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Thema: Eine civilisierte Geschichte Deutschlands

  1. #511
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    Das war die existenziellste Krise, der sich die Menschheit jemals gegenüber sah. Und die Gesellschaften der verschiedenen Kulturen und Nationen reagierten auch ganz unterschiedlich auf diese Bedrohung. Fangen wir mit den Ereignissen in Nordamerika an: Dort waren seit dem Fund des Monolithen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die christlichen Rechten erstarkt. Anhänger und Gegner des Raumschiffbaus unter den Religiösen hielten sich zunächst die Waage. Doch mit dem Ausbruch der Tiberiumverseuchung 1950 war klar, dass die amerikanischen Christen dies alles als gottlos verurteilten. Die christlichen Rechten nahmen über das Fernsehen starken Einfluss auf die öffentliche Meinung und die politischen Entscheidungen. Die Verseuchung der Erde durch das Tiberium bezeichneten sie als Strafe Gottes für das lästerliche Treiben der Anderen. Das konnte wahlweise der Raumschiffbau sein, der mit dem Turmbau zu Babel verglichen wurde. Oder die Wissenschaft, die auf ihrer Suche nach den grundlegenden Antworten nicht nach Gott fragte. Oder das Tolerieren von Homosexualität durch liberale Zeitgenossen. Gewöhnlich war es eine Mischung aus allen möglichen Punkten, die die rechten Christen als Grund für die Gottesstrafe anführten.

    Am 2. Juli 1960 standen unter dieser aufgeheizten Atmosphäre die politischen Wahlen in Kanada an. Das Land war bisher nicht unmittelbar von der Tiberiumverseuchung betroffen, doch an der US-Ostküste waren bereits weite Gebiete verloren. Mit kräftiger finanzieller Unterstützung der rechten Christen der USA gewannen die “Bibeltreuen Christen Kanadas“ die Wahl mit fast 40% der Stimmen und gingen eine Koalition mit der Konservativen Partei ein. Die Regierung ging sogleich daran, das Land auf einen stramm religiösen Kurs zu bringen. Der Premier erklärte, dass Gott alle Menschen in diesen Tagen der Zerstörung prüfe und ein jeder sich zu Jesus Christus bekennen müsse, um seine Seele zu retten. Das Ende der Welt stünde bevor, und mit dem Ende würde der Antichrist sich über den Erdball erheben und die Völker verführen. Der Versuch, das Tiberium mit industriellen Mitteln zu bekämpfen, oder Hoffnungen in den rechtzeitigen Bau des Raumschiffes zu setzen, seien vergebliche Irrungen der Verblendeten. Nur wer standhaft bis zum Tode bleibe, könnte jetzt noch gerettet werden.



    In Westeuropa setzte man auf die Bekämpfung und Erforschung des Tiberiums. Hier hoffte man darauf, der Bedrohung Herr zu werden, sobald man die Natur dieser außerirdischen Kristalle – oder Lebensform? – nur verstehen würde. Antworten darauf sollte der bemannte Flug des Raumschiffes zum Jupitermond Europa geben, wo man den riesigen Monolithen untersuchen wollte. Doch der Bau des Raumschiffes war ins Stocken gekommen, was angesichts der Kontamination weiter Landstriche und dem Massensterben der Menschen zwangsläufig war. Die Not leidende Bevölkerung hatte zudem wenig Verständnis für das Festhalten der deutschen Regierung an diesem Projekt. Das Unheil nahm weiter seinen Lauf.

    In die beschädigten Häuser auf dem europäischen Kontinent drangen erkrankte Kleintiere ein und trieben ihr Unwesen im Inneren der Gebäude. Eichhörnchen, Marder und Eidechsen nagten Nisthöhlen in das Ständerwerk, während Spechte den Wänden von der anderen Seite zu Leibe rückten. Auch wenn ihnen anfangs die angeblich unverwüstlichen Fassadenkleidungen aus Aluminium, Vinyl oder den wartungsfreien Zementfaserprofilen das Leben schwer machten, brauchten sie nicht lange zu warten, bis das Tiberium den meisten dieser Werkstoffe ein Ende bereitete. Die ursprünglichen Farbimprägnierungen der Gebäude waren schon fast verschwunden. Während das kontaminierte Wasser sich unaufhaltsam seinen Weg in Schnittkanten hinein suchte und durch die Löcher sickerte, die einst Nägel gefüllt hatten, machten sich das Tiberium über die organischen Baustoffe her und ließen nur einige Mineralien zurück. Abgefallene Vinylverkleidungen, deren Farbe rasant verblasste, waren spröde und brüchig geworden, da das Tiberium ihre Weichmacher zersetzte. In das Aluminium hatte es dagegen kleine Löcher gefressen, in denen eine körnige weiße Schicht zurück blieb. Verzinkte stählerne Heizungszüge und Kühlschächte wurden innerhalb weniger Jahre in Zinkoxid umgewandelt. Jetzt war die Verzinkung zerfressen, und die ungeschützten dünnen Stahlbleche zerfielen in Windeseile. Schon lange zuvor waren die wasserlöslichen Bestandteile des Rigips im Erdreich versickert und in den kontaminierten Gebieten stand von den meisten Gebäuden nur noch der Schornstein. Doch auch von diesen fielen die Ziegel nach und nach herab und zerbrachen, weil der Kalkmörtel unter dem Einfluss der Temperaturschwankungen bröckelig wurde und zu Staub zerfiel.



    Im Mittelmeerraum zerfielen die vormals von Touristen bevölkerten Hotelanlagen an den Stränden. Wo einst ein Swimmingpool war, fand man jetzt einen mit Tiberium verseuchten Blumenkasten, denn in den Becken wuchsen entweder die Aussaat jener Ziersträucher und Bäume, die einst nur die Gärten schmückten, oder heimische Laubhölzer, einst an den Rand der Hotelanlagen abgedrängt, wo sie auf ihre Chance zur Rückeroberung des Terrains lauerten. Die verseuchten Bäume waren eine fremdartige Verbindung mit dem außerirdischen Tiberium eingegangen und bliesen Sporen in die Luft. Diese Sporen wurden von wissenschaftlichen Mitarbeitern eingesammelt und zur Untersuchung in die deutschen Laboratorien geschickt. Überall in Deutschland konzentrierten sich die Städte darauf, entweder den Bau des Raumschiffes weiter zu treiben, oder es wurden Laboratorien eingerichtet, die sich der Tiberiumforschung widmeten.

    Wenn die verlassenen Häuser über Keller verfügten, so füllten sich auch diese mit Erde und dem pervertierten Pflanzenleben. Verseuchte Sträucher rankten in unheimlichem Wachstum an stählernen Gasleitungen empor, die unter dem Einfluss des Tiberiums in kurzer Zeit zu Rost zerfielen. Die weißen PVC-Rohre in den Bädern und Küchen nahmen eine gelbliche Färbung an und wurden an der dem Licht zugekehrten Seite dünn. Dort hatte das Tiberium das Chlorid zu Salzsäure verwittert, die nun sich selbst und das Polyvinyl in seiner Umgebung auflöste. Nur die Kacheln in den Badezimmern der deutschen Haushalte waren relativ unverändert geblieben, da die chemische Eigenschaft gebrannter Keramik offenbar nicht mit dem Tiberium reagierte – auch wenn die Kacheln nun, mit verseuchten Pflanzen vermischt, am Boden lagen.



    Deutschland hatte sich trotz der apokalyptischen Ereignisse bisher ein bemerkenswertes Maß an gesellschaftlicher Freiheit bewahren können. Es gab einerseits die kontaminierten Gebiete, über die die deutsche Regierung den Ausnahmezustand verhängen musste. Andererseits fanden noch immer, wie in Friedenszeiten, freie Wahlen im Land statt. Das Krisenmanagement der Regierung Schröder, im Rückblick gesehen, noch nicht einmal schlecht gewesen, doch damals sahen die Menschen vor allem das, was sie nicht zu schaffen vermochte.

    Nach der Niederlage der SPD bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 1961 erklärte Gerhard Schröder, er wolle so bald wie möglich Neuwahlen auf Bundesebene erreichen, da er die Grundlage für seine Politik in Frage gestellt sehe. Am 1. Juli 1961 stellte er im Bundestag die Vertrauensfrage. Sie endete mit 151 Ja-, 296 Nein-Stimmen und 148 Enthaltungen. Damit war die notwendige Kanzlermehrheit nicht erreicht. In der Öffentlichkeit wurde als rechtlich problematisch diskutiert, dass der Kanzler die Absicht hatte, in der Abstimmung zu unterliegen. Gerhard Schröder beantragte nach der Abstimmung bei Bundespräsident Horst Köhler die Auflösung des Deutschen Bundestages. Köhler entsprach dem Antrag am 21. Juli und setzte Neuwahlen für den 18. September 1961 an.



    Bei dieser Wahl erreichte die SPD 34,2 % der Stimmen und damit 222 von 614 Sitzen. Sie ging damit aus den Wahlen als stärkste Partei hervor, war aber auf Grund der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU nur zweitstärkste Fraktion im Deutschen Bundestag. Die Grünen errangen 51 Sitze. Für den Fall einer möglichen großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD beanspruchte Schröder zunächst entgegen der Tradition, nach der immer die stärkere Fraktion einer Koalition den Regierungschef stellt, das Amt des Bundeskanzlers weiterhin für sich, erklärte aber später indirekt seine Bereitschaft zum Verzicht auf eine Führungsrolle in einer neuen Regierung. In diesem Zusammenhang bewertete der scheidende Bundeskanzler seinen Auftritt am Wahlabend 1961 auf den Rat seiner presseerfahrenen Frau hin als „suboptimal“. Schröder führte auch nach der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Oktober 1961 das Amt des Bundeskanzlers auf Ersuchen des Bundespräsidenten weiter, bis der Bundestag am 22. November 1961 Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt hatte. In ihrer Regierungserklärung vom 29. November 1961 lobte Angela Merkel Schröder für die Maßnahmen seiner Regierung im Rahmen der Tiberiumbekämpfung.

    Angela Merkel (ab 1961)



    Zu Beginn der Legislaturperiode traten Merkel und ihr Kabinett weder außen- noch innenpolitisch in besonderem Maße in Erscheinung. Lediglich Merkels Minister sorgten für einige Schlagzeilen, die sich aber mehr auf Kompetenzfragen oder die langfristige Ausrichtung der Regierungsarbeit als auf konkrete Sachfragen bezogen. Ende März 1962 legte Merkel ein Acht-Punkte-Programm für die zweite „Etappe“ der Legislaturperiode vor. Darin wurden geplante Anstrengungen in den Bereichen Tiberium- und Raumschiffpolitik, Forschung und Innovation, Energiepolitik, Haushalts- und Finanzpolitik, Familienpolitik, Arbeitsmarktpolitik und insbesondere Gesundheitsprogramme für Tiberiumgeschädigte skizziert. Ungeachtet des Fehlens einschneidender Maßnahmen stieß Merkels eher sachlicher Regierungsstil anfangs in der Bevölkerung und unter den Führungskräften der Wirtschaft überwiegend auf Zustimmung.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  2. #512
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    Das letzte Kapitel...

    XVIII. EINE CENTAURISIERTE GESCHICHTE DEUTSCHLANDS




    Auch in den Unabhängigen Staaten von Amerika standen nun, im Jahre 1962, wieder die Präsidentschaftswahlen an. Formell waren sie demokratisch, doch sie standen unter ganz anderen Vorzeichen als die bisherigen Wahlen. Die Demokraten hatten bei den Vorwahlen im Jahre 1961 glänzende Erfolge mit ihrem Kandidaten Barack Obama erzielt, und es war klar, dass er der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei sein würde. Die Kandidaten der Republikaner dagegen blieben neben dem charismatischen Obama meist glanzlos und reagierten mit einer schrillen Kampagne, bei dem sie die Präsidentschaftswahl von 1962 zur Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse, Christentum und gottlosen Sozialismus machten. Am 14. Januar 1962 erlitt der betagte Kandidat der Konservativen, Mc Cain, einen Schlaganfall und verstarb einige Tage später. Die Präsidentschaftswahl drohte wegen dieses Verlustes für die Republikaner endgültig verloren zu gehen, obwohl sie unter den Mächtigen des Landes finanzstarken Rückhalt genossen. In dieser Situation okkupierte George W. Bush das Amt des Präsidenten, indem er kurzerhand einen Gesetzesentwurf einbrachte, der ihm entgegen der amerikanischen Verfassung eine weitere Amtszeit ermöglichen sollte. Die Abstimmung über das Gesetz geriet zum Todeskampf der amerikanischen Ideale, doch die konservativen Eliten schalteten den Widerstand der liberal gesinnten Politiker aus. In der ersten Jahreshälfte 1962 erfolgten Festnahmen und Anklagen gegen freiheitliche Politiker, denen wahlweise Korruption, Sexaffären, Vergewaltigung, Versagen bei der Tiberiumbekämpfung oder anderes vorgeworfen wurden. Die USA standen wegen dieser Ereignisse am Rande eines Bürgerkrieges, doch die rechten Konservativen standen als Sieger dieser Auseinandersetzung bereits fest. Die Ostküste der USA war immer das Zentrum liberaler politischer Ansichten gewesen, doch jetzt war sie durch die Tiberiumverseuchung unbewohnbar geworden. Die Auffassungen, wie sie im „Bible Belt“ verbreitet waren, dominierten die öffentliche Meinung. Nach diesen ersten Erfolgen gegen seine politischen Gegner ging die Bush-Administration noch einen Schritt weiter und erklärte die Präsidentschaftswahl wegen der aktuellen Tiberium-Notstands für auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Abgeordnetenwahl zur Bestätigung der dritten Amtszeit von George W. Bush war somit lediglich eine Schimäre, die nur vordergründig verdecken sollte, dass die USA sich von ihren freiheitlichen Idealen verabschiedet hatte und zu einer christlich-autoritären Herrschaft degenerierte.

    Nach der „Wiederwahlwahl“ von George W. Bush zum Präsidenten der Unabhängigen Staaten von Amerika gratulierte Merkel ihm zu seinem „historischen Sieg“. Bei ihren ersten Treffen betonten beide ihre gemeinsame Linie zum Beispiel in den Fragen der Tiberiumbekämpfung oder der gemeinsamen christlichen Werte ihrer Länder. Das konnte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die USA und Deutschland eben nicht mehr gemeinsamen Werten verpflichtet waren. Während in Europa der ökologischen Frage, die das Tiberium aufwarf, größte Bedeutung zugemessen wurde, wurden in den USA die Mittel für Umweltprogramme zugunsten religiöser Institutionen gestrichen.



    Als das Jahr 1963 anbrach, war von der Welt, wie man sie einige Jahre vorher noch gekannt hatte, nicht mehr viel übrig geblieben. Die Lebensbedingungen, mit denen die Menschen zurechtkommen mussten, hingen davon ab, an welchem Ort der Welt sie lebten. In den gemäßigten Breitengraden befanden sich verseuchte Wälder an der Stelle der Vorstädte. Zwischen den entarteten Bäumen fanden sich unter dem sprießenden Unterholz die Reste der Zivilisation – Aluminiumteile von Geschirrspülern und Kochtöpfe aus Edelstahl, deren Kunststoffgriffe zersetzt, aber noch stabil waren. Das Aluminium hielt sich recht beständig unter der Tiberiumbelastung. Für die Werkstoffprüfer erwies sich, dass es nur langsam korrodierte und zerfiel. Das konnte man vorher nicht wissen, denn Aluminium war ein relativ neues Material, das den früheren Menschen unbekannt gewesen war. Sein Grundstoff musste elektrochemisch bearbeitet werden, um das Metall zu gewinnen.

    Die Chromlegierungen, die dem Edelstahl seine Elastizität verliehen, erfüllten trotz der Kontamination mit Tiberium weiterhin diese Aufgabe. Diejenigen, die bereits den Untergang jeglicher menschlicher Zivilisation befürchteten, prophezeiten, dass in tausend Jahren irgendwer diese Töpfe, Pfannen und Bestecke gebrauchsfertig ausgraben würde und dank dieser Werkzeuge unvermittelt auf eine höhere Evolutionsstufe katapultiert würde. Die Erkenntnis unserer Nachfahren, diese Objekte nicht nachbauen zu können, würde sicherlich eine niederschmetternde Enttäuschung sein. Oder in ihrer Rätselhaftigkeit der Ansatzpunkt einer neuen Religion.



    In den Gegenden der Erde mit trockenem und heißem Klima zerbröselten die Kunststoffbestandteile des modernen Lebens rascher, da sich das Tiberium hier massiver ausgebreitet hatte und da die Polymerketten unter dem fortwährenden Beschuss von Ultraviolettstrahlung zerfielen. Angesichts geringerer Feuchtigkeit war Holz dort haltbarer, während alle Metalle im salzigen Wüstenboden schneller rosteten. Lediglich dickes Gusseisen zeigte sich beständiger. In den schwer verseuchten Gebieten der Sahara gehörte der seltsame Anblick von Hydranten, die zwischen den Kristallen der weitläufigen Tiberiumfelder aus dem Boden ragten, zu den wenigen Hinweisen, dass es hier noch vor kurzer Zeit Menschen gab. Backsteine und Rigipswände waren der Erosion in dieser Umgebung bereits zum Opfer gefallen. Hier und da lagen noch schmiedeeiserne Balkon- und Fenstergitter herum, wenn auch löchrig wie Tüll: Das Tiberium hatte sich wie Rost durch das Eisen gefressen und nur kristallines Gerüst hinterlassen.



    In den heißen Gebieten der Erde kam ein weiterer Umstand zum Tragen. Die Gebiete, in denen Menschen gelebt hatten, wurden wieder von dem Element in Besitz genommen, das die Menschen einst dorthin gelockt hatte: fließendes Wasser. Von Kairo bis Phoenix waren Wüstenstädte dort entstanden, wo Flüsse Trockengebiete bewohnbar gemacht hatten. Als ihre Zahl anstieg, unterwarfen die Menschen diese Wasseradern ihrer Kontrolle und leiteten sie in einer Weise um, die ein weiteres Bevölkerungswachstum ermöglicht hatten. Doch mit den wegen des Tiberiums aus diesen Gebieten verschwundenen Menschen zerfielen diese Veränderungen am natürlichen Lauf der Flüsse. Sie ergossen sich wieder über die ehemaligen Überschwemmungsgebiete und begruben in den folgenden Jahren nach und nach alles unter ihren Schlammschichten. Unter dieser Schicht wurden die womöglich letzten Zeugnisse der menschlichen Zivilisation konserviert: Hydranten, Lkw-Reifen, zertrümmertes Flachglas, Wohn- und Bürohäuser blieben unbefristet bestehen, den Blicken allerdings ebenso gründlich entzogen wie einst unsere fossilen Brennstoffe. Kein Denkmal kennzeichnete ihr Grab, erst Ewigkeiten später, wenn die alten Gebirge abgetragen und neue aufgeworfen werden, werden junge Ströme neue Felsschluchten durch Sedimentschichten graben und dabei offenbaren, wer hier kurze Zeit geweilt hatte.



    Die Vorstellung, die Natur könnte eines Tages etwas so Gigantisches und Festgefügtes wie eine moderne Großstadt schlucken, war vor 1950 nicht denkbar gewesen. Angesichts der ungeheuren Größe von Paris oder Hamburg war ein Verschwinden von der Landkarte schlicht unvorstellbar. Und nun zeigte sich, dass die Zeit, die das Tiberium brauchte, um sich aller Errungenschaften unserer urbanen Zivilisation zu entledigen, kürzer war, als man vermutet hatte.
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    Geändert von Mark (19. Mai 2010 um 18:14 Uhr)
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  3. #513
    Präsident Donald Avatar von MrPresident
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    Wie kann man nur

  4. #514
    Registrierter Benutzer Avatar von Lucca605
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    Die Story ist genial. Mal ein anderes Ende. Aber bitte, bitte, bitttttteee, lass die Welt nicht untergehen, dass kannt du nicht machen. Beim lesen beginnt man fast zu heulen.

  5. #515
    Blue Heeler Genießer Avatar von Baldri
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    Super, hatte ja noch Hoffnung, dass es eine Wende gibt, aber scheint ja nicht mehr so.

    Hallo.

  6. #516
    sumerischer Tukangott Avatar von Nanna
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    Die Menschheit wird sich aber mit einem Raumschiff nach Alpha centaurie retten.
    Naja zumindest die gesamte deutsche Menschheit.
    Dann gibt es nur noch gute Autos und gutes Bier und die ganze Welt mag Sauerkraut.
    Wer keine rundenbasierten Spiele mag, sondern lieber Echtzeit spielt sollte hier die Finger von lassen.

    Tukan Power!!!

    Prinz Sejong Aufbruch im Land der Morgenstille

  7. #517
    was guckst du Avatar von Big Fisch
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    Wie kann man sich nur so eine Mühe machen
    Zitat Zitat von Khaltaraz Beitrag anzeigen
    ...wenn du eine wunderschöne, üppige Frau aufreißt und als du das erste Mal deine Hände um ihre Brüste schließt enttäuscht murmelst: "Ein Wort, ich sage nur ein einziges Wort: Plastik"

  8. #518
    Iivakivi, iivakivi aita! Avatar von Jysys
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    Mittlerweile habe ich mich sogar mit dem Tiberiumkram angefreundet
    Vorsicht Schleichwerbung!

    Overlod Raising Hell: 4 Schergen für ein Halleluja

    [RaF] حسن غريب اليوم

    Zitat Zitat von wisthler Beitrag anzeigen
    Du bist ein Nazi und Jesus wäre dagegen. :nie:

  9. #519
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
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    Im Sommer 1963 unternahm eine deutsche-russische Forschergruppe eine Reise in das schwer verseuchte Kasachstan. Seit der Auslöschung der kasachischen Nation war das gesamte Territorium Sperrgebiet. Lediglich einige Blauhelmsoldaten mit schwerer Schutzkleidung patrouillierten noch in diesem Niemandsland. Die einstigen Bewohner waren entweder gestorben oder geflohen. Die Forschergruppe betrat ein unheimliches Areal. Vor allem beeindruckten sie die Spuren der überstürzten Flucht der Bewohner. Die Deutschen betraten ein vierstöckiges Hotel an der Küste des Kaspischen Meeres. Es war damals so weit von der Bucht zurückgesetzt gebaut worden, dass seine Terrasse und der hoteleigene Strand auch jetzt, als die Männer am späten Nachmittag hier eintrafen, in der Sonne lagen. Der Hotelturm nebenan, war unter der Tiberiumdurchdringung zusammengebrochen. Im Hotel war noch das Gästebuch aufgeschlagen und zeigte nach wie vor den Tag im August des Vorjahres 1962, als der Geschäftsbetrieb aufgegeben worden war. Die Zimmerschlüssel lagen noch dort auf dem Empfangstresen, wo die Gäste sie hingeworfen hatten. Die Fenster zur See waren offen geblieben und der herein gewehte Sand hatte sich in der Hotelhalle zu kleinen Dünen gehäuft, die wegen des Tiberiums grünlich schimmerten. In den Vasen waren die Blumen vertrocknet. Mokkatassen und Frühstücksgeschirr, von Mäusen blitzblank geleckt, standen auf den Tischtüchern.



    Die Forscher fuhren im Schritttempo durch den verlassenen Küstenort. Rund 20.000 Menschen hatten früher hier gelebt oder gearbeitet. Asphalt und Straßenpflaster waren aufgebrochen. Die Forscher waren nicht überrascht, dass Unkraut in den menschenleeren Straßen wucherte, hatten aber nicht mit dem Anblick von Bäumen gerechnet. Durch den Tiberiumbefall abnorm schnell wachsende Akazien aus Australien, die von den Hotels zur Landschaftsgestaltung gepflanzt worden waren, wuchsen mitten auf den Strassen, einige schon fast über einen Meter hoch. Die Ranken dickblättriger Ziergewächse krochen aus Hotelgärten, überquerten Fahrbahnen und kletterten an Baumstämmen empor. In den Läden lagen noch immer Souvenirs und Sonnencremes, im Schaufenster eines Autohändlers standen die Modelle zwischen den Scherben der Schaufensterscheiben. Halb bekleideten Schaufensterpuppen hingen die Textilien in Fetzen von den Plastikleibern, während die Kleiderständer hinter ihnen noch dicht behängt, aber mit einer dicken Tiberiumstaubschicht bedeckt waren.

    Die durchlöcherten Fassaden leerer Hotels, zehn Stockwerke zersprungener Glasschiebetüren, die auf Balkone mit Seeblick führten, Balkone, die jetzt den Elementen preisgegeben waren, hatten sich in riesige Taubenschläge verwandelt. Alles war mit Taubenkot bedeckt. Wanderratten nisteten in den Hotelzimmern, lebten von Jaffa-Orangen und einmal importierten Limonen. Der Glockenturm der früheren christlichen Gemeinde war mit dem Kot von Fledermäusen gesprenkelt. Es war den Forschern nicht begreiflich, wie die Tiere hier noch überleben konnten, wenngleich sie auch krank aussahen.



    Kontaminierte Stabfahnen wehten über die Straßen und bedeckten die Böden. Was die Wissenschaftler zunächst überraschte, war das Fehlen von Gerüchen, abgesehen von einem mysteriösen Gestank, der aus den Hotelpools aufstieg, von denen die meisten zwar ausgetrocknet waren, aber unerklärlicherweise einen Gestank verströmten, als wären sie mit Kadavern gefüllt. Um sie herum zeugten umgeworfene Tische, Stühle, zerrissene Sonnenschirme und zerbrochene Gläser von höchst gewaltsamen Ereignissen. Auffällig zwischen all der Zerstörung waren dann wieder Anblicke wie die der Wäsche, die noch immer auf einer Leine hing. Ein Lagerplatz war von Stacheldraht umzäunt, der gleichmäßig von Tiberium befallen war. Doch es gab nichts mehr zu schützen in dieser Geisterstadt. Gelegentlich fanden die Forscher Coca-Cola-Plakate und Schilder mit Preislisten an den Türen von Nachtclubs, in die keine Gäste mehr einkehrten und die auch keine mehr sehen würden. Fensterflügel standen offen, das Glas in den abblätternden Rahmen längst zersprungen. Verblendplatten aus Kalkstein waren aus den Häuserfronten geplatzt und lagen kaputt auf dem Boden. Aus den Mauern waren große Stücke heraus gebrochen und gaben den Blick auf leere Zimmer frei, deren Möbel sich scheinbar wie von Geisterhand verflüchtigt hatten. Die Farben waren allerorts stumpf geworden, der Verputz hatte in kürzester Zeit eine dumpf-gelbliche Altersfärbung angenommen, soweit er überhaupt noch vorhanden war – denn hier und da zeigten heraus gefallene Ziegelsteine an, dass sich der Mörtel bereits aufgelöst hatte. Vom Hin und Her der Tauben abgesehen, bewegte sich nur noch der knirschende Rotor der einzigen noch funktionierenden Windkraftanlage.



    Über den gesamten bereisten Städten lastete eine unerträgliche Stille auf den Forschern, die ihnen buchstäblich in den Ohren wehtat. Hier in diesem Küstenort war nur noch das unablässige Rauschen des Meeres zu hören, das nichts Beruhigendes für die Männer hatte. Der Wind, der über die offenen Fenster strich, klang wie ein Jammern. Solange keiner der Forscher sprach, war auch das Fehlen jeglicher menschlicher Stimmen beängstigend. Ständig lauschten die Männer, ob sie nicht auf bewaffnete Plünderer stoßen würden, die angeblich trotz der gesundheitlichen Gefahren im Sperrgebiet ihr Unwesen trieben. Aber wer begab sich schon freiwillig in eine solche Gruft?

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  10. #520
    Präsident Donald Avatar von MrPresident
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    Musst aufpassen, dass du nicht plötzlich den Vorherrschaftssieg einfährst.

  11. #521
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    Überall auf der Welt zerbrachen die bisherigen Institutionen, die man zuvor für so beständig gehalten hatte. Auch der Staat Russland konnte unter den Hammerschlägen der regionalen und globalen Krisen nicht der gleiche bleiben. Das Land war schon nach dem Untergang der Sowjetunion in schwieriges Fahrwasser geraten, und hier war es Wladimir Putin, der Russland während der Jahre der Tiberiumkrise seinen Stempel aufdrückte.

    Nach Jahren der Skandale, erratischer Politikgestaltung und einem allgemeinen Gefühl nationaler Malaise unter Präsident Jelzin war die Wahl Putins zehn Jahre zuvor, 1953, vielen Russen als Neubeginn in ihrer Nach-Sowjetära erschienen. Eine radikale Kehrtwende in der Administration blieb zu Beginn seiner Regierung aus, einige Mitglieder der Nomenklatura aus der Jelzinzeit konnten vorerst Amt und Würde behalten. Deren Straffreiheit war Teil der Absprachen zur Machtübergabe gewesen, und entsprechend zurückhaltend agierte Putin Mitte der 1950er in dieser Frage.

    Anders als sein Vorgänger, knüpfte Präsident Putin vielfach wieder an Russlands sowjetische Vergangenheit an. Er betonte, dass das kommunistische Regime trotz seiner Verbrechen ein wichtiger Bestandteil der russischen Geschichte sei und einen wichtigen Einfluss auf die moderne russische Gesellschaft gehabt habe. In der Folge kehrten einige sowjetische Symbole nach Russland zurück, darunter die rote Militärflagge mit dem Sowjetstern und die sowjetische Nationalhymne - allerdings mit einem anderen Text. Die Partei Putins „Einiges Russland“ erreichte bei den Parlamentswahlen am 7. Dezember 1956 einen erdrutschartigen Sieg und wurde mit 37 Prozent der Stimmen stärkste Fraktion in der Duma. Mit diesem Wahlergebnis wurde Putin massiv gestärkt. Die Wahl war nach Auffassung der OSZE korrekt abgelaufen, doch Staatsapparat und Massenmedien waren im Wahlkampf zur Unterstützung der Präsidentenpartei eingesetzt worden.

    Innerhalb des Kremls operierten nach Beobachtern zwei Gruppen. Eine rekrutierte sich aus eher nationalistisch gesinnten Elementen aus Militär-, Sicherheits- und Geheimdienstkreisen. Die andere, genannt die Familie, bestand aus Leuten, die dem früheren Präsidenten Boris Jelzin nahe standen bzw. den so genannten Oligarchen, die von Jelzins Amtszeit profitierten. Die beiden Parteien waren oft gegensätzlicher Meinung, so auch bei der Verhaftung des russischen Ölmagnaten Michail Chodorkowski. Putin versuchte, zwischen den beiden Gruppen zu vermitteln. Als sein Stabschef Alexander Woloschin, welcher der Familie zugerechnet wurde, aus Protest gegen die Verhaftung Chodorkowskis mit Rücktritt drohte, akzeptierte Putin seinen Rücktritt und ersetzte ihn durch Dmitri Medwedew, den Geschäftsführer des staatlichen Energiekonzerns Gazprom. Der Industriegigant war in den 50ern groß in das Geschäft mit der Tiberiumnutzung eingestiegen – böse Zungen behaupteten, um den Preis vieler ziviler Opfer – und führte sogar unter anderem den früheren deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder auf seiner Gehaltsliste. Schröder war der Wegbereiter einer neuen deutsch-russischen Kooperation. Das gemeinsame Forschungsteam, das auch das menschenleere Kasachstan bereist hatte, war eines der daraus entstandenen Projekte. Geleitet wurde die Abteilung für Xenotechnologie durch Professor Zakharov, der innerhalb des Gazprom-Konzerns als DER Spezialist der kommerziellen Tiberiumnutzung galt.


    Akademiemitglied Prokhor Zakharov, energiepolitischer Berater der russischen Regierung

    Bei den Präsidentschaftswahlen am 14. März 1958 hatte Wladimir Putin mit 71 Prozent der Stimmen und ging so in eine zweite Amtszeit. Beobachter konnten keinerlei Unregelmäßigkeiten im Wahlablauf feststellen, kritisierten jedoch die starke Chancenungleichheit der Kandidaten infolge der vielfach staatlich kontrollierten Medien, die im Vorfeld für Putin geworben hatten. Im November 1958 unterzeichnete Putin das Berliner Protokoll zum Tiberiumschutz und schloss damit den Ratifizierungsprozess in Russland ab.



    Nach der russischen Verfassung durfte der Präsident nur zwei Amtszeiten von jeweils fünf Jahren bekleiden. Dies bedeutete, dass nach der geltenden Rechtslage im Jahre 1963 ein neuer Präsident in den Kreml einziehen musste. Dafür war der von Putin unterstützte bisherige Vize-Ministerpräsident Dmitri Medwedew vorgesehen. Anfang 1963 gab Putin bekannt, dass er im Fall des Wahlsieges Medwedews das Amt des Regierungschefs übernehmen werde, was er nach dessen Wahlsieg im März 1963 noch einmal bekräftigte. Mit der von ihm angeführten Partei Einiges Russland erreichte Putin bei den Wahlen im Dezember 1963 eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Duma. Mit dieser Mehrheit konnte die Partei jederzeit den Präsidenten der Republik mit einem Amtsenthebungsverfahren absetzen. Die Verfassung war damit formal befolgt, aber faktisch ausgehebelt. Kritische Beobachter beschrieben die russische Demokratie unter Putin als „Konglomerat aus mafiosen Unternehmern, den Rechtsschutzorganen, der Justiz und der Staatsmacht.“ Die Stärkung der Geheimdienste, die Verfilzung von organisierten Verbrechen, Polizei und Justiz, die staatliche Duldung rassistischer und neofaschistischer Organisationen, die brutalen und korrupten Verhältnisse in der Armee würden zwar nicht das System Putin selbst ausmachen, aber die besorgniserregenden Entwicklungen in Russland beschreiben. Letztlich, hieß es, sei es aber so, dass mit Putin der KGB die Herrschaft in Russland übernommen hatte. Dadurch waren bis 1963 auch die Methoden und Ziele des KGB wieder tonangebend geworden, was die Kontrolle aller Lebensbereiche bedeutete.



    Die Volksrepublik China war schon vor der Tiberiumkrise autoritär gewesen. Jetzt waren die USA und Russland seinem Beispiel in gewisser Weise nachgefolgt und hatten im Strudel des weltweiten Niedergangs ihre demokratischen Institutionen preisgegeben. Man hatte in der ersten Hälfte des Jahrhunderts geglaubt, dass der Siegeszug der Demokratie und des politischen Liberalismus nicht mehr aufzuhalten seien. Jetzt zeigte sich, dass es die autoritären Staaten waren, die sich als geeignete politische Alternativen in der Krise empfahlen.

    Einen anderen, aber nicht minder undemokratischen Weg ging Westafrika, das Zentrum des westlichen Kapitalismus. Dieses Land hatte im Zuge des Raumschiffbaus am meisten von den globalisierten Anstrengungen profitiert. Nirgendwo sonst war der Einfluss von Banken und Finanzwesen auf staatliche Entscheidungen so groß wie hier. Mittels moderner EDV ließen sich an der Börse in Westafrika Milliardenbeträge innerhalb von Sekunden über den Globus verschieben. Die Finanzunternehmen standen dabei als Folge der Globalisierung selbst in einem intensiven globalen Wettbewerb um möglichst rentable Anlagemöglichkeiten. Dies führte dazu, dass sie ihrerseits Geldanlagen mit dem Ziel hoher Profite tätigten und so – auch bereits vor dem Ausbruch der Tiberiumkrise - soziale Aspekte in den Hintergrund traten

    Westafrika setzte vor allem die Öffnung der Märkte und die Schaffung von Freihandelszonen und gab quasi alle Waren und Dienstleistungen, einschließlich der Bildungseinrichtungen, des öffentlichen Verkehrswesens und der Güter der Grundversorgung zum Kauf und Verkauf auf dem Markt frei. Das führte so weit, dass ein Begriff wie der der Freiheit sich vornehmlich auf die Freiheit von Märkten und Geschäftsbeziehungen konzentrierte, diejenige in der Definition von Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten, ökologischen Standards oder Demokratie aber unberücksichtigt blieben. Der Bürger hatte in dieser Ordnung, im Gegensatz zu den Lobbygruppen der Wirtschaft, schwindenden Einfluss. Durch die liberale Wirtschaftspolitik kam es weltweit – nicht nur in Westafrika - zu einer Zunahme der sozialen Ungleichheit sowohl zwischen als auch innerhalb einzelner Länder. Aber besonders die Entwicklung in Westafrika während der Tiberiumkrise verdeutlichte das Entstehen einer neuen „globalen Klasse“ und das Aufkommen eines neuen Autoritarismus, die die Freiheit der Menschen gefährdete, weil ihr keine ausreichend starke politische Gegenkraft mehr gegenüberstand

    Weniger persönlicher Reichtum als vielmehr die Konzentration von finanzieller Verfügungsmacht und massenpsychologischer Einflussmacht in relativ wenigen Händen entwickelte sich in Westafrika zu einer ernsten Gefahr für eine offene Gesellschaft. Die hohe Geschwindigkeit der Übermittlung von Verfügungen, Daten und Nachrichten sowie deren massenhafte Verbreitung lösten binnen sehr kurzer Zeit enorme Dominoeffekte aus. Spekulation und Leichtfertigkeit brachten die Unternehmen und Banken in Gefahr und zwangen den westafrikanischen Staat zum Eingreifen. Die Finanzwirtschaft war in Westafrika ein derart zentraler Faktor geworden, dass sich die Regierung in Gao Anfang der 1960er Jahre gezwungen sah, ein gigantisches Rettungspaket aus Steuergeldern zu ihrer Rettung zu verabschieden. Im Gegenzug verhinderte die Wirtschaft aber Gesetze, die ihnen Fesseln auferlegt hätten.


    Direktor Nwabudike Morgan, CEO Morgan Industries

    Von den Investmentfonds aller Arten standen einige – vor allem die Aluminium Corporation in Jenne und ihre Muttergesellschaft Morgan Industries, weiterhin weder unter Bank- noch Wertpapieraufsicht. Der Staat hatte sich durch sein Rettungspaket finanziell vielmehr verausgabt und sich der eigenen Industrie ausgeliefert. Bedingt durch die Finanzkrise und dem Abbau von staatlichen Prüfern funktionierten in Westafrika weder Aufsichts- noch Steuerbehörden.



    Das Land erlebte stattdessen eine Privatisierungs- und Fusionswelle. Daran verdienten Investmentbanken, Wirtschaftsprüfungsfirmen, Anwaltsfirmen und andere Berater (darunter auch so genannte Analysten) noch einmal hohe Honorare und Gebühren. Sie verbreiteten die Ideologie, jede Fusion schaffe Synergie-Effekte – häufig genug wurde aber lediglich der westafrikanische Staat um Subventionen erleichtert oder um Steuereinnahmen gebracht. „Leveraged Buy-out“ (LBO) gehörte 1964 zum Mittel der Stunde, also die schuldenfinanzierte Firmenübernahme. Der rücksichtslose Gebrauch der Macht einiger Manager großer Verbände, Konzerne, Geldinstitute und Medienkomplexe war in Westafrika nicht nur zu einer ernsten Gefahr für den Bestand der offenen Gesellschaft geworden: Die gewählten Politiker in Parlament und Regierung Westafrikas verbündeten sich sogar mit dem Missbrauch.
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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  12. #522
    sumerischer Tukangott Avatar von Nanna
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    He du hast ja gar nichts über den Bananensplit geschrieben!!!
    Wer keine rundenbasierten Spiele mag, sondern lieber Echtzeit spielt sollte hier die Finger von lassen.

    Tukan Power!!!

    Prinz Sejong Aufbruch im Land der Morgenstille

  13. #523
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
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    Oh mann, das wollte ich eigentlich auch! Aber ich habe es vergessen. So als Zwischenkapitel... Rise of Morgan Industries - the empire of Nwabudike Morgan:

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

  14. #524
    2nd Runner
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    geile story

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  15. #525
    Registrierter Benutzer Avatar von Mark
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    In Deutschland hielt man trotz aller Probleme bemerkenswert beständig an den freiheitlichen Strukturen fest. Mit Angela Merkel war eine Frau Kanzlerin geworden, die eine naturwissenschaftliche Ausbildung genossen und wohl auch deshalb eine andere Sichtweise auf die Probleme hatte. George W. Bush empfahl seinen Landleuten dagegen das Gebet als geeignetes Mittel gegen das Tiberium. Die Wirtschaftsmächtigen in Afrika interessierten sich vor allem für die industrielle Nutzung des Tiberiums und dessen Ausbeutung. In Russland erforschte man das Tiberium ebenfalls, konzentrierte sich dabei aber vor allem auf mögliche Verfahren zur rückstandlosen Dekontamination der verseuchten Gebiete – nach russischer Manier ohne Rücksicht auf die Verluste unter der eigenen Bevölkerung, die die geplanten drastischen Maßnahmen mit sich bringen mussten. Merkel förderte dagegen Forschungsarbeiten, die sich mit der Milderung der negativen Folgen des Tiberiums sowie dem besseren Verständnis zum Leben MIT der veränderten Umwelt beschäftigten. Sie war der Überzeugung, dass die Menschheit das Vorhandensein des Tiberiums auf dem Planeten akzeptieren müsse und es daher am besten sei, sich mit den gegebenen neuen Umweltbedingungen abzufinden und Wege zu finden, sich entsprechend anzupassen.

    Im Jahre 1965 gelangen deutschen Forscher in dieser Hinsicht tatsächlich erste Erfolge bei der Tiberiumforschung. Maßgeblichen Anteil daran hatten die Versuche im Gebiet der Gentechnologie. Diese waren jene Methoden und Verfahren der Biotechnologie, welche auf den Kenntnissen der Molekularbiologie und Genetik aufbauten und gezielte Eingriffe in das Erbgut (Genom) und damit in die biochemischen Steuerungsvorgänge von Lebewesen oder viraler Genome ermöglichten. Sie umfasste die Veränderung und Neuzusammensetzung von DNA-Sequenzen im Reagenzglas oder in lebenden Organismen sowie das künstliche Einbringen von DNA in lebende Organismen. Obwohl es große Gemeinsamkeiten zwischen den verwendeten Methoden gab, differenzierten die Forscher nach den verschiedenen Anwendungsbereichen ihrer Erkenntnisse.

    Die Grüne Gentechnik fand ihre Anwendung bei der Erbgutveränderung von Pflanzen, um sie gegen Tiberiumbefall widerstandsfähiger zu machen. Als Rote Gentechnik galten die Eingriffe bei Organismen mit rotem Blut (Wirbeltieren) oder Zellen aus diesen Organismen. Daraus entstand die Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten in der Medizin und der Pharmazeutik – nicht nur für den Menschen, sondern auch bei Nutztieren. Die Weiße Gentechnik widerrum beschäftigte sich mit der Anwendung bei Industrieprozessen, speziell von Methoden zur Tiberiumraffinierung oder der Neutralisierung des Tiberiumstaubs, der besonders für die Ausbreitung der Kontamination verantwortlich war. Diese drei Verfahren brachten Deutschland jeweils einen Gesundheitspunkt für die Bevölkerung ein (+3 in allen Städten).



    Nachdem wir einen Blick auf die Zivilisationen USA, Russland und Westafrika geworfen haben, blicken wir als nächstes auf die Entwicklungen in China. Wirtschaftlich und militärisch hatte es das Reich in den vergangenen Jahrzehnten geschafft, sich aus der Rückständigkeit zu befreien und zur Großmacht aufzuschwingen. Die Absprachen mit dem Westen, bei denen es um die Besetzung des UN-Sicherheitsrates und dem Umgang mit Arabien ging, hatten es der Volksrepublik ermöglicht, den Fernen Osten und Indien mit eiserner Hand zu dominieren. Die Tiberiumverseuchung hatte aber auch Peking zu schaffen gemacht – das wurde deutlich, als sich verschiedene Völker Asiens gegen die chinesische Herrschaft erhoben und die Rufe nach kultureller Autonomie oder, im Falle Indiens sogar nach Unabhängigkeit, laut wurden. Wie würde Peking auf diese Herausforderungen reagieren, fragte man sich in Berlin. Mit Spannung wurde der Parteikongress der KP Chinas im Jahre 1965 erwartet.

    In der Volksrepublik China verordnete die kommunistische Partei dem Land auf diesem 16. Parteikongress unter dem Generalsekretär und Staatspräsident Yang Zemin eine Zweite Kulturrevolution. Bevor man ein Reich dieser Größe schaffen und bewahren wolle, sollte zunächst der Kern der chinesischen Bevölkerung eine vorbildliche Gesellschaft bilden. Yang Zemin kündigte an, dass China sich zukünftig zuallererst dem Wohl der eigenen Bürger widmen wolle – freilich ohne dabei die politische Macht aus den Händen zu geben. Obwohl im Ausland schon vorher erkennbar gewesen war, dass China wegen der Tiberiumverseuchung weiter Gebiete Probleme hatte, weiterhin seiner Herrschaft in dem entfernten Indien Geltung zu verschaffen, kam dieser Kurswechsel sehr überraschend. Man wolle sich vom „vulgären Marxismus“ endlich trennen, hieß es in der von Yang Zemin vorgelegten Theorie des „Dreifachen Vertreten“. Die KP China betrachtete sich nun als Volkspartei offen sowohl für die Bauern, die Arbeiter und nun auch für die Intellektuellen. Ziel seiner Politik sei es unter anderem, kündigte Yang Zemin an, die zunehmenden Disparitäten im Land zu verringern und eine harmonische Gesellschaft zu schaffen. Des Weiteren wurde auf dem 16. Parteitag 1965 ein wissenschaftliches Entwicklungskonzept beschlossen, das eine ausgeglichene und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Zeiten des Tiberiums ermöglichen sollte.

    Weiter hieß es in den Beschlüssen des Parteikongresses: Die KP China strebe wirtschaftlichen, technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt an und arbeite daran, dass in den nächsten Perioden die Armut der Wanderarbeiter gelindert werde. Sie setzte sich für die Abwendung der ökologischen Katastrophe, die durch das Tiberiumwachstum drohte, ein. Die KP Chinas erstrebe die Vereinigung aller Chinesen und eine Integration der westlichen Provinzen (Indien und Sinkiang) an, respektiere aber auch oppositionelle Gruppen und ihre kulturellen Unterschiede. Die Großmachtstellung Chinas setze außerdem eine (militärische) Expansion in den Weltraum voraus. Der angekündigte teilweise Rückzug der Chinesen aus Indien war politisch eine Sensation, doch eigentlich blieb Peking unter den ökologisch katastrophalen Umständen nicht viel anderes übrig. Zu Millionen waren Menschen aus Korea, der Mongolei oder der Mandschurei vor dem Tiberium in das Land geflohen. Die Kommunistische Partei Chinas musste seine Ingenieure, Berater und Soldaten zwangsläufig auf das eigene Territorium zurückziehen, um selber bestehen zu können. Gleichwohl beobachten die Chinesen eifersüchtig die weitere Entwicklung Indiens.



    Dass China seine dominante Rolle in Indien nur notgedrungen aufgeben musste und der Rückzug nicht Zeichen einer veränderten Außenpolitik war, sah man 1965, als Peking den Unabhängigkeitsplänen Taiwans ein für alle mal ein gewaltsames Ende setze. Früher war die Inselrepublik durch die USA und Japan geschützt worden, aber jetzt konnten beide Länder nicht mehr für sie garantieren. China hatte Taiwan seit langem als abtrünnige Provinz gebrandmarkt – ein schwerer Vorwurf bei einem Volk, das nichts mehr als den Rückfall in die Zeiten der einander bekriegenden chinesischen Teilreiche fürchtete.



    Es war aber erkennbar, dass Indien nicht auf sich alleine gestellt mit den Herausforderungen der Zeit bleiben konnte. Der Untergang Afghanistans hatte bereits ein düsteres Vorzeichen dessen gegeben, was auch Indien als Nation blühen konnte. Merkel sorgte für einen ordentlichen außenpolitischen Eklat, als sie am 23. September 1965 den Dalai Lama im Berliner Bundeskanzleramt empfing. Das Treffen mit dem geistlichen Oberhaupt Indiens war von ihr als „privater Gedankenaustausch“ mit einem religiösen Führer bezeichnet worden und sollte nicht als politische Stellungnahme zu den Autonomiebestrebungen Indiens verstanden werden. Trotzdem zeigte sich die Volksrepublik China verstimmt und sagte mit dem Hinweis auf „technische Probleme“ mehrere offizielle Termine auf ministerieller Ebene ab. Merkels außenpolitischer Berater konnte die Wogen wieder glätten, indem er dem chinesischen Botschafter versicherte, dass Deutschland seine China-Politik nicht ändern werde und die territoriale Integrität Chinas außer Frage stehe. Merkels Politik der folgenden Jahre sollte zeigen, dass dies eben nicht der Fall war.

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    Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten, und er wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viele verderben und wird sich auflehnen wider den Fürsten allen Fürsten.

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