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Thema: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

  1. #1
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    [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt



    Die Spiele von Paradox sind geschichtlich erstaunlich akkurat. In dieser Story gehe ich auf die Historie der Epochen in CK2 und EU4 ein und steige bei verschiedenen Startpunkten der dargestellten Epochen ein. Interessante Startdaten und -Charaktere gibt es genügend. Der Fokus liegt dieses Mal klar auf der Wiedergabe der Ereignisse jener Zeit, nicht auf dem bloßen Vorspielen einer Partie. Wer sich für Geschichte interessiert, sollte hier auf seine Kosten kommen.

    Den roten Faden der Partie wird wohl die deutsche Geschichte mit seinen Königen und Kaisern bilden, aber es werden immer wieder auch andere Regionen im Mittelpunkt einzelner Kapitel stehen. Das Erzählen geht möglichst in chronologischer Folge voran, zunächst also Crusader Kings 2, das fünf Epochen mit 700 Jahren umfasst. Der erste Startpunkt beginnt mit dem Jahr 769, und das ist die Zeit von Karl dem Großen. Klar also, dass es mit ihm losgeht.


    1. Frühmittelalter (ab 769)
    Karl der Große
    Das byzantinische Kaiserreich
    2. Das Zeitalter der Wikinger (ab 867)
    Alfred der Große
    Die ersten deutschen Könige
    3. Das Hochmittelalter (ab 1066)
    Wilhelm der Eroberer
    Heinrich IV.
    Der Erste Kreuzzug
    Duell: Heinrich der Löwe und Barbarossa
    Duell: Saladin und Richard Löwenherz
    Die Wehen der neuen Epoche
    4. Das Zeitalter des Mongolensturms (ab 1220)
    Friedrich II.
    Edward I.
    Drei Familien: Habsburg - Rudolf I.
    Drei Familien: Wittelsbach - Ludwig IV.
    5. Spätmittelalter (ab 1337)
    Drei Familien: Luxemburg - Karl IV.
    Der Hundertjährige Krieg, Teil 1 - Edward III.
    Das Konzil – Sigismund
    Der Hundertjährige Krieg, Teil 2
    6. Das Zeitalter der Entdeckungen (ab 1444)
    Das Startdatum 11. November 1444
    Das Osmanische Reich – Stadt der weltlichen Begierde
    Portugal – Jenseits des Kap Bojador
    Walachei – Der kleine Drachen
    England – Die Rosenkriege
    Heiliges Römisches Reich – Die Reichserzschlafmütze
    Frankreich – Die universelle Spinne
    Kastilien – Die iberische Hochzeit
    Kirchenstaat – Der unheimliche Papst
    Der Konquistador - Hernan Cortez
    7. Das Zeitalter der Reformation (ab 1519)
    Plus ultra - Karl V.
    Derselbe Herr, die nächste Dame - Henry VIII.
    Ivan IV. Grosny
    Henri IV. und sein Großer Plan
    Mit Gottes Segen in die Hölle - der Dreißigjährige Krieg
    8. Das Zeitalter des Absolutismus (ab 1648)
    Leviathan - check and balances
    Leviathan - the balance of power
    Großmacht Preußen
    9. Das Zeitalter der Revolution (ab 1776)
    USA - Manifest destiny
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    Geändert von Mark (20. August 2022 um 20:14 Uhr)
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  2. #2
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    Karl der Große






    Wichtige Startcharaktere zu Beginn:


    Karl der Große (König der Westfranken)


    Karlmann (Karls Bruder, König der Mittelfranken)


    Desiderius (König der Lombarden)
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  3. #3
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    Karl der Große


    Tassilo III. (König von Baiern)


    Theoderic (Häuptling der Sachsen)


    Stephan IV. (seit 768 römischer Papst)



    1. Wie man einen König macht

    Es war das Jahr 754 der Fleischwerdung des Herrn, vor den Toren der königlichen Pfalz Ponthion in der Champagne. Man erwartete hohen Besuch, wie es ihn hier noch nicht gegeben hatte. Einige Wochen zuvor hatte ein heimkehrender Pilger ein geheimes, vielfach versiegeltes Schreiben mitgebracht, in dem sein Kommen angekündigt worden war. Pippin, seit drei Jahren nannte er sich König der Franken, hatte den Gast eingeladen. In der Halle der Pfalz saß er beisammen mit seinem Sohn Karl. „Ich habe einen Auftrag für, mein Sohn. Du bist nun in einem Alter, in dem Du neben der körperlichen Ertüchtigung auch das Geschäft der Politik erlernen sollst. Daher sollst Du es sein, der unserem hohen Gast entgegenzieht. Begrüße ihn und lasse ihn mit der Eskorte sicher hierher zur Pfalz geleiten.“ Der junge Prinz nickte, stolz über den Auftrag und das Vertrauen seines Vaters. Und er war neugierig, dem heiligen Mann zu begegnen, der auf dem Weg zu seinem Vater, dem König, war. Denn das war niemand geringeres als der römische Bischof und Papst, Stephan III.

    Stephan III. war der erste Papst, der über die Alpen ging in jenes Land, das ihm nur vom Hörensagen bekannt war und jedem Römer, schon was das Klima betraf, unheimlich erscheinen musste. Wärme doch die Sonne dort weniger als der Mond über dem Tiber. Die Reise bestätigte sein Unbehagen: Reißende Flüsse, grausige Schluchten, eisbedeckte Pfade, peitschende Schneestürme und viele andere Gefahren hätten ihn und sein Gefolge bei Tag und bei Nacht bedroht, wie er später klagte. Erschöpft erreichte er das Kloster St. Maurice im Wallis, traf dort zwei Abgesandte des Frankenkönigs Pippin, die ihn nach Ponthion weiterleiteten, der königlichen Pfalz in der Champagne. Der erste Franke, der ihn weit vor den Toren begrüßte, war ein junger hochgewachsener Mann von etwa zwölf Jahren mit schulterlangen Haaren: Karl war sein Name, einer der Prinzen des Königs Pippin, später bekannt als Carolus Magnus, Karl der Große.

    Pippin selbst ritt dem Papst mit seiner Familie dreitausend Schritt entgegen, entbot ihm die Proskynese und leistete den Stratordienst. Die um Beistand und Gnade flehende kniende Körperhaltung war ursprünglich von Alexander dem Großen dem persischen Hofzeremoniell entlehnt, von den römischen Kaisern später übernommen und schließlich von der Alten Kirche in die Liturgie aufgenommen worden. Neben dem Pferd des zu Ehrenden einherzugehen und den Zügel zu führen, gehörte einst zu den Aufgaben des Marschalls.

    Am zweiten Tag nach Ankunft aber warf sich der Heilige Vater in Sack und Asche nieder vor Pippin – und erhob sich nicht eher, bis dieser ihm die Befreiung von der Langobarden Übermut versprochen worden war. Und der König Pippin schwor dem Papst tatsächlich die Übereignung des der Kirche von den Langobarden entrissenen Besitzes. Die Urkunde darüber wurde geschichtsnotorisch unter dem Namen „Pippinische Schenkung“, womit der Franke etwas verschenkte, was ihm nicht gehörte, sondern dem Kaiser von Byzanz. Die römische Delegation wusste das und verwies auf eine andere Schenkung, nämlich die „Donatio Constantini“. Ihr zufolge hatte der römische Kaiser Konstantin der Große (306-333) dem römischen Bischof zum Dank die Herrschaft über Rom, ganz Italien und alle Provinzen und Städte der westlichen Länder überlassen. Zur Urkunde geworden, diente sie immer wieder zur Verteidigung der Rechtmäßigkeit des Kirchenstaates. Zweifel an der Echtheit der Urkunde gab es schon damals. Erst tausend Jahre später gab auch der Vatikan zu, dass es sich um eine Fälschung aus ihrer Werkstatt handelte.

    Des Papstes Gegenleistung für die Pippinische Schenkung bestand aus der Salbung des Königs und seiner Söhne, ausgeführt von eigener Hand. Für die beiden Prinzen, Karl und Karlmann, diente sie später als Legitimation, dass sie Herrscher von Gottes Gnaden seien. Stephan III. wies die versammelten Großen des Frankenreiches an, dass sie niemals aus der Nachkommenschaft eines anderen einen König zu wählen sich unterfingen, sondern nur jene, welche der heilige Petrus durch die Hände des Papstes zu weihen beschlossen hatte: jene aus dem Geschlecht der Karolinger.

    Das Geschlecht der Karolinger, jetzt waren sie legitimiert als Könige - und zwar von Gottes Gnaden - zu herrschen. Das war zuvor nicht so gewesen, denn es fehlte ihnen an der Geblütsheiligkeit, die bisher für die Franken das entscheidende Merkmal gewesen war. Und diese Geblütsheiligkeit innegehabt hatte all die Generationen über die Dynastie der Merowinger. Ein Geschlecht aus dem Dunkel der Geschichte, das sich gründlich heruntergewirtschaftet hatte.

    Von der Dynastie der Merowinger berichtete die Sage, dass ihr Gründer Merowech Sohn eines Meeresgottes gewesen sei. Womit die Merowinger dank ihres göttlichen Ursprungs des Königsheils teilhaftig geworden war. Und Königsheil bedeutete magische Kraft, Charisma, jene Gnadengabe, die seinen Träger vor anderen auszeichnete. Äußeres Zeichen bei den Merowingern waren die schulterlangen Haare, die keine Schere jemals berühren durfte. Sie herrschten über das Volk der Franken, die man je nach ihrer Heimatprovinz Rheinfranken (um Köln) oder Salische Franken (um Tournai) nannte.

    Einer ihrer Herrscher war der Merowinger Chlodwig I., der ein echter Bösewicht war. Er war es, der sich (um das Jahr 500 herum) während einer Schlacht gegen die Alemannen, die zur Niederlage zu werden drohte, an seine Gemahlin wendete: Sie solle doch nun bei ihrem Gott vorstellig werden, auf dass er das Schlachtenglück noch wende. Sie begann zu beten... und tatsächlich, die Alemannen zogen sich zurück und überließen den Franken den Sieg. Chlodwig sah, dass der Gott, mit dem ihn seine Frau seit Jahren bedrängte, stärker war als seine germanischen Götter. Und so ließ Chlodwig I. sich taufen. Chlodwigs Übertritt zum Christentum geschah wohl weniger aus Überzeugung denn als Kalkül. Die geistlichen Würdenträger der Christen waren wichtig und es war klug, sich mit dem Mann gut zu stellen, den sie als ihre oberste Instanz betrachteten: den Bischof von Rom. Mit den Bischöfen war, im Sinne des Wortes, Staat zu machen. Als Chlodwig 511 in Paris, seiner neuen Residenz, starb, hinterließ er seinen Söhnen bereits ein einheitliches Reich, das vom Rhein bis zur Garonne – auch dank der Bischöfe – gut organisiert war.

    Die nächsten Jahrzehnte boten dann aber eines der abschreckendsten Bilder der Weltgeschichte. Chlodwigs Söhne und Enkel übertrafen ihren Vorgänger noch an Bösartigkeit. Brudermord, Vatermord, Folterung, Verstümmelung, Ehebruch wie auch Inzest bildeten den düsteren Hintergrund der Zeit. Am bekanntesten wurde das Wüten der Brunichilde, die einen so gründlichen Familienkrieg um die Herrschaft führte, bis kein Erwachsener vom Geschlecht der Merowinger mehr am Leben war, der für den Thron in Frage gekommen wäre. Sie selbst wurde 613 gefangen genommen und zu Tode gefoltert.



    Zu jenen Männern, die sich gegen Brunichilde gestellt hatten, gehörten der Bischof Arnulf von Metz und Pippin der Ältere. Das sind die beiden ältesten Vorfahren des Geschlechts der Karolinger. Für das der Merowinger begann nach den Jahrzehnten des Brudermordes der Niedergang. Sie waren nun vollends unfähig und unwillig, das Reich zu verwalten. Diese Aufgabe überließen sie immer mehr dem Oberaufseher der königlichen Hofhaltung. Dieser major domus, auf Deutsch Hausmeier, übernahm immer mehr Ämter. Die Position wurde schließlich so bedeutend, dass niemand im Frankenreich an ihr vorbeikam. Der Enkel von Arnulf von Metz, genannt der mittlere Pippin, schaffte es im Jahre 687, die Ämter des Hausmeiers der verschiedenen fränkischen Teilreiche Austrien, Neustrien und Burgund in seiner Hand zu vereinen. Von nun an nannte er sich „dux et princeps Francorum“, Herzog und Erster der Franken. Die Merowinger-König hingegen wurden zu Schattenkönigen, die auf dem Thron zu hocken und den Herrscher zu spielen hatten.

    Als Pippin sich 714 zum Sterben zurückzog, musste sein Sohn Karl (im folgenden Stammbaum links oben) sich seine Position zunächst erkämpfen, denn Pippins Ehefrau Plektrudis wollte die Macht an sich reißen. Karl war nämlich nicht ihr Sohn, sondern aus der illegitimen Verbindung Pippins mit einer Friedelfrau hervorgegangen. Natürlich wollte Plektrudis diesen Bastard ausschalten, um den Weg für ihre beiden eigenen Enkel zu bereiten. Karl jedoch war politisch und militärisch so versiert, dass er sie besiegte, das fränkische Reich wieder vereinte und sich den Beinamen Martellus, „der Hammer“, verdiente.



    Berühmt wurde Karl Martell durch seinen Erfolg von 732, als er mit seinem fränkischen Heer den Vormarsch der Sarazenen bei Poitiers stoppte. Das Kalifat der Umayyaden blieb jenseits der Pyrenäen. Die überraschende Überlegenheit der fränkischen Kavallerie gegenüber den taktisch genialen Reitern der Araber basierte wohl auf dem Einsatz des Steigbügels. Der schlichte Bügel gab den fränkischen Reitern den notwendigen Halt, ihren Lanzen Stoßkraft und die Möglichkeit, mit den breiten Langschwertern zuzuschlagen, ohne aus dem Sattel zu fallen.

    737 starb dann der Merowinger-König Theuderich IV. und niemand im Frankenreich nahm Notiz davon. Die meisten wussten vermutlich gar nicht, dass es so etwas wie ein merowingisches Königtum überhaupt noch gab. Dennoch hatte Karl Martell diesen Theuderich auf den Thron gesetzt. Wie schattenhaft der Merowinger als Herrscher auch sein mochte, in seinen Adern floss das blaue Blut der Könige. Von ihm ging magische Kraft aus, er allein besaß das Königsheil, das den Sieg auf dem Schlachtfeld brachte, die Fruchtbarkeit der Äcker, den Reichtum an Kindern, die Ordnung im Chaos. Karl setzte nach Theuderichs Tod zunächst keinen Nachfolger auf den Thron, statt dessen berief er sich in Urkunden weiter auf ihn. Ziemlich ungewöhnlich.

    Als Karl Martell 741 im Sterben begriffen war, teilte er sein Reich auf seine drei Söhne auf. Karlmann bekam Austrien mit Alemannien und Thüringen. Pippin erhielt Neustrien, Burgund und die Provence. Die Ländereien der beiden entsprach der Aufteilung in einen germanischen und einen romanisierten Teil. Der dritte Sohn hieß Grifo, der entstammte im Gegensatz zu Karlmann und Pippin aber einer unehelichen Beziehung. Karl Martell bat seine beiden ehelichen Söhne, ihren Halbbruder mit einem eigenen Gebiet abfinden. Sie versprachen es hoch und heilig.

    Das Versprechen war nicht hoch und heilig genug. Kaum nach den Bestattungsfeierlichkeiten in St. Denis bei Paris setzten sie Grifo gefangen und verschleppten seine Mutter in ein Kloster. Die Uneinigkeit unter den (Halb-) Brüdern erzeugte einen Aufstand in mehreren Provinzen des Frankenreichs. Denn was war das überhaupt für ein Herrscherhaus, diese Karolinger, ohne König, ohne Königsheil? Dieses Haus hatte seine Herrschaft usurpiert. Es wurde wieder notwendig, einen Marionettenkönig auf dem Thron installieren. 743 wurde der Merowinger Childerich III. neuer König. Die Fürsten murrten aber weiter. Waren sie Karl Martell ergeben gewesen, für seine Söhne hatten sie nur Verachtung übrig. Aber die beiden Brüder hielten wider Erwarten zusammen und züchtigten die Aufständischen. Karlmann überzog die Alemannen 746 mit einem blutigen Gericht.

    Als sich die beiden Brüder in ihren Teilreichen durchgesetzt hatten, forderten die Bischöfe von ihnen die Rückgabe jener Ländereien, die ihr Vater Karl Martell ihnen weggenommen und an seine fürstlichen Vasallen verteilt hatte (kein Wunder, dass Karl bei seinen Fürsten so beliebt gewesen war). Die zwei Brüder waren einerseits sehr fromm, mit den Fürsten wollten sie sich aber auch nicht anlegen. Es blieb bei ungefähren Versprechen.

    Im Jahre 746 zeigte sich der ältere Bruder Karlmann regierungsmüde, genauer gesagt plagte ihn das Gewissen. Sein Blutgericht gegen die Alemannen quälte ihn und er wollte seine unsterbliche Seele retten. Es war wohl wirklich Weltflucht, die Karlmann dazu veranlasste, der Herrschaft zu entsagen und sich in ein Kloster zurückzuziehen. Jetzt war das Frankenreich wieder vereint, in der Hand des verbliebenen Bruders Pippin. Das ist jener Pippin, der wie eingangs geschildert, später den Papst Stephan III. empfangen sollte. Sein Sohn Karl war zum Zeitpunkt von Karlmanns Rückzug ins Kloster vermutlich vier Jahre alt.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  4. #4
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    Du bleibst also erstmal bei der Erbteilung, bis 911?
    Das wäre mir viel zu nervig. Erbteilung wäre nur in Ordnung, wenn man halbwegs steuern könnte, wer was erbt, aber so wie es ist finde ich es ziemlich bescheuert.

    Immerhin kriegen die Söhne Karls dann ordentliche Namen, nicht die komischen, die die KI da vergibt...

  5. #5
    Sie/Er/Whatever Avatar von Fimi
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    "La majestueuse égalité des lois, qui interdit au riche comme au pauvre de coucher sous les ponts, de mendier dans les rues et de voler du pain." - Anatole France

    Zitat Zitat von Fonte Randa Beitrag anzeigen
    Manchmal kann ich Fimi verstehen...
    Zitat Zitat von Kaiserin Uschi Beitrag anzeigen
    Ja, aber das ist nur ein Grundgesetzbruch, aber kein Verfassungsbrauch. Bring das mal vors Bundesgrundgericht ;)

  6. #6
    Registrierter Benutzer Avatar von Herbert Steiner
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    Sehr schön geschrieben! Wie stark hältst du dich an vorhandene Literatur bzw. wie frei schreibst du? Lese jedenfalls gerne wieder mit.

    Die in den erhalten gebliebenen Zeugnissen negative Darstellung der Merowinger in der Spätzeit mag ja auch der Tatsache geschuldet sein, dass der Sieger die Gechichte schreibt, hast du hierzu eine spezielle Meinung?

  7. #7
    Rebellenschreck Avatar von Großadmiral Thrawn
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    Da hast du dir aber einiges vorgenommen, Mark.

    Mal schauen ob du 1000 Jahre durchhalten kannst
    PBEM[295] Im Osten nichts Neues
    PBEM[294] Ich einfach unerschrecklich

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    Achtung Spoiler:
    Oder auch nicht


  8. #8
    Sie/Er/Whatever Avatar von Fimi
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    Von Mark ist man doch nichts anderes gewohnt
    "La majestueuse égalité des lois, qui interdit au riche comme au pauvre de coucher sous les ponts, de mendier dans les rues et de voler du pain." - Anatole France

    Zitat Zitat von Fonte Randa Beitrag anzeigen
    Manchmal kann ich Fimi verstehen...
    Zitat Zitat von Kaiserin Uschi Beitrag anzeigen
    Ja, aber das ist nur ein Grundgesetzbruch, aber kein Verfassungsbrauch. Bring das mal vors Bundesgrundgericht ;)

  9. #9
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
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    Zitat Zitat von Furrax Beitrag anzeigen
    Du bleibst also erstmal bei der Erbteilung, bis 911?
    Das wäre mir viel zu nervig. Erbteilung wäre nur in Ordnung, wenn man halbwegs steuern könnte, wer was erbt, aber so wie es ist finde ich es ziemlich bescheuert.

    Immerhin kriegen die Söhne Karls dann ordentliche Namen, nicht die komischen, die die KI da vergibt...
    Oh, Du hast direkt den Bogen bis zur Wahl Konrads gezogen? Einerseits spiele ich möglichst dementsprechend, doch ich werde nicht eine Partie aus einem Guss spielen, sondern immer wieder neu aufsetzen. Sonst ist der Verlauf nach hundert Jahren allzu sehr in eine andere Richtung - Frankreich nicht existent unter muslimischer Herrschaft oder dergleichen - gegangen. Aber gerade zu Beginn spiele ich dann doch zunächst am Stück. Ich hatte nämlich erst bei dieser Gelegenheit bemerkt, dass man in der Zeit vor 1066 ausschließlich zu den Terminen 769 und 867 eine Partie starten kann (zwischen 1066 und ca. 1326 kann man eine Partie dann zu jedem beliebigen Tag mit den historisch korrekten Konstellationen beginnen).


    Zitat Zitat von Herbert Steiner Beitrag anzeigen
    Sehr schön geschrieben! Wie stark hältst du dich an vorhandene Literatur bzw. wie frei schreibst du? Lese jedenfalls gerne wieder mit.

    Die in den erhalten gebliebenen Zeugnissen negative Darstellung der Merowinger in der Spätzeit mag ja auch der Tatsache geschuldet sein, dass der Sieger die Gechichte schreibt, hast du hierzu eine spezielle Meinung?
    Das dürfte bei den wenigen Quellen wohl schwer abzugrenzen sein, bis wann die Merowinger kraft eigener Gewalt und ab wann nur dank ihrer traditionellen Legitimation auf dem Thron saßen. Immerhin hielt die Dynastie über 200 Jahre, unfähig können sie nicht gewesen sein - es erhob sich ja nicht einmal ein Haus, das ihnen die Krone streitig machte. Dass die letzten Vertreter der Merowinger später sang- und klanglos ins Kloster abgeschoben werden konnten, finde ich aber auch bemerkenswert. Kein Bürgerkrieg, nichts. Sie scheinen außer Repräsentation wirklich nichts mehr zu melden gehabt zu haben. Ihr schlechtes Image ist wohl in der Hinsicht ungerecht, weil andere wohl nicht viel besser waren. Auch die Karolinger haben sich im Bruderkampf kunstvoll zerlegt. Der einzige Unterschied war, dass der Papst einen Beschützer brauchte und die Karolinger einen legitimen Anstrich. Aus späterer Sicht war die päpstliche Krönung Pippins von 751 von großer Bedeutung, denn damit schuf der Karolinger überhaupt erst den Papst als höherstehenden Königs- und später Kaisermacher. Bei den Merowingern war das Königtum Subjekt, bei den Karolingern nunmehr Objekt, ein Außenstehender hatte darüber zu befinden. Kein Wunder, dass die Karolinger (und nach ihnen die deutschen Könige) immer wieder nach Rom mussten. Der Papst, von dem sie sich nun immer aufs Neue krönen lassen mussten, durfte nicht zu stark werden. Andererseits durfte der schwache Papst nicht zur Marionette anderer, z.B. der Byzantiner, werden.

    Die Geschichte wäre unter einer Fortsetzung der Merowinger-Herrschaft wohl klar anders verlaufen. Vielleicht käme einen der ihren dann die (schon bei Karl zweifelhafte) Ehrung als "Vater Europas" zugute? Karl war übrigens in der Nazizeit unter komplett umgekehrten Vorzeichen betrachtet worden. Da hieß er nicht "der Große" sondern Karl der Sachsenschlächter. Und das ja mit nicht weniger Berechtigung. Es ist wohl tatsächlich in erheblichen Maße eine Frage der Darstellung, ob jemand später als Schurke oder Lichtgestalt gilt. Man denke an Shakespeares Richard III. - in einer Biographie über ihn fand ich gar nichts ungewöhnlich Böses über diesen Mann. Schade eigentlich, dass CK2 nicht auch die Zeit ab 500 dazu genommen hat, die Merowinger hätte ich gerne gespielt. Apropos: Bei denen kann ich mir trotz diverser Lektüren nicht merken, wer wer ist. Da heißt der Neffe genauso wie sein verfeindeter Onkel oder der Enkel der einen Linie so wie der gerade verstorbene Vetter der anderen Linie. Ohne Stammbaum-Grafik einfach nicht zu durchblicken. Aber die Wendungen beim Denver-Clan oder Starcraft würde man wohl auch nicht verstehen, wenn man die Story nur als knappen Text zu lesen bekäme.

    Bei der Literatur bleibe ich eng dran. Erst schauen, was die wichtigen Themen einer Herrschaft waren, dann spielen. Weil die Partie natürlich nicht identisch abläuft, muss ich die Textstücke schon mal neu arrangieren und anpassen, damit sich alles wieder schlüssig liest.
    Geändert von Mark (16. April 2016 um 19:51 Uhr)
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  10. #10
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    Karl der Große

    Es war die Zeit der Missionierungen des bekannten Bonifatius, der den germanischen Heiden in Sachsen und Friesland den christlichen Glauben brachte. Als Legat des Papstes für das Frankenreich war er der wohl bedeutendste Geistliche nördlich der Alpen in jener Zeit. Bonifatius war es, der die heilige Donareiche fällte, um zu zeigen, dass die heidnischen Götter keine Macht hätten. Für Bonifatius war jedoch auch das, was er in der Kirche des Frankenreichs antraf, erschreckend. Immer wieder sah er sich veranlasst, Briefe oder Boten nach Rom zu schicken, um Instruktionen zu erhalten, wie er sich angesichts der heillosen Zustände verhalten solle. Heidnische Bräuche waren noch weit verbreitet. Ein besonderes Problem stellte die Ehe dar. Es war gang und gäbe, dass Verwandte untereinander heirateten. Eheschließungen wurden unter Familien oder Sippen ausgehandelt, und da kam es darauf an, dass Besitzungen zusammengehalten wurden. Nach außen zu heiraten konnte leicht zu großen Verlusten führen. Aber Bonifatius pochte auf die kirchlichen Regeln, und diese sahen ein Verbot der Verwandtenehe vor. Aber ab welchem Grad der Verwandtschaft war sie als Inzest verboten? Das blieb auch in der Kirche umstritten. Auf die erste Anfrage 726 erhielt Bonifatius aus Rom die Auskunft, dass bis zur vierten Generation nicht geheiratet werden dürfe. Später erhöhte der nachfolgende Papst Gregor III. im Jahr 732 das Verbot bis zur siebten Generation. Man kann sich vorstellen, welchen Unwillen diese Vorschriften unter den Menschen hervorriefen.

    Aber es gab noch viel mehr zu klären. Was beispielsweise durfte ein Mann tun, dessen Frau erkrankt war und ihre ehelichen Pflichten nicht mehr erfüllen konnte? Antwort aus Rom: Er dürfe eine neue Frau heiraten, müsse aber der bisherigen Ehefrau Unterhalt leisten. Beim Opfermahl, so ein weiteres Problemfeld, dürfe nur ein einziger Kelch benutzt werden und nicht zwei oder drei, wie Bonifatius das antraf. Ob Menschen, die im Kindesalter in ein Kloster gegeben wurden, als Erwachsene wieder austreten und heiraten dürften, so lautete eine weitere Frage des Bonifatius. Die Antwort war: Nein, auf keinen Fall. Aus dem Jahre 732 stammt ein päpstlicher Brief, in dem folgende Fragen beantwortet wurden: Durften Christen ihre Sklaven an Heiden verkaufen? Durften sie Pferdefleisch essen? Mussten von Heiden Getaufte nochmals getauft werden? Alle Fragen wurden mit Nein beantwortet. Vor allem Pferdefleisch dürfe ein Christ unter keinen Umständen zu sich nehmen, denn es sei unrein und abscheulich. Es gab eine Fülle von Angelegenheiten, die geklärt werden mussten. Vom Kirchenrecht wurden sie später in königliche Kapitularien zu Reichsgesetzen erklärt. Weitere brennende Fragestellungen? Durfte bei der Taufe in Ermangelung von Wasser auch Wein verwendet werden? Musste das Taufwasser aus der Schale oder mit den Händen über das Haupt des Kindes gegossen werden? Durften Mönche lange Haare tragen?

    Im Jahre 751 zogen zwei hohe kirchliche Beamte über die Alpen nach Rom, baten Papst Zacharias um eine Audienz und stellten ihm eine Frage, deren Antwort schwerste Folgen für das Mittelalter hatte. „Betreffs der Könige im Frankenreich begehren wir zu wissen“, fragte Burchard von Mainz, „ob es gut ist oder nicht gut, wenn es dort Könige gibt, die keine königliche Macht besitzen“? Der Heilige Vater antwortete: „Es ist besser, wenn derjenige, der über die königliche Macht verfügt, sich König nennt, als derjenige, dem keine Macht mehr verblieben ist“. Er fügte hinzu: „Damit die heilige Ordnung der Dinge nicht gestört werde, möge Pippin König sein. Kraft meiner apostolischen Autorität“.



    Pippin versammelte die Großen seines Reiches, um ihnen die Entscheidung des Papstes mitzuteilen und sich von ihnen zum König wählen zu lassen. Da ihm das blaue Blut, die Geblütsheiligkeit, fehlte, musste er mit einer ihr entsprechenden Würde ausgestattet werden: der Salbung, wie sie einst auch der biblische König David erhalten hatte. Der Hausmeier war nun König und entsorgte die Marionette Childerich samt seines Sohnes hinter Klostermauern. Das war es gewesen mit dem Geschlecht der Merowinger, sie landeten auf dem Müllhaufen der Geschichte. Schlimmer noch, sie endeten in der Vergessenheit.


    2. Bruderzwist

    Es zeichnete sich für Pippin früh ab, dass es um die Nachfolge in seinem Reich womöglich Schwierigkeiten geben würde. Der König der Franken hatte zwei Söhne, die beide nach den fränkischen Erbgesetzen Anspruch auf einen Teil des Reiches haben würden. Pippins Ehefrau Bertrada hatte Karl und dann im Jahre 751 Karlmann geboren. Karls Geburtsjahr hingegen ist nicht sicher und bleibt für die Zeitgenossen im Dunkeln. Spätere Angaben schwanken zwischen 742 und 747. Der Grund für die Heimlichtuerei dürfte darin gelegen haben, dass Karl ein voreheliches Kind war, denn Pippin und Bertrada heirateten erst 749. Das war im Zeitalter der Friedelfrauen und ihrer Bastarde, wie man später die unehelichen Kinder nannte, keine Schande, aber für einen Thronfolger auch keine Empfehlung. Karl hatte kein Interesse daran, dass dieser persönliche Makel großartig diskutiert wird.

    Karlmanns Geburt zwei Jahre nach der Heirat war in dieser Hinsicht nicht belastet. Die beiden Brüder verstanden sich von früher Jugend an nicht gut. Im Jahre 768, in dem Jahr unmittelbar vor Spielbeginn, wurde König Pippin dann zu Grabe getragen. Er ließ sich mit dem Gesicht nach unten in den Sarg legen. Nicht seine eigenen Sünden drückten ihn so sehr, sondern die seines Vaters Karl Martell, der der Kirche so viele Güter genommen hatte. „Wassersucht“ wurde als Todesursache überliefert. Eine Diagnose, zu der die damaligen Ärzte immer dann kamen, wenn sie nicht wussten, woran ihr Patient wirklich gestorben war. Auf dem Sterbebett hatte Pippin sein Reich geteilt. Karl bekam Austrien und Neustrien (Westfranken, blaues Gebiet), Karlmann Burgund mit der Provence und die Ländereien des Elsass und Alemannien (Mittelfranken, graues Gebiet). Von Aquitanien fiel jedem der Brüder die Hälfte zu.



    Eine ungewöhnliche Teilung, wurde sie doch nicht nach der Maßgabe „hier germanisches Gebiet, dort romanisches Gebiet“ vorgenommen. Karls Reichsteil umschloss bogenförmig die Gebiete des Bruders. Wollte man Romanisches und Germanisches derart miteinander verzahnen, dass jeder auf den anderen immer angewiesen war? Jedenfalls mischten sich in jedem Reichsteil Germanen und Romanen, wobei in Karls Reich die Germanen überwogen, in Karlmanns Teil die Romanen. Beide Herrscher waren gezwungen, auf die beiden Nationalitäten Rücksicht zu nehmen. Offenbar wollte Pippin vermeiden, dass sich die Bevölkerungsgruppen durch die Erbteilung als getrennt fühlten.



    Das geteilte Aquitanien war eine besondere Provinz des Frankenreichs. Die Franken verachteten diese Leute, die sie für wankelmütig und hinterlistig hielten. Insgeheim beneideten sie sie aber, weil ihre Zivilisation entwickelter war und ihre Kultur höher schien. Nicht umsonst war das Land eine blühende Provinz des Römischen Reichs gewesen. Die beiden Karolinger mussten nach ihrem Regierungsantritt feststellen, dass die Widerstandskraft dieses Volkes noch nicht gänzlich gebrochen war. Die Thronfolge schien den Aquitaniern eine günstige Gelegenheit, noch einmal gegen die verhassten Franken aufzustehen und vielleicht ihre Freiheit zu erringen. Da beide Brüder einen Teil dieses Landes erhalten hatten, mussten sie sich zusammen um diese Revolte kümmern. Doch beim Zusammentreffen der zwei Heere zeigte sich, dass Karl mit seinen Panzerreitern, Karlmann hingegen nur mit seinem Gefolge erschien. Die Brüder gerieten darüber in Streit, denn Karl warf seinem jüngeren Bruder mangelhaften Einsatz vor. Beleidigt verließ Karlmann das Lager. Nichtsdestotrotz schlug Karl mit seinen Panzerreitern den Aufstand alleine nieder. Das Verhältnis der Brüder war aber hinüber.



    Mutter Bertrada versuchte, den Bruderzwist zu entschärfen, aber die beiden stimmten nur scheinbar zu, sich in Zukunft versöhnlich zu verhalten. Kurze Zeit später begab sich Bertrada auf eine politische Mission. Zunächst reiste sie nach Baiern, wo sie Tassilo III. in Regensburg treffen wollte. Der war eigentlich ein Herzog, herrschte aber mit der Macht eines Königs. Und war mit einer Königintochter verheiratet, der Langobardin Luitperga. Dieses Ehebündnis machte die Sache für die Franken gefährlich. Bertrada ging es darum, die Karolinger mit den bairischen Stammesführern zu versöhnen. Besser noch: Die drei großen germanischen Stämme der Franken, der Baiern und der Langobarden zu einem Freundschaftsbund zu vereinen.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  11. #11
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    Karl der Große

    Von Regensburg reiste Bertrada weiter nach Pavia, der Hauptstadt des Langobardenreiches. Die Fränkin war Gast des Königs Desiderius, jenes Herrschers, der Tassilo III. zu seinen Schwiegersöhnen zählte. Er hatte nichts dagegen, auch Karl in seinen Familienverband aufzunehmen, aber er fragte Bertrada: „Was wird der Papst dazu sagen?“ Desiderius stellte diese Frage, denn der Papst verlangte die Herausgabe jener langobardischen Gebiete, die die Kirche aufgrund der Pippinischen Schenkung beanspruchte. Und in der Tat reagierte der Papst misstrauisch auf die Kunde von Bertradas Aufenthalt in Pavia. Immerhin hatten die Karolinger zur Schutzmacht des Kirchenstaates erklärt. Das war die Gegenleistung dafür, dass Stephan III. damals den Karolingern die Königswürde zugeschanzt hatte. Und für den Papst ging weiterhin die größte Bedrohung seines Kirchenstaates von den Langobarden aus, die über den Großteil Italiens herrschten. Bertrada reiste von Pavia weiter nach Rom und hatte einige Zusagen des Langobarden Desiderius im Gepäck, dem Papst ein paar der strittigen Ländereien herauszugeben. In Rom bekräftigte Bertrada, dass die Karolinger zu ihrem Versprechen stehen werden, dem Papst schützend zur Seite zu stehen und dem Kirchenstaat zur Durchsetzung seiner Territorialansprüche aus der Schenkungsurkunde zu verhelfen.

    Auf der Rückreise zog Bertrada über Pavia und nahm vereinbarungsgemäß eine Tochter des Desiderius mit. Sie hieß Desiderata und war als Braut für Karl bestimmt. Der aber war wenig begeistert von seiner Braut, sie war wohl wenig anziehend. Zudem hatte ihm erst kürzlich seine Friedelfrau Himiltrud den ersten Sohn geboren, den er bezeichnenderweise nach seinem Vater Pippin nannte. Königliche Würden waren dem Knaben jedoch nicht bestimmt. Pippin hatte eine Missbildung am Rücken. Das konnte auf dem Thron nicht geduldet werden, denn eine körperliche Behinderung entsprach nicht dem Königsheil. Konsequenterweise wurde Pippin der Bucklige 781 von Karl aus der Erbfolge ausgeschlossen und in ein Kloster abgeschoben.



    Aber zurück zu der Verbindung mit der Langobarden-Prinzessin. Die Nachricht von der beabsichtigten Eheschließung Karls, anfangs in Rom für ein Gerücht gehalten, erzürnte den Papst. Wenn Franken und Langobarden zusammengingen, musste Stephan IV. um die Existenz seines Kirchenstaates fürchten. Er drohte Karl den Bannfluch an. Die Hochzeit mit Desiderata fand trotzdem statt.



    Alles gut also? Nein, neben dem Papst reagierte auch Karl Bruder Karlmann verschnupft. Die Verbindung bedeutete für ihn eine politische Abwertung, hatte er doch durch seine Ehe mit einer anderen langobardischen Königstochter ältere Rechte. Der Tag war gekommen, da Karlmann seinem ungeliebten Bruder den Fehdehandschuh hinwarf. Krieg lag unmittelbar in der Luft.

    Aber dann, im Dezember 771, starb Karlmann in der Pfalz Samoussi an einem Blutsturz. Oder hatte jemand den Blutsturz herbeigeführt? Der Tod eines so jungen gesunden Mannes, der einem anderen Herrscher derart gelegen kam, öffnete wie stets in solchen Fällen bösen Gerüchten Tür und Tor. Denn für Karl war das ein Glücksfall: Gott hatte ihm die Herrschaft über das gesamte Reich ohne Blutvergießen verliehen.



    Das führte bei Karl zu einem Sinneswandel, denn unter diesen Umständen brauchte er nicht mehr auf die langobardische Karte setzen. Er konnte wieder die Politik aufnehmen, die seinem Vater die Krone verschafft hatte: Nach nur einem Jahr Ehe verstieß Karl seine langobardische Frau und wandte sich Hildegard zu, einem Mädchen aus einer edlen schwäbischen Familie. Der gesamte Hof zeigte sich befremdet über die Scheidung nach fränkischer Art. Für König Desiderius war es eine so ungeheure Beleidigung, dass Karl ihm seine Tochter zurückschickte und zieh ihn einen eid- und ehebrüchigen Heiden. Karl hatte sich einen Todfeind geschaffen. Da er jetzt aber die alleinige Herrschaft über das Frankenreich ausübte, hatte sich die „Geschäftsgrundlage“ geändert, die Ehe mit Desiderata war zu einer lästigen Fessel geworden.



    Dass Karl schon immer zielstrebig die alleinige Macht im Frankenreich wollte, zeigte sich in seinen nächsten Schritten. Er ließ sich nicht nur auf den Schild heben und zum König aller Franken krönen. Er schob damit auch Karlmanns unmündige Söhne zur Seite, die doch eigentlich zur Nachfolge berechtigt waren. Es war ein Staatsstreich, ein Thronraub. Karlmanns Witwe Gerberga floh mit den beiden Kindern Richtung Pavia, zum Hof ihres Vaters Desiderius. Sie wollte nicht warten, dass ihre Söhne in ein Kloster, zu den lebenden Tote, verbracht würden. Das nämlich hatte Karls Vater Pippin mit seinen Neffen getan, und die Erinnerung daran war noch wach.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  12. #12
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    Karl der Große

    3. De bello saxonici

    Karlmann war tot. Karl konnte endlich, frei von Rücksichten und Bedrohungen, das tun, was er für notwendig hielt. Und für notwendig hielt er einen Krieg gegen die Sachsen, dieses wilde heidnische Volk. Einen rechten Frieden zwischen Franken und Sachsen hatte es nie gegeben. Karl Martell und König Pippin waren öfter zu Strafexpedition in ihre undurchdringlichen Wälder vorgestoßen, hatte Tribute und die Sicherheit für christliche Missionare eingefordert. Mit vulkanischer Gewalt brachen immer wieder neue Aufstände aus. Karl wollte mehr als eine der üblichen Strafexpeditionen. Er wollte die Sachsen ein für alle Mal in die Knie zwingen, in sein Reich eingliedern und zum Christentum bekehren. Zu diesem Zweck hielt König Karl im Mai 772 eine Versammlung in Worms ab.



    Genauer gesagt war es eine Heeresversammlung, denn der Zweck war der gemeinsame bewaffnete Aufbruch nach Sachsen. Jeder zum Kriegsdienst verpflichtete freie Mann hatte je nach Landbesitz eine Zahl an Gefolgsleuten mitzubringen. Der Trupp musste ausgerüstet sein mit Waffen, Kleidung und Lebensmitteln. Das alles war genau festgelegt. Auch Bischöfe und Äbte mussten gestiefelt und gespornt erscheinen, zusammen mit dem in ihren Waffenkammern lagernden Kriegsgerät.

    Krieg zu führen kostete viel Geld. Besonders teuer kam der Panzerreiter, der überlegene und gefürchtete Truppentyp. Allein seine Ausrüstung und das Pferd kosteten vierzig Schillinge, dafür bekam man eine Herde von zwanzig Rindern. Entsprechend unglaubwürdig sind die zeitgenössischen Zahlenangaben, wenn es um Heeresgrößen ging. Realistisch, weil unterhaltbar, waren etwa 10.000 Krieger zu Fuß und 3.000 Reiter, von denen weniger als tausend gepanzert waren. Ein größeres Heer wäre schon an der Schwerfälligkeit des Trosses gescheitert. Nicht nur gute Waffen und der persönliche Mut der fränkischen Krieger, auch der professionell geregelte Nachschub machten aus Karls Heer eine gefürchtete Streitmacht.



    Der Stoß des fränkischen Heeres richtete sich gegen das Flussgebiet der Weser zwischen Corvey und Minden. Dort siedelten die Engern, einer der vier sächsischen Stämme. Auf seinem Zug durch dieses Gebiet verwüstete Karls Heer das Land. Am Oberlauf der Diemel eroberten sie die Eresburg im Sturm, zogen weiter nach Norden und erreichten die Irminsul. Dieser hochragende, riesige Baumstamm trug nach der Überzeugung der germanischen Sachsen das Himmelsgewölbe und war umgeben von einem heiligen Hain sowie diversen Gebäuden voller kostbarer, geweihter Gaben. Es ist klar, was dann geschah. Die Sachsen unterzeichneten Pergamente und stellten zwölf Geiseln, um Frieden zu erhalten. Doch die Zerstörung der Heiligtümer galt ihnen als eine himmelschreiende Tat. Man war es den Göttern schuldig, sie nicht ungerächt zu lassen. Und sie blieb es nicht...



    Das fränkische Heer marschierte ab, löste sich auf, die Krieger zogen wieder in ihre Heimatorte. Gewissensbisse werden sie nicht gehabt haben wegen ihres Sakrilegs. Im Gegenteil: Die Priester versicherten ihnen, dass sie ein gottgefälliges Werk wider ein barbarisches Heidenvolk getan hätten. Christlicher Hochmut schien bei den Franken eigentlich nicht am Platz. Das Bekenntnis zu Jesus Christus war bei den meisten von ihnen lediglich Tünche. Eine Tünche, die in Ausnahmesituationen abzublättern begann.

    Aus Dämonenglauben war Heiligenkult. Die Reliquienverehrung und der Wunderglaube trugen heidnische Züge so wie die Feuerprobe und das Gottesurteil. Die Triebe dieser Menschen waren kaum gebändigt, Hemmungen nicht vorhanden, Atavismus brach immer wieder durch. Wer sein Recht suchte und es nicht bekam, griff zur Selbsthilfe. Sie glichen Menschen im Übergang, die ihren Urgrund verloren hatten, ohne neuen festen Boden gewonnen zu haben. Aus dieser Zwiespältigkeit wuchsen Charaktereigenschaften von grellem Gegensatz: Barmherzigkeit wohnte neben erschreckender Brutalität, Mildtätigkeit neben mörderischer Habgier, Edelsinn neben abstoßender Gemeinheit, Bescheidenheit neben wahnwitzigem Hochmut.

    Es dauerte gar nicht lange, bis aus Sachsen wieder beunruhigende Nachrichten zu Karls Ohren drangen. Sie hatten das Kloster Fritzlar verwüstet, nur die Kirche – Bonifatius hatte geweissagt, kein Feuer werde ihr jemals etwas anhaben können! - blieb heil. Ein Wunder, das nicht weniger wunderbar erschien, wenn man betrachtete, dass das Kirchlein aus Stein erbaut worden war. Karl berief seinen Rat zusammen und beschloss mit ihnen, „das treulose und eidbrüchige Volk der Sachsen so lange zu bekriegen und nicht eher abzulassen, bis sie als Geschlagene das Christentum angenommen hätten oder gänzlich ausgerottet sein würden“.



    Die Seele des Widerstands war der Stammesführer Wichimann. Der Edeling, wie ein Angehöriger des Adels hieß, rief die Freien und Halbfreien zum Kampf gegen die verhassten Franken auf. Die drei Stände waren scharf, geradezu kastenartig voneinander geschieden. Er vereinte sie zum Kampf und versuchte die Franken in die unwegsamen Sümpfe zu locken. Wer sich hier verirrte, war verloren. Diese Landschaft bildete den Schauplatz für Wichimanns Kampf gegen Karl und sein Heer, für seine guerillaartigen Überfälle, seine blitzartigen Vorstöße und Rückzüge. Um seine militärische Unterlegenheit wettzumachen, mied er die offene Feldschlacht. Das Ziel der Attacken waren die Zwingburgen der Franken: die Karlsburg, die Eresburg, und andere. Wobei man sich nicht Burgen vorstellen darf, wie man sie als stolze Festungen mit Zinnen, Zugbrücken und Wassergräben im hohen Mittelalter erbaute. Wir sind erst im achten Jahrhundert. Es waren Wehrbauten auf Kuppen oder Spornen, von Erdwällen und Palisaden umgeben. Mauern in Steinbauweise gab es noch nicht. Holzerdmauern waren die Regel oder einfache Grasplaggen, die man wie Ziegel aufmauerte und mit Lagen von Dreikanthölzern befestigte.

    Wichimann wurde für die Franken zum Staatsfeind Nummer Eins. Sie vermuteten ihn hinter jeder Rebellion, hinter jedem Überfall, hinter jedem Anschlag. Karl setzte seine besten Leute auf ihn an. Fassten sie ihn, würde der Widerstand zusammenbrechen. Doch dort, wo er vermutet wurde, fand man ihn nicht, und wo man ihn zu finden glaubte, war er nicht mehr.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  13. #13
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    Karl der Große

    Sowohl unter den Sachsen als unter den Franken fing man an zu munkeln, Wichimann verfüge über geheime Kräfte, über die Gabe, sich unsichtbar zu machen mit einer Tarnkappe. Karl wusste es bald besser, denn die Erklärung war profan. Natürlich hatte Wichimann überall in Sachsen die Möglichkeit, Unterschlupf zu finden. Der größte Fehler des Rebellenführers war wohl, dass er sein Volk im Kampf nicht alleine lassen wollte, selbst als sich die Schlinge von Karls Häschern enger um ihn zog. Am Ende half wohl Geld aus der königlichen Schatulle, Wichimann bei einem Anschlag vom Leben in den Tod zu befördern. Danach brach der Aufstand, seines Hauptes beraubt, zusammen. Karl riss die Heiligtümer und Befestigungen, die sie Sachsen zwischenzeitlich wiedererrichtet hatten, nieder und ließ sich erneut Geiseln stellen. Diese sollten für die erneuerten Eide der Besiegten bürgen. Sodann zog der König mit seinem Heer wieder ab.



    Als zu dieser Zeit der Papst Stephan III. starb, endete ein Pontifikat, dass man politisch gesehen als gescheitert ansehen muss. Zur Macht verholfen hatte ihm einst die frankenfreundliche Partei unter Führung des Christophorus, die seine Wahl zum Papst im August 768 – also kurz vor Beginn dieser Partie – betrieben hatte. Der Gegenpapst Philipp, den die Langobarden gestützt hatten, trat vorher von seinem Amt zurück. Christophorus nahm nun mit seinen Anhängern grausame Rache an der Gegenpartei. Als Karl der Große durch eine politische Heirat mit der Tochter des Langobardenkönigs Desiderius ein Bündnis einging, das Stephan vergeblich zu verhindern versucht hatte, wechselte Stephan von der frankenfreundlichen Partei zu der Anhängerschaft der Langobarden und geriet in drückende Abhängigkeit von Desiderius. Zugleich ging es der frankenfreundlichen Partei an den Kragen: Christophorus und sein Sohn wurden ermordet. Als Karl der Große seine langobardische Gemahlin verstieß und sich mit Desiderius verfeindete, war die Politik Stephans endgültig gescheitert. Er starb am 24. Juli 775 und soll im Vatikan beerdigt sein. Der Ort seines Grabes ist nicht bekannt.



    Karl reiste umgehend nach Rom, für die Sachsen hatte er jetzt keine Zeit. Ihm war daran gelegen, dass der neue Papst jene Politik fortsetzte, die die römische Kirche unter der fränkischen Schutzmacht sahen – und sich nicht mit den Langobarden arrangieren wollte. In Martin II. (historischer Name: Hadrian I.) fand Karl den geeigneten Pontifex. Der stellte sich nämlich tatsächlich gegen Desiderius und dessen Wunsch, Karlmanns Söhne zu Königen zu salben. Die beiden Kinder befanden sich gemeinsam mit Gerberga weiterhin am Hofe von Desiderius in Pavia. Ihr Thronanspruch war eine Gefahr für Karls Alleinherrschaft. Als Karl der Große zu Weihnachten 775 in Rom eintraf, erneuerte er die von seinem Vater Pippin gegenüber Papst Stephan II. ausgesprochenen Schenkungsversprechen. Das war der Preis für Martins wohlfeile Politik.

    Zwischendurch erlaube ich mir mal, den Editor zu benutzen....



    Es dauerte nicht lange, bis die Sachsen die Abwesenheit starker fränkischer Kräfte ausnutzten. Dieses Mal scharten sich die Sachsen um einen Mann, der über ein ausgeprägtes Charisma sowie militärischer Brillianz verfügte: Widukind.



    Auch er ging mit den blitzartigen Attacken eines Guerilla gegen die Franken vor, um Karl zu besiegen. Die Franken brannten die Dörfer nieder, tauften oder verschleppten die Bevölkerung, verwüsteten die Kultstätten der Sachsen. Trotz aller Repressionen gelang es den Franken nicht, Widukind zu fassen. Niemand wollte oder konnte den Rebellenführer verraten, denn er verhielt sich cleverer als Wichimann vor ihm. War Gefahr in Verzug, ging Widukind über die Grenze, setzte sich ab zu den Dänen und war wieder zur Stelle, wenn Karl sich zurückgezogen hatte. An der Spitze seiner Truppen war er nicht zu sehen. Widukind war zu klug, um tollkühn zu sein. Karl wurde auch deshalb nicht mit den Sachsen fertig, weil es ihm nie gelang, die vier Teilstämme gleichzeitig zu stellen. Mal hatte er es mit den Engern zu tun, mal mit den Westfalen, mal mit den Nordalbingiern, mal mit den Ostfalen. Dieses höchst befremdliche Volk hatten keinen König, keinen Herzog, kein geographisches oder politisches Zentrum. Selbst im Krieg wählte jeder Stamm seinen eigenen Heerführer, wie Brun bei den Engern, Hessi bei den Ostfalen, Widukind bei den Westfalen. Beratungen und Beschlüsse fällten diese Stämme gemeinsam bei Treffen in Marklo. Marschieren und kämpfen taten sie anschließend jeder für sich.

    Innerhalb der Sachsen brodelte es aber. Die Edelleute standen gegen die Gemeinen, die Stämme hatten verschiedene Meinungen, wie man die Freiheit bewahren könne. Nicht wenige Adelige sahen das Heil ihres Stammes in der Versöhnung mit den Fremden, weil die Franken auf Dauer zu stark waren für Widerstand. Immerhin wüteten die Franken zum wiederholten Male in ihrem Land.



    Anders die Freien, die ohnehin die Hauptlast der Feldzüge trugen. Ihr Freiheitsdurst, ihr Glaube an die germanischen Götter war so mächtig wie ihr Hass auf die Franken. Das Misstrauen gegen die Adeligen wuchs, nachdem Karl die Verwaltung nach fränkischem Vorbild einführte und sich Angehörige sächsischer Adelshäuser als Grafen einsetzen ließen. Die sich anbahnenden verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Adel hüben und drüben betrachteten sie als Verrat. Die Freien waren immer zur Stelle, wenn Widukind zu neuem Widerstand aufrief.

    Karl rief nun die Ostfranken in seinen Krieg. Die befanden sich unter dem Kommando des Grafen Theoderich in einem Feldzug gegen die Slawen. Theoderich gab den Zug gegen die Slawen sogleich auf und rückte dorthin, wohin Karl ihn herbestellt hatte. Kundschafter berichteten, dass die Sachsen sich beim Sintelgebirge sammelten und offenbar zur Schlacht bereit waren. Und tatsächlich: In ihrem Zorn taten die Sachsen etwas, das sie bisher klug vermieden hatten. Sie stellten sich einer offenen Feldschlacht. An den nördlichen Hängen des Gebirges stünde Widukind mit 12.000 Mann, berichteten die Späher. Karl hatte trotz der eintreffenden Ostfranken keine 7.500 Mann unter seinem Kommando. Der König musste sich ganz auf seine gepanzerten Truppen und seine klugen Heerführer verlassen. Auf der anderen Seite befehligte mit Widukind ebenfalls ein militärisches Genie die zumeist leichten Truppen: Speerträger, Bogenschützen, leichte Reiter.
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    Karl der Große

    Auf der Südseite der Berge schlug Karl sein Heerlager auf, während die Ostfranken über die Weser setzten und sich dort verschanzten. Der König und der Graf beäugten sich misstrauisch, denn beide fürchteten, die Ehre des Sieges würde dem jeweils anderen zufallen. Als der Morgen des 19. Oktobers 776 anbrach, machten sich die Männer auf beiden Seiten bereit zum Kampf. Nachdem die Sachsen sich mit Kriegsgeschrei aufgestachelt hatten, jagten die Reiter mit ihren Pferden los, als gelte es, Fliehende zu verfolgen und nicht einem in Schlachtreihen stehenden Feind entgegen zu stürmen. So falsch der rasende Ritt, so schlimm der Kampf selbst. Von den Franken umzingelt, wurden sie reihenweise niedergemacht und blutig abgewiesen. Die sächsischen Bogenschützen konnten mit ihren Pfeilen nur wenig gegen die gut geschützten Franken ausrichten. Dann rückten die Reihen von Karls Heer vor und stürmten die feindliche Stellung. Jetzt wurden die leichten Fußtruppen, nur mit Holzschilden und wattierten Westen ausgerüstet, von den Franken in großer Zahl getötet. Wer konnte, floh vom Schlachtfeld. Am Ende des Tages lagen tausende Tote am Boden, zahlreiche Sachsen wurden gefangen genommen. Widukind floh in Richtung Holstein.



    Auf die Nachricht von Widukinds Entkommen folgte die Ankündigung einiger sächsischer Großen, den Franken weiter die Stirn bieten zu wollen. Alle Anstrengungen, die Sachsen zu bekehren und in das Reich einzubinden, schienen vergeblich zu sein. In den Jahrbüchern des fränkischen Reiches hieß es dazu: „Die Nachricht der sächsischen Fürsten brachte auf Karl den peinlichsten Eindruck hervor“. Mit deutlicheren Worten: Er verlor die Selbstbeherrschung und beschloss, ein Exempel zu statuieren.

    Der König erschien im Zentrum des Aufstandsgebiets und forderte die Edelinge auf, sich zu verantworten. Die meisten werden freiwillig gekommen sein, denn die Partei jener, die eine Aufnahme Sachsens in den fränkischen Reichsverband akzeptieren wollten, war gewachsen. Sie wurden aufgefordert, die am Aufstand beteiligten Männer dem König auszuliefern. Nach dem auch für die Sachsen geltenden Reichsrecht hätten sie Hochverrat begangen. Darauf stand die Strafe am Haupte. Dass sie vollzogen werden würde, glaubte niemand so recht. Hatten sich die Franken doch bei den vorangegangenen Aufständen mit der üblichen Prozedur begnügt: Unterwerfung, feierlicher Schwur, Stellung von Geiseln, Zwangstaufen. Bei Verden, wo die Aller in die Weser fließt, standen tausende Männer, die nun realisierten, dass ihnen der Tod bevorstand. Was genau an jenem Tag geschah, bleibt im Dunkeln. Die Reichsannalen vermelden lediglich, dass „die Bestrafung der Männer mit dem Tode, IIIID, so geschehen ist“. An der Deutung der Zahl, es handele sich um 4500 Getötete, darf jedoch gezweifelt werden. Andererseits: Dem König eine solche Tat nicht zuzutrauen, hieße aber, ihn tugendhafter zu machen, als es fast sämtliche christlichen Könige des Mittelalters gewesen sind. Das Niedermetzeln eines besiegten Feindes war damals üblich, es sei denn, man versprach sich mehr Vorteil von Sklaven oder Lösegeld. Zudem wurden die meisten Geiseln, die der König Jahr für Jahr mit sich nahm, regelmäßig getötet, sobald sich diejenigen, für deren Gehorsam sie bürgten, gegen den König erhoben.



    Um die Abschreckung zu steigern, wurde nun das bei der Reichsversammlung bei Lippspringe erlassene Gesetz, die „Capitulatio de partibus Saxoniae“, rechtskräftig. In barbarischer Strenge stand auf vierzehn Vergehen die Todesstrafe. Nachvollziehbar war das noch bei der Ermordung eines Geistlichen, der Brandstiftung einer Kirche, für die Planung eines Anschlags auf den König oder wegen eines Menschenopfers nach heidnischem Ritual. Es gab aber weitere todeswürdige Vergehen: Die Feuerbestattung, das Verstecken eines Taufverweigerers, das Brechen der Fastenzeit, und so weiter. Geldstrafen gab es für den, der sein Kind nicht im ersten Lebensjahr zur Taufe brachte, wer einen Eid außerhalb eines Gotteshauses leistete, wer den Bund der Ehe nicht vor einem Altar schloss, wer sich an Hainen und Quellen versammelte.

    Obwohl: Die Sachsen selbst werden die Gesetze nicht so grausam empfunden haben. Ihre eigenen waren von ebensolcher Härte. Was sie wirklich empörte, war die Pflicht zum Leisten des Kirchenzehnt. Die Sachsen sahen nicht ein, warum sie für einen Glauben, der ihnen per Zwangstaufe aufgezwungen worden war, auch noch bezahlen sollten. Der Zehnt wurde jährlich in Geld und Sachwerten entrichtet, so dass der Hass auf die Kirche Jahr für Jahr aufs Neue ausbrach. Jede Familie hatte einen Toten zu beklagen. Männer, die man hingerichtet hatte, als seien sie gemeine Verbrecher. Die Seele des stolzen Volkes war tief verletzt worden.

    Kaum rückte Karl mit seinen Truppen ab, riefen die Sachsen nach Widukind, der nach Dänemark geflohen war. Dort genoss er den Schutz des dänischen Königs. Wieder rückte Widukind in seine Heimat ein, scharte Gefolgsleute um sich und attackierte die fränkischen Besatzer.



    Karl entschloss sich, den Krieg zum ersten Mal als Winterkrieg weiterzuführen, um die Sachsen unmittelbar zu zerschlagen. Er ließ Hütten bauen für seine Krieger und zog mit seinem Hof in die Eresburg, deren eisig zugige Räume auch seine Familie teilen musste. Seit Ende 775 war Karl Vater eines Sohnes mit Namen Ludwig. Der Winterkrieg wurde zum schmutzigen Krieg, bei dem keine Schlachten geschlagen, keine Gefechte geführt, sondern nur verbrannt, zerstört, geplündert, gemordet, verstümmelt, vergewaltigt wurde. Mit der Strategie der verbrannten Erde sollten die Sachsen endlich in die Knie gezwungen werden. Der Terror wurde raffinierter, als sich Karl eines Mittels der alten Römer entsann: Der Umsiedlung ganzer Bevölkerungsgruppen. Statt wie bisher zwanzig oder dreißig Geiseln zu nehmen, verschleppte man tausende von Männern in entfernte Provinzen des Frankenreichs. Die Waisen und Knaben unter ihnen wurden in Kloster gesteckt, wo man sie zu Priestern ausbildete, damit sie später in ihrer Heimat das Wort Christi lehren konnten.



    Irgendwann muss Karl eingesehen haben, dass Widukind nicht zu fassen war. Er kannte jeden Weg und Steg in den endlosen Wäldern und Mooren, hatte todesverachtende Helfer. Ein lebender Widukind war schlimm, ein toter Widukind würde zum Märtyrer werden, das wäre schlimmer. Der König beschließt, den Krieg nach Dänemark zu tragen. Dorthin, wo Widukind immer wieder Schutz und Unterschlupf findet, wenn ihm die Franken auf den Fersen sind.

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    Karl der Große

    Es ist Karl bewusst, dass er Dänemark mit den verfügbaren Kräften unmöglich erobern und besetzen kann, nur um eines Mannes habhaft zu werden. Der Winter 781 ist zu seinem Glück ein ungewohnt milder. Die Verluste durch Hinterhalte, Erfrierungen, Krankheiten und Unfälle bleiben überschaubar unter seinen Soldaten. Die Franken wissen, dass sie Widukind nicht ergreifen werden, aber sie plündern Dänemark sehr gründlich.



    Im Frühjahr 782 erreicht Karl sein Ziel. Dem dänischen König ist die Last der fränkischen Invasoren zu schwer, als dass er sie wegen des unter seinem Schutz stehenden Gastes weiter erdulden will. Der König beschließt, den Kriegsherrn durch den Politiker abzulösen. Auch Karl will verhandeln, lässt Möglichkeiten einer Auslieferung erkunden. Nach wochenlangen Sondierungen hatte man Nachricht von Widukinds Bedingungen. Er verlangte die Zusicherung freien Geleits und die Gestellung fränkischer Geiseln. Für einen, der am dänischen Hof zum Spielball von Verhandlungen mit dem Feind geworden war, eine ungeheuerliche Forderung. Karl ging zur Überraschung seiner Berater darauf ein.



    In Attigny begegneten sie sich, die beiden Todfeinde. Karl hatte sein Wort gehalten und Widukind war sicher hierher geleitet worden. Der Sachse traf auf den König persönlich mit seinem Gefolge. Sie musterten sich prüfend, vielleicht mit heimlicher Verehrung. Und da sagte Widukind: „Dein Kindgott hat unsere alten Götter besiegt. So nimm mich denn hin, Sohn der Bertha.“ Und Karl erwiderte: „Du hast Deinen Schild über Sachsen gehalten, aber er ist von meinem Schwert zerschellt. Nun wollen wir Freundschaft halten.“

    Nun war er dran mit der Erfüllung seiner Verpflichtung aus dem Friedensschluss. Es ging zum Taufbecken. Dort hatte Widukind die Fragen der Priester zu beantworten:

    „Widersagst Du dem Teufel?“ - „Ich entsage dem Teufel“.
    „Und allen Teufelswerken?“ - „Ich widersage allen Teufelswerken“.
    „Widersagst Du dem Donar, Wotan, Saxnot und allen ihren Unholden?“ - „Ich widersage“.
    „Glaubst Du an Gott den allmächtigen Vater?“ - „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater“.
    „Glaubst Du an Christ, den Sohn Gottes?“ - „Ich glaube“.
    „Glaubst Du an den Heiligen Geist?“ - „Ich glaube.“

    Widukind war nun Christ.

    Viel Blut war geflossen, Tausende waren hingemordet worden, Zehntausende auf den Schlachtfeldern geblieben. Und der Mann, der die Seele des Widerstands gewesen war, gibt den Kampf auf und lässt sich taufen. Wen erstaunt es, dass die Kirche hierfür ein Wunder verantwortlich machte. Und Bonifatius höchstselbst soll den Taufakt zelebriert haben. Der aber war bereits 31 Jahre im Himmel. Es schien, dass er tatsächlich des Kämpfens müde war. Selbst seine treuesten Anhänger hätten es ihm nicht verziehen, hätte er nur zum Schein seinen alten Glauben aufgegeben. Freunde wurden Widukind und Karl natürlich nicht. Doch der König schien nach jahrelangem Kampf am Ziel.

    Einige Wochen nach diesem Ereignis wurden die Zeiger in der Politik des Kirchenstaates wieder auf Null gestellt. In den vergangenen Jahren hatte Karl stets auf die wohlwollende Politik des Papstes Martin II. bauen können, der sich eng an die Franken band und sich gegen die Langobarden stellte. In diesem Fall war Karl weniger erfolgreich bei der Auswahl eines Kandidaten. Da in Rom keine fränkischen Truppen standen, setzten sich bei den Straßenschlachten in der Stadt die Anhänger der langobardenfreundlichen Kräfte durch. Ihr Kandidat war Lucius II. aus dem vornehmen Geschlecht der Spinola, einer einflussreichen Sippe Genuas.



    Lucius II. war klug genug, sich nicht in direkte Konfrontation zu Karl zu begeben. Er lavierte erfolgreich zwischen den beiden Königen Desiderius und Karl hin und her, um seine eigenen Interessen zu wahren. Besonderes Interesse hatte der neue Papst an der theologischen Streits um die Bilderverehrung, die 754 verdammt worden war. Lucius ließ sie 787 wieder zu. Karl lehnte das ab und ließ die römischen Beschlüsse auf einer Synode in Frankfurt verwerfen.
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    Geändert von Mark (24. April 2016 um 10:40 Uhr)
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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