blois angewiesen, mit einem großen Heer in der Bretagne offensiv zu werden, bevor Edward diese Gegend als Brückenkopf nutzen konnte. Doch Karl war am 9. Juni 1346 trotz zahlenmäßiger Überlegenheit von einer kleinen englischen Einheit blutig geschlagen worden. Im abtrünnigen Flandern standen dem Plantagenet weitere Häfen weit offen. Und die Normandie hatte seit Generationen keinen Krieg mehr erlebt. Viele Städte dort waren seit den Zeiten Williams kaum mehr befestigt. Philippe konnte aber nicht die ganze Küste bewachen, Vorrang hatten der Schutz seiner Metropole Paris sowie des Nachschubzentrums Rouen, wo das Kriegsmaterial Frankreichs produziert und gelagert wurde.



    Sinnvoll erschien es natürlich, eine feindliche Invasion bereits zur See zu vereiteln. Zu diesem Zweck hatte Philippe Schiffe bauen lassen und eine Flotte der Genueser teuer gemietet. Doch die fuhr derzeit in der Biscaya Patrouille, um die Küste von Aquitanien zu schützen. Der König hatte sie in den Ärmelkanal beordert, aber es war zu erwarten, dass die genuesischen Söldner erst zu Lande gegen die Engländer antreten würden. Armbrustschützen gegen Langbogenschützen. Immerhin: Frankreich konnte auf einen kriegserfahrenen Verbündeten zählen, den böhmischen König Johann aus dem Hause Luxemburg. Der war 1310 von seinem Vater Heinrich VII. mit Böhmen belehnt worden und hatte zwischen 1328 und 1345 an der Seite des Deutschen Ordens drei Kreuzzüge gegen die Heiden in Litauen geführt. Johann von Luxemburg galt als einer der der besten Feldherrn des Abendlandes, der quasi sein ganzes Leben Kriege geführt und großen Ruhm auch als Turnierkämpfer erworben hatte. Obwohl Johann als König über Böhmen regierte, war er durch und durch von französischer Lebensart. Er war in Paris aufgewachsen und hatte dort in jungen Jahren studiert. Er war ein verlässlicher Bündnispartner Frankreichs. Leider war er seit 1337 wegen einer Erbkrankheit nach und nach erblindet, seither hatte er bei vielen den Namen Johann der Blinde. Dennoch, sein Ruf als idealer Ritter war ungebrochen.

    Am 12. Juli 1346 war es soweit, die Invasion fand statt. Die englische Flotte landete an einem flachen Strand im Westen der Normandie. Eine regionale französische Garnison wurde ohne Probleme geschlagen, es war das erste Blut, das auf diesem Feldzug floss. Ansonsten konnten die Engländer ungestört landen, von der Flotte der Genuesen war nichts zu sehen. Edward III. atmete auf, die hatte ihm arge Sorgen bereitet. Für den Plantagenet war das Betreten des Strandes ein stolzer Augenblick. Er war zwar nicht zum ersten Mal auf französischem Boden, aber es war das erste Mal, dass er ein rein englisches Heer anführte. Doch mit dem ersten Schritt, den er an Land setzte, stolperte der König und fiel so hart, dass Blut aus seiner Nase strömte. Erschrocken sammelten sich Gefolgsleute um Edward und rieten ihm: „Sire, um Gottes Willen, besteigt wieder Euer Schiff und kommt heute nicht an Land, denn dies ist ein böses Vorzeichen für uns.“ Der König reagierte schlagfertig: „Warum? Dies ist ein gutes Zeichen für mich, denn das Land begehrt mich.“



    Nachdem wieder Ruhe im Gefolge eingekehrt war, ging der König daran, eine Reihe von Jünglingen, die gut sichtbar für das Heer, vor ihm auf die Knie sank, zu Rittern zu schlagen. Unter ihnen war der Sohn des Königs, der 16jährige Edward, wegen seiner Rüstung der Schwarze Prinz genannt. Der Prince of Wales erhob sich als Ritter. Sein eng an der Rüstung liegender Wappenrock zeigte die Leoparden Englands, kombiniert mit den französischen Lilien. Dieses Wappen war noch neu, es versinnbildlichte den Anspruch des Plantagenet auf den französischen Thron. Unter den wachsamen Augen seines Vater und vor dem ganzen versammelten Heer schlug der Prinz seinen Freund Roger Mortimer zum Ritter – den Enkel jenes Mannes, der, gemeinsam mit seiner Großmutter Isabella, seinen Großvater Edward II. hatte ermorden lassen.

    Sechs Tage brauchte das englische Heer, um vollständig an Land zu gehen. Die Männer und vor allem die Pferde mussten sich von der schaukelnden Seefahrt erholen. Während dieser sechs Tage plünderten die Engländer das Umland im Umkreis von 35 Kilometern aus, ermordeten die Bewohner und zerschlugen jeden Widerstand. Die französischen Soldaten zogen sich in die sicheren Burgen und befestigten Städte zurück. In drei parallel marschierenden Gruppen zog das englische Heer Richtung Osten los und machte gute Beute. Einheimische Abtrünnige, die das Land kannten, führten die Invasoren schnell und sicher über Straßen, die die Engländer sonst erst hätten suchen und erkunden müssen. Rasch war die Halbinsel Cotentin in Edwards Hand und es ging Richtung Caen.



    Die englische Armee traf am 26. Juli 1346 vor den Stadtmauern ein und besetzte sofort die noch unverteidigten Abteien. Danach formierte sie sich für einen Angriff auf die Altstadt, wobei Edward keine Zeit mit Belagerungsvorbereitungen verschwendete – seine Armee führte ohnehin keine schweren Belagerungswaffen mit sich. Die französischen Verteidiger wurden von Raoul II. de Brienne, Graf von Eu, angeführt. Dieser hatte ursprünglich geplant, die Verteidigung auf die befestigte Altstadt zu konzentrieren. Auf Bitten und Druck der reicheren Einwohner hin änderte er aber seinen Plan in letzter Minute und ließ den Großteil der Truppen auf die Insel der Neustadt verbringen. Diese spontane Planänderung sollte sich als fatal für die Franzosen herausstellen, da wichtige Vorkehrungen, die für die Stadtverteidigung überlebenswichtig gewesen wären, in der Eile übersehen wurden.

    Da ihr ursprüngliches Vorhaben nun hinfällig geworden war, änderten die Engländer die Richtung ihres Angriffs und bereiteten sich auf einen Sturm der Brücken vor. Nur eine kleine Truppe wurde abgestellt, um die etwa 300 noch in der Burg verbliebenen Verteidiger unter dem Kommando von Wilhelm IV. Bertrand, Bischof von Bayeux in Schach zu halten. Als Edward seine Truppen in Position brachte, scheint es so gewesen zu sein, dass einige Soldaten von der Aussicht auf Beute angetrieben vorzeitig zum Sturm ansetzten, noch bevor alle nötigen Vorbereitungen getroffen waren. Als Edward den vorzeitigen Angriff bemerkte, befahl er diesen unverzüglich abzubrechen, wurde von seinen Männern aber ignoriert.

    Hunderte von englischen Soldaten stürmten über die Brücken und es brach ein schrecklicher Nahkampf los, in den bald die gesamte französische Garnison verwickelt war. Die englischen und walisischen Langbogenschützen wateten derweil über den Fluss oder setzen mit Booten über, die nach dem hastigen Rückzug der Franzosen zurückgelassen worden waren. Die französischen Truppen waren zu schwach, um die gesamte Länge des Flusses verteidigen zu können. An einigen Stellen wurde die Verteidigung schließlich durchdrungen und es gelang den Engländern an mehreren Punkten auf die Insel vorzustoßen. Bald fielen sie den Franzosen an den Brücken in den Rücken, was schnell zum vollständigen Zusammenbruch der Verteidigung führte. Die meisten französischen Offiziere bestiegen ihre Pferde und ritten durch die englischen Reihen oder über den Fluss in die Sicherheit der Burg. Andere verschanzten sich in den Brückentürmen. Die meisten französischen Soldaten wurden niedergemacht, als sie sich zur Flucht wandten; Gefangene gab es nur wenige.



    Die siegreichen Engländer begannen eine fürchterliche Plünderung der Stadt, brannten sie größtenteils nieder und brachten hunderte Pfund an Wertsachen und Gold in ihren Besitz. Etwa die Hälfte der Einwohnerschaft wurde dabei getötet. Diejenigen Einwohner, die entkommen konnten, flohen in das umliegende Land. Mindestens 2.500 französische Leichen wurden später in Massengräbern außerhalb der Stadt begraben und die Gesamtzahl der Toten soll über 5.000 betragen haben. Die englische Verluste wurden von den Siegern mit einem getöteten Gewappneten angegeben – eine offensichtlich propagandistische Untertreibung. Die englischen Verluste, insbesondere aufgrund der überhastet begonnenen Offensive auf die Brücken, dürften hoch gewesen sein. Die Plünderung der Stadt dauerte fünf Tage an, während der Edward vergeblich versuchte, die Burg einzunehmen. Am 1. August 1346 setzte sich die englische Armee südwärts in Marsch und ließ eine zwar unversehrte Burg, aber dafür gründlich zerstörte Stadt hinter sich zurück. Das nächste Ziel Edwards war die Überquerung der Seine und ein direkter Vorstoß auf Paris.

    Die gedemütigten Franzosen schäumten vor Wut über die Untat von Caen und sannen auf Vergeltung. Philippe VI. musste nun beweisen, dass er in der Lage war, seine Untertanen zu schützen, sonst ging es an seine Ehre. Seit der Landung der Engländer am 16. Juli hatte er seine Truppen mobilgemacht und versammelt. Der ganze Norden von Frankreich war seit fünf Wochen in Bewegung, einheimische Milizen kamen in Paris an, die Verbündeten aus dem Heiligen Römischen Reich ebenso wie aus Luxemburg und aus Böhmen. Viele große Namen führten diese Truppen: König Johann von Böhmen traf ein mit seinem Sohn Karl, dem deutschen (Gegen-) König. Außerdem waren da König Jaime I. von Mallorca, Graf Jean IV. de Harcourt, Alencons Herzog Charles de Valois, Graf Louis von Flandern, sogar Johann von Hennegau (der Schwager des englischen Königs). Sie alle bildeten mit Philippe das größte Heer, das Frankreich seit Generationen gesehen hatte.

    Um den Engländern die beabsichtigte Überquerung der Seine zu vereiteln, befahl Philippe VI. die vehemente Verteidigung oder aber Zerstörung der Brücken. Das hatte Erfolg, Edwards Heer musste entlang des Südufers der Seine nach Paris marschieren. Auf ihrem Weg verwüsteten sie weiter auf breiter Front das Land südlich des Flusses. Mitte August 1346 erreichten die Engländer die Gegend von Paris und forderten Philippe zur Schlacht auf. In Paris machte sich Unruhe unter der Bevölkerung breit. Doch der König schätzte korrekt ein, dass die vollmundige Herausforderung der Engländer nur eine Finte war. In Wahrheit hatte sich Edward in eine schwierige Lage manövriert: Paris konnte er mit den gegebenen Kräften nicht einnehmen, und in seinem Rücken drohte er von seinem Nachschub abgeschnitten zu werden. Der Plantagenet musste zusehen, dass er über die Seine und Richtung Norden kam, wenn er nicht in der Falle landen wollte.

    Bald schon wurde klar, dass die Franzosen die neue Situation nutzen konnten. Würde es ihnen gelingen, den Engländern sowohl den Rückzug nach Westen über die Seine als auch die Überquerung der Somme im Osten zu verwehren, würden sie ihre zahlenmäßig überlegene Armee in der flachen Ebene zwischen den beiden Flüssen einsetzen können. König Philippe VI. kam nach Amiens, um mit der dort zusammengezogenen Armee den vernichtenden Schlag gegen die Engländer zu führen. Am Abend des 24. August lagerte das englische Heer in der Nähe der Stadt Acheux, während die französische Hauptstreitmacht nur etwa 10 km entfernt bei Abbeville lag, in der Erwartung, Edward werde versuchen, die dortige Brücke zu queren. An diesem Abend wurde Edward entweder von einem ortsansässigen Engländer oder einem französischen Gefangenen – hierzu existieren unterschiedliche Überlieferungen – darüber informiert, dass nur wenige Kilometer entfernt ein winziges Fort mit Namen Blanchetaque lag, das höchstwahrscheinlich auf einen Angriff völlig unvorbereitet war. Edward brach noch in der Nacht das Lager ab und setzte seine Armee in Richtung des Flusses in Marsch. Bei der Ankunft an Blanchetaque stellte sich heraus, dass die Franzosen die Position doch deutlich stärker verteidigten als angenommen. Der Übergang wurde von 3500 Soldaten unter Godemar du Foy, einem sehr erfahrenen französischen General, bewacht. Ein weiteres Problem war die Flut, die nur etwa 15 km von der Küste entfernt schwer in den Fluss drückte und in den kommenden Stunden nicht zurückgehen würde. Trotzdem war Edward entschlossen, die Somme an genau diesem Punkt zu überqueren. Die englischen Vorräte gingen zur Neige, die Armee war ausgelaugt, hungrig und zunehmend demoralisiert. Edward musste handeln.

    Die französische Armee stand entlang der östlichen Seite des Flussbettes in drei Reihen aufgestellt, wobei die besten 500 Gewappneten im Zentrum positioniert waren. Um 8 Uhr morgens begannen hundert englische Ritter und Gewappnete mit dem Durchqueren der Furt. Dieser Vorstoß wurde von einer großen Zahl an englischen Langbogenschützen unterstützt, die einen Hagel von Pfeilen auf die französischen Linien niedergehen ließen. Die Franzosen erlitten viele Verluste und gerieten durcheinander, wodurch die in französischen Diensten stehenden genuesischen Armbrustschützen das Feuer nicht effektiv erwidern konnten. Die Engländer erreichten die andere Seite des Flusses, und es entwickelte sich schnell ein Gedränge am Flussufer, als sie mit den französischen Truppen zusammenstießen. Die Wucht des englischen Angriffs war aber ausreichend, um einen Brückenkopf am östlichen Ufer zu sichern. Edward III. nutzte diese Chance und ließ schleunigst weitere Männer über den Fluss setzen, um in den Nahkampf einzugreifen. Die Kombination aus verzweifelt um den Übergang kämpfender Infanterie und präzisem Feuer der Bogenschützen ließ die französischen Linien schließlich zusammenbrechen. Die Überlebenden flohen in Richtung auf Abbeville, dicht gefolgt von der englischen Kavallerie.

    Anderthalb Stunden später, nachdem die französischen Linien an der Somme durchbrochen worden waren, hatte die gesamte englische Armee den Fluss überquert und marschierte nordwärts in ländliches Gebiet, wo es dringend benötigte Nahrungsmittel und Beute geben würde. Die Franzosen waren sich so sicher gewesen, dass es den Engländern nicht gelingen würde, die Verteidigungslinie an der Somme zu durchbrechen, dass sie das dahinter liegende Gebiet nicht von Versorgungsgütern entblößt hatten. Die englische Armee konnte ihre Reserven deshalb bald wieder aufstocken. König Philippe zögerte nicht und jagte Edwards wesentlich kleinere Armee in Richtung Küste. Einige langsame Wagen des englischen Trosses fielen dabei in französische Hände, aber Philipp wartete schließlich doch mit seinem Angriff, was den Engländern einen Tagesmarsch Vorsprung verschaffte. Edward nutzte diese Gelegenheit, um eine Verteidigungsposition in der Nähe der Stadt Crécy zu errichten, wo es am folgenden Tag, dem 26. August 1346, zur entscheidenden Schlacht kommen sollte.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 121.jpg (204,9 KB, 183x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 123.jpg (324,1 KB, 184x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 124.jpg (237,7 KB, 183x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 125.jpg (288,7 KB, 183x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 126.jpg (290,9 KB, 182x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  13. #343
    vom Werwolf gebissen Avatar von Kampfhamster
    Registriert seit
    29.01.09
    Beiträge
    2.513
    Kommt jetzt die Anekdote mit dem Abschneiden der Zeige- und Mittelfinger?
    Die aktuelle Story:

    [Col2 Werewolves] Nich lang schnacken, Seesack packen!


    Die Story des Monats Juli 2010:

    Tom Driscoll und seine Gefährten begeben sich in das Testgewölbe.
    letzte Aktualisierung: 31.1.2013, 20:19 Uhr

  14. #344
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Erwähnen tue ich sie, aber ich glaube, erst später mal.

    Edward III. ritt die Front seines Heeres ab. Der Tag war noch jung, aber für die englischen Soldaten hatte er bereits vor dem Morgengrauen begonnen. Der König hatte in aller Frühe gemeinsam mit seinem Sohn die heilige Messe besucht und dann sein Heer für die Schlacht geordnet. Auch die Krieger des Königs hatten das Sakrament empfangen und waren voller Kampfeslust bereit, dem Feind zu trotzen. Edward III. hatte den Ort für das bevorstehende Treffen mit Bedacht gewählt. Er positionierte das Heer am oberen Ende eines flachen Hanges mit dem Rücken zu einem Wald, auch an den Flanken vor Angriffen geschützt. Die Männer standen etwa 35 Höhenmeter über der Talsohle, aus der die Franzosen bei ihrem Angriff bergauf würden kommen müssen.

    Die rechte Flanke des Heeres stand unter dem Befehl des Schwarzen Prinzen, dem der König erfahrene Veteranen zur Seite stellte. An der linken Flanke stand der Graf von Northampton und im etwas zurückgesetzten Zentrum der König selbst samt der Reserve. Die Engländer erwarteten ihren Feind zu Fuß, alles in allem rund 2.700 Schwertträger, 2.300 Spießknechte und 9.000 Bogenschützen. Die Späher hatten gemeldet, dass König Philippe mit seinem Heer seit den frühen Morgenstunden auf dem Weg hierher war. Edward wusste, über welche Straße die Franzosen eintreffen würden: Sobald sie den Wald von Crecy umrundet haben, würden sie die englischen Truppen auf dem flachen Hügel über sich sehen. Ihnen am nächsten wird die Abteilung des Schwarzen Prinzen stehen. Jedem im englischen Heer war klar, dass er damit die Hauptlast des Kampfes tragen musste. Wenn die französischen Ritter den Feind sehen, würden sie nicht zu halten sein, es entsprach ihrem Verständnis von Ehre, den verhassten Feind sofort anzugreifen. König Edward kalkulierte genau das ein. Die nacheinander eintreffenden Franzosen würden von den Marsch erschöpft sein und ihr Heer für den Angriff links umschwenken lassen müssen, was einige Unordnung verursachen würde. Gut für die Verteidiger. Die defensive Stellung auf dem Hügel war verstärkt worden. Soldaten hatten entlang der gesamten Front ein Stück hangabwärts Löcher gegraben und mit Gras verdeckt. Die erwartete Reiterattacke sollte eine böse Überraschung erleben. Die Ritter mussten nur den Köder schlucken.



    Im französischen Heer, das morgens aufgebrochen war nach Crecy, marschierten die fünftausend Armbrustschützen aus Genua vorneweg. Sie waren professionelle Soldaten, die mit ihren Waffen umzugehen wussten, kannten aber auch die Vorzüge der Langbögen in den Händen ihrer Gegner. Für den Marsch packten die Armbrustschützen ihre großen Schilde, die Pavisen, auf die Wagen im Tross des Heeres. Die Söldner würden ihre Ausrüstung ausgeteilt bekommen, wenn das französische Heer gegenüber dem der Engländer ihr Nachtlager aufschlagen würde, bevor es am nächsten Morgen zum Kampf kommen sollte. So dachten sie jedenfalls. Immerhin war es schon Nachmittag geworden und damit zu spät für eine Schlacht.

    Als das französische Heer das Ende des Waldes zu ihrer Linken erreichten, lag vor ihnen das offene Feld bei Crecy. Und auf dem Hang zu ihrer Flanke erblickten die Männer gut sichtbar und herausfordernd das englische Heer. Dunkle Wolken ballten sich am Sommerhimmel zusammen, als sich unten in der Talsohle immer mehr französische Ritter sammelten. Ihre Banner flatterten im aufziehenden Wind, angesichts des verhassten Feindes gerieten sie in entschlossene Unruhe. Das Sonnenlicht nahm diese eigentümliche Färbung an, die ein Unwetter erwarten ließ. Immer wieder drängten Gruppen der französischen Ritter nach vorne, um ihre Pferde zum Angriff zu spornen. Aber die Heißsporne wurden von den erfahreneren Adeligen vorerst davon abgehalten. Den Angriff sollten die Genueser Armbrustschützen eröffnen. Langsam formierten sie sich zu einer langen Reihe, hinter ihnen eine große Zahl von Rittern.



    Spätestens jetzt merkte auch der letzte der Söldner, dass hier etwas gehörig schief ging. Sie waren es gewohnt, hinter ihren Pavesen den Kern einer Schlachtreihe zu bilden, ihre Stellung zu halten, abwechselnd mit den Kameraden aus der Deckung der Pavesen auf den Gegner zu schießen, zurückzutreten, die Armbrust zu spannen, einen neuen Bolzen aufzulegen und dann wieder vorzutreten und zu schießen. Sie waren es gewohnt, von professioneller, gut geschulter und disziplinierter Kavallerie unterstützt zu werden. In Italien war Krieg die Sache von gut bezahlten Profis, in deren Ausbildung und Ausrüstung viel Zeit und Geld investiert worden war. Die kampfbegierigen französischen Ritter hinter ihnen mit ihren bunten Wappenröcken über den schimmernden Rüstungen, ihren Lanzen mit den flatternden Wimpeln und ihren unruhigen, stampfenden und schnaubenden Schlachtrössern flößten ihnen wenig Vertrauen ein. Die Männer waren wie vom Schlag gerührt: Die Pavisen waren mit den schweren Rüstungen und der Munition auf den Wagen geblieben – und die befanden sich irgendwo hinten in dem langen Heerwurm, der sich über die Straße nach Crecy wälzte. Jetzt wurde ihnen klar, dass sie den Angriff ohne Deckung führen sollten, schutzlos den feindlichen Geschossen ausgesetzt.

    Den französischen Kommandeuren war das egal, sie kannten sich nicht mit der Kampfweise dieser Söldner aus und sahen in ihnen sowieso nur niederes Fußvolk, das bestenfalls zur Unterstützung der Ritter, der eigentlichen Träger des Kampfes, zu dienen hatte. Genau diese Aufgabe sollten die Söldner nun erfüllen: Mit einigen gut gezielten Salven die Reihen der Engländer aufreißen, damit die Kavallerie hinein preschen konnte. Einige Kommandeure warnten den König, mit dem Angriff lieber bis zum nächsten Tag zu warten. Von hinten drängten immer mehr Soldaten auf das Feld, das französische Heer war in ziemlicher Unordnung. Doch die heißblütigen Adeligen setzten sich mit ihrer Auffassung durch: Angriff auf den verhassten Feind, sofort! König Philippe, dem angesichts der Engländer selbst die Schläfen vor Hass pochten, gab dem Drängen nach und befahl den Angriff. Wer wollte jetzt auch als Zauderer vor dem Feind dastehen?

    Trommeln und Trompeten hallten über das Schlachtfeld, Befehle wurden gebrüllt und die Schlachtreihe entlang wiederholt. Mit martialischem Kriegsgeschrei setzten sich die genuesischen Armbrustschützen in Bewegung, hinter ihnen drängten die Ritter. Da zerriss ein Blitz die unheimliche Szenerie, sofort darauf ließ ein furchtbarer Donner die Erde erzittern. Alle Schleusen des Himmels öffneten sich, der erste Regen seit sechs Wochen peitschte den Soldaten ins Gesicht. In Strömen ergoss sich das Wasser, durchtränkte die Rüstungen der Männer, und ihre Stofflagen und die Sehnen ihrer Armbrüste saugten sich voll. Innerhalb weniger Minuten fand sich auf dem Schlachtfeld kein Stück Stoff mehr, das nicht an seinem Träger klebte, keine Fahne, die nicht schlaff an ihrer Stange hing, der Ackerboden unter den Füßen der Männer und den Hufen der Pferde verwandelte sich in schmierigen Schlamm. Die Langbogenschützen hingegen hatten ihre Pfeile und Sehnen in einer leinernen Hülle eingewickelt und geschützt.

    Das Unwetter endete so abrupt, wie es begonnen hatte. Die Strahlen der Abendsonne lösten die Reste der Gewitterwolken auf und bohrten sich in die Augen der Franzosen und ihrer Verbündeten. Gegen die tiefstehende Sonne und durch den vom Boden aufsteigenden Wasserdampf konnten die Angreifer ihre Gegner nur schemenhaft erkennen. Dreimal stoppten die vorrückenden Armbrustschützen, um sich zu justieren und dann mit gellendem Kriegsschrei weiterzumarschieren. Doch die Engländer rührten sich nicht. Als die Genueser auf 250 Meter am Feind waren, hatten sie sichere Schussweite erreicht. Befehle gellten, die Söldner stoppten und erhoben ihre Waffen. Eine Salve von Tausenden Bolzen schwirrten durch die Luft, um den Feind zu zerreißen. Und dann geschah das Undenkbare.

    Die Salve war zu kurz, die Geschosse verfehlten ihr Ziel! Die durchweichten Sehnen hatten an Spannkraft verloren, vielleicht hatten die Schützen auch den leichten Anstieg des Geländes falsch eingeschätzt und nicht hoch genug gehalten. Die zweite Salve würde nicht mehr daneben gehen. Mit geübten Fuß stellte ein jeder Söldner seinen Fuß in den Steigbügel der Armbrust, hakte die Sehne ein und machte sich ans Nachladen der Waffe. In diesem Moment erhielten sie stechende Schläge auf ihre Köpfe, Rücken, auf ihre Arme und Beine. Die Engländer schossen zurück. Von einem Moment auf den anderen brach Chaos in den Reihen der Genuesen aus. Pfeile bohrten sich in das ungeschützte Fleisch der Männer. Schon folgte die zweite Salve vom Hügel, die trainierten Langbogenschützen konnten innerhalb von sechs Sekunden den nächsten Pfeil losschicken. Unter diesem Hagel konnten die Armbrustschützen nicht nachladen, nicht zurückfeuern. Ihre Formation brach zusammen, die Männer strömten nach hinten in Sicherheit, außerhalb der Reichweite der Langbogenschützen.



    Hinter ihnen standen aber die französischen Ritter, die sie genau daran hinderten. Empört über die Feigheit der Söldner - vielleicht waren sie ja sogar Verräter – gaben die Ritter ihren Pferden die Sporen und stürmten in und durch das Knäuel von Armbrustschützen, ohne Rücksicht auf Verluste. Jetzt war das Chaos perfekt. Die Ritter wollten so schnell wie möglich an den Feind kommen und trampelten die Armbrustschützen einfach nieder. Manche versuchten sich zu wehren und feuerten auf die Franzosen. Getroffene Pferde gingen durch und begruben Fußsoldaten unter sich.

    Oben auf dem Hügel beobachteten die Engländer, wie die Reihen der Armbrustschützen sich auflösten und welche Unordnung in der Schlachtreihe herrschte. Aber das würde nur vorläufig sein, der Angriff der schweren Reiterei stand bevor. Vor dem Zentrum, in dem sich der König befand, stand der Waffenmeister mit seinen Männern. Er fühlte die neugierigen Blicke im Nacken, die ihm und seiner Waffe galten. Unter großer Geheimhaltung war vom Waffenmeister hierher transportiert worden. Eine solche Waffe war nach seinem Wissen noch nie zuvor in einer Schlacht auf dem offenen Feld eingesetzt worden. Der Waffenmeister warf einen letzten Blick auf die feindliche Schlachtreihe, dann hielt er die Lunte an das Loch an der Oberseite des Metallrohres, das auf einem kräftigen Gestell aus Holz montiert war. Das Rohr bäumte sich auf, und ein hallender Donnerschlag übertönte jedes andere Geräusch. Es war vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte Europas, dass der Donner einer Kanone auf einem Schlachtfeld ertönte. Ein neue Ära der Kriegsführung war angebrochen.



    Nach dem Schuss hieß es warten, der Feuertopf war glühend heiß. Das schwarze Donnerkraut hatte bei der Verbrennung gewaltige Temperaturen entwickelt. Bis zum Nachladen für den nächsten Schuss mussten der Waffenmeister und seine Männer abwarten, bis der Feuertopf sich wieder abgekühlt hatte. Zeit, in der die französischen Ritter voller Angriffslust auf die Reihen der Engländer hinauf galoppierten. Diszipliniert warteten die Langbogenschützen ab, bis die Reiter nahe genug waren und gaben ihre Salven in direkter Schussbahn auf sie ab. Sie verwendeten jetzt anders geformte Pfeilspitzen, extra geeignet zum Durchschlagen von Panzerungen. Viele der Pferde und Ritter stürzten tödlich getroffen zu Boden. Andere ritten in die getarnten Gruben, die sich vor den Reihen der Engländer befanden, und kamen in ihren schweren Rüstungen zu Fall. Wieder erfasste ein Pfeilhagel diese Männer, die Attacke brach endgültig zusammen. Später erzählte man, der Graf von Alcenon, der diese erste Attacke angeführt hatte, sei noch in die Reihen der Engländer eingebrochen und habe das Banner des Prince of Wales berührt, bevor er niedergehauen wurde. Wahrscheinlich nur ein heldenhafter Mythos, der seine Ehre und die Frankreichs bewahren sollte.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 127.jpg (177,9 KB, 158x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 136.jpg (121,3 KB, 157x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 128.jpg (475,6 KB, 159x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 128a.jpg (410,8 KB, 160x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 129.jpg (43,9 KB, 156x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  15. #345
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
    Registriert seit
    03.01.02
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    5.318

    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1

    Eine zweite, dritte, und weitere Wellen von Ritterangriffen folgten. Die Franzosen attackierten unverdrossen, ihre Ehre stand auf dem Spiel. Unter großen Verlusten erreichten sie endlich die Reihen der Engländer und trieben die Langbogenschützen nach hinten, wo diese Schutz hinter den Spießknechten und Schwertträgern suchten. Der Nahkampf war nicht die Aufgabe der Bogenschützen. Gleichwohl feuerten sie von hinten weiter, im Bogen über die Köpfe ihrer Kameraden hinweg, in die Masse der angreifenden Franzosen hinein.

    Der Mann im Gefolge des böhmischen Königs konnte von seiner Position aus gegen das Licht der tiefstehenden Sonne nicht erkennen, ob es die Abteilung des Grafen von Alcencon bis in den Nahkampf geschafft hatte oder ob der Pfeilsturm zu heftig für die französischen Ritter war. Dass der Graf in Schwierigkeiten steckte, war jedoch offensichtlich, denn seine Leute zogen sich zurück. Viele der Reiter, die den Hang herunterkamen, waren verwundet. Mit seinen fast blinden Augen konnte König Johann nicht erkennen, was vor sich ging, aber die Berichte seines Gefolgsmanns ließen ihn den für einen Ritter einzig möglichen Entschluss fassen: Nachsetzen, den Angriff zu Ende bringen, die Feinde vernichten. Einige Berater bedrängten Johann, das Schlachtfeld zu verlassen, aber für den Veteranen zahlreicher Kämpfe kam das nicht in Frage. Und vielleicht trieb den alten König der Gedanke an einen heldenhaften Tod. Er sagte zu seinen Begleitern: „Ich ersuche Euch ganz besonders, mich so weit nach vorne zu führen, dass ich einen Schwertstreich führen kann.“ Sie folgten dem Wunsch ihres Königs und verbanden die Zügel ihrer Pferde mit dem seinen. So führten sie den alten, fast blinden Krieger in die Schlacht, während über ihm die Löwenbanner von Böhmen und von Luxemburg in der Abendsonne flatterten. Der Schlachtruf „Prag!“ ertönte, und die Reiter setzten sich gemeinsam mit ihrer Abteilung in Bewegung, zum Angriff. Der König wurde nicht mehr lebend gesehen.



    Auf der rechten Flanke der englischen Aufstellung war inzwischen ein harter Nahkampf ausgebrochen, die Franzosen hatten endlich unter riesigen Verlusten die gegnerischen Reihen erreicht. Dort, wo der Schwarze Prinz kämpfte, war das Getümmel am größten. Minutenlang war das Banner des Prinzen nicht zu sehen und man musste schon das schlimmste befürchten. Denn mit dem Thronfolger stand und fiel das Schicksal der Flanke, vielleicht sogar des ganzen englischen Heeres. Er war das wichtigste Ziel für jeden Angreifer. Ihn gefangen zu nehmen, würde Ehre und Ruhm und viel Lösegeld bringen. König Edward hatte seinem 16jährigen Sohn viel Verantwortung übertragen und ihn so auf den militärischen Prüfstand gestellt. Die Stellung des Prinzen war so hart umkämpft, dass ein Bote von dieser Flanke zum König kam und ihm keuchend den Hilferuf nach Verstärkung überbrachte. Aber der König wusste, dass die militärische Führerschaft des Prinzen auch in Zukunft in Frage gestellt werden würde, wenn er heute versagt: „Bote, kehrt zurück zu ihm und jenen, die Euch her gesandt haben. Sagt ihnen, sie sollen nicht nach mir schicken, bis nicht alle Gefahr vorüber ist, so lange mein Sohn am Leben ist. Und sagt ihnen auch, dass sie erlauben sollen, dass er sich heute seine Sporen verdient. Denn wenn es Gott gefällt, soll dies sein Weg sein, und er und die, die bei ihm sind, sollen den Ruhm haben.“ Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht im Heer, dass der König das Leben seines eigenen Sohnes ebenso in Waagschale warf wie die der geringen Krieger. Der Kampfgeist der Männer schwoll ins Unermessliche.



    Eine Weile noch ließ König Edward seinen Sohn noch „gewähren“. Als sich die französischen Ritter müde gekämpft hatten und im andauernden Pfeilhagel der Langbögen nur wenig Verstärkung den Hügel hinauf nachfolgen konnte, befahl der Edward III. den Angriff seiner Reserve, die die Gegner von der Seite attackierten. Das war die Entscheidung.

    Der Mond, der schon bei Sonnenuntergang am Himmel stand, beleuchtete mit seinem gespenstisch fahlen Licht den flachen Hang, der vom Heer König Philipps zu den Schlachtreihen der Engländer hinaufführte. Von da, wo die äußerste Reichweite der englischen Bogen begann, bis unmittelbar vor die Füße der Feinde war der Boden mit den Körpern von Menschen und Pferden übersät. Die Pfeile und die Geschosse der Feuertöpfe hatten die Blüte des französischen Adels niedergestreckt. Fünfzehn, sechzehn Mal hatten sich die Ritter und Fußtruppen gesammelt und den Hang aufwärts angegriffen. Jedes Mal waren sie von einem Pfeilsturm empfangen worden. Die wenigen, die es geschafft hatten, hier durchzukommen, waren von den Schwertern und Spießen der Engländer blutig zurückgewiesen worden. Jede Angriffswelle hatte Tote und Verwundete auf dem Feld zurückgelassen, durch die sich die nächste Angriffswelle ihren Weg bahnen musste. Zuletzt war kein nachhaltiger Angriff mehr möglich. Die Überlebenden, denen das Entkommen aus diesem Gemetzel gelungen war, brachten furchtbare Nachrichten. Der Graf von Alencon, der Bruder des Königs, und der Graf von Flandern waren in der ersten Angriffswelle gefallen. König Johann von Böhmen hatte sein Leben bei dem zweiten Angriff gelassen. Die Grafen von Harcourt, von Auxerre und viele andere der Edelsten Frankreichs waren tot. Tot waren auch ungezählte Reisige und Söldner, deren Schilde kein eigenes Wappen trugen.



    Der nächtliche Winde strich über das Schlachtfeld und trug den Geruch von Tod mit sich. Edward III. ließ jetzt die Windmühle, die während des Tages in seinem Rücken gestanden hatte, anzünden. Im Feuerschein setzte sich das englische Heer, das über Stunden den Hügel gegen jeden Angriff gehalten hatte, in Bewegung. Edwards Ritter, die bisher zu Fuß gekämpft hatten, saßen auf und griffen an. Denn weiter unten trafen noch immer (!) weitere Soldaten des langgezogenen französischen Heeres am Schauplatz ein. Und im französischen Heer befand sich immerhin kein Geringerer als König Philippe. Wer sich noch auf dem Hang befand, wurde von den Engländern niedergeritten. Augenblicke später entbrannte ein wilder Kampf um die Stellung des französischen Königs, das Lilienbanner fiel in die Hände der Engländer, der Bannerträger wurde getötet. Zwei Pferde wurden unter König Philippe getötet, ein Pfeil verletzte seine Wange. Graf Johann von Hennegau, der lebend von seinem Angriff mit König Johann zurückgekehrt war, ergriff die Zügel des Königs und rief ihm zu: „Mein König, zieht Euch zurück, denn es ist Zeit. Gebt Euch nicht vorsätzlich auf, denn wenn Ihr dieses Mal verliert, werdet Ihr ein anderes Mal siegen.“ Dann führte er den König vom Schlachtfeld. Der Tag gehörte den Engländern.


    Ein paar Jungs haben die Schlacht von Crécy mal mit Medieval 2 nachgespielt:

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    • Dateityp: jpg 130.jpg (625,2 KB, 158x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 131.jpg (768,4 KB, 158x aufgerufen)
    • Dateityp: jpg 132.jpg (558,4 KB, 160x aufgerufen)
    Übersicht meiner bisherigen und laufenden Storys hier im Forum

    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

Seite 23 von 45 ErsteErste ... 1319202122232425262733 ... LetzteLetzte

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •