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Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #241
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    Die Wehen der neuen Epoche

    Die Kreuzfahrer hauten lautstark auf die Pauke, ihr martialisches Auftreten habe die verweichlichten Byzantiner in Angst versetzt. Für die Moral der Verteidiger war die ganze Sache tatsächlich ein herber Schlag. Obwohl die Belagerer nur noch Proviant für wenige Tage hatten – Alexios III. hätte die Bedrohung also einfach aussitzen können – kochte innerhalb der Stadtmauern die Wut der Menschen jetzt so hoch, dass der Kaiser sich gezwungen sah, alles greifbare Geld zusammenzuraffen und in der Nacht des 17. Juli 1203 aus Konstantinopel zu fliehen.

    Als man im Palast gewahr wurde, dass der Kaiser abgehauen war, holte man den geblendeten Isaak Angelos (den Vater von Prinz Alexios) aus dem Kerker und setzte ihn auf den Thron. Es war völlig unüblich, einem Blinden die Krone zu geben – gerade deswegen wurden Konkurrenten ja bevorzugt um ihr Augenlicht gebracht – doch man hoffte, Isaak werde seinen Sohn dazu bewegen, das Kreuzritterheer von der Stadt wegzuführen. Zum Anreiz bot man Alexios an, als Mitherrscher auf dem Thron Platz zu nehmen. Die Zeichen standen auf Frieden, im katholischen Lager brach Jubel aus über den leicht errungenen Sieg. Eine Delegation wurde in die Stadt geschickt und präsentierte dem bestürzten Isaak die Vereinbarung, die sein Sohn mit den Kreuzrittern geschlossen hatte. Angesichts der Machtverhältnisse blieb ihm erst einmal nichts anderes übrig, als der Übereignung seines Kaiserreiches an Rom zuzustimmen. Gut gelaunt schlugen die Kreuzfahrer neue Lager auf, sie erhielten reichhaltigen Proviant von den Griechen und erkundeten schon einmal, wo überall die byzantinischen Schätze aufbewahrt wurden.



    Für eine Invasion Ägyptens war es Ende Juli 1203 bereits zu spät für dieses Jahr, die Kreuzfahrer – sie wurden hier nun die „Lateiner“ genannt – beschlossen vor Konstantinopel zu überwintern. Die Einhaltung des Versprechens, dass Isaak II. und sein Sohn, nunmehr zu Alexios IV. gekrönt, musste zudem überwacht werden. Außerdem sollte sichergestellt werden, dass es nicht zu einem erneuten Umsturz in Byzanz kommt: es war klar, dass die beiden Herrscher zügig ermordet werden, sobald die lateinische Schutzmacht abgezogen ist. Kein Wunder, nachdem sie ganz Byzanz quasi verschenkt hatten.



    Der Druck im Kessel wuchs. Es zeigte sich, dass der Kaiser sein Versprechen gar nicht einhalten konnte, die Schulden bei den Lateinern waren zu gewaltig. Deren Kaufleute wiederum benahmen sich in Konstantinopel wie die Herren der Stadt, die Wut der Griechen entlud sich in Gewalt gegen die ungebetenen Gäste.



    Und das zog Strafmaßnahmen nach sich, Konstantinopel wurde immer mehr verwüstet. Schließlich erklärte der Kaiser, er könne nicht weiter bezahlen. Und da er wusste, dass die Kreuzfahrer über den Winter hinweg auf seinen Proviant angewiesen waren, drohte er zugleich, ihnen den Nachschub zu streichen. Dandolo platzte der Kragen, er schrie Isaak II. direkt ins Gesicht: „Übler Kerl! Wir haben dich aus dem Dreck geholt, wir werden dich zurückwerfen. Ich biete dir die Stirn, und wisse wohl, dass ich dir von jetzt an alles Schlimme zufügen werde, das in meiner Macht steht.“

    „So begann der Krieg“, kommentierte Villehardouin lakonisch.

    Die Byzantiner nahmen die Sache selber in die Hand. In einer nächtlichen Aktion griffen sie mit Brandschiffen die venezianische Flotte an. Mit größter Mühe retteten die Venezianer ihre Galeeren unter dem Spott einer Kulisse von Einheimischen. Ein griechischer Mob stürmte die Hagia Sophia und forderte Senat und Kirche auf, einen neuen Kaiser zu wählen. Ein Kandidat nach dem anderen lehnte eine so gefährliche Rolle ab, bis ein junger Adeliger namens Nicholas Kannavos am 27. Januar 1204 kurzerhand gegen seinen Willen von Senat und Kirche zum Gegenkaiser gesalbt wurde. Die sogenannte byzantinische Partei dagegen hob einen eigenen Kandidaten auf den Schild, einen Mann namens Murtzuphlos, der sich den Namen Alexios V. zulegte.


    Stich von Gustave Dore: Enrico Dandolo verhandelt mit Murtzuphlos

    Am selben Tag wandte sich der verzweifelte Alexios IV. an die Kreuzfahrer um Hilfe, doch seine Einladung an sie, die Stadt zu betreten, brachte für seine Gegner das Fass zum Überlaufen. Noch in der Nacht wurde Alexios IV. ergriffen und in den Kerker geworfen. Jetzt gab es in Byzanz vier Kaiser gleichzeitig, eine groteske Situation und ein Zeichen, wie todgeweiht das Reich zu jener Zeit bereits war. Die Anzahl wurde aber rasch bereinigt: Murtzuphlos/Alexios V. ermordete binnen Tagen den blinden Isaak II. sowie den Kirchenkandidaten Kannavos. Anschließend ging er daran, die Mauern von Konstantinopel wieder verstärken zu lassen, das machte den Byzantinern Mut. Sie brachten ihn zum Ausdruck, indem sie drei Venezianer festnahmen und auf der Stadtmauer an Haken aufhingen. Dass der neue Herrscher Alexios V. ein zupackender Typ mit Hass auf die Lateiner war, bewies er, indem er eigenhändig die drei Körper in Brand steckte. Den Nachschub an Proviant an die Lateiner stellte der Kaiser natürlich umgehend ein. Arschlecken!

    Die Kreuzfahrer standen düpiert vor den Mauern und reagierten auf den Boykott wie zu erwarten war: Sie plünderten über beträchtliche Entfernungen das Umland aus. Alexios V. befahl, die Raubtrupps der Lateiner zu überfallen, da passierte ihm ein schwerer Lapsus: Bei einem der Gefechte ging der große Talisman der byzantinischen Armee verloren, eine Ikone der Jungfrau Maria. Der Kaiser versuchte törichterweise, seinem Volk den Verlust zu verheimlichen, und als die Kreuzfahrer davon erfuhren, präsentierten sie unter großem Jubel die Ikone vor der Mauer, um ihren Rivalen zu demütigen. Der Kaiser fürchtete, unter die Räder zu geraten und ließ vorsichtshalber nun am 8. Februar 1204 auch den eingekerkerten Alexios IV. erdrosseln.



    Für die Lateiner ein willkommener Vorwand, Murtzuphlos als Mörder an dem rechtmäßigen Kaiser zu brandmarken. Ohne Möglichkeit, weiteren Proviant zu akquirieren, mussten die Kreuzfahrer sowieso eine Entscheidung herbeiführen: Der zweite Angriff auf Konstantinopel.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  2. #242
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    Die Wehen der neuen Epoche

    An einen Weiterzug der Kreuzfahrer nach Ägypten war ohne ausreichend Proviant und Ergänzung ihrer Ausrüstung nicht zu denken. Sie waren auch nicht bereit, ohne Beute in die Heimat zurückzukehren. Nun hatten sie sogar ein Motiv und Ziel, die christliche Stadt anzugreifen, nämlich die wortbrüchigen Griechen durch eine lateinische Herrschaft zu ersetzen. Der Sturmangriff auf Konstantinopel wurde sorgsam vorbereitet. Ein Brief des Papstes, der wiederum ein Verbot eines solchen Angriffs aussprach, wurde abgefangen. Im März 1204 unterzeichneten die teilnehmenden Mächte einen Vertrag über die Aufteilung von Beute und byzantinischem Gebiet für den Fall des Sieges. Demnach sollten die Venezianer drei Achtel, die Kreuzfahrer drei Achtel und der neu zu benennende Herrscher Byzanz' ein Viertel der Beute erhalten, bis die Schulden der Franken getilgt waren. Alles weitere an Beute sollte eins zu eins geteilt werden. Ebenso vereinbarte man, dass der zukünftige lateinische Kaiser von je sechs venezianischen und fränkischen Wahlmännern berufen werden sollte. Außerdem sollte die Partei, die nicht den Kaiser stellte, im Gegenzug einen der ihren zum Patriarchen ernennen dürfen.

    Der erste Angriff am 9. April 1204 endete mit einem Unentschieden, die Angreifer mussten sich zurückziehen. Am 12. April versuchten sie es erneut. Diesmal gelang die Erstürmung einiger Türme der Seemauer. Die Angreifer öffneten nach harten Kämpfen von innen eines der Stadttore und konnten sich im Hafenviertel dicht hinter der Mauer festsetzen. Erneut setzten sie einige Häuser in Brand und lösten damit eine Feuersbrunst aus. Doch der Kampf war keineswegs entschieden, denn nach wie vor kontrollierten die Byzantiner den Großteil der Stadt. Über Nacht beschloss Murtzuphlos, dem Beispiel Alexios' III. nachzueifern und zu fliehen (er wurde aber gefasst – und man ahnt es – erst geblendet, dann getötet). Kaum hatte sich die Meldung von der Flucht des Kaisers in Konstantinopel verbreitet, kamen die übrigen großen Persönlichkeiten überein, die Stadt zu übergeben. Die Griechen hofften, mit der Unterwerfung weitere Gewalttaten zu verhindern, doch die Kreuzfahrer deuteten das Einstellen jeder Gegenwehr eher als Einladung, mit der Plünderung von Konstantinopel erst recht zu beginnen.

    Während der Mob über die ganze Stadt ausschwärmte, beeilten sich die Adeligen, die kaiserlichen Paläste zu besetzen. Bonifaz, der Anführer der Kreuzritter, nahm sich den Bukoleon-Palast vor und machte fette Beute. Die Lateiner raubten die Hagia Sophia aus, das spirituelle Herz von Byzanz. Betrunkene Kreuzfahrer tanzten unterhalb der prächtigen Mosaikdecke, eine Dirne tanzte auf dem Altar und setzte sich dann breitbeinig auf den Stuhl des Patriarchen. Die katholischen Kirchenmänner ignorierten die blasphemische Orgie, sie waren mit dem Wegschaffen der Kirchenschätze beschäftigt. Den alten Wächter des Schatzes in der Kirche Christus Pantokrator packte der Abt Martin von Pairies am Kragen und schrie ihn an: „Los, treuloser Alter, zeige mir, was du an wertvollen Reliquien verwahrst, oder du sollst wissen, dass du sofort des Todes bist!“ Abt Martin erbeutete eine Spur vom Blut Christi, ein Stück des Wahren Kreuzes, einen bedeutenden Teil der Gebeine des Heiligen Johannes, einen Arm des Heiligen Jakobus, einen Fuß des Heiligen Kosmas, einen Zahn des Heiligen Laurentius sowie Reliquien von weiteren 28 männlichen und acht weiblichen Heiligen. Diese von Abt Martin aus Konstantinopel mitgebrachten Reliquien, steigerten in der Folgezeit die Bedeutung und den Ruf der elsässischen Abtei.



    Das gesamte Konstantinopel wurde ungehemmt und total ausgeplündert, Menschen ermordet, misshandelt oder geschändet. Die Griechen sollten den Katholiken dieses Benehmen niemals verzeihen. Das Ergebnis der Schandtat aber war, dass die Venezianer endlich komplett ausgezahlt werden konnten, und jeder einzelne im Kreuzfahrerheer bekam je nach seinem Rang eine bestimmte Summe. Als nächstes musste ein Kaiser gewählt werden. Am 9. Mai 1204 tagte das Komitee und stimmte für Graf Balduin von Flandern. Bonifaz war zwar etwas beleidigt, stimmte dem aber zu, die Person Balduin galt einhellig als eine gute Wahl. Eine Woche danach wurde der Flame, gehüllt in prächtige kaiserliche Gewänder, gesalbt und zum Kaiser von Konstantinopel gekrönt. Es war der Beginn des sogenannten Lateinischen Kaiserreichs.



    Und was wurde nun aus dem Kreuzzug und seinem mehr oder weniger heimlichen Lenker, dem Dogen Dandolo? Der schrieb mit Blick auf sein hohes Alter an den Papst und bat darum, von seinem Gelübde, nach Jerusalem zu fahren, entbunden zu werden. Doch Innozenz zürnte dem Dogen noch immer wegen seines Verhaltens bei Zara und der fehlenden Reue. Folglich bereitete es dem Papst ein besonderes Vergnügen, die Bitte abzulehnen: Innozenz versicherte Dandolo, dass seine persönliche Führung des Kreuzzugs von größter Wichtigkeit für das Gelingen des Unternehmens sei. Der mit höflichen Worten abgeschmetterte Doge konnte dagegen kaum etwas einwenden, allerdings erledigte sich die Sache wenig später von selbst: Enrico Dandolo starb im Juni 1205.



    Und der eigentliche Kreuzzug fand überhaupt nicht mehr statt. Im Anschluss an die Eroberung Konstantinopels dehnten die Lateiner lieber in heftigen Kämpfen ihren Einfluss in Griechenland aus. Bonifaz von Montferrat übernahm die Kontrolle über Thessaloniki, die Venezianer eroberten die Inseln Kreta und Korfu, die sie ihrem Handelsimperium einverleibten. Der Clan der Villehardouin richtete sich auf der Peloponnes ein. Die griechischen Adeligen nahmen das natürlich nicht einfach hin, auch die benachbarten Bulgaren sahen eine Gelegenheit, ihren Einfluss auf Kosten der Lateiner auszudehnen. Im April 1205 geriet Kaiser Balduin bei einem Gefecht in bulgarische Gefangenschaft und wurde nie wieder gesehen.



    So geriet das Lateinische Kaiserreich von Anfang an in die Defensive, ähnlich wie zuvor das Königreich Jerusalem. Es gab vor Ort einfach zu wenige Soldaten, mit denen man das Eroberte auf Dauer absichern konnte. Und Konstantinopel hatte weniger Strahlkraft als Jerusalem, die Hilfsappelle an die westlichen Monarchen blieben weitgehend ungehört.

    Innozenz III. konnte vorerst aber zufrieden sein, Byzanz war seiner katholischen Kirche unterworfen worden. Noch Anfang 1205 sprach er von „dem Wunder, das sich in diesen Tagen ereignet hat“. Sein Ton änderte sich bald aber. Zunächst entband er die Kreuzritter von ihrem Gelübde, in das Heilige Land zu fahren. Eine realistische Maßnahme in Anbetracht der Verwundbarkeit des Lateinischen Reiches, für Innozenz trotzdem eine Niederlage. Viel gravierender war jedoch, was die ersten Besucher in Rom von den Gräueltaten in Konstantinopel schilderten, die die Kreuzfahrer in ihrem Bericht an den Heiligen Vater vornehm verschwiegen hatten. Innozenz stellte fest, dass die Orthodoxe Kirche gewiss nicht den Wunsch hatte, den Primat des Papstes anzuerkennen, wenn sie in den Lateinern „nur ein Ausbund an Verderbtheit und das Werk der Hölle“ sah, „so dass sie diese nunmehr zu Recht stärker noch als Hunde verabscheut“.




    ...hat sich mal jemand so wie ich hingesetzt, und in CK2 den vierten Kreuzzug nachgespielt. Und davon ein Video hochgeladen:

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  3. #243
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    Die Wehen der neuen Epoche



    4. Deutschland: Philipp von Schwaben gegen Otto IV. (1198-1212)

    Der frühe Tod von Kaiser Heinrich VI. im September 1197 stellte plötzlich die Vorherrschaft der Staufer im Reich in Frage. Zuvor war klar gewesen, dass später Heinrichs Sohn als Friedrich II. seine Nachfolge antreten würde, die Reichsfürsten hatten den Jungen bereits zum König gewählt. Ende 1197 war Friedrich allerdings erst drei Jahre alt und seine Mutter Konstanze sorgte dafür, dass er bei ihr in Sizilien blieb, um seinen Thron dort für ihn zu sichern. Als Konstanze ein Jahr später starb, wurde Papst Innozenz III. der Vormund Friedrichs, und der sorgte erst recht dafür, dass der junge Staufer im Süden blieb, denn er wollte eine erneuten Zusammenschluss des Reiches mit Sizilien, dieses Mal unter Friedrich II., unterbinden.



    In Deutschland war wegen des geringen Alters und der Abwesenheit Friedrichs somit die Frage wieder offen, wer auf den Thron folgen sollte. Weil andere Kandidaten entweder zu alt waren oder über zu wenig Geldmittel für die Beeinflussung so einer Kurfürstenwahl verfügten, lief es auf eine Konfrontation der beiden aussichtsreichsten Dynastien hinaus: Den Welfen und den Staufern.

    Als Kandidat der Welfen hätte sich normalerweise Heinrich, der erstgeborene Sohn von Heinrich dem Löwen (+1195) angeboten, der befand sich zu dieser Zeit aber auf Kreuzzug im Heiligen Land. Als Alternative stand sein jüngerer Bruder Otto (*1175) bereit, dessen Kandidatur sein Onkel Richard Löwenherz, der König von England, unterstützte. Otto war – im Zuge des Exils des Löwen – am englischen Königshof aufgewachsen und Richard daher gut bekannt. Mehr noch: Der englische König konnte sich vorstellen, Otto zu seinem eigenen Nachfolger aufzubauen, um die Thronfolge seines Bruders John zu verhindern (aus diesem Plan wurde nichts, weil die englischen Barone da nicht mitmachten). Die nun im Raum stehende Kandidatur des Welfen um die deutsche Krone rief sogleich drei Fürsten auf den Plan, die kein Interesse daran haben konnten, dass ein Sohn Heinrichs des Löwen zum deutschen König gewählt wurde. Der Erzbischof Adolf von Köln, der Askanier-Herzog Bernhard von Sachsen sowie der Wittelsbacher Ludwig von Baiern – alle drei hatten von der Zerschlagung der Macht der Welfen profitiert. Ein Welfe auf dem deutschen Thron würde womöglich die Ereignisse aus den 1180ern rückgängig machen wollen.



    Der Gegenkandidat der Staufer war Philipp (*1177), der jüngste Sohn von Friedrich Barbarossa. Ursprünglich war er für eine kirchliche Laufbahn vorgesehen gewesen, inzwischen war er nach dem Tod seiner älteren Brüder aber der Herzog von Schwaben. Er war im Gegensatz zum militärisch-grobschlächtigen Welfen Otto also durch eine geistliche Erziehung scholastisch geprägt. Wie erwähnt hatte Philipp sich in Sizilien in die verwitwete Schwiegertochter von König Tancred verliebt, eine byzantinische Prinzessin, die Philipp bald darauf heiratete. Für Philipp stellte sich nach dem Tod von Heinrich VI. die Frage, ob er persönlich nach dem Königtum greifen sollte oder die Herrschaft als Regent im Namen seines kleinen Neffen Friedrich II. beanspruchen sollte. Er entschied sich, selber anzutreten und holte sich von Konstanze in Sizilien ihre Einwilligung und ihre Erklärung, dass Friedrich II. nicht für die Wahl zur Verfügung stünde. Die zuvor auf ihn abgelegten Eide der deutschen Fürsten seien obsolet. Für Philipp war das wichtig, wenn er die stauferfreundlichen Reichsfürsten vollständig hinter sich versammeln wollte.



    Es kam, wie es kommen musste: Auf getrennten Wahlveranstaltungen ließen sich sowohl Otto als auch Philipp Frühjahr 1198 zum neuen König wählen. Erzbischof Adolf spielte dabei eine besonders zwielichtige Rolle, denn er wollte beide Kandidaten gegeneinander ausspielen und unterstützte nach einer Rolle rückwärts nun Ottos Wahl. Der Welfe ließ sich diese Unterstützung natürlich etwas kosten, er garantierte Adolf den Besitz der Kölner Kirche in Westfalen. Nachdem der Welfe in Aachen zu Otto IV. gekrönt worden war (am richtigen Ort mit einer Kopie der Krone), musste Philipp zügig nachziehen: Er ließ sich in Mainz zum König erheben (am falschen Ort mit der richtigen Krone).

    Zwei gekrönte Herrscher standen sich damit im Reich gegenüber. Ein Verfahren zur Lösung dieser Krise gab es nicht, auch wenn sich einige kluge Leute bereits Gedanken über eine rechtliche Systematisierung machten. Im Jahre 1198 musste der Streit von den Kontrahenten noch mit den Waffen ausgetragen werden. Die Strategie beider Parteien bestand darin, dem anderen die materielle Grundlage seines Anspruchs zu nehmen, indem man den Kernraum seiner Herrschaft mit militärischer Macht zusetzte und zugleich seinen Anhängern Angebote machte, die Seiten zu wechseln. Und solche Parteiwechsel gab es in den folgenden Jahren häufig, das war eine Sache des Geldes. Eines der Hauptziele Philipps musste es deshalb sein, Otto IV. von seinem englischen Gönner Richard abzuschneiden, und dazu ging er ein Bündnis mit Richards Rivalen Philippe II. von Frankreich ein. Kostengünstiger waren Rangerhöhungen, um die Reichsfürsten an seine Partei zu binden: Otakar von Böhmen wurde so zum König, Pfalzgraf Heinrich zum Herzog von Sachsen. Der ledige Otto IV. hatte dazu noch die Möglichkeit, sich durch eine geeignete Ehe gezielt zu positionieren. Er ging eine Verlobung mit Maria, der Erbtochter des Herzogs von Brabant, ein – allerdings taktierte der Herzog so lange, bis er schließlich 1204 zu Philipps Seite wechselte und die geplante Hochzeit seiner Tochter platzen ließ. Tja.

    Wie man sieht, gab es keine rasche Lösung des Konflikts. Philipp hatte zwar mehr Anhänger, vor allem nach dem Tod von Ottos Unterstützer Richard Löwenherz im Jahre 1199. Ottos Position war aber immer noch stark genug, um eine lange Auseinandersetzung durchzustehen. Die Konsequenz aus der verfahrenen Lage war, eine höhere Autorität anzurufen, um die Entscheidung herbeizuführen: Den Papst. Dieser Weg war mehr im Interesse des in die Defensive geratenen Otto, auch, weil er wusste, dass der Papst nicht viel von einem weiteren Staufer auf dem Thron hielt. Das größte Interesse an der Schiedsrichterrolle hatte der Papst selber, der machtbewusste Innozenz. Der Heilige Vater handelte bei Otto IV. viele Zugeständnisse für die Kirche heraus, sprach sich sodann im März 1201 für den Welfen als rechtmäßigen König aus und exkommunizierte Philipp. Nur war der Kirchenbanns inzwischen allzu durchsichtig zu einer politischen Waffe des Papstes verkommen, er beeindruckte Philipp und seine Anhänger entsprechend nur mäßig.

    1204 setzte eine allgemeine Abfallbewegung weg von dem Welfen ein, eingeleitet durch den Seitenwechsel des Pfalzgrafen Heinrich. Auch der Kölner Erzbischof Adolf und mit ihm die anderen Bischöfe erkannten jetzt Philipp als König an. 1205 konnte Philipp so die Krönung in Aachen, am richtigen Ort, durch Adolf, dem traditionell zur Krönung befugten, nachholen. Nur noch Innozenz III. stand jetzt noch auf Ottos Seite. Der Papst war aber realistisch genug, die Lage einzuschätzen, und drängte Otto dazu, im Jahre 1207 mit Philipp Verhandlungen über einen Waffenstillstand aufzunehmen. Als schließlich die Verhandlungen Philipps mit Innozenz III. über einen Romzug vor dem Abschluss standen, brachte ein völlig unerwartetes Ereignis die Wende: Am 21. Juni 1208 wurde Philipp von Schwaben in Bamberg durch Pfalzgraf Otto von Wittelsbach ermordet, vermutlich aus gekränkter Ehre. Dem Wittelsbacher war zuvor eine Ehe mit Philipps Tochter in Aussicht gestellt worden, die nicht zustande kam. Kaum mehr als zwei Monate nach Philipps Ermordung starb auch die Königin Maria.

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  4. #244
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    Die Wehen der neuen Epoche

    Allein Otto IV. stand als gesalbter und gekrönter Herrscher bereit, das Vakuum in der Legitimation einzutreten, das Philipps Tod hinterlassen hatte. Den Tod Philipps bezeichnete er als Urteil Gottes. Er ergriff beherzt die Chance, machte den Anhängern der Staufer große Zugeständnisse, indem er auf das Herzogtum Sachsen verzichtete. Über die Mörder von Philipp ließ er die Reichsacht verhängen und verlobte sich mit Beatrix, der Tochter seines ermordeten Kontrahenten.



    Damit band er sein Königtum dynastisch an die Staufer. Otto hatte mit diesen Schritten Erfolg, die Staufer ernannten keinen neuen Kandidaten gegen ihn. Im November 1208, nach zehn Jahren Bürgerkrieg, konnte sich Otto IV. noch einmal in Frankfurt zum König wählen lassen, dieses Mal von allen Reichsfürsten. Und ein Jahr später wurde Otto IV. in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt. Es gab da mit dem Papst keine Probleme, denn Otto hielt sich an die weitreichenden Versprechen, die er ihm in den Jahren zuvor bezüglich des Verzichts auf das Spolienrecht und dem Zugeständnis freier Bischofswahlen gemacht hatte. Es war ein weiterer Ausverkauf königlicher Rechte, die auf Dauer die Macht der deutschen Könige schwächen sollte.

    Doch kaum war Otto zum Kaiser gekrönt, erhob er - entgegen früherer Absprachen mit dem Papst – Anspruch auf das Königreich Sizilien: Sein Vorgänger Heinrich VI. habe offen gelassen, ob er das normannische Königreich Sizilien als Kaiser oder als Gemahl Konstanzes, der Erbin der Königskrone, in Besitz genommen hat. Innozenz III. war düpiert. Er hatte geglaubt, die Verbindung Siziliens mit dem Reich dauerhaft unterbrochen zu haben. Nun sah er sich einem Kaiser gegenüber, der sich daran machte, eben diese Verbindung wiederherzustellen. Für Otto, der mit seinem Heer nach Süditalien weitermarschierte, war das quasi ein Abwasch: Er konnte nebenher Friedrich II. beseitigen, der auch als König von Sizilien eine latente Bedrohung seiner Herrschaft darstellte, da er als Erbe Heinrichs VI. und 1196 schon einmal gewählter deutscher König jederzeit Ansprüche auf das Reich erheben konnte, wenn auch noch nicht jetzt (Friedrich II. war inzwischen 15 Jahre alt).



    Innozenz III. griff zur bewährten Exkommunizierung, die er nun über Otto IV. verhängte, als dieser im November 1210 die Grenzen zum Königreich Sizilien überschritt. In Süditalien konnte er im Laufe des Jahres 1211 die Barone auf seine Seite ziehen. Offenbar war denen ein ferner Kaiser als Herrscher lieber als ein naher König. Mitte Oktober 1211 bereitete sich Otto IV. bereits darauf vor, auf die Insel Sizilien überzusetzen, als ihn eine unerwartete Nachricht zur überstürzten Rückkehr nach Deutschland zwang: Mehrere deutsche Fürsten hatten Ottos Exkommunikation zum Anlass genommen, ihn zum Ketzer zu erklären und Friedrich II. zu seinem Nachfolger zu erklären. Das trug eindeutig die Handschrift des politisch versierten Papstes, den Otto gegen sich aufgebracht hatte.



    Otto IV. zog sich nach Deutschland zurück, um erst einmal hier seinen Thron zu retten. Friedrich II. hatte der Welfe zwar vom Haken lassen müssen, aber hey, das war nur ein Junge. Damit Friedrich nicht womöglich in Deutschland auftauchen konnte, bezahlte der Kaiser die norditalienischen Städte dafür, den Weg über die Alpen für den Staufer zu versperren und wachsam zu sein.

    Und tatsächlich: Friedrich II. entschied sich, nicht einfach im sicheren Sizilien zu bleiben und auf sein Recht auf die deutsche Krone zu verzichten. Er ging aufs Ganze und machte sich im März 1212 auf den gefährlichen Weg nach Deutschland, in eine ebenso unsichere wie verheißungsvolle Zukunft: Sieg oder Tod, konnte jetzt es für ihn nur heißen...



    Literatur:
    Hartmut Jericke: Kaiser Heinrich VI. der unbekannte Staufer
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    Friedrich II.

    Das war der Abschluss der dritten Epoche im Spiel. Die nächste trägt den Titel "Mongolensturm" (obwohl ich diesen gar nicht prominent zum Thema mache) und umfasst die Zeit von 1220 bis 1337.

    Epoche IV - Mongolensturm (1220-1337)

    Achtung Spoiler:
    1. Frühmittelalter
    Karl der Große
    1. Wie man einen König macht
    2. Bruderzwist
    3. De bello saxonici
    4. Eine Schlappe wird zum Heldenlied
    5. Die Krönung zum Kaiser
    6. Die Nachfolgeregelung
    Das byzantinische Kaiserreich
    1. Konstantin V. (769-780)
    2. Leo IV. (780-797)
    3. Romylia (797-801)
    4. Konstantin VI. (801-810)

    2. Das Zeitalter der Wikinger
    Alfred der Große
    1. Ethelred (867-884)
    2. Alfred (884-918)
    Die ersten deutschen Könige
    1. Prolog: Was geschah von 814 bis 867?
    2. Ludwig der Deutsche (840-873)
    3. Karlmann von Baiern (873-886)
    4. Arnulf von Kärnten (886-898)
    5. Ludwig III. (898-937)
    6. Heinrich I. (937-968)
    7. Hundert Jahre: Von Otto II. zu Heinrich IV.

    3. Das Hochmittelalter
    Wilhelm der Eroberer
    1. Vorgeschichte
    2. Der Herzog in seinem Herzogtum – Williams Herkunft
    3. Die Normandie und England
    4. Der König und sein Königreich – Wilhelmus Rex
    5. Williams letzte Jahre – die liebe Familie
    Heinrich IV.
    1. Wehe dem Lande, dessen König ein Kind ist!
    2. De bello saxonico
    3. Der unheimliche Mönch
    4. Der Gegenkönig
    5. Reges geminati, papae geminati
    6. Deus lo vult!
    7. Heinrichs letztes Gefecht
    Der Erste Kreuzzug
    1. Prolog – über das Leben Philipps I. von Frankreich
    2. Der byzantinische Hilferuf
    3. Der Zug durch das byzantinische Reich
    4. Im Heiligen Land
    Duell: Heinrich der Löwe und Barbarossa
    1. Vorgeschichte der Welfen und Staufer
    2. Die Zeit unter dem Salier Heinrich V. (1104-1125)
    3. Die Staufer werden um die Krone gebracht - Lothar III. (1125-1137)
    4. Der erste Staufer auf dem Thron - Konrad III. (1137-1152)
    5. Duell: Friedrich I. Barbarossa (1152-1190)
    1. Heinrich der Löwe verzichtet auf die Königskrone
    2. Heinrichs Kämpfe gegen die Wenden
    3. Krieg in Italien, Ärger in Sachsen
    4. Heinrichs Pilgerfahrt
    5. Die Unterredung von Chiavenna
    6. Der Prozess gegen den Löwen
    7. Nach dem Sturz
    6. Das letzte Aufbäumen des Löwen - Heinrich VI. (1190-1197)
    Duell: Saladin und Richard Löwenherz
    1. Saladin in Ägypten
    2. Königreich der Himmel
    3. Der Dritte Kreuzzug
    4. Die Plantagenet: Richards Herkunft
    5. König Richard auf dem Weg ins Heilige Land
    6. Richard Löwenherz im Heiligen Land
    Zwischenkapitel: Die Wehen der neuen Epoche
    1. Die glühende Krone
    2. Better to reign in hell, than serve in heaven
    3. Ein Ausbund an Verderbtheit und das Werk der Hölle
    4. Deutschland: Philipp von Schwaben gegen Otto IV.

    4. Mongolensturm
    Friedrich II.
    1. Noch einmal Staufer gegen Welfen
    2. Friedrichs ganz eigener Kreuzzug
    3. Messias oder Antichrist
    4. Der Untergang der Staufer




    Das Staunen der Welt – Friedrich II.

    Friedrich II.
    Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, lebte 1194 bis 1250
    Startdatum: 1. Januar 1212

    1. Noch einmal Staufer gegen Welfen

    Friedrich Roger wurde am 26. Dezember 1194 in der italienischen Mark Ancona geboren, als seine Mutter Konstanze gerade auf dem Weg von Oberitalien nach Sizilien war. Bald nach seiner Geburt überließ sie den Knaben der Obhut der Herzogin von Spoleto und reiste weiter, um ihr normannisches Königreich in Besitz zu nehmen. Mit Hilfe ihres Mannes, Kaiser Heinrich VI., kehrte sie nach Palermo auf den Thron zurück. Heinrich organisierte danach einen Kreuzzug nach Jerusalem und brachte die deutschen Fürsten dazu, vor seiner Abreise zu dem gefährlichen Unterfangen seinen zweijährigen Sohn, eben jenen Friedrich, zu seinem Nachfolger auf dem deutschen Thron zu wählen. In Sizilien galt sowieso die Erbfolge zugunsten des kleinen Friedrich.

    Als Heinrich VI. im September 1197 starb, war sein Bruder Philipp von Schwaben bereits auf dem Weg, um Friedrich nach Aachen zur Königskrönung zu holen. Philipp musste wegen eines Aufstands in Mittelitalien unverrichteter Dinge umkehren. Konstanze holte den Knaben nach Palermo und ließ ihn im Mai 1198 zum König von Sizilien krönen. Wenig später erfuhr sie, dass sich Heinrichs Bruder Philipp von Schwaben zum neuen deutschen König hatte wählen lassen. Umgehend ließ sie den Anspruch Friedrichs auf das römische Königtum fallen. Indem Konstanze die vom Papst als Bedrohung empfundene Verbindung Siziliens mit dem Reich löste und überdies anbot, auf die besonderen Herrschaftsrechte des sizilischen Königs über die Kirche seines Reichs zu verzichten und ihr Reich wie ihre Vorgänger vom Papst zu Lehen zu nehmen, sicherte sie ihre Stellung und die Stellung ihres Sohns in Sizilien ab. Die Anerkennung und Legitimierung durch den Papst wogen schwerer als die kaum umsetzbar erscheinenden Ansprüche Friedrichs im fernen Deutschland.

    Nur konsequent war es daher, dass sie Innozenz III. (1198-1216) testamentarisch zum Vormund ihres vierjährigen Sohnes einsetzte, als sie im November 1198 starb. Er war nun verpflichtet, die Rechte Friedrichs zu wahren. Die Legaten, die er gelegentlich nach Sizilien entsandte, konnten sich jedoch kaum durchsetzen. Friedrich wurde zum Spielball der rivalisierenden Gruppen in der eskalierenden Auseinandersetzung zwischen den noch von Konstanze eingesetzten Hofamtsträgern, den normannischen Baronen und den deutschen Ministerialen, die im Gefolge Heinrichs VI. nach Sizilien gekommen waren. Der Streit um seine Person scheint Friedrich frühzeitig die Bedeutung seines Königtums vor Augen geführt zu haben. 1207 heißt es jedenfalls in einem anonymen Brief über ihn, er entwickle sich gut, sei aber ganz unzugänglich für Ermahnungen, folge nur seinem eigenen Willen und empfinde es als schändlich, noch für einen Knaben, nicht aber für einen König erachtet zu werden.“ Es dürfte Friedrich geprägt haben, sich in solcher Unsicherheit über seine Zukunft befunden zu haben, denn jeder Machthaber wollte ihn in seiner Gewalt haben.

    Kurz vor dem Ende seiner Vormundschaft sorgte Papst Innozenz III. für eine Eheverbindung, die Friedrichs Stellung in Sizilien sichern und ihn an ein zweites vom Papsttum lehnsabhängiges Reich binden sollte. Kaum volljährig geworden, heiratete Friedrich im August 1209 die zehn Jahre ältere Konstanze, die Schwester des Königs von Aragon (wohl wegen der Mitgift von 500 spanischen Rittern, die sie in die Ehe einbrachte). Für eine kurze Zeit schien es, als ergäben sich nach Jahren der Auseinandersetzung nun klare Verhältnisse. Der Thronstreit im Reich nördlich der Alpen war beendet: Philipp von Schwaben war 1208 ermordet worden, Otto IV. hatte daraufhin allgemeine Anerkennung gefunden. Friedrichs Stellung in Sizilien war gesichert, seine Einbindung in das Beziehungsnetzwerk des westlichen Mittelmeerraums angebahnt, seine Beziehungen zum Reich dagegen unterbrochen. Seine Wahl zum römischen (deutschen) König 1196 schien obsolet, seit Papst Innozenz III. Otto IV. als rechtmäßigen König anerkannt und im Oktober 1209 zum Kaiser gekrönt hatte.

    Die Ereignisse nahmen danach eine ungeplante Wendung, sonst wäre Friedrich II. jetzt nicht ein eigenes Kapitel wert. Otto IV. betrachtete Friedrich nämlich weiter als potentiell gefährlichen Konkurrenten und machte sich daran, als Kaiser das Königreich Sizilien zu erobern.



    Innozenz III. sah schließlich keine andere Möglichkeit mehr, als nun seinerseits Friedrich gegen den raubeinigen Otto, der seiner Kontrolle entglitten war, in Stellung zu bringen. Er ermutigte die deutschen Fürsten, „auch schon vor der Absetzung des Kaisers“ einen Nachfolger für Otto IV. zu wählen. Otto kehrte überstürzt nach Deutschland zurück und versicherte sich seiner Herrschaftsgrundlagen in Sachsen. Dazu hatte er allen Grund, denn eine Fürstenopposition im Reich, unter ihnen die Erzbischöfe von Mainz und Magdeburg und der König von Böhmen, wählten Friedrich in dessen Abwesenheit im September 1211 zum „anderen Kaiser“ und zeigten dem Papst ihre Wahl an.

    Otto IV. hielt im März 1212 demonstrativ einen Hoftag in Deutschland ab, um sich seiner Anhänger zu versichern. Immerhin hatte der Papst ihn selbstverständlich für seinen Zug gegen Sizilien exkommuniziert. Am 22. Juli 1212 heiratete Otto dann die 14jährige Beatrix, eine Cousine Friedrichs. Philipp hatte Otto während des Thronstreits 1207 seine kleine Tochter zur Verlobung angeboten, um den Welfen zum Verzicht auf die Krone zu bewegen. Der Verbindung mit Beatrix sollte die Belehnung mit dem Herzogtum Schwaben einhergehen. Otto machte mit der Eheschließung im Sommer 1212 also klar, was er von Friedrichs Anspruch auf Schwaben oder die Krone hielt. Die Sache ging für den Welfen voll nach hinten los: Beatrix starb bereits drei Wochen nach der Eheschließung, was Gerüchte aufkommen ließ, das Mädchen sei an den Folgen der Entjungferung gestorben. So oder so, das war ein böses Omen.

    Sein Gegenspieler Friedrich kam ihm näher: Obwohl ihm seine Ratgeber davon abrieten, brach Friedrich Mitte März 1212 mit einem nur kleinen Gefolge Richtung Norden auf, um seinen Anspruch auf die Krone gegen Otto IV. einzufordern (und damit auch sein sizilisches Königreich vor ihm zu wahren). Vor dem Aufbruch nach Deutschland wurde Friedrichs neugeborener Sohn Heinrich zum König von Sizilien gekrönt, der Papst hatte darauf bestanden. Friedrich zog auf seinem Weg zunächst in Rom ein, wo er vom Volk wie ein Kaiser empfangen wurde. Papst Innozenz III. traf er hier zum ersten Mal und war sehr beeindruckt von ihm.

    Während des Doppelkönigtums ergriffen die Kommunen Norditaliens unterschiedlich Partei. Mailand hielt Otto IV. die Treue, während Cremona und Pavia für Philipp und dann für Friedrich eintraten. Mailand versuchte mit allen Mitteln, Friedrichs Zug in den nordalpinen Reichsteil zu unterbinden. Vor den mailändischen Verfolgern gelang es Friedrich mitten in der Nacht, mit einem Pferd den Lambro zu durchqueren. Die Mailänder spotteten, dass sich Friedrich bei seiner Flucht im Fluss „nasse Hosen“ geholt habe. Trotz aller Probleme erreichte Friedrich auf Umwegen und über selten genutzte Alpenpässe im September 1212 den Bodensee. Die Stadt Konstanz hatte sich just auf den Empfang des von Norden heranziehenden Kaiser vorbereitet, als Friedrich mit seinem Gefolge vor den Mauern erschien. Nach einiger Diskussion entschieden sich die Konstanzer dazu, Friedrich die Tore zu öffnen. Nur wenige Stunden später traf Otto IV. mit seinem Heer vor Konstanz auf, ihm blieben die Tore nun verschlossen. Wenige Stunden Verspätung, die darüber entschieden, dass es Friedrich gelang, eine erste deutsche Bischofsstadt und zugleich einen Zugang zum schwäbischen Herzogtum seiner Vorfahren zu gewinnen! Otto war auf eine Belagerung nämlich nicht vorbereitet und zog sein Heer wieder zurück nach Sachsen.

    Binnen weniger Wochen fiel ganz Schwaben dem „Kind aus Apulien“ zu. Er hatte bei der Durchsetzung seines Anspruchs auf die Krone mit ähnlichen Schwierigkeiten zu tun wie zuvor sein Onkel Philipp von Schwaben. Auch Friedrich blieb zunächst die Krönungsstadt Aachen verschlossen. Er wich nach Frankfurt aus, dort wurde er am 5. Dezember 1212 durch eine zahlreich besuchte Fürstenversammlung zum König gewählt (zum wievielten Male jetzt eigentlich?) und wenige Tage später in Mainz von dem dortigen Erzbischof gekrönt. Die Unterstützung der Kirchenfürsten und des Papstes war Friedrich sicher, weil der die ganzen Zugeständnisse wiederholte, die auch Otto der Kirche bereits 1209 gemacht hatte.

    In kurzer Zeit waren alle Länder zwischen Böhmen und Burgund in Friedrichs Hand. Otto hatte sich nach Sachsen zurückgezogen. Ihn aus seinen Stammlanden zu vertreiben, wäre kaum möglich gewesen, denn als Soldat war er von wildem Mut, als Truppenführer ohne Tadel, und er verfügte über ein schlagkräftiges Heer. Einen Vorstoß ins Sächsische musste Friedrich mit einem raschen Rückzug bezahlen. Das Reich auf ewig geteilt in ein Stauferland und ein Welfenland, regiert von zwei Kaisern, diese Gefahr zog am Horizont herauf. Doch das Schicksal Deutschlands wurde längst nicht mehr in Deutschland entschieden. Es war zum Nebenschauplatz der internationalen Auseinandersetzungen geworden, nämlich jener zwischen Frankreich und England. Auf der einen Seite unterstützte der französische König Philippe II. den Staufer mit 20.000 Silbermark, mit denen Friedrich die Fürsten im Reich schmieren und auf seine Seite locken konnte. Der bei den deutschen Fürsten als Geizhals verschriene Welfe Otto IV. wurde vom englischen König John gestützt. Der Ausgang des zwischen Frankreich und England geführten Krieges musste auch darüber entscheiden, ob Friedrich oder Otto die Oberhand behielt.



    Nachdem Otto von dem staufisch-kapetingischen Bündnis erfahren hatte, fiel er in die französischen Kronländer ein. Er wollte sich mit Frankreich eines Verbündeten Friedrichs II. entledigen, durch einen Sieg seine Autorität im Reich wiederherstellen und zugleich seinem Onkel und Unterstützer, dem englischen König John, im anhaltenden Konflikt mit dem französischen König zur Hand gehen. Otto hatte aber noch viel weitreichendere Pläne: Er wollte die Herrschaft der Kapetinger in Frankreich beseitigen, die französische Krondomäne unter seinen Verbündeten aufteilen und deutsche Krieger in Frankreich ansiedeln. Seine Entschlossenheit, König Philippe II. zu töten, bekräftigte er mit einem Schwur. Beide Herrscher hatten die Absicht, sich in der Schlacht im Zweikampf zu messen und so eine Entscheidung herbeizuführen.



    Am 27. Juli 1214 kam es östlich von Lille zur entscheidenden Schlacht von Bouvines zwischen den Heeren Ottos und Philipps (siehe auch im vorigen Kapitel zu John Lackland). Zu Ottos Aufgebot zählten mehrere bedeutende linksrheinische Territorialherren, unter anderem die Herzöge von Brabant, Limburg und Lothringen; neben mehreren rheinischen Edelleuten begleiteten den Kaiser auch größere sächsische Aufgebote. Otto erlitt eine vernichtende Niederlage. Er hatte zwar eine durchdachte Strategie, doch mehrere Berater drängten ihn zu einem vorschnellen Angriff, der sich als verhängnisvoll erwies. Die Franzosen leisteten überraschend starken Widerstand. Nachdem Otto im Kampf vom Pferd gefallen war, hatte er ein zweites Pferd bestiegen und sich zur Flucht entschlossen, womit er die Schlacht für alle sichtbar verloren gab und sein Heer, das dennoch den Kampf fortsetzte, in eine aussichtslose Lage brachte. Allerdings war der entscheidende Durchbruch der Franzosen nach anderen Aussagen bereits zuvor erfolgt, als nordfranzösische Kontingente die Kaiserlichen zum Zurückweichen zwangen. Otto, der in militärischen Angelegenheiten erfahren war und während der Gefechte in Lebensgefahr geriet, drohte nun die Gefangennahme. Daraufhin habe der Kaiser die Flucht ergriffen.

    Der Sieg gehörte dem französischem König, er hatte Englands „Festlanddegen“ geschlagen. Seinem Verbündeten Friedrich schickte Philippe II. den Reichsadler, den er Otto IV. entrissen hatte – jedoch nicht, ohne diesem deutschen Symbol zuvor die Schwingen ausgerissen zu haben. Ein diabolisches Geschenk, das nicht nur das Ende der Welfen signalisierte, sondern auch die Tatsache, das es mit der Macht der Deutschen zu Ende ging.

    Die Schlacht hatte für die gesamteuropäischen Machtverhältnisse erhebliche Konsequenzen. Ihr Ausgang führte dazu, dass sich das französische Krongut mehr als verdoppelte; die französischen Lehnsfürstentümer verloren gegenüber der erstarkenden Zentrale an Bedeutung. Die Niederlage Ottos schwächte den englischen König John, der 1215 mit der „Magna Charta“ den Großen seines Landes herrschaftsbeschränkende Freiheiten einräumen musste. Die englischen Könige regierten fortan dauerhaft von England und nicht mehr hauptsächlich von französischem Boden aus. England begann sich als Inselreich zu entwickeln.

    Otto war nach der Schlacht isoliert, John stellte seine finanzielle Unterstützung im Mai 1215 ein. Die niederrheinischen Großen wechselten in Friedrichs Lager, so dass der Staufer jetzt Zugang zur alten Kaiserstadt Aachen bekam. Am 25. Juli 1215 wurde Friedrich II. vom Mainzer Erzbischof in der Aachener Marienkirche gekrönt. Dabei versprach er feierlich, den Kreuzzug seines Vater wiederaufzunehmen. Der Zweck war klar: Als Kreuzfahrer konnte Friedrich leichter auf die Kaiserkrönung durch den Papst in Rom sowie auf die Regelung der Thronfolge hinwirken. Das war ein Versprechen, dessen Einlösung auf sich warten lassen und deshalb einige Konsequenzen haben sollte.

    Im Jahr 1215 erreichte Innozenz III. den Höhepunkt seiner Macht auf dem Vierten Laterankonzil, das die umfassende Reform der Kirche, vor allem die Ketzerbekämpfung, die Abgrenzung der Juden, und den Kreuzzug, besonders den Schutz der Kreuzfahrer nach ihrer für Juni 1217 geplanten Abreise, als Thema hatte. Zu diesem Konzil im November 1215 schickte auch Otto IV. Gesandte. Es gelang ihnen jedoch nicht, die Aufhebung des Kirchenbanns zu erwirken, vielmehr wurde Friedrich dort vom Papst als künftiger Kaiser anerkannt. Innozenz III. hatte somit seine Rolle als Schiedsrichter und seinen Anspruch auf das Kontrollrecht der deutschen Königswahl verdeutlicht. Das Reich und seine Fürsten waren in die Position der Bittsteller und Kontrollierten geraten. Otto IV. kehrte übrigens nicht mehr zurück in die große Politik, er starb im Mai 1218 in Braunschweig.



    Für die päpstliche und fürstliche Unterstützung bekam Friedrich II. natürlich eine Rechnung präsentiert. Schon in der Goldbulle von Eger hatte er 1213 auf die umstrittenen Gebiete Mittelitaliens verzichtet, auf Spolien und Regalien, auf jede Einmischung in die Bischofs- und Abtwahlen. Da Friedrich auch den weltlichen Fürsten Zugeständnis auf Zugeständnis machte, konnte man bald nicht mehr von einem deutschen König reden, sondern von „dem jederzeit absetzbaren Präsidenten einer Fürstenrepublik, deren weltliche Mitglieder erblich waren, während die geistlichen vom Papst abhingen“. Friedrich schienen diese Konzessionen, die nichts anderes waren als eine Konkurserklärung der deutschen Kaiserpolitik, nicht allzu schwer gefallen sein. Er fühlte sich fremd in einem Land, das nicht seine Heimat war, dessen Sprache er anfangs nur schlecht sprach, das seiner Zersplitterung wegen ohnehin nicht mehr regierbar erschien. Es kam ihm in erster Linie darauf an, sich Rückendeckung zu erkaufen, die er für seine italienischen Unternehmungen brauchte.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  6. #246
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    Friedrich II.

    2. Friedrichs ganz eigener Kreuzzug

    Mit Hilfe des von ihm abhängigen Staufers Friedrich hatte Papst Innozenz III. somit den unbotmäßigen Welfen Otto, der zuvor sein Werkzeug gegen Philipp von Schwaben gewesen war, ausgeschaltet. Ottos Fehler war gewesen, dass er die Vereinigung des Reichs mit Sizilien angestrebt hatte. Die daraus resultierende Umklammerung des Kirchenstaates zu vermeiden, war ein wichtiges Ziel des Papstes. Nun musste Innozenz zusehen, dass ihm nicht die Kontrolle über Friedrich entglitt. Innozenz III. ließ sich deshalb im Juli 1216 feierlich von Friedrich versprechen, sogleich nach der Kaiserkrönung auf Sizilien zugunsten seines Sohnes Heinrich zu verzichten, damit beide Reiche für immer getrennt blieben. Friedrich tat dies sicher mit dem Hintergedanken, dass gegen jedes Gelöbnis ein Kraut gewachsen war. Man musste nur den richtigen Zeitpunkt abwarten, es anzuwenden.



    Und der war bereits gekommen, als Innozenz III. vierzehn Tage nach der Straßburger Verzichtserklärung den Weg allen Fleisches ging: Er starb am 16. Juli 1216, und jetzt setzte der Staufer das Gegenteil von dem um, was er zuvor versprochen hatte: Er holte umgehend seine Gattin und seinen Sohn von Sizilien nach Deutschland. Dort wurde der fünfjährige Heinrich zum Herzog von Schwaben ernannt. Wie würde der neue Papst auf diese Eigenmächtigkeit des Kaisers reagieren? Die Antwort: Eher lau. Der jetzt gewählte Honorius III. (1216-1227) war schon in höherem Alter und weniger hart bei der Durchsetzung der römischen Politik. Den Staufer ignorierte der Papst lieber, um bei den Verhandlungen über dessen Kaiserkrönung nicht in Zugzwang zu geraten. Denn Honorius war sowieso mehr an der Befreiung der Gebiete im Heiligen Land gelegen, die man 1187 an Saladin verloren hatte. Tatsächlich brach im August 1217 wie geplant ein Heer aus Österreichern und Ungarn auf, um Ägypten anzugreifen und zunächst Damiette einzunehmen. Dieser Brückenkopf sollte die spätere Eroberung von Jerusalem nicht nur ermöglichen, sondern anschließend auch strategisch absichern. Der Kreuzzug hing aber bald vor Damiette fest und drohte zu scheitern. Honorius III. musste jetzt also doch mit Friedrich über dessen Teilnahme am Kreuzzug sprechen, nachdem er ihn vorher in dieser Sache außen vor gelassen hatte, um dem Staufer nicht im Gegenzug die Kaiserkrönung geben zu müssen.

    Friedrich nutzte seine Verhandlungsposition weidlich aus, er verlangte von den Welfen die Herausgabe der Reichsinsignien, ließ seinen Sohn Heinrich zum deutschen König wählen und erwartete natürlich trotzdem die Kaiserkrönung in Rom. Die Kirchenfürsten im Reich befriedigte mit dem Verzicht auf das Spolienrecht, so war dem Staufer die Zustimmung für die Wahl seines Sohnes sicher. Die Angelegenheiten in Deutschland waren Friedrich offensichtlich nur Mittel zum Zweck. Für den Papst war es dagegen ein Affront, dass der kleine Heinrich VII. nun designierter Nachfolger in Sizilien UND im Reich war, und Honorius drohte Friedrich mit der Exkommunikation, wenn dieser nicht endlich zum Kreuzzug aufbrechen würde.



    Okay, sagte Friedrich, und zog 1220 nach Italien. Seinen neunjährigen Sohn Heinrich ließ er in der Obhut der Reichsministerialen und eines zunächst durch Erzbischof Engelbert von Köln dominierten Rates von Fürsten zurück, die für den Knaben die Regentschaft ausüben sollten. In Norditalien galt es für Friedrich II. zunächst, das „übliche“ Aufgabenheft eines Kaisers zu erledigen und die alten Reichsrechte und die Reichsherrschaft wiederherzustellen. Im November 1220 kam Friedrich II. dann endlich in Rom an, achteinhalb Jahre, nachdem er zuletzt Richtung Norden hier durchgekommen war. Honorius brauchte ihn für den Kreuzzug, er schluckte also Friedrichs dreiste Ausrede, die deutschen Fürsten hätten seinen Sohn ohne sein „Wissen und Zutun ganz unvermutet zu ihren König gewählt“. Friedrich II. bekam seine Kaiserkrone, Honorius begnügte sich mit der lediglich formalen Trennung zwischen Sizilien und dem Reich, die der Staufer zugestand. Brav versprach Friedrich, im kommenden August nun wirklich zum Kreuzzug aufzubrechen. Bei anderen Angelegenheiten der Kurie war Friedrich stärker dabei, vor allem, wenn es um die Bekämpfung der Ketzer ging. Unmittelbar nach der Kaiserkrönung verkündete Friedrich noch in der Peterskirche zehn Gesetze, die im wesentlichen auf kurialen Entwürfen beruhten und die Eintracht von Papst und Kaiser demonstrierten: Auf die Exkommunikation des Ketzers sollte binnen Jahresfrist die kaiserliche Acht folgen, Ketzer sollten auch nach weltlichem Recht als ehrlos gelten und mit Konfiskation ihrer Güter bestraft werden.



    Nach der Krönung in Rom reiste der Kaiser weiter in sein sizilisches Reich, wo er an die Unterwerfung des Adels ging, um die Staatsstruktur zu reformieren. Interessanterweise orientierte er sich dabei an der Politik seiner normannischen Vorgänger. Das war es, was Friedrich II. wirklich am Herzen lag: Sizilien war die materielle Grundlage seiner Herrschaft, dessen Ressourcen er für die Durchführung des Kreuzzugs benötigte. Nach dem Adel unterwarf Friedrich mit harter Hand die rebellischen Muslime, die er aus Sizilien deportierte und in einer eigenen Stadt am nördlichen Ausgang Apuliens in Richtung Kirchenstaat ansiedelte. Ganz zum Ärger des Papsttums übrigens. Diese Muslime waren Friedrich von nun an treu ergeben, waren immun gegen jeden päpstlichen Bann und produzierten fleißig hochwertige Waffen, Teppiche und Pferde für ihren Herrscher.

    Was ist mit dem versprochenen Kreuzzug?, fragte der Papst - ärgerlich, doch machtlos. Das Unternehmen in Ägypten ging zu dieser Zeit krachend unter. Die Christen, die Damiette erobert hatten, waren es selbst gewesen, die (auf Anraten des päpstlichen Legaten) mehrfache Friedensangebote des Sultans abgewiesen hatten. Dabei bot Sultan Al-Kamil sogar die Rückgabe Jerusalems samt der umliegenden Gebiete – mit Ausnahme zweier Festungen – an. Doch die Kreuzritter wollten sich jetzt nicht mehr mit dem „Spatz in der Hand“ Jerusalem zufriedengeben, sie wollten dazu die „Taube auf dem Dach“: Das reiche Ägypten erobern. Denn wem Ägypten gehörte, dem würde schließlich von selbst die Kontrolle über Jerusalem zufallen. Damit hatten die Kreuzfahrer überzogen: Beim Vormarsch wurde ihr Heer von der Nilschwemme überrascht und auf ungünstiges Gelände abgedrängt. Dort erlitten sie eine vernichtende Niederlage gegen die Truppen des Sultans, der nach diesem Triumph auch Damiette zurückerobern konnte. Der Kreuzzug war im August 1221 klar gescheitert. Und der Papst grollte, denn Friedrich II. hatte sein heiliges Versprechen immer noch nicht eingelöst.



    In Deutschland war unterdessen (im Jahre 1222) Friedrichs Sohn in Aachen zu König Heinrich VII. gekrönt worden. Der Elfjährige war zunächst mit der Tochter des böhmischen Königs verlobt worden, aber Friedrich suchte nach einer politisch besseren Partie für sich und dem Jungen. Aus dem Plan, Heinrich mit der Tochter des englischen Königs zu vermählen, wurde jedoch nichts. Es wäre eine gute Absicherung der Staufer gewesen, das sonst mit den Welfen verbündete England familiär an sich zu binden (schließlich suchte der Kaiser drei Jahre später die Tochter des österreichischen Herzogs als Braut für seinen Sohn aus). Friedrich selbst war 1222 zum Witwer geworden: Seine Frau Isabella von Aragon (die mit den 500 Rittern) war am 23. Juni in Catania gestorben.

    In die Entwicklung der Verhältnisse nördlich der Alpen griff Friedrich II. in den folgenden Jahren kaum mehr ein. Auch die Erhebung Lübecks zur Reichsstadt und die Goldbulle von Rimini (beides 1226), durch die er dem Deutschen Orden den Besitz des Preußenlandes als Teil der „monarchia imperii“ bestätigte, sind kaum als zielgerichtetes Herrschaftshandeln im Rahmen einer weitgespannten Konzeption für die Erschließung des Ostseeraums zu deuten. Wie seine Vorgänger gewährte Friedrich Privilegien, weil er darum gebeten wurde, wenn nur der Antragsteller förderungswürdig erschien und sein Anliegen den Interessen des Königs nicht entgegenlief oder bei Anwesenden auf Widerspruch stieß. Auch im Fall der Goldbulle von Rimini ging die Initiative erkennbar vom Empfänger aus: Der Deutsche Orden war im Jahr zuvor nach der Ermordung Königin Gertruds (1213) – wie viele andere deutsche Günstlinge, die sie ins Land gebracht hatte – aus Ungarn vertrieben worden. Es musste dem Hochmeister des Ordens, Hermann von Salza (1210-1239), daher geraten erscheinen, die ihm durch Herzog Konrad von Masowien eingeräumten Rechte, den Besitz des von ihm dem Orden geschenkten Kulmer Landes und der noch zu erobernden Gebiete der Pruzzen, für die Zukunft besser abzusichern.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  7. #247
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    Friedrich II.

    Friedrich II. war derweil auf Sizilien nicht untätig, er überzog das Königreich mit einem Netz an Burgen. So konnten seine Männer wirksame Kontrolle über das Umland ausüben. Die Macht der Seestädte Pisa und Genua brach der Staufer, indem er ihre Schiffe mietete bzw. ihren Verkauf an ihn erzwang. In Neapel gründete Friedrich eine Universität, um eine Alternative zu den norditalienischen Lehrstätten zu haben. Im Jahre 1224 hatte Friedrich die Sicherung der Herrschaft abgeschlossen und die Verwaltung des sizilischen Reiches auf seine Person zugeschnitten. Jetzt konnte und wollte er sich um den Kreuzzug kümmern. Dem Papst versprach Friedrich Mitte 1225 wieder einmal – jetzt aber wirklich, ich schwör auf Bibel! - bis spätestens Ostern 1227 zum Kreuzzug aufzubrechen. Den gestaltete Friedrich aber nach seinen Vorstellungen.



    Der erste Schritt bei diesem Unternehmen führte ihn – vor den Traualtar. Nach dem Tod seiner Frau Konstanze von Aragon heiratete Friedrich nun Isabella von Brienne, die Erbin des Königreichs Jerusalem. Die Trauung fand am 9. November 1225 statt. Friedrich beanspruchte prompt das Königreich Jerusalem für sein Haus, was unmittelbar zum Bruch mit dem Brautvater Johann von Brienne führte. Schon in der Brautnacht betrog Friedrich seine Gemahlin mit ihrer eigenen Cousine. Der Kaiser schien an seiner Gemahlin wenig Interesse gehabt zu haben, bezeichnete die noch sehr junge Isabella sogar öffentlich als „Küken“.

    Die militärisch-logistischen Vorbereitungen für einen Kreuzzug waren indes weniger erfolgreich. Das Fiasko von Damiette lag gerade einmal drei Jahre zurück, man hatte wenig Interesse an einer Neuauflage. Die norditalienischen Städte waren außerdem misstrauisch gegen jede Ansammlung deutscher Heere in ihrem Gebiet und verweigerten Heinrich VII. (Friedrichs Sohn, der die Regierung in Deutschland stellvertretend ausübte) mit seinen eintausend Rittern schlicht den Durchzug und zwangen ihn vor Trient zum Umkehren. Der Kaiser sah über die Provokation hinweg, um sich nicht vom Kreuzzug ablenken zu lassen. Im August 1227 war es soweit, es konnte losgehen!

    Zu dieser Zeit schwängerte Friedrich offensichtlich seine neue Gattin, die 15jährige Isabella, denn sie brachte im April des folgenden Jahres ihren einzigen Sohn Konrad (später: Konrad IV.) zur Welt. Einige Wochen später starb sie im Kindbett, sie hatte ein nur kurzes Leben. Der kleine Konrad wurde nach Neapel gebracht, blieb dort sieben Jahre lang und erhielt von einem Ritter namens Landulf eine gute Erziehung.



    Doch kaum auf dem Schiff, das ihn zum Heiligen Land bringen sollte, verschlechterte sich Friedrichs Gesundheit. Er hatte sich zuvor an einer Seuche in seinem Heerlager angesteckt, der unter anderem der Thüringer Landgraf Ludwig IV. zum Opfer fiel (für dessen kleinen Sohn Hermann übernahm nun Ludwigs Bruder Heinrich Raspe die Regentschaft, er wird später noch Erwähnung finden). Der erkrankte Kaiser stoppte notgedrungen den gerade startenden Kreuzzug.



    Nun eskalierte der Konflikt mit dem Papst. Der gutmütige Honorius III. war im März 1227 gestorben, sein Nachfolger Gregor IX. (1227-1241) zeigte sich weniger nachgiebig. Ohne die kaiserliche Gesandtschaft auch nur anzuhören, verkündete er den Kirchenbann gegen Friedrich, weil der seinen Eid nicht eingehalten habe.



    Gregor war weniger ein Fan des Kreuzzugs wie sein Vorgänger, ihm war deutlich mehr am Zurückdrängen der staufischen Macht in Italien gelegen. Durch die Exkommunikation geriet Friedrich in eine ausweglose Lage: Zögerte er seinen Aufbruch weiter hinaus, konnte ihn Gregor IX. Zu Recht als wortbrüchig bezeichnen. Sein sizilianisches Königreich zu verlassen, barg jedoch ein hohes Risiko, da seine Abwesenheit päpstlichen Söldnern die Gelegenheit gab, nach Apulien einzufallen. Als Kreuzfahrer, nicht aber als Gebannter, stand Friedrich unter dem Schutz des Kirchenrechts.

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  8. #248
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    Friedrich II.

    Dennoch entschied sich Friedrich zur Reise, als erkennbar wurde, dass Gregor nicht einlenken würde. Mitte 1228 brach er mit 40 Schiffen in Begleitung mehrerer sizilianischer Bischöfe auf. Dass er als Exkommunizierter einen Kreuzzug antrat, war eine unerhörte Provokation. Alles kam nun darauf an, dass das Unternehmen erfolgreich verlief. Die Chancen dafür standen gut, denn das Reich der Ayyubiden war in drei konkurrierende Teile zerfallen. Bereits seit 1226 stand Friedrich in Verhandlungen mit dem ägyptischen Herrscher al-Kamil, der ihm die Rückgabe Jerusalems für den Fall in Aussicht stellte, dass er ihn gegen seinen Bruder, den Herrn von Damaskus, unterstützte.



    Als er am 7. September 1228 in Akkon eintraf, wurde Friedrich dort freundlich empfangen, obwohl ihm die Geistlichkeit als Gebanntem den Friedenskuss verweigerte.



    Gegenüber seinem ägyptischen Verhandlungspartner war Friedrich im Nachteil, da er keine Zeit verlieren durfte und einen raschen Erfolg benötigte. Im Februar 1229 erreichte er jedoch, ohne dass es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung gekommen wäre, die Rückgabe Bethlehems und Jerusalems, allerdings mit Ausnahme des Tempelplatzes und der al-Aqsa-Moschee. Die Ritterorden der Templer und Johanniter, die Barone des Königreichs und der Patriarch von Jerusalem waren von dem Ergebnis enttäuscht, da sie kaum etwas von ihren 1187 verlorenen Besitzungen zurückerhielten. Für Friedrich II. jedoch war die Rückgewinnung Jerusalems ein Erfolg. Ohne Anwendung von Gewalt hatte er erreicht, was die vorausgegangenen Kreuzzüge seit 1187 (siehe: Richard Löwenherz) vergeblich versucht hatten: die Befreiung der heiligen Stätten. Zudem waren die Besitzungen der Kreuzfahrer im Heiligen Land durch einen auf zehn Jahre abgeschlossenen Waffenstillstand gesichert. Friedrich II. wurde neuer König von Jerusalem. Auf Rat des Deutschordenmeisters Hermann von Salza verzichtete der Staufer darauf, sich im Rahmen eines Gottesdienstes krönen zu lassen. Die Missachtung der Exkommunikation hätte die Beilegung des Konflikts mit dem Papst nur erschwert. Daher nahm Friedrich selbst die Krone vom Altar der Grabeskirche und setzte sie sich aufs Haupt. Indem er die Krone trug, ohne dass sich Widerspruch regte, zeigte er seinen Anspruch auf die Herrschaft zur Genüge. Dieser war ohnehin begrenzt: Friedrich leitete ihn von seiner Frau Isabella, der eigentlichen Königin von Jerusalem ab. Und die war ja nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Konrad gestorben. Nur stellvertretend und für ihn als väterlicher Vormund konnte Friedrich als König von Jerusalem Anerkennung fordern.

    Von Jerusalem aus unterrichtete Friedrich den Papst, die Könige der Christenheit und seine Getreuen im Reich über den Erfolg seines Kreuzzugs. Der Patriarch von Jerusalem dagegen sandte einen negativen Bericht an den Papst, in dem er hervorhob, wie wenig Friedrich tatsächlich erreicht habe. Dass Friedrich die Verhandlungen in orientalischen Formen geführt und während seiner Anwesenheit in Jerusalem den Gebetsruf der Muezzine ausdrücklich gestattet hatte, kleidete er in die Worte, der Kaiser habe nach sarazenischer Sitte gelebt und überall sei das Gesetz Mohammeds ausgerufen worden. Es deutete sich an, dass der Erfolg Friedrichs sich auch gegen ihn wenden konnte. Dass ihm auf dem Verhandlungswege gelungen war, was andere nur mit Waffengewalt möglich erschien, gab Anlass zur Vermutung, er stehe den Muslimen näher, als dies für einen rechtgläubigen Christen möglich war.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  9. #249
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    Friedrich II.

    Tatsächlich war Friedrich der Kultur des Orients mehr zugetan als der des Abendlandes. Mit Sultan al-Kamil verband ihn eine Geistesverwandtschaft, die Muslime nannten Friedrich mit Respekt den „König der Emire“. Der Sultan schrieb Gedichte, hatte Jura studiert und Grammatik, galt als Wirtschafts- und Finanzexperte, reformierte die Verwaltung seines Landes, war ein Beschützer von Künstlern und Wissenschaftlern.



    Wie Friedrich auch. Auch waren beide Männer der Philosophie ergeben, einem Fach, das sich bei tieferer Beschäftigung mit dem Glauben schlecht verträgt. Wäre Friedrich nicht Kaiser gewesen, er wäre wohl als Ketzer auf dem Scheiterhaufen geendet. Der Staufer war nicht ohne Glauben, seine Fragen kein blanker Zynismus, aber er tat sich schwer mit der Religion. Dass Maria ein Kind empfangen hatte, ohne ihre Jungfräulichkeit zu verlieren, schien ihm mit dem Naturgesetz so wenig vereinbar wie der Glaube, dass der Mensch nach dem Tode fortlebe. Einer nicht belegten Anekdote zufolge ließ der Kaiser einen Verbrecher in einem Fass einschließen und ersticken, um zu beweisen, dass aus dem Spundloch nichts, aber auch gar nichts entweiche, was an eine Seele erinnere. Dem Philosophen und Astrologen Michael Scotus stellte Friedrich Fragen, die Bischöfe erblassen und Kardinäle an den Leibhaftigen denken ließen. Friedrich wollte wissen, wie viele Himmel es gibt, und wer ihre Lenker sind.



    In welchem Himmel Gott seinem Wesen nach weilt und wie er auf dem Himmelsthron sitzt. Wie er umringt ist von Engeln von Heiligen, und was diese denn tun im Angesicht Gottes? Und wo denn die Hölle sei und das Fegefeuer und das himmlische Paradies: Unter der Erde, in der Erde oder über der Erde? Friedrichs Skepsis galt auch den Gottesurteilen, die ihm bar jeder Vernunft waren. Wie könne ein vernunftbegabter Mensch annehmen, dass ein glühendes Eisen den Schuldigen brenne und den Unschuldigen nicht brenne, dass das Element des kalten Wassers sich weigere, den Verbrecher untergehen zu lassen?

    Mit eben jener Geisteshaltung ging Friedrich während seiner Regierungsjahre auch an die Gestaltung der Gesetze. Medizinstudenten machte er die Philosophie zum Pflichtfach und legte den Ärzten und Apothekern die Preise für ihre Leistungen fest. Die populären Liebestränke hielt Friedrich für Kokolores und verbot sie schlicht. Ehebrecher, Kuppler, Entführer hatten drakonische Strafen zu gewärtigen. Grafen, Barone, Ritter durften, ähnlich wie die Offiziere in Preußen, ohne allerhöchste Genehmigung nicht heiraten, und jeder Untertan sollte sich vor der ehelichen Verbindung mit Fremden hüten, „da durch die Mischung verschiedener Volksstämme die Reinheit des Reiches verderbt“ werde.

    Friedrich strebte nach Wissen, aber nicht jede Geschichte darüber dürfte der Wahrheit entsprechen. Zu viele seiner Feinde hatten ein Interesse daran, den Kaiser mit Geschichten wie die folgende zu diskreditieren: „Die Babys wurden in einem Turm eingeschlossen und den Ammen befohlen, ihnen die Brust zu geben, sie zu baden, aber in keiner Weise mit ihnen schön zu tun und vor allem mit ihnen nicht zu sprechen. Er wollte nämlich erforschen, ob sie die hebräische Sprache sprächen, als die älteste, oder die griechische, lateinische oder arabische oder aber die Sprache ihrer Mütter, die sie geboren hatten. Aber er mühte sich vergebens, da die Kinder alle dahinsiechten und starben. Sie vermochten nicht zu leben, ohne das Händepatschen und das fröhliche Gesichterschneiden und die Koseworte derer, die sie pflegten.“



    Ein andermal servierte Friedrich II. zwei zum Tode Verurteilten eine reichliche Henkersmahlzeit, ließ den einen danach schlafen, den anderen dagegen einige Kilometer in raschem Lauf zurücklegen. Den Delinquenten wurde dann der Magen geöffnet, damit die Ärzte feststellen konnten, wer von ihnen besser verdaut habe. Auch hier sträuben sich einem die Haare, da man nicht weiß, ob man die Bedauernswerten vor oder nach der Hinrichtung aufgeschnitten hat. Auch wenn die Geschichten nur gut erfunden sind, man traute dem Kaiser solche Experimente zu, weil seine Wissbegier größer war als seine Achtung vor einem Menschenleben. Er wollte immer das Warum wissen: Warum ist das Meerwasser bitter, das Wasser der Seen und Flüsse dagegen lieblich? Woher kommt das Feuer des Vesuv und des Stromboli? Weshalb sieht ein in das Wasser getauchtes Ruder gekrümmt aus? Wieso sieht ein an grauem Star Erkrankter schwarze Fäden, obwohl auf der Pupille keine schwarzen Fäden sind? Friedrich wollte erkennen, was de Welt im Innersten zusammenhält. Und das brachte ihm den Beinamen stupor mundi, das Staunen der Welt – wobei dem Staunen der Schauder beigemischt war.



    Seine besondere Hingabe galt dem Studium der Falkenjagd, worüber er sogar ein ornithologisches Fachwerk schrieb. Friedrich ließ Experten der Falknerei aus dem Orient anreisen und befragte sie. Seine Beauftragten schickten ihm aus allen Ländern Falken, aber auch andere seltene Vogelarten. Man wusste, dass der Kaiser solche Geschenke mehr schätzte als jede andere Kostbarkeit. Einmal ließ er einen zum Strang Verurteilten in eine lotrechte Felswand klettern, in der er ein Nest des seltenen weißen Falken vermutete. Als der Großkhan der Mongolen Friedrich II. im Falle der Unterwerfung einen guten Posten an seinem Hof versprach, soll der Kaiser mit der ihm eigenen Ironie geantwortet haben: „Mit dem Amt des Falkners wäre ich einverstanden.“
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  10. #250
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    Friedrich II.

    3. Messias oder Antichrist

    Aber zurück zum Lauf der Geschichte: Bei seiner Rückkehr aus dem Heiligen Land fand Friedrich Teile Apuliens von päpstlichen Söldnern besetzt vor. Diese wurden rasch in die Flucht geschlagen; diejenigen, die sie unterstützt hatten, demonstrativ hart bestraft. Die Verhandlungen mit dem Papst konnte er dagegen erst im Sommer 1230 zu einem erfolgreichen Ende bringen. Ein gemeinsames Mahl mit Gregor IX. besiegelte die Wiederaufnahme Friedrichs II. in die Gemeinschaft der Kirche. So sehr, wie der Kaiser in Sizilien die Zügel an sich zog und sich mit dem Ordnen der Gesetzgebungen beschäftigte, so fern war ihm die Regierung über den nördlichen Teil seines Reiches, Deutschland. Dort entdeckte der inzwischen erwachsen gewordene Heinrich VII. sein Handlungsfeld.



    Er setzte bei seinen ersten eigenen politischen Schritten auf die Städte und Ministerialen, was ihm Spannungen mit den Fürsten des Reichs einbrachte. 1231 nötigten sie ihn, ihnen die Verfügung über die nutzbaren Regalien – Münze, Zoll, Markt, Geleit – zu bestätigen und das Ausgreifen der Städte in ihr Umland zu bestätigen. Vater Friedrich bestätigte das geforderte Privileg und verpflichtete Heinrich eidlich, seine Herrschaft nur im Gehorsam ihm gegenüber auszuüben. Widrigenfalls sollten die Fürsten von ihrem Treueid entbunden und der Papst berechtigt sein, ihn zu exkommunizieren. Für den Sohn war das eine böse Schlappe, mit der er sich nicht zufriedengeben wollte. Erneut wandten sich die Fürsten an den Kaiser, der sich nun gezwungen sah, selbst über die Alpen zu kommen. Durch das Vorgehen seines Vaters gedemütigt, ließ sich Heinrich in den offenen Aufstand treiben.



    Schließlich aber unterwarf er sich und erlangte die Verzeihung des Kaisers. Als er sich jedoch weigerte, die Burg Trifels und die dort aufbewahrten Insignien seines Königtums herauszugeben, nahm ihn Friedrich 1235 in Haft. Heinrich VII. sollte nicht mehr freikommen. Der Kaiser musste sich nun zwangsläufig mit dem Fortbestand seiner Dynastie befassen.



    Er beschloss, seinen zweiten Sohn, Konrad, als neuen Nachfolger aufzubauen und ließ den Jungen zu diesem Zweck von Neapel nach Deutschland holen. Anfang 1237 ging Friedrich mit Konrad nach Wien, wo er seinen Sohn im Februar nach zwei Jahren Verhandlungen mit den deutschen Fürsten zum römischen König und Nachfolger als Kaiser wählen ließ (was der Papst natürlich nicht anerkannte). Die fällige Krönung Konrads in Aachen dagegen fand noch nicht statt: Offenbar wollte Friedrich II. - nach den Erfahrungen mit Heinrich VII. - dem Sohn nicht allzu viel eigene Hausmacht spendieren. Da Konrad IV. erst neun Jahre alt war, stellte der Kaiser ihm den Mainzer Erzbischof Siegfried als Regenten zur Seite.

    Außerdem heiratete Friedrich ein drittes Mal, nämlich Isabella, die Schwester des englischen Königs Henry III., womit der Staufer seinen Rückhalt im Westen absicherte. Zu dem traditionellen Bündnis mit den französischen Kapetingern kam nun jenes mit den Plantagenet hinzu.



    Innerhalb des Reiches ließ er einen Landfrieden verkünden und sorgte für Stabilität, indem er Otto („das Kind“) zum Herzog von Braunschweig erhob. An den Knaben war das Erbe Heinrichs des Löwen und Ottos IV. gefallen, mit der Herrschaft über das neugeschaffene Herzogtum Braunschweig wurden die welfischen Ansprüche auf das Herzogtum Sachsen beigelegt und ihr Träger zugleich mit herzoglichem Rang wieder in den Kreis der Reichsfürsten aufgenommen.

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  11. #251
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    Friedrich II.

    Geradezu modern war die Entscheidung über den gegen die Juden im Reich erhobenen Vorwurf, sie töteten christliche Knaben und gebrauchten ihr Blut zu rituellen Zwecken. Eine Kommission von Experten – zum Christentum übergetretene jüdische Gelehrte – wies im Auftrag des Kaisers nach, dass solche Praktiken im Gegensatz zur jüdischen Lehre standen.



    Gestützt auf dieses Gutachten, stellte sich der Kaiser 1236 schützend vor die Juden im Reich und beanspruchte sie als seine Kammerknechte, also als sein unantastbares königliches Eigentum. Er tat damit allerdings nichts anderes, als die kirchliche Lehre seiner Zeit konsequent umzusetzen. Auch die Päpste verboten ausdrücklich die Verbreitung der Ritualmordbeschuldigung und geboten den Schutz der Juden – vorausgesetzt, dass sie „in gebührender Abhängigkeit“ gehalten wurden.

    Anschließend reiste Friedrich II. wieder nach Norditalien, um gegen die Städte des Lombardischen Bundes vorzugehen. Seit 1231 standen Mailand und andere Städte unter der Reichsacht, jetzt hatte der Kaiser die Zeit, sie durchzusetzen. Am 27. November 1237 errang er bei Cortnuova einen entscheidenden Sieg über die Streitmacht der Lombarden.



    Tausend Ritter, dazu dreitausend Fußsoldaten gerieten in Gefangenschaft. Im Stile antiker Triumphzüge zog Friedrich II. im kaisertreuen Cremona ein: Ein Elefant zog den Fahnenwagen der Mailänder, an dessen niedergelegten Mast gefesselt der gefangene Vorsteher der besiegten Stadt durch die Straßen geführt wurde. Anschließend übersandte der Kaiser das militärische Wahrzeichen Mailands an die Kommune des stadtrömischen Adels, die mit dem Papst um die Herrschaft in Rom konkurrierte.

    Für Papst Gregor IX. war das eine doppelte Provokation. Vor dem römischen Stadtadel musste er fliehen, und Mailand, das den Papst in seinem Widerstand gegen den Kaiser unterstützt hatte, war besiegt worden. Es war dem Heiligen Vater daher ein willkommener Anlass, dass Friedrich II. 1239 seinen geliebten, unehelichen Sohn Enzio zum König von Sardinien erhob, ohne dazu die Zustimmung des Papstes zu erbitten. Der erhob nämlich aufgrund der Bestimmungen der (gefälschten) Konstantinischen Schenkung die Herrschaft über die italienischen Inseln. Zum zweiten Mal bannte Gregor IX. den Kaiser, nun jedoch mit einer Begründung, die auch eine Amtsenthebung rechtfertigen konnte: Unter anderem wurde von der Kurie die Behauptung verbreitet, Friedrich II. habe Moses, Jesus und Mohammed drei große Betrüger genannt – ein Skandal, der geeignet war, den Verdacht der Häresie zu begründen.

    Damit fielen für Friedrich alle Schranken der Rücksichtnahme gegenüber dem Papst. Interdikt und Exkommunikation missachtend, ließ er sich feierlich die Messe lesen. Auf dem Weg durch das Herzogtum Spoleto und Ancona, die er „wegen Undankbarkeit des Beschenkten“ wieder der Herrschaft des Papstes entzog, ließ er ein Kreuz vorantragen. Offenbar griff der Staufer bewusst die verbreitenden Erwartungen eines nahenden Weltendes auf und stilisierte sich in dem Maße, wie Gregor IX. ihn zum Ketzer erklärte und mit dem apokalyptischen Tier 666 verglich, selbst als „neuer Messias“ und als „Kaiser der Endzeit“. Hammer wollte er jetzt sein und nicht mehr Amboss, und mit Hammerschlägen wütete Friedrich II. gegen die Papstkirche und die mit ihr verbündeten Lombarden.



    Der Konflikt eskalierte. Friedrich verhinderte ein Konzil, das der Papst zu seiner Absetzung einberufen hatte, indem er die anreisenden Prälaten gefangen nahm und die hochkarätigen Geistlichen unter schreckenerregenden Haftbedingungen in Apulien einkerkerte. Den Einwohnern Viterbos, die sich vom Papst zu einem „Kreuzzug“ gegen ihn hatten bewegen lassen, brannte Friedrich das Kreuz in die Stirn.

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    Friedrich II.

    Der Konflikt zwischen Kaiser und Papst verhinderte auch ein gemeinsames Vorgehen gegen die Mongolengefahr. Batu, ein Enkel des Mongolenherrschers Dschingis Khan, hatte im Osten am 9. April 1241 bei Liegnitz nahe Breslau und zwei Tage später bei Mohi zwei Erfolge gegen christliche Ritterheere aus der Region verbucht. Auch der Mongolensturm in Osteuropa löste eben jene intensive Endzeiterwartungen aus, die Kaiser und Papst gleichermaßen aufgriffen. Friedrich lehnte ein Eingreifen gegen die Mongolen ab, angesichts seiner schlechten Erfahrungen beim Kreuzzug machte er einen Frieden mit dem Papst zur Voraussetzung. Nur der plötzliche Tod des Großkhans Ögödei verhinderte einen weiteren Vorstoß der Mongolen nach Europa

    In dieser Situation starb Gregor IX. am 22. August 1241, sein Nachfolger wurde erstmals im Rahmen einer Konklave der Kardinäle gewählt. Von den zwölf wahlberechtigten Kardinälen waren jedoch zwei Gefangene Kaiser Friedrichs II., und die verbliebenen waren zerstritten. Ein mächtiger römischer Senator der Familie Orsini ließ sie auf dem Palatin unter sehr dürftigen Bedingungen einschließen. Nach 60 Tagen und nachdem einer der eingeschlossenen Kardinäle gestorben war, wurde Coelestin IV. von den verbliebenen neun gewählt.



    Der neue Papst galt als stauferfreundlich und strebte eine Einigung mit Friedrich II. an – er starb jedoch nach nur siebzehn Tagen im Amt, wohl an den Folgen der schlimmen hygienischen Umstände während der Konklave. Es folgte nach einer zweijährigen (!) Sedisvakanz Papst Innozenz IV. auf den Heiligen Stuhl. Der suchte zunächst einen Ausgleich mit dem Kaiser, aber das gegenseitige Misstrauen war zu groß für direkte Friedensverhandlungen. Innozenz befürchtete, dabei gefangengenommen zu werden und flüchtete schließlich nach Lyon. Die Auseinandersetzung mit dem Papsttum ging über alle bisherigen Konflikte hinaus, es war ein regelrechter „Krieg der Kanzeln“: Die Kurie wie die Kanzlei Friedrichs verfassten und verbreiteten polemische Briefe, die den Umfang von Traktaten erreichten.

    Am 10. September 1241 schlossen die Erzbischöfe von Köln und Mainz – wohl noch in Unkenntnis über den kürzlichen Tod Gregors IX. - ein Bündnis gegen den exkommunizierten Staufer. Damit wechselte der Mainzer Erzbischof, der zuvor doch noch die Regenschaft für Konrad IV. ausgeübt hatte, die Seite. Klar war nämlich, dass eine Entscheidung gegen den Vater Friedrich II. auch eine Entscheidung gegen den Sohn Konrad IV. war, der im Auftrag des Vaters die Herrschaft in Deutschland ausübte. Während der Konflikt in Italien während der Suche nach einem neuen Papst zwei Jahre lang gewissermaßen eingefroren blieb, stand Konrad IV. in Deutschland nun mächtigen und kampfbereiten Gegnern gegenüber. Aber es begann gut für ihn. Denn der Kölner Erzbischof geriet im Februar 1242 in die Gefangenschaft eines alten Gegenspielers, des Grafen von Jülich. Schon bald zog Konrad nach Aachen, um seines Gegners habhaft zu werden. Der Graf allerdings war nicht bereit, seinen Gefangenen zu übergeben, und im November wurde der Erzbischof wieder freigelassen. In den nächsten Jahren kämpften die Gegner wiederholt entlang des Rheins, wobei sie den Besitz des anderen nach Möglichkeit verwüsteten. Entscheidende Schlachten gab es während dieser Zeit keine, es war eine Pattsituation.



    Erst im Jahre 1245 trat die Auseinandersetzung in eine nächste Phase, als Papst Innozenz IV. im Juli ein Konzil in Lyon dazu bewegen konnte, Friedrich II. für abgesetzt zu erklären. Eine Versöhnung mit dem Papst war für die Staufer nun ausgeschlossen. Für den jungen Konrad hieß das, dass er um die Titel, als deren Erbe er sich bislang bezeichnet hatte, kämpfen musste.



    Anfang September 1246 heiratete Konrad IV. Elisabeth, die Tochter des Wittelsbacher Herzogs von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein, das brachte ihm mächtige Verbündete. Doch es formierten sich auch Gegner: Der zuvor erwähnte Heinrich Raspe hatte den Titel von Thüringen persönlich übernommen, nachdem sein Neffe Hermann, der eigentliche Erbe von Thüringen, 1241 überraschend zu Tode gekommen war.



    Bis dahin war Heinrich Raspe ein Verbündeter der Staufer gewesen, ja sogar der neue Regent für Konrad IV. geworden, nachdem der Mainzer Erzbischof Siegfried III. in das Lager der Gegner übergegangen war. Aber im Mai 1246 ließ sich Heinrich Raspe – wohl unter dem Eindruck der Absetzung des Kaisers durch den Papst im Jahr zuvor - zum deutschen Gegenkönig wählen. Okay, es waren sicher auch die 25.000 Mark Silber aus der päpstlichen Schatulle, die Heinrich Raspe zur Wahl bewegten. Wenn man es eine Wahl nennen konnte: Nur eine Minderheit der deutschen Fürsten hatte abgestimmt, und diese waren alle vom geistlichen Stand gewesen. Der Vorwurf, er sei ein „Pfaffenkönig“, war unter diesen Umständen nicht von der Hand zu weisen.

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    Friedrich II.

    Sein Gegenkönigtum war nicht von langer Dauer: Heinrich Raspe machte sich Ende 1246 an die (vergebliche) Belagerung von Ulm, um Konrads Machtbasis in Bayern und Schwaben zu treffen. Dabei schien er sich eine Krankheit zugezogen zu haben, an der der Gegenkönig im Februar 1247 auf der Wartburg verstarb. Es war tragisch: Im Alter von 44 Jahren verstorben, hinterließ er als letzter Landgraf seiner Familie der Ludowinger keine Kinder.

    Innozenz IV. füllte seine Kriegskasse übrigens wieder auf, indem er den Gläubigen ihre Sünden abkaufte. Und er unternahm etwas, was in der mittelalterlichen Geschichte ein Novum war: einen Mordanschlag auf den Kaiser. Friedrich deckte die Verschwörung auf und rächte sich mit jener Erbarmungslosigkeit, die immer dann aus ihm hervorbrach, wenn er sich hintergangen wusste: Unter den Verschwörern waren Männer, die er für seine Freunde gehalten hatte. Er verurteilte sie wegen „versuchten Vatermordes“, und darauf stand nach altem römischen Recht eine ganz besondere Strafe: das Einnähen in mit Giftschlangen gefüllte Ledersäcke. Ihre Helfershelfer wurden in entsetzlich verstümmelten Zustand von Stadt zu Stadt geführt, damit jeder sehen konnte, wie man mit Verrätern umging. Ihre Frauen und Kinder verschwanden in den Verliesen Palermos, wo sie das Licht der Sonne nicht wieder erblickten.



    Bald darauf ereignete sich ein zweites Attentat, und von diesem hat der Papst zumindest gewusst und es gebilligt. Auch hier kam die Warnung im letzten Moment. Der Attentäter war ein Mann, den der Kaiser gerade aus einem Kriegsgefangenenlager in Parma freigekauft hatte und der zur engsten Umgebung des Throns gehörte, sein Leibarzt. Als er seinem Herrn einen Becher mit einem Stärkungsgetränk reichte, blickte ihn Friedrich lange an und sagte: „Lasst uns den Trank teilen. Trinke mir zu.“ Der Arzt wurde bleich, täuschte ein Stolpern vor und verschüttete den Inhalt des Bechers. Doch ein Bodensatz blieb, den man aufsammelte und einem zum Tode Verurteilten einflößte. Der starb qualvoll unter Krämpfen, worauf der Kaiser tonlos sagte: Auf wen kann ich noch vertrauen, wo kann ich noch sicher sein?“, und er befahl, den Arzt bis zur Hinrichtung bei Tag und Nacht zu foltern.



    Nach dem Tod von Heinrich Raspe benötigten die Gegner der Staufer einige Monate, um einen geeigneten Nachfolger zu finden. Dies gelang nicht gleich, doch am 3. Oktober 1247 wählten die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier mit weiteren geistlichen Fürsten Graf Wilhelm von Holland aus dem Haus der Gerulfinger. Wilhelm hatte die Grafschaften Holland und Zeeland im Alter von sechs Jahren geerbt, nachdem sein Vater 1234 bei einem Turnier umgekommen war. Bei seiner Wahl zum Gegenkönig war Wilhelm also noch ein junger Mann von 19 Jahren, der zudem noch keinerlei Berührungspunkte mit der Reichspolitik gehabt hatte: Holland lag an der Peripherie des Reiches, der König war weit weg gewesen. Dass die Wahl auf ihn gefallen war, lag wohl schlicht daran, dass sich sonst niemand gefunden hatte, der sich gegen die Staufer aufstellen lassen wollte. Ein Jahr nach seiner Wahl und erst nach längerer Belagerung konnte Wilhelm von Holland im Oktober 1248 in Aachen einziehen und sich dort krönen lassen. Damit hatte er seinem Gegenspieler Konrad IV. etwas voraus, denn der war noch nicht zur Krönung dort gewesen.



    Kaiser Friedrich II. schnaubte ob des erneuten Gegenkönigs von Gnaden des Papstes, konnte aber nicht großartig in Deutschland eingreifen. In Italien gab es genug Probleme, Friedrich hatte Schwierigkeiten, die Städte vom Wechseln zur päpstlichen Seite abzuhalten. Meistens setzte der Staufer Gewalt ein, um die Wankelmütigen zu überzeugen. Aber es war nicht zu übersehen, der Stern des Kaisers begann zu sinken. Er, der der Hammer sein wollte, war nun doch Amboss, auf den die Schläge herniedersausten. So blieb es auch bei dem Kampf zwischen seinem Sohn Konrad IV. und Wilhelm von Holland beim Patt, wie es schon bei dem Gegenkönig Heinrich Raspe der Fall gewesen war.



    Im Dezember 1250 verstarb Friedrich II. überraschend im Alter von 56 Jahren in Süditalien, vermutlich an Typhus oder an einer Blutvergiftung. Sein Tod wurde je nach politischer Parteizugehörigkeit beschrieben: Er sei einen typischen Ketzertod gestorben, mit schweren Durchfällen und Schaum vor dem Mund bis zum qualvollen Ende. Andere berichteten, Friedrich habe seine Sünden bereut und vom Bischof von Palermo Absolution erhalten, bevor er, als einfacher Zisterzienser-Mönch gekleidet, gestorben sei. Vermutlich schon zu Weihnachten 1250 erfuhr Konrad IV. vom Tod seines Vaters. Jedenfalls erhielt er das Schreiben mit der Nachricht durch seinen 18jährigen Halbbruder Manfred: Dieser Manfred war ein Sohn Friedrichs II. und seiner Geliebten Bianca Lancia, die der Kaiser 1233 oder 1234 geheiratete hatte, als diese schon auf dem Totenbett lag. Dadurch sollten die drei gemeinsamen Kinder (Anna, Violanta und eben Manfred) nachträglich legitimiert werden.
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  14. #254
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    Friedrich II.

    4. Der Untergang der Staufer



    Im Testament hatte Friedrich II. seinen einzigen klar legitimen Sohn Konrad IV. (sein älterer Halbbruder, der inhaftierte Heinrich VII., war 1242 zu Tode gestürzt, vermutlich ein Selbstmord) zu seinem Nachfolger im Reich bestimmt. Damit war Konrad kaum geholfen. Denn keines seiner tatsächlichen Probleme wurde dadurch einfacher, dass er nun der alleinige Hoffnungsträger der Staufer wurde. Seine Gegner in Deutschland wurden dadurch nicht schwächer, im Gegenteil. Konrads bisherige Mittel hatten bisher nur gereicht, sich einigermaßen zu behaupten. Der Tod seines Vaters stellte ihn vor eine konkrete Alternative, ähnlich der, wie dieser sie 1212 auch gehabt hatte. Konrad hatte nicht nur – mit fragwürdiger Geltung - den Anspruch auf die deutsche Krone, er hatte auch das Königreich Sizilien von seinem Vater geerbt. Zwar hatte der Papst auch die staufische Herrschaft in Sizilien für beendet erklärt, aber die päpstliche Politik in Sizilien war bislang nicht sehr erfolgreich. Friedrich II. hatte hier ein straffes Regiment geführt, und wenn Konrad rechtzeitig kam, konnte er auf starke Unterstützung hoffen. Der junge Mann musste eine Entscheidung treffen.

    Eine Zeitlang bemühte sich Konrad IV. noch um den deutschen Thron, aber im Oktober 1251 verließ er Deutschland, um in Italien das Königreich in Besitz zu nehmen, das ihm sein Vater vererbt hatte und das er aus eigener Kraft erwerben zu können glaubte. Er wählte den Seeweg über die Adria und gelangte Anfang 1252 an die Küste Apuliens. Seine Frau Elisabeth war in Süddeutschland geblieben und brachte dort am 25. März 1252 den gemeinsamen Sohn Konradin (kleiner Konrad) zur Welt. Konrad IV. sollte ihn nie sehen.



    Am selben Tag wurde in Norddeutschland Wilhelm von Holland erneut zum König gewählt, dieses Mal auch mit den Stimmen der wichtigen weltlichen Fürsten. Diese wurden inzwischen allgemein für notwendig erachtet für eine gültige Königswahl, der Wahlakt war im sogenannten Sachsenspiegel niedergeschrieben worden. Für Wilhelm wäre es beinahe eine kurze Regierung gewesen: Zu dieser Zeit heiratete er Elisabeth von Braunschweig (die Tochter des erwähnten Herzogs Otto das Kind“) und in der Hochzeitsnacht wurde das Zimmer des Brautpaares durch eine umgefallene Kerze in Brand gesteckt. Nur knapp entkamen die jungen Leute den Flammen.

    In Süditalien begann Konrad energisch und bald erfolgreich, seinen Herrschaftsanspruch über das Königreich Sizilien gegen jene durchzusetzen, die sich nach dem Tod des Kaisers gegen die staufische Herrschaft erhoben hatten. Verschiedene Städte wurden von ihm belagert und unterworfen. Es war dann im Juni 1253, als sich Konrad IV. an die Belagerung der letzten wichtigen Stadt machen konnte: Neapel, bedeutende Handelsstadt mit 20.000 Einwohnern und Ort seiner Kindheit. Nach fünf Monaten Belagerung öffneten die Bürger von Neapel die Stadttore. Konrad konnte mitteilen, dass diese Stadt „sich mit uns ausgesöhnt hat und unter unseren Befehl zurückgekehrt ist“. Der Staufer hatte gesiegt, er verbannte die Anführer, verzieh den Bürgern, befahl aber, die Mauern der Stadt einzureißen.

    Ein letztes Mal versuchte er, mit dem Papst in Verhandlungen einzutreten. Aber es gab keinen Weg aus der verfahrenen Situation. Vielleicht legte Konrad auch gar nicht mehr sonderlich Wert auf die Meinung des Papstes. Er richtete seinen Blick bereits auf die zweite Krone, die ihm qua Erbe zustand, jene des Königreichs Jerusalem, und sprach auch davon, in die italienische Politik, die mit dem Kaisertum verbunden war, einzugreifen. Zu diesem Zeitpunkt, im Februar 1254, war er bereits erkrankt. Eventuell unterschätzte er die Gefahr der fiebrigen Erkrankung, die sich in den nächsten Monaten verschlimmerte. Am 21. Mai 1254 starb Konrad IV. im Alter von 26 Jahren. Der zweijährige Konradin blieb in der Obhut der beiden Wittelsbacher Herzöge Ludwig II. der Strenge (Oberbayern) sowie Heinrich XIII. (Niederbayern).

    Damit war endgültig klar, dass Wilhelm von Holland als deutscher König nicht mehr angefochten wurde. Die Städte, die sich ihm bisher noch widersetzt hatten, öffneten ihm nun die Tore. Wilhelm konnte nun energischer regieren, und das tat er vornehmlich zu seinem persönlichen Vorankommen in seinem holländischen Stammland. Als König war er Lehnsherr von früheren Rivalen im Nordwesten des Reiches, die ihm bislang ebenbürtige und problematische Nachbarn gewesen waren. Auf einem Hoftag ging er jetzt gegen die Gräfin Margarete von Flandern vor, so dass die ihm den Treueid verweigerte. Grund genug für einen Krieg zwischen Holland und Flandern! Den gewann Wilhelm auch, doch das brachte ihn nur als Grafen von Holland weiter, nicht jedoch in seiner Funktion als deutscher König. Im Gegenteil: Wilhelm hatte soviel Energie in diesen lokalen Konflikt investiert, dass ihm bereits 1255 die wichtigsten Verbündeten von der Stange gegangen waren. Sogar ein Brandanschlag wurde auf ihn verübt, als er in Köln nächtigte. Als Urheber wurde der Kölner Erzbischof verdächtigt, dem Wilhelms Zusammenarbeit mit dem neuen „Rheinischen Städtebund“ nicht gefiel.

    Wilhelm von Holland starb trotzdem bald darauf, im Januar 1256. Er kam auf einem Winterfeldzug gegen die Friesen ums Leben, als bei einem Kampf das Eis unter seinem Pferd einbrach. Mit der schweren Ausrüstung konnte er sich nicht befreien. Seine Gegner, die ihn in seiner Rüstung nicht erkannten, nutzten die Situation und erschlugen den König. Wilhelm, der in den letzten Jahren zweimal dem Flammentod entkommen war, erfuhr somit einen kalten Tod. Als die Friesen bemerkten, wen sie getötet hatten, vergruben sie den Leichnam ohne Aufhebens. Erst 1282 erfuhr sein Sohn vom Grab des Vaters und ließ dessen Gebeine überführen.

    Nach dem Tod Wilhelms von Holland gelang es den deutschen Fürsten nicht, sich auf einen gemeinsam Nachfolger zu einigen. Klar war nur, dass es kein Staufer mehr sein würde, der auf den Thron folgt. Nicht nur, dass der Papst alleine bei der Erwähnung der Staufer Pickel bekam, die Dynastie war vom Schicksal schwer gebeutelt worden. Friedrich II. hatte nicht weniger als 19 Kinder, doch das sicherte die Dynastie nicht. Sie waren zumeist entweder bereits tot oder unehelich geboren. Von Belang waren nur noch Konrads IV. rechtmäßiger kleiner Sohn Konradin, der nachträglich legitimierte und in Süditalien lebende Manfred von Tarent, sowie der unehelich geborene König Enzio von Sardinien. Letzterer saß allerdings schon seit sieben Jahren in so genannter ritterlicher Haft, nachdem er bei einer Schlacht in Gefangenschaft geraten war. Und in der Haft blieb er auch bis zu seinem Tod 1272.

    Blieben der kleine Konradin und Manfred. Nachdem Wilhelm von Holland gestorben war, verzichtete Manfred im Namen Konradins auf die deutsche Krone (sie zu erlangen war sowieso außerhalb aller Möglichkeiten), und mehr noch: Manfred schwang sich 1258 selbst zum König von Sizilien auf, indem er das Gerücht aufgriff, der sechsjährige Konradin sei wohl in Bayern verstorben (was nicht stimmte). Weil Manfred den Papst nicht als Lehnsherrn anerkennen wollte, belegte dieser sein Königreich mit dem Interdikt. Manfred wehrte sich mit einigem Erfolg gegen die päpstliche Koalition, er konnte Rom jedoch nicht erobern.



    Papst Clemens IV. (1265-1268) fand durch Manfreds Usurpation bezüglich Sizilien endlich Gehör bei den europäischen Königshäusern. „Rottet aus Namen und Leib, Samen und Spross dieses Babyloniers!“ hatte der Papst nach dem Tod Friedrichs II. verkündet.



    Zunächst hatten der englische Prinz Edmund Plantagenet, Sohn Heinrichs III., sowie Karl von Anjou, Bruder des französischen Königs, noch dankend abgelehnt, als der Papst ihnen das Lehen Sizilien zum Erobern angeboten hatte. Es schien moralisch fragwürdig, denn die Staufer galten da noch als legitime Könige von Sizilien. Aber nun? Manfred war von nicht sauberer Legitimität und hatte die Rechte des rechtmäßigen Erben, seines Neffen Konradin, usurpiert. Mit Erlaubnis des französischen Königs Ludwig IX. durfte Karl von Anjou 1263 das päpstliche Angebot annehmen und Sizilien für sich beanspruchen. Karl war ein treuer Diener der Kirche, ein Mann ohne Gefühl und Gemüt, ein kalter Techniker der Macht, für seine Aufgabe also glänzend geeignet. Die Vorbereitungen für die Belehnung und Krönung in Rom, die Karl von Anjou mit dem Papst zu führen hatte, zogen sich noch bis zum Januar 1266 hin, dann war auch das unter Dach und Fach. Jetzt galt es noch, Manfred zu besiegen – und das gelang Karl prompt. In der Schlacht von Benevent am 26. Februar 1266 wurde Manfred gestellt und getötet. Ungehindert konnte der Anjou nun in Neapel einziehen und das Königreich Sizilien in Besitz nehmen.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  15. #255
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    Friedrich II.

    Über die drei noch kleinen Söhne, die Manfred hatte, verfügte der siegreiche Karl: „Sie mögen leben, als wären sie nie zur Welt gekommen.“ Man schaffte sie auf das von ihrem Großvater erbaute Castel del Monte und kettete sie wie Tiere in den Turmzimmern an. Einer von ihnen konnte nach dreißig Jahren währender Haft fliehen, die beiden anderen verkamen, halb erblindet, vom Wahnsinn umschattet.

    Blieb von den Staufern noch Konradin, der mittlerweile erwachsen wurde. Als Konradin 1268 sechzehn Jahre alt wurde, marschierte er tatsächlich auf Sizilien zu und brachte Karls Herrschaft ins Wanken.


    Einer der ganz wenigen historischen Fehler im Spiel: Konradin zählt nicht zu der Liste derer, die Anspruch auf das Königreich Sizilien erheben können.

    Denn wegen der harschen Verwaltung seiner französischen Beamten, die er nach Sizilien mitgebracht hatte, war Karl von Anjou denkbar unbeliebt bei den Sizilianern. Und der Papst hatte 1268 ziemliche Probleme mit kaiserfreundlichen Römern, die sich gegen ihn erhoben und vertrieben. Hier tauchten zwei neue Bezeichnungen für die beiden italienischen Parteien auf, die von den Namen der Staufer und Welfen abgeleitet sind: Die kaiserfreundlichen Ghibellinen = Waiblinger = Staufer gegen die dem Papst zugeneigten Guelfen = Welfen. Der Papst jedenfalls konnte nach seiner Flucht aus Rom Karl nicht gegen Konradin helfen. Konradin marschierte ungehindert durch Rom und traf am 23. August 1268 bei Benevent auf Karls Heer. Der Anjou war zahlenmäßig unterlegen, besaß aber die besser ausgebildeten Truppen und verfügte über größeres taktisches Können. Der Sieg der guelfischen Seite war vollständig, Konradin wurde auf der Flucht gefasst und an seinen Rivalen Karl ausgeliefert.

    Karl betrachtete seinen Gegner nicht als königlichen Gefangenen, sondern als Hochverräter und Majestätsverbrecher, und ließ Konradin in einem Schauprozess zum Tode verurteilen. Seine Hinrichtung auf einem Platz in Neapel am 29. Oktober 1268 geriet zu einem öffentlichen Schauspiel. Konradin, so heißt es, schlug dreimal das Kreuzzeichen und sagte zu seinem Henker: „Ich verzeihe Dir, dass Du mich tötest.“ Er kniete nieder und betete. Dann schritt er zum Richtblock, seine letzten Worte sollen seiner Mutter, Elisabeth von Bayern, gegolten haben: „Ach, Mutter, welch einen Schmerz muss ich Dir bereiten...“


    … und wie ging es weiter?

    Das war das Ende der Staufer. Konradin war der letzte legitime agnatische Erbe der Dynastie gewesen, mit ihm starb die Chance auf eine Personalunion Siziliens mit dem Heiligen Römischen Reich – genau das hatte das Papsttum immer als gefährliche Umklammerung seines Kirchenstaates zu verhindern gesucht.



    Es gab aber überlebende, uneheliche agnatische Erben wie Enzio von Sardinien (1215–1272), der jedoch bis zu seinem Tod in Bologna gefangen gehalten wurde. Oder den von Kaiser Friedrich mit einer orientalischen Prinzessin unehelich gezeugten Konrad von Antiochia, der erst 1301 beim Kampf um die Stadt Foggia fiel. Zwei von dessen Söhnen konnten immerhin bis 1320 das Amt des Erzbischofs von Palermo einnehmen. Die drei männlichen Nachkommen König Manfreds von Sizilien starben im Kerker Karl von Anjous oder auf der Flucht in der Bedeutungslosigkeit. Als letzter von ihnen starb Heinrich 1318 nach 52 (!) Jahren im Kerker in Sizilien.

    In der kognatischen Linie der Staufer existierten weitere Nachkommen, und eine Reihe von Häusern führt ihren Stammbaum auf sie zurück. So heiratete Konstanze, die älteste Tochter Manfreds von Sizilien, 1262 Peter III. aus dem Haus Barcelona, der 1282 nach der Sizilianischen Vesper die Herrschaft Karls von Anjou in Sizilien übernahm und sich dabei auch auf seine staufischen Verbindungen berief. Daneben heiratete Friedrichs II. Tochter Margaretha Albrecht den Entarteten und somit in das Haus Wettin ein (zu ihren Nachkommen gehören die Wettiner als Kurfürsten und Herzöge von Sachsen sowie das heutige englische Königshaus der Windsors). Dem gemeinsamen Sohn der Stauferin Margarete und dem Wettiner Albrecht, Friedrich (*1257), boten die Sizilianer später noch einmal die Krone ihres Reiches an, aber Friedrich winkte ab. Er hatte nicht die Absicht, sich auf ein italienisches Abenteuer einzulassen. Welchen Hass der Päpste die staufische Dynastie auf sich gezogen hatte, wusste er wohl nur zu gut.



    Unter den Nachfahren von Kaiser Friedrich II., die mit dem Leben davongekommen waren, waren es letztlich Friedrichs Tochter Margaret (17) und seine Enkelin Costanza (12a), die zumindest in weiblicher Linie bedeutende dynastische Zweige hervorbrachten.

    1) Heinrich VII. - designierter Thronfolger, er brachte sich 1242 in der Haft seines Vaters um. Seine beiden Söhne Heinrich (1a) und Friedrich (1b) starben jung in den Jahren 1245 und 1251
    2) Enzio – der uneheliche Lieblingssohn Friedrichs erhielt das Königreich Sardinien, geriet jedoch 1249 in die Gefangenschaft seiner Gegner, in der er bis zu seinem Tod 1272 blieb
    3) Caterina da Marano – die uneheliche Tochter heiratete den Markgrafen von Savona und starb 1272 oder später
    4) Gerardo – der uneheliche Spross aus einer Liebelei starb noch vor 1255
    5) Selvaggia – auch sie stammte aus einer Liebschaft, heiratete 1238 Ezzelino, den grausamen Podesta von Verona, und starb schon 1244
    6) Friedrich von Antiochia – der unehelich mit einer Orientalin gezeugte Federico war bereits 1256 beim Kampf um Foggia gefallen. Von seinen Kindern gelangte zumindest Konrad (Corrado, 6a) zu Lehen, er wurde Graf von Alba und starb 1301 oder später
    7) Blanchefleur – ebenfalls illegitim geboren, sie wurde Nonne und starb 1279 in einem Dominikanerkloster
    8) Richard von Chieti – er fiel bei den Auseinandersetzungen zwischen dem Papst und seinem Vater in einer Schlacht im Mai 1249
    9) Friedrich von Pettorano – stammte aus einer Liebschaft mit einer sizilianischen Grafentochter. Er floh mit seiner Familie nach Spanien.
    10) Konrad IV. - nach Heinrich der zweite legitime Sohn des Kaisers. Er beerbte 1250 seinen Vater, starb aber bereits 1254, vermutlich an der Malaria. Sein Sohn Konradin (10b) unterlag bei dem Versuch, das Königreich Sizilien zu erobern und wurde 1268 hingerichtet. Auch sein gleichnamiger illegitimer Halbbruder Konradin (10a) wurde 1269 samt seiner Familie durch Karl von Anjou hingerichtet.
    11) Anna – war bis 1254 mit dem Kaiser von Nicäa verheiratet, ging nach dessen Tod in ein Kloster in Valencia, wo sie 1307 starb
    12) Manfred – er schwang sich 1258 zum König von Sizilien auf, wurde aber 1266 von Karl von Anjou besiegt und getötet. Seine Tochter Costanza (12a) konnte gewissermaßen Rache nehmen: sie heiratete 1262 Prinz Peter von Aragon, der 1282 den Mörder ihres Vaters von Sizilien vertrieb und selber König wurde. Costanza überlebte ihren Gemahl und starb 1302. Ihre Söhne Alfons (12h) und Jakob (12i) wurden später Könige von Aragon und Sizilien. Beatrice (12b) heiratete den Markgrafen von Saluzzo und lebte bis 1307. Von Flordelis (12g) kennt man nur das Todesjahr 1297. Die nächste Beatrice (12c) lebte zumindest bis 1284 als Gattin des Grafen von Donoratico. Manfreds drei kleine Söhne Heinrich (12d), Friedrich (12e) und Enzio (12f) wurden 1266 durch Karl von Anjou eingekerkert. Einem gelang 1296 die Flucht, Enzio starb 1301, Friedrich 1312 und als letzter 1318 Heinrich, immer noch im Kerker
    13) Violanta – verheiratet mit dem Grafen von Caserta, sie starb bereits 1264
    14) Enrico - ?
    15) Margherita de Suevia – sie wurde mit dem Grafen von Acerra verheiratet und starb 1297
    16) Friedrich – starb 1239 oder 1240 noch als Kleinkind
    17) Margareta – sie heiratete den Landgrafen von Thüringen, den Wettiner Albrecht II. den Entarteten. Weil ihr Mann sie betrog, biss sie ihrem Sohn Friedrich (17a) in die Wange, der spätere Markgraf von Meißen sollte deshalb Friedrich der Gebissene genannt werden. Sein Bruder Dietrich (17b) wurde später Markgraf der Lausitz. Margareta ging nach dem Eklat in ein Kloster, wo sie 1270 starb


    Literatur:
    Klaus van Eickels / Martin Kaufhold in – Die deutschen Herrscher des Mittelalters
    Dossier Geschichte Magazin: Mittelalter, das Zeitalter der Schlachten

    Video Friedrich II.


    Video Konradin und die Schlacht von 1268
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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