Die kommt jetzt -
Der Zweikampf
Der brüchige Frieden hatte ungefähr ein Jahr lang Bestand. In dieser Zeit war Rudolf damit beschäftigt, sein Österreich zu konsolidieren, 1277 tobte nach einer Missernte eine Hungersnot in dem Land, die anti-schwäbische Ressentiments entzündete. Okay, es waren nicht alleine Hunger, erhöhte Steuerlasten und allgemeiner Unmut über die Fremdherrschaft, die die Wiener erzürnten. Der fromme Rudolf hatte auch noch angeordnet, die Hübschlerinnen (Prostituierte) als Verfemte einzustufen. Die Damen mussten fortan nicht nur eine Steuer bezahlen, sie mussten sich Sonntags und während der gesamten 40tägigen Fastenzeit vor Ostern aus der Stadt entfernen. Da ging so manchen lebenslustigen Wiener Handwerksburschen die Galle über!
Und Ottokar führte in Böhmen Krieg gegen Zawisch und sein Haus der Witigonen, um die volle Kontrolle über sein Königreich zurückzuerlangen. Konkreten Ärger zwischen den beiden Königen gab es wegen dieser Familie ab Herbst 1277, weil Ottokar dem Habsburger vorwarf, diesen innenpolitischen Gegner zu unterstützen. Darauf hatte Rudolf geantwortet, dass es gemäß des Waffenstillstands sein Recht sei, „seine Diener“ zu unterstützen: Die Witigonen unter Zawisch seien in dem Wiener Frieden nicht eingeschlossen gewesen, denn sie seien Landangehörige und ihm durch den Lehnseid verpflichtet. Damit revanchierte Rudolf sich offenbar für die Interventionen Ottokars zugunsten einiger österreichischer Adeliger, die dem Habsburger nicht folgsam genug entgegentraten. Das war aber etwas anderes als die Gewalt, die die Witigonen in Böhmen gegen Ottokars Besitz an den Tag legten. Über diese Feinheit des Waffenstillstands, wer denn nun mehr wessen Gefolgsmann sei - ließ sich vortrefflich streiten. Formal war Rudolf wohl im Recht, doch er überspannte den Bogen: Ottokar brach nach dieser Antwort nämlich die Verhandlungen mit dem König ab.
Im November 1277 verhandelte der Habsburger mit dem ungarischen König Ladislaus über ein neues Bündnis, er brauchte wieder eine Koalition gegen den Böhmen. Damit kam er Ottokar zuvor, der seinerseits diplomatische Fühler zu dem Kumanen ausgestreckt hatte. Der Böhme musste sich andere Freunde suchen. Zum einen spielte er bei den slawischen Nachbarn die antideutsche Karte aus und appellierte an ihre Solidarität. Zum anderen schmierte er den niederbairischen Herzog Heinrich von Wittelsbach, der ja schon 1276 in seiner Parteinahme schwankend gewesen war. Heinrichs Haltung zeigte sich, als er den aus Österreich geflohenen Ritter und Handelsherr Paltram bei sich Schutz gewährte, nachdem er wegen eines aufgeflogenen Umsturzplanes vor Rudolfs Häschern hatte fliehen müssen (Rudolf rächte sich an Herzog Heinrich, indem er sich 1279 das 1276 an Heinrich verpfändete Oberösterreich unter Androhung von Waffengewalt zurückholte). Nicht alleine Heinrich, auch andere deutsche Fürsten hatten kein Interesse an einer neuerlichen Niederlage Ottokars und ein Ausgreifen der Habsburger Macht bis nach Prag. Durch den Frieden von 1276 war ein Machtgleichgewicht entstanden, das die Fürsten so beibehalten wollten. Finanzielle Unterstützung durfte Rudolf aus dem Reich nicht erwarten: „Sie scheuen eine Obermacht und wollen nichts wissen von einem machtvollen Kaiser.“ Diese Wahrheit, die einst Ottokar die deutsche Königskrone gekostet hatte, begann sich jetzt gegen Rudolf zu kehren.
Ottokar war 1278 entschlossen, die Schlappe von 1276 auszuwetzen. Ist ja kein Wunder, bei dem Meinungsmalus, den der Entzug der Titel mit sich führte. Die Umstände waren nicht schlecht für ihn: Der römische König war erst dabei, in Österreich Fuß zu fassen und erfreute sich wegen hoher Steuern wenig Beliebtheit bei seinen neuen Untertanen. Die Verschwörung des Paltram hatte Ottokar gezeigt, dass Rudolf in Österreich Feinde hatte. Überdies verfügte der Habsburger über keine nennenswerte militärische Macht. Das Reichsheer, mit dem er 1276 den Böhmen meisterhaft und beinahe ohne Schwertstreich ausmanövriert hatte, war längst aufgelöst. Mit den eigenen Rittern konnte Rudolf gerade einmal die österreichischen Bürger in Schach halten. Den Kurfürsten, die ein neues Reichsheer aufstellen könnten, war Rudolf inzwischen zu mächtig geworden. Da halfen auch die Heiratsverbindungen, die er zu den Fürsten hergestellt hatte, wenig. Er war nicht mehr die gekrönte Marionette, die sich die Großen wünschten. Die deutschen Fürsten hielten sich bei dem anstehenden Konflikt abseits, und jene, die auf der Seite des Habsburgers einzugreifen bereit gewesen wären, wurden durch Herzog Heinrich Blockade in Niederbaiern am Durchzug gehindert. Selbst Rudolfs eigener Sohn Albrecht ließ sich für sein Fernbleiben entschuldigen. Nur die Ungarn und Teile des österreichische Adels würden tatsächlich in Rudolfs klar unterlegenem Lager stehen, wenn es zur Schlacht kommt.
Ende Juni 1278 verließ Ottokar seine Hauptstadt Prag, Klerus und Volk geleiteten ihn unter lautem Wehklagen, so, als ahnten sie, dass er nie mehr wiederkehren würde. Er selbst strotzte aber vor Zuversicht. In Brünn hatte Ottokar sein Heer sammeln lassen, es kamen Truppen aus Böhmen und Mähren, aus Meißen und Thüringen, Brandenburg und Baiern, aus Polen und Schlesien. Die meisten wollten nicht aus Idealismus oder purer Begeisterung für die Sache Ottokars ihr Leben wagen, sie waren Söldner, vom Böhmenkönig gekauft für die Dauer der Heerfahrt. Oberflächlich war seine Zuversicht berechtigt, doch Rudolf war ein von 40jährigem Kriegerdasein gestählter Mann von Format. Es gelingt ihm immerhin, unter anderem bei dem Nürnberger Hohenzollern Friedrich, dem neuen Basler Bischof Heinrich von Isny (ein loyaler Mann einfacher Herkunft, den Rudolf auf diesem Posten installiert hat), auch aus dem Elsass kommen Truppen. Sie alle nehmen teils abenteuerliche Umwege über Tirol, um an Niederbaiern vorbei nach Österreich zu gelangen. Am 6. August lagern auch die ungarischen Truppen des Ladislaus bei Pressburg, er ist gekommen. Rudolf hat zumindest die akute Krise überstanden, denn mit den paar Soldaten, die ihm noch im Juni lediglich zur Verfügung gestanden hatten, wäre er in Wien einfach vom böhmischen Heer überrannt und gefangen genommen worden. Auch im August 1278 war der Habsburger noch deutlich unterlegen, aber er hatte jetzt immerhin eine Streitmacht bei sich. Wo war Ottokar in diesen entscheidenden Wochen geblieben?
Der Böhme war am 15. Juli von Brünn aufgebrochen. Doch nicht südwärts wandte er sich, zum Handstreich gegen das nur schwach verteidigte Wien, sondern nach Südwesten, und belagerte die kleine Stadt Drosendorf drei Wochen lang, so als wäre diese unbedeutende Festung der Nabel der Welt. Für spätere Militärhistoriker blieb Ottokars Vorgehen ein Rätsel. Er verplemperte wertvolle Zeit und gestattete seinem Gegner, sich zu wappnen. Vielleicht wollte der Böhme ganz sicher gehen und wartete während der Belagerung weitere Verstärkungen ab. Möglicherweise hielt ihn auch ein ungünstiges Horoskop von einem schnellen Einmarsch nach Österreich ab. Den abergläubischen Faktor darf man nicht unterschätzen, auch Rudolf kämpfte aus diesem Grund mit Vorliebe an Freitagen. Der römische König saß nicht mehr lange in Wien, er zog Mitte August dem ungarischen Heer entgegen und vereinigte seine Truppen mit den magyarischen. Von Pressburg zog Rudolf dann zur strategisch günstigen Festung Marchegg, um den Feind zu erwarten. Ironischerweise hatte Ottokar diese Burg errichten lassen, jetzt diente sie seinem Widersacher als Stützpunkt.
Man müsste meinen, dass Ottokar nach der Eroberung von Drosendorf (4. August 1276) rasch zur Entscheidungsschlacht eilen würde, bevor Rudolf sich in eine taktisch gute Lage aufstellen würde. Doch der Böhme zauderte weiterhin, er verschwendete noch mehr Zeit, dieses Mal mit der Belagerung der kleinen Festung Laa. Vielleicht wollte Ottokar seinen erfolgreichen Feldzug von 1260 kopieren, bei dem er ebenfalls nach der Einnahme von Drosendorf und Laa ins Marchfeld gezogen war und dort den ungarischen Heerbann König Belas vernichtend geschlagen hatte. Dank Ottokars Zögern konnte der neuerliche Aufmarsch der ungarischen Armee bei Marchegg ungestört vonstatten gehen. Die Ungarn stellten im Heer hauptsächlich leichte Reiterei, für das eigentliche Schlachtgetümmel nicht zu gebrauchen, aber mit dem weitreichenden Reflexbogen bewaffnet und auf flinken Pferden unterwegs, wertvoll als Aufklärer und Plänkler. Nur die hohen Adeligen waren besser ausgerüstet, doch hatten auch sie keine „verdeckten Rosse“, die einem Zusammenprall in Kampf wohl standhalten konnten. Die schwere Reiterei wurde von den deutschen und österreichischen Rittern gestellt. Alleine der Erzbischof von Salzburg schickte ein Kontingent von angeblich 300 Berittenen, eine respektable Streitmacht. Trotzdem war Rudolfs Heer in der Unterzahl, die Moral wurde oben gehalten durch die Lüge, des Königs Sohn Albrecht sei bereits mit 500 Rittern Verstärkung im Anmarsch (was nicht stimmte).
Wie stark Ottokars Heer war und was es tat, wusste der Habsburger dank der ungarischen Aufklärer recht gut. Diese leichten Reiter verzichteten entgegen ihrer Gewohnheit auf das Beutemachen und begnügten sich damit, einige böhmische Soldaten zu töten und ihnen in aller Eile die Hälse durchzuschneiden, bevor sie sich zurückzogen. Die Köpfe der Getöteten nahmen sie mit in ihr Lager und legten die Trophäen dem römischen König zu Füßen. Wie Rudolf von Habsburg diese grausigen Geschenke aufnahm, ist nicht überliefert. Dank der Aufklärung der Kumanen und der Passivität des Gegners konnte Rudolf mit seinem Heer am Abend des 23. August 1278 ungestört den beherrschenden Höhenrücken bei Dürnkrut in Besitz nehmen, eine taktisch gute Position. Von dieser Anhöhe aus konnte der Habsburger, wenn er hinab nach Norden blickte, in der Ebene die Wachtfeuer des böhmischen Lagers erblicken. Berücksichtigte man sowohl die militärischen Kräfte und die Geländevorteile, waren beide Seiten nunmehr wohl gleichstark.
In der Ebene erstreckte sich das fruchtbare Kruterfeld, es glich in seiner Topographie einem Turnierplatz oder einer Arena, ideal für eine Schlacht. Hier sollten die beiden Könige ihre Kräfte messen, hier sollte die Entscheidung fallen. Endlich würden die Waffen entscheiden über diesen jahrelangen Zwist, dem Kampf kann jetzt keiner mehr ausweichen. Zwei volle Tage, Mittwoch, den 24., und Donnerstag, den 25. August, standen die Heere einander in Sichtweite gegenüber, ohne dass es zum Waffengang kam. Wie gesagt, der Habsburger bevorzugte das Kämpfen an Freitagen und ließ seinem Kontrahenten den 26. August als Termin für die Schlacht vorschlagen. Ottokar, ganz Ritter, akzeptierte dies offenbar. Die Zeit nutzte der erfahrene Feldherr Rudolf, um seine Leute noch ein wenig vorrücken zu lassen, und zwar über den sumpfigen Weidenbach. Den hatte er nun im Rücken und nicht mehr vor sich, der tiefe Boden wäre sonst ein ernstes Hindernis für die schwere Reiterei geworden. Rudolf hätte sich auch in der Defensive halten können, hinter dem Weidenbach bleiben und abwarten, bis der Feind angreift. Doch Defensive war seine Sache nicht, zielstrebig wollte Rudolf die Entscheidung.
Den Schlachtplan hatte sich der Habsburger schon zurecht gelegt. Er wollte seine Streitmacht in drei Treffen teilen, die nacheinander in den Kampf geworfen werden. Die Ehre des Vorstreites überließ er den Ungarn im ersten Treffen. Die flinken Kumanen sollten Ottokars Schlachtordnung mit einem Hagel von Pfeilen überschütten und Verwirrung stiften. Ins zweite Treffen stellte er die Österreicher, das dritte führte Rudolf selber an, um sich herum die verlässlichsten Gefolgsleute aus der Steiermark, aus Schwaben und dem Elsass, auch die Kärntner und Krainer sollten in diesem dritten Treffen kämpfen. Ähnliche Dispositionen waren üblich in dieser Zeit, auch Ottokar teilte sein Heer in drei Treffen ein. Die Schlacht sollte ja gewöhnlich nicht der physischen Vernichtung des Gegners dienen, sondern eine Art letztes Beweismittel sein, wer von den Kontrahenten denn wirklich im Recht war. Ein festes Ritual hatte sich da eingebürgert, das im allgemeinen von beiden Parteien beachtet wurde. Wie beim Turnier ritten die Ritter auf ihren verdeckten Rossen in langer Reihe gegeneinander und versuchten, mit der Lanze ihren Gegner aus dem Sattel zu stechen. Wer herunterfiel, wurde zertrampelt oder erschlagen, sofern er Pech hatte. Hatte er aber Glück und bat den Sieger um Gnade, erhielt diese im allgemeinen gewährt. Der Besiegte musste sich verpflichten, nicht mehr ins Kampfgeschehen einzugreifen, er galt als Gefangener. Von ferne schaute er dann dem Hauen und Stechen zu und wartete ab, wie die Dinge sich entwickelten. Der ritterliche Ehrenkodex verbot ihm, etwa zu flüchten oder gar sich neuerlich ins Schlachtgetümmel zu stürzen. Nach einem Kampf, der selten länger als ein paar Stunden währte, war jene Partei Sieger, die das Schlachtfeld behauptete.
Ottokar ging zuversichtlich in die Schlacht, seine Überlegenheit an schwerer Reiterei war sein Trumpf, denn sie war der entscheidende Truppenteil. Rudolf freilich konnte sich nicht an starre Regeln halten, wenn er seine Siegchancen wahren wollte: Er war bereit, sich über ritterliche Regeln hinwegzusetzen. Dass dabei die Gesetze der Fairness auf der Strecke bleiben würden, nahm er in Kauf. Ein Kontingent von 60 Rittern sollte nicht in der Schlachtreihe fechten, sondern heimlich in die Hügel des Hochfeldes reiten, wo es den feindlichen Blicken entzogen war, und dort als Reserve abwarten, bis sie Befehl zum Angriff in die feindliche Flanke erhielten. Den Grafen Heinrich von Pfannberg wählte Rudolf am Vorabend der Schlacht als Führer dieser Gruppe aus, doch der sonst treue Diener weigerte sich, solch einen feigen und unritterlichen Auftrag zu übernehmen. Der Habsburger war klug genug, den Ehrbegriff des steirischen Grafen zu respektieren und wählte schließlich den Österreicher Konrad von Summerau sowie den Steirer Ulrich von Kapellen aus - wobei die beiden über die zweifelhafte Ehre auch nicht glücklich waren. Verdrossen zogen sie im Lager umher und entschuldigten sich bei ihren Standesgenossen wegen dieser Verletzung des ritterlichen Ethos.